So nah und doch so fern?

closs
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#271 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Do 3. Okt 2013, 19:40

sven23 hat geschrieben:dann würde Gott den Menschen nur einen freien Willen vorgaukeln, das könnte man auch als Lüge bezeichnen.
Davon abgesehen, dass ich eh ein sehr distanziertes Verhältnis zu menschengemachten "Einrichtungen" wie "freier Wille" habe, ist das logisch falsch. Nochmals: "jetzt ließ ich es kommen. So konntest Du befestigte Städte zerstören - Gott lässt es kommen, weil es von ihm (!) geplant ist - der Mensch ist der Macher, der (meinetwegen mit "freiem Willen") macht - "so konntest Du".

Dazu gibt es das Futur II in der deutschen Sprache: "Du, Sven oder Hemul, wirst morgen um 17:30 h überraschend einen Schulkollegen namens Olaf getroffen haben und mit ihm ein Bier getrunken haben und deshalb ein geplanten Arzttermin versäumt haben - ich (Gott) weiß das jetzt schon". - Und wenn dann morgen einer von Euch Olaf treffen wird, dann wird er beim Entscheiden, lieber ein Bier zu trinken als zum Arzt zu denken, NICHT das Gefühl haben, dass er unfrei oder bevormundet ist.

Es ist ganz einfach menschen-flach, wenn man meint, dass sich beides (Fügung und "Wille") ausschließt.

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sven23
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#272 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Do 3. Okt 2013, 19:58

closs hat geschrieben:.

Es ist ganz einfach menschen-flach, wenn man meint, dass sich beides (Fügung und "Wille") ausschließt.

Nee,nee, nenn es flach oder wie auch immer, Prädestination und freie Entscheidung gehen nicht zusammen. Der Mensch wäre nur Marionette in einem gigantischen Puppentheater. Das wäre ein ziemlich zynischer Gott.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#273 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Do 3. Okt 2013, 20:04

sven23 hat geschrieben: Prädestination und freie Entscheidung gehen nicht zusammen
Hast Du mein Beispiel mit Olaf nicht verstanden? - Wo ist da Deiner Sicht nach der Fehler?

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sven23
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#274 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Do 3. Okt 2013, 20:17

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Prädestination und freie Entscheidung gehen nicht zusammen
Hast Du mein Beispiel mit Olaf nicht verstanden? - Wo ist da Deiner Sicht nach der Fehler?

Der Fehler liegt darin, daß Gott die Zukunft vorausbestimmt und Olaf nur das Gefühl hat, frei zu entscheiden. Das ist aber keine echte Freiheit oder Entscheidung, sondern Olaf wird zum ungewollten und unbewußten Erfüller göttlicher Vorherbestimmung. Das kanns doch wohl nicht sein?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#275 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Do 3. Okt 2013, 20:49

sven23 hat geschrieben: und Olaf nur das Gefühl hat, frei zu entscheiden.
Er hat die Wahrnehmung, frei zu entscheiden - meinetwegen sogar die objektiv darstellbare Wahrnehmung :devil:

sven23 hat geschrieben:Das ist aber keine echte Freiheit oder Entscheidung
Das gibt es eh nicht.

sven23 hat geschrieben: zum ungewollten und unbewußten Erfüller göttlicher Vorherbestimmung
Nein - es ist keine "Bestimmung" (deshalb ist mir "Fügung" lieber). Der Mensch "entscheidet" (wahrnehmungsmäßig) tatsächlich ohne Fremdbestimmung. - Aber es ist so "gefügt", dass etwas heraus kommt, was Gott vorher bekannt ist. - Ehrlich: Ich kann mir das gut vorstellen. - Beispiel:

Gott weiß, dass Du am 31. Oktober 2054 um 14:31 Uhr und 12 Sekunden nießen wirst - das hat Überzeitlichkeit so an sich, dass sie allpräsent ist - dass also alles, was wir "Zeit" nennen, für ihn "gleichzeitig" ist. - Hat Frank Tipler sogar mal mathematisch/physikalisch nachvollzogen (aber davon soll es nicht abhängen - nur für Dich, weil er Naturwissenschaftler ist).

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#276 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Münek » Do 3. Okt 2013, 21:32

War nix, sorry!

Ich setze noch mal an!

