Alles Teufelszeug? VII

closs
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#611 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Di 24. Okt 2017, 16:23

Pluto hat geschrieben:Ja. Deshalb wehren sie sich dagegen.
Nein, das tun sie nicht. - Niemand hat etwas gegen eine nicht-interpretative HKM.

Pluto hat geschrieben:Liegt es vielleicht daran, dass man keine sachliche Auslegen, sondern eine theologische gefärbte wünscht.
Nein - es liegt daran, dass es keine interpretative Auslegung ("Sinnauslegung") gibt, die NICHT weltanschaulicher Natur ist.

Und selbst da hat kein Theologe etwas dagegen, wenn der Betroffene sich für eine agnostische Sinnauslegung entscheidet - nur würde man erwarten, dass dieser dies selber erkennt ("Ich erkenne, dass ich damit weltanschaulich interpretiere, also nach Plutos Auffassung NICHT wissenschaftlich interpretiere").

Pluto hat geschrieben:Erst dann wird es zur Wissenschaft, wenn man die Bibel möglichst neutral auslegt, und nicht davon ausgeht, dass Jesus = Gott ist, oder dies a priori ausschließt.
Bei rein sachlicher TEXT-Analyse geht das doch auch - da hat doch keiner was dagegen. - Aber die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine SINN-Auslegung.

Pluto hat geschrieben:Wieso sollte Gott seine eigenen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen wollen?
Weil diese fürs Dasein gemacht sind ("naturalistische Welt") und nicht für den Wesens-Raum GOttes.

Pluto hat geschrieben:Hier geht es NICHT um Physik, sondern um den ersten Satz der klassischen Logik (A gleich A und A ungleich B). Wenn ein Geist durch verschlossene Türen gehen kann, dann geht auch alles durch ihn durch.
Genauso wie Licht sowohl Welle als auch Korpuskel sein kann, kann es sein, dass Jesus durch Wände gehen kann und trotzdem betastbar ist - wie sollten wir das mit unseren "Maden-Gedanken" ausschließen dürfen?

Pluto
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#612 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Pluto » Di 24. Okt 2017, 16:32

closs hat geschrieben:Und selbst da hat kein Theologe etwas dagegen, wenn der Betroffene sich für eine agnostische Sinnauslegung entscheidet - nur würde man erwarten, dass dieser dies selber erkennt ("Ich erkenne, dass ich damit weltanschaulich interpretiere, also nach Plutos Auffassung NICHT wissenschaftlich interpretiere").
Wenn alle Interpretationen weltanschaulich sind, wie ordnet man sie dann? Welche ist die Beste?

closs hat geschrieben:Bei rein sachlicher TEXT-Analyse geht das doch auch - da hat doch keiner was dagegen. - Aber die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine SINN-Auslegung.
Du meinst also, dass SINN-Auslegungen sind verboten?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wieso sollte Gott seine eigenen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen wollen?
Weil diese fürs Dasein gemacht sind ("naturalistische Welt") und nicht für den Wesens-Raum GOttes.
Naja, Die Schlacht war aber auch naturalistisch, und nicht geistig.

closs hat geschrieben:Genauso wie Licht sowohl Welle als auch Korpuskel sein kann, kann es sein, dass Jesus durch Wände gehen kann und trotzdem betastbar ist - wie sollten wir das mit unseren "Maden-Gedanken" ausschließen dürfen?
Ach so ist das!?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#613 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Di 24. Okt 2017, 16:41

Pluto hat geschrieben:Wenn alle Interpretationen weltanschaulich sind, wie ordnet man sie dann? Welche ist die Beste?
Das kann man nur prüfen unter dem Aspekt, ob eine Interpretation unter ihrer jeweiligen Bedingungen intersubjektiv nachvollziehbar ist. - In diesem Sinne würde ich sagen: Der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" ist ein methodisches Ergebnis, das unter historisch-kritischen Grundbedingungen interpretativ auf intersubjektive Weise nachvollziehbar ist. - Aber es gibt eben ganz andere Ergebnisse, die ebenfalls intersubjektiv nachvollziehbar sind.

Pluto hat geschrieben:Du meinst also, dass SINN-Auslegungen sind verboten?
Gar nicht - ich sage nur, dass sie nach DEINEN Kriterien nicht wissenschaftlich sind (nach MEINEN Kriterien sind sie es).

Pluto hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Genauso wie Licht sowohl Welle als auch Korpuskel sein kann, kann es sein, dass Jesus durch Wände gehen kann und trotzdem betastbar ist - wie sollten wir das mit unseren "Maden-Gedanken" ausschließen dürfen?

Ach so ist das!?
Wie sollte es anders sein?

