Rienecker, Markusevangelium - Wuppertaler Studienbibel NT hat geschrieben:Hier gilt es, in Anlehnung an unsere Einleitung Seite 25 noch eine Übersicht zu geben über die sogenannten "Markus-Schlüsse":
1. Wir wissen von dem sogenannten längeren Markus-Schluß. Dieser enthält die Verse 9-20. Wir haben in der Einleitung versucht nachzuweisen, daß Markus selbst wohl die Verse 9-20 in Kapitel 16 geschrieben haben könnte.
Wir meinen, in der kurzen Berichterstattung und in der lebendigen Art der Kleinmalerei und Schilderung den Evangelisten Markus wieder erkennen zu dürfen. (Näheres darüber dann im Prakt. Handkommentar zu Markus.)
Die Verse 9-20 stehen in unseren Bibeln als der Markus-Schluß.
2. Wir wissen von einem kürzeren Schluß. Dieser steht nicht in unseren Bibeln. - Dieser kürzere Schluß lautet: Alles Aufgetragene aber verkündigten sie kurz den Begleitern des Petrus. Danach sandte Jesus selbst von Aufgang bis zum Untergang durch sie die heilige und unvergängliche Verkündigung des ewigen Heiles aus.
Dieser kürzere Schluß findet sich in den Handschriften, die in und um Ägypten daheim sind. Er ist darum wahrscheinlich in Ägypten entstanden. Er entstammt offenbar der Absicht, dem Evangelium durch einen höheren Schlußgedanken eine vollere Abrundung zu geben. So führt der Verfasser die Verse 1-8 weiter, indem er nach dem Muster der anderen Evangelien die Frauen die Osterbotschaft wirklich den Jüngern übermitteln läßt. (Vgl. Hauck, Markus S. 196.)
3. Wir wissen von einer Einschiebung in die Verse 9-20 und zwar nach dem 14. Vers. Dieser Einschub heißt "Freerlogion". Der Text lautet:
Sie aber verteidigten sich, indem sie sagten: Dieses Weltalter der Ungerechtigkeit und des Unglaubens ist unter Satan, welcher nicht zuläßt, daß von den unreinen Geistern die wahre Kraft Gottes erfaßt wird. Darum offenbare deine Gerechtigkeit schon [jetzt], sagten jene zu Christus. Und Christus erwiderte ihnen: Erfüllt ist die Grenze der Jahre der Macht Satans. Doch naht anderes Gewaltige. Und für die, welche sündigten, ward Ich hingegeben in den Tod, damit sie zur Wahrheit zurückkehren und nicht mehr sündigen, damit sie die geistgeartete und unvergängliche Herrlichkeit der Gerechtigkeit, die im Himmel ist, erben. (Gehet hin usw. wie Mk 16,15-20.)
Der Zusatz enthält eine Verteidigung der Jünger und eine Erwiderung des Herrn. Die Jünger waren nach V 14 vom Herrn über ihren Unglauben getadelt worden. Sie rechtfertigten sich damit, daß sie in einem Weltzeitalter der Gesetzlosigkeit und des Unglaubens leben, das unter der Macht Satans steht. Satan läßt es nicht dazu kommen, daß die wahre Kraft Gottes - welche die Auferstehung wirkte - erfaßt wird. Jesu Antwort stellt zunächst fest, daß die Macht Satans ihre zeitliche Grenze erreicht hat. Die Zeit der Herrschaft Satans ist vorüber, die Vollmacht ist auf Christus übergegangen. Der Wendepunkt ist Auferstehung und Erhöhung Jesu (Mt 28,19). Die Jünger haben also von jetzt an keine Hinderung durch Satan mehr zu erfahren. Aber dem folgt nun keineswegs alsbald die weitere Versicherung, daß Jesus die Gottesherrschaft jetzt auf der Erde aufrichten wird, sondern im Gegenteil die Ankündigung gewaltiger, erschütternder Ereignisse.
Christus erinnert an den Zweck Seines Todes; er kommt den Sündern zugut. Sie sollen nicht mehr sündigen, sondern durch Seinen Heilstod die himmlische Herrlichkeit gewinnen, die mit starker Betonung als geistig und ewig geschildert wird.
