Thaddäus hat geschrieben:
Das Hirn im Tank-Gedankenexperiment erfordert allerdings - damit es überhaupt sinnvoll sein kann -(!), die Annahme einer realen Welt, in der sich Gedanken, Sätze, Wörter und Begriffe tatsächlich auf reale Gegenstände beziehen können.
So kann man verschiedene Stufen von Realität schaffen, einverstanden. wenn man will, ganze Leitern von Realitäten, wie Zwiebelschichten.
Aber das bringt uns der Frage, gibt es eine Realität jenseits dessen, was Sinnesorgane liefern? - nicht näher.
Die Essenz des Gehirn-im-Tanks-Gedankenspiels ist mE genau das, dass Realität das ist, was ich wahrnehme - und dass diese Realität immer relativ ist, abhängig von der Schärfe und dem Umfang der Sinnesorgane, meinem Vorwissen (egal ob korrekt oder nicht), meinen geistigen Filtern, die den sensorischen Input interpretieren.
Kurzum: wenn es auch mindestens ein Gehirn gibt, das in einer realen Welt existiert mit realen Gegenständen, auf die sich seine Gedanken und seine Sprache beziehen können.
Es gibt für die Sinne immer nur jene Welt, in der sie Daten geliefert bekommen. Ganz egal, auf welcher Stufe von Realität man sich befindet. Womöglich bin ich auch nur ein Schmetterling, der träumt, Mensch zu sein. womöglich ist, in einem absoluten und nicht relativen Sinn, die Welt meiner Träume in der Nacht realer als die Welt meines nüchternen Wachbewusstseins?
Natürlich! Ich kann einer Sinnestäuschung unterliegen, mich im LSD-Rausch befinden oder einen psychotischen Schub haben: dann kann es sein, dass ich mir einbilde, Sachverhalte und Gegenstände seien wirklich bzw. wahr.
Tatsächlich sind sie aber nicht real und auch nicht wahr.
Es wäre auch erst noch zu beweisen, dass nüchternes Wach-Bewusstsein (womöglich Kaffeegedopt) die echtere, realere Form von Bewusstsein ist als jene im Rausch, oder in der Müdigkeit, oder im Traum.
In der Tat kennt die Menschheit ja eine sehr lange und extrem umfangreiche Tradtion an bewussteinsverändernden Techniken, um jenseits des nüchternen Wachbewusstseins an grössere, realere Wahrheiten ranzukommen.. um für eine Weile aus dem "Tank" rauszukommen, und ihn von aussen betrachten zu können.
Wenn ich jedoch nicht im Rausch bin, keinen psychotischen Schub habe und keiner Sinnestäuschung unterliege, dann bezieht sich meine Rede über meinen Küchentisch auf einen realen Küchentisch und die darauf liegende Mermaid von gestern Abend gehört nicht zu dieser Realtät.
Man kann genauso argumentieren, dass der Rausch von gestern dir erst die echte Wahrnehmung der absolut echten Realität zeigte, und du heute bloss wieder in diesem abgestumpften Wahrnehmungsbereich bist, wo du das meiste nicht mitkriegst. Auch nicht die Meerjungfrau, die nach wie vor auf dem Tisch sitzt, und du bist so unhöflich und stellst die Butter mitten durch ihren Bauch, was sie noch nie gemocht hat.
Und die überaus spannende Frage ist, ob es irgendeine (logische (oder andere)) Möglichkeit gibt, aus dieser erkenntnistheoretischen Falle herauszukommen?
Es ist Putnam zumindest hoch anzurechnen, dass er keine gedanklichen Mühen scheut, einen Ausweg zu finden! Ob er eine brauchbare Lösung gefunden hat, dass muss man dann eben diskutieren.
Eben, die traditionelle Variante ist, das Erzeugen von veränderten Bewusstseinszuständen, was den Menschen öffnet für Erkenntnisse "ausserhalb des Tanks". Erzeugt werden diese veränderten Bewusstseinszustände durch so vielfältige Methoden wie diverse Drogen, Gebrauch von Musik, Einsamkeit, Sinnesentzug, Fasten in verschiedenen Formen, das Zufügen von rituellen Wunden, rituelle Krankheiten und vieles andere mehr. Wobei in der Regel jene Welt ausserhalb der sinnlichen Wahrnehmuingen und die Erkenntnisse, die bei diesen Reisen gewonnen werden, als die echtere Realität gelten als die Realität der Sinne.
grüsse, barbara