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#614 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Pluto » Di 24. Okt 2017, 16:47

closs hat geschrieben:In diesem Sinne würde ich sagen: Der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" ist ein methodisches Ergebnis, das unter historisch-kritischen Grundbedingungen interpretativ auf intersubjektive Weise nachvollziehbar ist. - Aber es gibt eben ganz andere Ergebnisse, die ebenfalls intersubjektiv nachvollziehbar sind.
Das beantwortet nicht die Frage, welche die richtige (beste) Interpretation ist.

closs hat geschrieben:ich sage nur, dass sie nach DEINEN Kriterien nicht wissenschaftlich sind (nach MEINEN Kriterien sind sie es).
Das habe ich nie gesagt. Ich sagte, a priori Setzungen seien unwissenschaftlich.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ach so ist das!?
Wie sollte es anders sein?
Keine Ahnung.
Allerdings wäre dann die klassische Logik falsifiziert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#615 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Di 24. Okt 2017, 17:03

Pluto hat geschrieben:Das beantwortet nicht die Frage, welche die richtige (beste) Interpretation ist.
"Richtig" gibt es nicht - es gibt nur "korrekt" im Sinne von: Welche Interpretation ist im Sinne ihrer weltanschaulichen Voraussetzung intersubjektiv nachvollziehbar - oder nenne es meinetwegen "in sich schlüssig".

In diesem Sinne sind sowohl die HKM- als auch die theologische Interpretation der Naherwartungs-Fragen "in sich schlüssig", da sie jeweils die Textquellen als Ausgangspunkt haben und diese professionell interpretieren.

Pluto hat geschrieben:Das habe ich nie gesagt. Ich sagte, a priori Setzungen seien unwissenschaftlich.
Gut - dann könnte man sagen: Es gibt überhaupt keine a-priori-Setzungen, sondern erst dann welche, wenn es um die Grundlage der jeweiligen Interpretation geht.

Pluto hat geschrieben:Keine Ahnung.
Allerdings wäre dann die klassische Logik falsifiziert.
Ist die klassische Logik durch die Aussage "Licht = Welle = Korpuskel" UND "Welle = NICHT Korpuskel" falsifiziert?

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#616 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Roland » Di 24. Okt 2017, 17:23

Pluto hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: Wenn du Voraussetzungen meinst und Annahmen sagst, dann hast DU offenbar was durcheinander gebracht. Jede Wissenschaft lebt von Annahmen bzw. Hypothesen.
Da Deutsch nicht meine erste Sprache ist, halte ich Voraussetzungen und Annahmen in einer historischen Studie tatsächlich für ein und dasselbe.

Und der Duden gibt mir sogar recht...
"Voraussetzung = Annahme, feste Vorstellung, von der man sich bei seinen Überlegungen und Entschlüssen leiten lässt".
Wenn ich was annehme ist das aber noch lange keine Voraussetzung für irgendetwas anderes. Wikipedia sagt es genauer:
Voraussetzung ist ein alltagssprachlicher Begriff für einen Zustand, einen Vorgang oder irgendeinen anderen Sachverhalt, der gegeben sein muss, bevor ein anderer Vorgang oder Sachverhalt eintreten kann.
M.a.W. , wenn die HKM voraussetzt, dass keine übernatürliche Macht in die Geschichte eingreifen kann, dann folgt daraus, dass es maximal einen Gott im Sinne einer Idee oder eines Prinzips geben kann, nicht aber DEN personalen, handelnden Gott der Bibel. Der würde der Voraussetzung widersprechen.

Pluto hat geschrieben: Deshalb plädiere ich schon lange dafür, dass man, um Neutralität zu wahren, die Bibelauslegung unbedingt den Agnostikern überlassen sollte.
Dann bin ich gespannt, wie du, als Agnostiker, die Berichte von der Auferstehung Jesu neutral auslegst.

Pluto hat geschrieben:
Roland hat geschrieben: M.a.W., die Voraussetzung ist die, dass es kein Handeln Gottes in der Geschichte geben kann.
Da irrt Bultmann, denn Voraussetzungen darf es in einer wissenschaftlichen Studie nicht geben.
Er irrt insofern nicht, als die HKM genau so tatsächlich die Bibel auslegt. Darf sie auch - aber (und da sind wir uns ja dann offenbar einig): das ist nicht Wissenschaft sondern weltanschaulich geprägte Exegese.
Und deshalb ist es falsch, wenn z.B. gesagt wird "DIE Forschung hat gezeigt, dass Jesus nur ein Mensch war, der sich geirrt hat…" usw. Nein, eine Exegese, die davon ausgeht, dass es Gott nur als Idee geben kann, kommt zu diesem Ergebnis. Sie MUSS sogar zu diesem Ergebnis kommen, denn alles andere widerspräche ihrer zuvor gesteckten Voraussetzung.