Ein echtes Jesuswort ist hier nicht überliefert. Konnte Jesus auch von einer Grenze der Macht Satans reden, so ist doch die Ausdrucksweise der echten Jesusworte ganz anders als V 15-18. Zahn glaubt, auf Grund einer jungen Randnotiz in Rufins Übersetzung von Eus. he III, 39,9 auch für das Freerlogion wie für V 14-18 Überlieferung durch Aristion in Anspruch nehmen zu können (Einl. II, 236). Zwar ist das Freerlogion sinngemäße Fortsetzung von V 14 und ebenfalls auch Vorbereitung von V 15, aber das erklärt sich zur Genüge, wenn dies Logion hier eingetragene Bemerkung ist. (Vgl. Hauck Seite 197.)
Schniewind macht in seiner Markus-Erklärung zum Freerlogion folgende Bemerkung, die wir festhalten wollen, und zwar gekürzt:
"Die Frage, die hier eine allzueinfache Antwort empfängt, ist Lebens-Anliegen schon der ersten Gemeinde gewesen: Christus ist in den Tod gegangen und ist zur Herrschaft erhöht, und die Macht des Satans ist gebrochen. Dennoch besteht "dieser Äon" fort, höchst real; und alles, was Paulus und Johannes sagen, nimmt die Wirklichkeit dieser Welt, in die die Christen gestellt sind, bitter ernst. Dennoch aber sind die Christen "in" Christus, stehen in der Gemeinschaft Seines Todes und Lebens. - Und die gleiche Überzeugung trägt unser ganzes Markus-Evangelium und unsere Evangelien alle. Sie berichten von den Worten und Taten Jesu nicht als von einem Vergangenen. Vielmehr sind diese Worte und Taten ein Reden und Wirken des Gekreuzigten, Auferstandenen an Seiner Gemeinde und in Seiner Gemeinde, die Anteil hat an Seinem Kampf und Sieg."
Schluß: Die Himmelfahrt des Herrn
Markus 16,19-20
19 Nachdem nun der Herr zu ihnen gesprochen hatte, wurde Er emporgehoben in den Himmel und setzte Sich zur Rechten Gottes. A B C
Lk 24,50-53; Apg 1,4-11;2 Kö 2,11;1 Tim 3,16;Ps 110,1; Apg 7,55
A) 2 Kö 2,11: Während sie dann "im Gespräch miteinander" immer weiter gingen, erschien plötzlich ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen und trennte beide voneinander; und Elia fuhr im Wettersturm "zum Himmel empor"
B) 1 Tim 3,16: Und etwas unbestreitbar Großes ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Er, der geoffenbart ist im Fleisch, als gerecht erwiesen im Geist, erschienen den Sendboten; verkündigt unter den Völkern, gläubig angenommen in der Welt, "emporgehoben in die Herrlichkeit".
C) Ps 110,1: So lautet der Ausspruch des Herrn an meinen Herrn: "Setze Dich zu Meiner Rechten". bis Ich Deine Feinde hinlege zum Schemel für Deine Füße!
20 Sie aber zogen aus und verkündigten überall. Und der Herr wirkte mit und bekräftigte das Wort durch die begleitenden Zeichen. A
Apg 14,3;Hbr 2,4
A) Hbr 2,4: Wobei auch Gott noch Zeugnis dafür abgelegt hat durch Zeichen und Wunder, durch mannigfache Krafttaten und Austeilungen des Heiligen Geistes, nach Seinem Ermessen.
Sehr knapp wird die Himmelfahrt des Herrn angedeutet. Aber ganz klar wird sie gekennzeichnet als eine Erhöhung und Aufnahme in die himmlische Herrlichkeit des Vaters, wo Ihm Macht und Gewalt gegeben sind zur Rechten Gottes. Und gerade darin wird Seine Kraft auch wirksam, daß Seine Jünger als Seine Herolde überall in dieser Welt die Botschaft vom Heil verkündigen. Vollmacht sollen sie haben, indem der Herr ihrem Wort das Zeichen zufügt und Er selber mit der Kraft Seines Geistes den Glauben schafft für das in ihre Hand und ihren Mund gelegte Evangelium, bis Er dem Glauben das Schauen schenken wird in Seiner letzten Ankunft (Parusie) in Herrlichkeit.