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#277 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Münek » Do 3. Okt 2013, 21:56

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Dazu gibt es das Futur II in der deutschen Sprache: "Du, Sven oder Hemul, wirst morgen um 17:30 h überraschend einen Schulkollegen namens Olaf getroffen haben und mit ihm ein Bier getrunken haben und deshalb ein geplanten Arzttermin versäumt haben - ich (Gott) weiß das jetzt schon". - Und wenn dann morgen einer von Euch Olaf treffen wird, dann wird er beim Entscheiden, lieber ein Bier zu trinken als zum Arzt zu denken, NICHT das Gefühl haben, dass er unfrei oder bevormundet wird

Hi Kurt,

ich gebe Dir in diesem Falle recht.

In Deinem Beispiel wird sich Olaf ganz gewiss nicht unfrei oder bevormundet
fühlen (obwohl es nach Deiner Meinung festzustehen scheint, wie er sich ent-
scheiden wird). Er wird auch von niemandem - auch nicht von Gott - bevor-
mundet oder in seiner freien Entscheidung in irgendeinerweise eingeschränkt
werden!

Er entscheidet ohne Fremdbestimmung! Okay! Einverstanden!

Das heißt aber natürlich auch - um jeglichem Missverständnis vorzubeugen
- dass Gott selbst in keinem Fall darüber entscheidet oder es gar vor ewigen
Zeiten festgelegt hat, welcher Mensch, welche arme "Seele" der ewigen Ver-
dammnis anheimfallen wird.

Die unselige missverständliche paulinische Lehre der "Prädestination" (gött-
liche Vorherbestimmung, welcher Mensch nach seinem Tod das ewige seli-
ge Leben oder ewige höllische Qualen erleben wird ) ist eine Kopfgeburt die-
ses Fanatikers.

Stimmst Du mir zu?

Lieben Gruß

Münek

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#278 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Münek » Fr 4. Okt 2013, 00:51

Hallo zusammen,

nicht nur Theologen, auch Religionswissenschaftler haben zu unserem
Threadthema was beizutragen. So stellte der Religionswissenschaftler Fried-
rich Heiler
in seinem Buch "Der Katholizismus", S. 22, fest:

"Jesu felsenfeste Überzeugung von dem baldigen Kommen des Gerichtes
und der Vollendung wird heute von keinem ernsten und unbefangenen For-
scher mehr bestritten
".

-----------------------------------------------------------------------------------------------

Diese Erkenntnisse jedoch werden weder auf der Kanzel im Gottesdienst
noch im katholischen Firmunterricht oder im evangelischen Katechumen- und Konfir-
mandenunterricht oder im schulischen Religionsunterricht den Gläubigen, den Kindern
und Jugendlichen zur Kenntnis gebracht!

Diese Erkenntnisse werden den (dummen) "den Schafen" schlicht vorenthalten!

Was ist das für eine merkwürdige Religion, die ernstzunehmende, zwar entgegen-
stehende, aber durchaus sehr gut begründete und akademisch abgesegnete Überzeu-
gungen den Menschen - ob klein oder groß - verschweigt und damit vorenthält?

Das frage ich mich nicht erst seit heute!

Lieben Gruß

Münek
Zuletzt geändert von Münek am Fr 4. Okt 2013, 01:01, insgesamt 3-mal geändert.

closs
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#279 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von closs » Fr 4. Okt 2013, 00:53

Münek hat geschrieben:Stimmst Du mir zu?
Insofern ja, dass ich Allversöhner bin. - Wäre ich das nicht, gäbe es auch eine Lösung: Denn dann stünde das Wort "beschlossen" dafür, dass Gott mit diesem Be-Schluss das enden lässt, was der Mensch "frei entschieden" hat - das ginge auch - ist aber nicht meine Richtung.