Pluto hat geschrieben:
Roland hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Es ist anzunehmen, dass die Bibelschreiber weniger an der Wahrheit, als am Effekt (Eindruck) ihrer Geschichten interessiert waren.
Oder glaubst du wirklich, dass Gott die Sonne angehalten hat, oder ein Bisschen Trompetenlärm die Mauern von Jericho haben einstürzen lassen?
Und glaubst du wirklich, nur weil du oder die HKM das nicht glauben können, sei es widerlegt?
Ja, das ist tatsächlich so.
Nein, denn keine Wissenschaft der Welt kann Gott widerlegen und folglich auch nicht, dass er in der Geschichte handeln kann.

Pluto hat geschrieben: Die Sonne anhalten, bringt nichts. Gott müsste die Erde in ihrer Drehung anhalten. Doch das ist unmöglich, und würde in einem katastrophalen Crash enden. Am Äquator bewegt sich sie Erdoberfläche mit etwa 1600km/h. Selbst in Deutschland sind es über 1000 km/h. Stell dir mal vor, was mit all den Dingen wie Menschen und Tieren geschieht, wenn die Erde auf einmal angehalten würde. Der Effekt wäre so ähnlich wie wenn ein Flugzeug mit Schallgeschwindigkeit gegen einen Berg rast. Es ist daher nicht empfehlenswert, die Erde anzuhalten.
Falls es Gott gibt, so weiß er das bestimmt.
Du gehst erstmal davon aus, dass die Naturgesetze grundsätzlich und immer gelten und ihnen alles folgt. Und schließt mithilfe dieser Voraussetzung aus, dass derjenige, der die Naturgesetze GEMACHT hat, diese für eine gewisse Zeit ändern kann. Begründung: Weil sie nämlich grundsätzlich und immer gelten und ihnen alles folgt.
Ein Zirkelschluss.

Pluto hat geschrieben: Hier geht es NICHT um Physik, sondern um den ersten Satz der klassischen Logik (A gleich A und A ungleich B). Wenn ein Geist durch verschlossene Türen gehen kann, dann geht auch alles durch ihn durch.
Noch nie was von beamen gehört? "Scotty beam me up!" :lol:
Im Ernst: Es ist doch denkbar, dass ein Körper seinen Zustand ändern kann, zumal wenn in diesem Körper der Schöpfer selbst steckt. Wo ist das logische Problem?
"Die messbare Seite der Welt ist nicht die Welt. Sie ist die messbare Seite der Welt." Martin Seel
"Der Glaube an die Wissenschaft spielt die Rolle der herrschenden Religion unserer Zeit." C. F. v. Weizsäcker

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#617 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Di 24. Okt 2017, 21:33

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Von welchen "BEIDEN FÄLLEN" sprichst Du?
1) Ich "weiß", dass das, was ich als Natur wahrnehme, "Realität" ist.
2) Ich "glaube", dass das, was ich als Natur wahrnehme, "Realität" ist.
Toll - und was schließt Du daraus?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Beschreibe mal die "Realität=Welt I" im Unterschied zu "Realität=Welt II".
Ob ich diese "Realität der Natur" "weiß" oder "glaube", ändert doch nichts an der "Realität der Welt". - Es gibt keinen Unterschied.
E-B-E-N: Es gibt KEINEN Unterschied.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nimm einfach zur Kenntnis, was er der wissenschaftlichen Exegese konkret vorwirft.
Dass sie glaubt, mit säkularen Voraussetzungen die Bibel substantiell-geistig interpretieren zu können.
Nö - eine Kompetenzüberschreitung wirft er der wissenschaftlichen Exegese gerade NICHT vor. Ratzinger rückt die wissenschaftliche Bibelauslegung deshalb in die Nähe des "Anti-Christ", weil in dieser Exegese "Gott selbst nichts sagt und nichts zu sagen hat". So die ausdrückliche Begründung seines absurden "Antichrist-Vorwurfs.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Würden wir NICHTS wahrnehmen, gäbe es uns mangels Überlebensfähigkeit überhaupt nicht.
Richtig - die Frage ist, ob das, was wir wahrnehmen, Vorstellung oder "Realität" ist.
Nö - diese Frage stellt sich angesichts des obigen Befundes (KEIN Unterschied) überhaupt NICHT.

closs hat geschrieben:Weil dies niemand per Wahrnehmung entscheiden kann, schlussfolgert Descartes daraus, dass man es "glauben" muss - und somit "glaubt" er an das, was Du meinst zu "wissen".
Mangels unterschiedlicher Alternativen gibt NICHTS zu entscheiden.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich denke schon, dass Descartes genau WUSSTE, dass er z.B. einmal sterben würde und dass diese Tatsache nicht von irgendeinem Glauben abhängig ist.
Er hat es "gewusst", weil er vorab "geglaubt" hat, dass seine Wahrnehmung nicht nur Vorstellung, sondern "echt" ist.
Was Descartes "vorab geglaubt hat", ist in Bezug auf die Realität IRRELEVANT.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn Du im Traum zu Dir sagst "Ich denke, also bin ich", wird Descartes berühmte These augenblicklich ad absurdum geführt.
Nein - denn es ist das Ich, das träumt.
Ich spreche hier NICHT vom schlafenden "Ich" als Träumer, sondern vom "Traum-Ich" als in der Traumwelt denkende und agierende Persönlichkeit, die messerscharf schließt: "Ich denke, also bin ich".

