Pluto hat geschrieben:Novalis hat geschrieben:Hier sagt ein Muslim:
Islam und Extremismus sind zwei verschiedene Dinge mit einer großen Lücke ohne Brücke.
Das Problem ist ein anderes: Es wird nicht zwischen Religion und Staat unterschieden (siehe Iran).
Zweifellos stellt sich aus moderner Perspektive die Frage nach der Kompatibilität des Islam mit einer Demokratie, die eine Trennung von Staat und Religion beinhaltet. Viele Menschen im Westen befürchten die Einführung der „
Scharia“. Doch was bedeutet dieser Begriff eigentlich? „
Weg zur Tränke bzw. Wasserstelle“, womit das religiöse Gesetz gemeint ist, welches im Falle eines Muslim den Koran, die Sunna (Praxis des Propheten) und Hadith (Aussprüche des Propheten Muhammad) umfasst. Mit einem Weg zur Wassertränke wird es verglichen, denn „
das Heil, zu dessen Erwerb Gott die Gelegenheit bietet, gleicht einer Tränke in der Wüste“ (
Tilman Nagel. Das islamische Recht. Eine Einführung. WVA-Verlag Skulima: Westhofen, 2001, S. 4) und es ist tatsächlich so, dass ein gläubiger Muslim nicht trennt zwischen seinem religiösen und weltlichen Leben. Doch weshalb sollte das unvereinbar mit einer Demokratie sein? Dazu gehört die Religionsfreiheit. Interessant ist übrigens, dass der Begriff „
Scharia“ im Koran nur ein einziges Mal (Sure 45,18) erwähnt wird und dort ist sie auch kein kodifiziertes Gesetzbuch, wie etwa unser „
Bürgerliches Gesetzbuch“. Sie ist vielmehr ein Regelwerk für das religiöse Leben, eine Wegweisung für ein gelingendes Leben, eine Lehre, mittels der die Menschen zum spirituellen Ziel ihres Daseins geführt werden sollen: und dazu verpflichtet ein Muslim sich freiwillig.
Da sich in den ersten Jahrzehnten nach Muhammads Tod der Islam bis nach Spanien und Zentralasien ausdehnte (worüber die Muslime vermutlich selbst sehr überrascht waren

), haben die Gelehrten ein islamisches Rechtssystem entwickelt, weil sie plötzlich innerhalb kürzester Zeit eine funktionierende Verwaltung aufbauen mussten. Die arabische Stammesgesellschaft des 7. und 8. Jahrhunderts kannte noch kein verfasstes Staatswesen im modernen Sinne. Aus unsrer heutigen Sicht ist es sicherlich ein archaisches Recht. Ich denke, dass Recht und Rechtsprechung immer weiterentwickelt und modernisiert werden müssen und es darf niemals zu einem monolithischen Block erstarren. Es ist wenig bekannt, dass der Islam überhaupt kein bestimmtes Konzept eines „islamischen“ Staates vorschreibt, denn der Staatsbegriff im modernen Sinne entstand erst an der Wende zum 19. Jahrhundert.
closs hat geschrieben:Was die Trennung von Religion und Staat angeht, ist Europa am weitestens voraus - schau Dich nur mal in Frankreich und Deutschland um.
Mit Sicherheit braucht es eine “
Reformation des Islamsâ€. Das sehen alle gebildeten Muslime so mit denen ich mich unterhalten habe. Auf alrahman.de findet man viele sehr gute Beiträge zu diesem Thema. Sie argumentieren für eine säkulare Staatsform.
Man solle sich einmal vorstellen, was beispielsweise in Deutschland geschähe, wenn man die Trennung von Staat und Religion aufheben würde und ein im Kompromiss zwischen Katholiken und Protestanten entstandene Gesetz der christlichen Mehrheit der muslimischen Minderheit aufzwängen würde. Was wäre die Reaktion der Muslime in Deutschland? Also wäre es auch im Sinne des Islams und seines Propheten, der gesagt haben soll: „Und wünsche für die Menschen das, was du für dich selbst wünschst, so bist du ein Muslim.“
Den Kapitalfehler, den religiöse Fanatiker begehen, ist der, dass sie Säkularismus mit Gottlosigkeit gleichsetzen. Ist das aber eine kluge Schlussfolgerung? Keines Falls, denn durch die Trennung von Staat und Religion wird der Verwaltungsapparat eines Staates nicht automatisch zu einem religionsfreien Raum. Der Staat wird nach wie vor von Menschen geführt, die einer Religion oder einer Weltanschauung angehören. Die Neutralität des Staates bedeutet auch, dass der Staat nicht für Laizismus in der französischen Tradition oder für den Atheismus Partei ergreifen darf. Indes muss der Staat ermöglichen, dass alle Menschen aus ihren jeweiligen Überzeugungen in dieser Gesellschaft wirken können; und dies nicht nur privat, sondern auch öffentlich.
Fanatiker müssen verstehen, dass es bestimmte Dinge auf der Welt gibt, die keine Religion haben. Sie sind säkular. Ob es ein Christ, Muslim oder ein Jude ist, der Getreide auf richtige Weise anpflanzt, so wird man am Ende auch etwas ernten können. Ähnlich ist es auch in der Verwaltung eines Staates, die den Motor der Gesellschaft darstellt. Ist es da nicht gleichgültig, wer diesen antreibt, solange Gerechtigkeit ausgeübt wird?
alrahman.de: Scharia Mania in der arabischen Welt
