Novalis hat geschrieben:
Es ist doch genau anders rum. Rein menschlich gesehen war Jesus nur ein Mensch, richtig. Möglicherweise sogar ein Prophet, dem würde jeder gläubige Muslim zustimmen. Doch für Christen ist er darüber hinaus der göttliche Logos, der menschliche Natur angenommen hat.
Menschen waren zu aller Zeit überfordert, Gottes Größe und Fülle zu erkennen. Eine Lösung für sie war, ihn auf menschliche Maßstäbe zu verkürzen. Die andere, ihm zu vertrauen, dass das Unverstandene dann verstanden wird, wenn die Zeit für einen persönlich erfüllt ist (die hl. Maria, "eine von uns", war dabei ein wunderbares Vorbild: "Sie bewahrte und bewegte alles in ihrem Herzen"). Das Wunderbare daran ist, dass Gott hier nicht Intelligenz oder eigene Befähigung verlangt, sondern Glauben, Willen und Liebe. Dafür kann sich jeder Mensch öffnen, denn Gott hat es in ihm angelegt, womit das Wesen Gottes, seines Sohnes und des Hl. Geistes in den drei Personen individuell be-greif-bar wird.
Gott beruft nicht die Fähigen, sondern befähigt die Berufenen.
Und dann öffnet sich auch die Hl. Schrift und wird zu einem Ganzen, lose Enden werden verknüpft, die Bibel die Bibel widerlegen zu lassen, wie vorher nötig, wird obsolet und etwas von der ganzen Fülle Gottes kann durchscheinen. So wächst auch das Glaubenswissen durch das Vertrauen in die Person des Lehrers, denn Gott brachte in seinem Sohn dem Menschen keine Lehre oder Philosophie, sondern allein sich selbst. So sandte er auch kein Buch, sondern seinen Sohn, weshalb Biblizismus und Rückkehr zum Judentum eine Fehlentwicklung ist.
Wenn man allein aus seinem begrenzten menschlichen Horizont Gott betrachten will, dann muss man sein kleines Reich verteidigen und alles ignorieren, was darüber hinaus weist - etwa Theologie, Esoterik (im unverfälschten Wortsinn), Mystik, das Dogma, das lediglich überall und immer durch den Hl. Geist geglaubtes, erfahrenes und gelebtes formuliert, oder Tradition und damit Rückbindung und Rückversicherung mit Generationen von Gefäßen des Hl. Geistes. Diese Ignoranz wird ebenso all diese Begriffe herabwürdigen, weil sie unverstanden bleiben müssen und die Gefahr bringen, den eigenen Willen zu einem anderen Willen, dem Willen Gottes, zu führen.
Natürlich wird man dann den Hl. Geist für sein eigenes Gottesbild einspannen, ihn auf sich verkürzen und einengen. Was bleibt, ist das Totschlagargument, allein man selbst wandle im Hl. Geist, alles andere sei "menschliche Logik", das ist quasi eine perfekte Immunisierung gegen das Wirken des Hl. Geistes.
Aber tief im Innern will das angelegt mystische Gott erkennen, sehnt sich danach. Und so wird Jesus eben doch irgendwie angebetet und über das Geschöpf als Herr und Gott gestellt, zwar unverstanden, aber doch "instinktiv" richtig, derweil der Verstand dagegen rebelliert.
Für Gott jedoch ist nichts unmöglich ...
Servus