Nach meiner Auffassung erkennt der Mensch irgendwann im Licht der absoluten Erkenntnis, was er im Leben getan hat und nicht getan hat. Die Summe daraus hat ihn entweder gar nicht nah oder ziemlich nah an die Wahrheit, also an Gott, gebracht, wobei wir der Einfachheit halber "Gott" nicht als irgendeinen ursprünglich israelitischen Volksgott verstehen wollen, sondern als "Liebe". - Liebe wiederum wäre OBJEKTIV definiert als Vereinigung von Allem (Gott und Mensch), wobei "Alles" ein anderes Wort ist für "Holon" (das Ganze - whole/holy/heilig) ist. - SUBJEKTIV wäre Liebe definiert als Sehnsucht danach oder Kampf dafür - denn im Dasein gibt es diese Erfüllung per Definition NICHT vollständig. - Der Mensch würde also daran gemessen und sich erkennen in Bezug auf: Wo habe ich im Leben nach Liebe gesucht und sie gegeben - wo nicht.

"Gemessen werden" wäre nun ein Synonym für das, was man oft als "Gericht"/"richten" bezeichnet findet (oft im Bibeltext selbst). - In meinem geistigen Verständnis steht "richten" NICHT für hin-"richten" (Rübe ab), sondern für aus-"richten" (so wie ein Chirurg einen defekten Knochen "richtet"). - Das wäre nun nur ein deutsches Wortspiel, würde in urtextnaher Übersetzung das, was man in "normalen" (also kontaminierten) Übersetzungen mit "richten" übersetzt, dort nicht als "bewahrheiten" übertragen sein - mit anderen Worten: Die urtextnahe Übersetzung geht genau in den Sinn von aus-"richten" - wie beim Chirurgen - also heilen - also zum Ganzen, zum Holon hinführen. - Insofern wäre "Richten" eine erzwungene Heiligung.

WAS da "gerichtet" wird, weiß keiner vom anderen. - Wir können NICHT entscheiden, ob Mahatma Gandhi besser wegkommt als Stalin - ich habe da zwar eine klare Meinung dazu, aber selbige ist geistig vollkommen irrelevant - denn es handelt sich hier um einen intimen Vorgang zwischen Gott (Ursprung und Endpunkt des Menschen) und Mensch. - Was gerichtet wird, ist das persönliche Versagen zwischen eigenen Möglichkeiten und eigener Umsetzung davon - ist die Kluft zwischen Ist und Soll groß, gibt es viel Leid - ist sie nicht so groß, gibt es wenig(er) Leid.

Ist diese Phase der inneren und schmerzhaften Reinigung vorbei, ist man in einem Status, in dem man erkennt, wie man immer erkannt war.

Münek hat geschrieben:Die unselige missverständliche paulinische Lehre der "Prädestination"
Ich weiß nicht, was Paulus gemeint hat. - Gehe mal davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit einer nachträglichen Kontamination groß ist. - Was ich allein im AT an sinnentstellenden Unterschieden zwischen meiner Buber-Übersetzung und den üblichen Übersetzungen gefunden habe, passt auf keine Kuhhaut.

Wer 1.Kor. 13,1-13 verstanden hat, hat Gott verstanden (soweit ein Mensch Gott verstehen kann).

Oje - das war jetzt das Wort zum Sonntag. :oops:

Münek hat geschrieben:"Jesu felsenfeste Überzeugung von dem baldigen Kommen des Gerichtes und der Vollendung wird heute von keinem ernsten und unbefangenen Forscher mehr bestritten". (Heiler)"
In einem sind wir uns einig: WÄRE es so, spräche dies dafür, dass die Juden recht hätten, Jesus also nicht eine Selbstoffenbarung Gottes wäre.

Ansonsten bin ich misstrauisch, weil theologische Gewissheiten keine geistigen Gewissheiten sind. - Unabhängig davon würde mich als erstes mal interessieren, wie da die Bandbreite innerhalb der Theologie ist - es liegt nahe, dass der nächste Theologe sagt, dass "von keinem ernsten und unbefangenen Forscher mehr bestritten" wird, dass sich diese Diskussion erledigt hat. - Reine Spekulation - wäre aber typisch.

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Magdalena61
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#280 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Magdalena61 » Fr 4. Okt 2013, 01:37

Münek hat geschrieben:Die unselige missverständliche paulinische Lehre der "Prädestination" (gött-
liche Vorherbestimmung, welcher Mensch nach seinem Tod das ewige seli-
ge Leben oder ewige höllische Qualen erleben wird ) ist eine Kopfgeburt die-
ses Fanatikers.
Wer ist der Fanatiker?
Paulus?
LG
God bless you all for what you all have done for me.

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