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#618 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Di 24. Okt 2017, 22:19

Münek hat geschrieben:Toll - und was schließt Du daraus?
Dass Version 2) die einzige ist, die übrig bleibt, wenn man konsequent denkt.

Münek hat geschrieben:Ratzinger rückt die wissenschaftliche Bibelauslegung deshalb in die Nähe des "Anti-Christ", weil in dieser Exegese "Gott selbst nichts sagt und nichts zu sagen hat".
Richtig - die HKM-Auslegung ist so angelegt, dass sie den Text-SINN so interpretiert, als gäbe es Gott nicht. - Und das geht halt nicht, wenn man dem Sinn der biblischen Texte gerecht werden will. - Richtig wäre, dass die HKM den Text nur technisch, aber nicht in Sinnfragen des Textes interpretiert. - Konkret:

Die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine Sinngebung des Textes aus Sicht dessen, der die Existenz Gottes bei der Bibel-Interpretation ausschließt. - Das kann man machen ("Lass uns so interpretieren, als ob es Gott nicht gäbe"), aber nicht damit beanspruchen, Alleinvertretungsanspruch der historischen Wahrheit zu haben - es geht um diesen Alleinvertretungsanspruch.

Münek hat geschrieben:diese Frage stellt sich angesichts des obigen Befundes (KEIN Unterschied) überhaupt NICHT.
Einerseits richtig - andererseits spielt es eine Rolle dafür, wie man sich selber versteht. - Und da ist es schon ein Unterschied, ob man weiß, dass man die nicht-beweisbare Basis wissen oder nur glauben kann. - Konkret: Die Wissenschaft muss wissen, dass ihre Basis eine "Glaubenschaft" ist.

Münek hat geschrieben:Was Descartes "vorab geglaubt hat", ist in Bezug auf die Realität IRRELEVANT.
Falsch: Es ist irrelevant in Bezug auf unsere Wahrnehmung, weil wir in beiden Fällen dasselbe wahrnehmen. - In Bezug auf das Objekt ("Natur") ist es schon ein Unterschied, der darin besteht, ob es den Mond nur in der Vorstellung des Menschen existiert oder auch ohne diese.

Um Irrungen vorzubeugen: Die Tatsache, dass es aus unserer Wahrnehmung schon den Mond gab, bevor es den Menschen gab, ist KEIN Argument, da auch unsere Wahrnehmung der Erdgeschichte Vorstellung sein könnte - wir glauben das nicht, aber wir würden es nicht merken, wenn es so wäre.

Münek hat geschrieben:Ich spreche hier NICHT vom schlafenden "Ich" als Träumer, sondern vom "Traum-Ich" als in der Traumwelt denkende und agierende Persönlichkeit, die messerscharf schließt: "Ich denke, also bin ich".
OK - aber wer nimmt das Traum-Ich als Traum-Ich war?

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#619 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Mi 25. Okt 2017, 00:52

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Toll - und was schließt Du daraus?
Dass Version 2) die einzige ist, die übrig bleibt, wenn man konsequent denkt.
Nö - wenn man konsequent denkt, kommt man zu dem Schluss, dass es mangels eines Unterschieds nichts zu unterscheiden gibt. Und damit ist der Sack zu.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ratzinger rückt die wissenschaftliche Bibelauslegung deshalb in die Nähe des "Anti-Christ", weil in dieser Exegese "Gott selbst nichts sagt und nichts zu sagen hat".
Richtig - die HKM-Auslegung ist so angelegt, dass sie den Text-SINN so interpretiert, als gäbe es Gott nicht.
Was hat das mit der von Dir behaupteten KOMPETENZÜBERSCHREITUNGder HKM zu tun? Denn eine solche wird ihr von Ratzinger gerade NICHT vorgeworfen. Dass Du ihn trotzdem immer wieder als Unterstützer Deiner abstrusen These heranziehst, ist wider aller intellektu-
ellen Redlichkeit.


closs hat geschrieben:Und das geht halt nicht, wenn man dem Sinn der biblischen Texte gerecht werden will.
Du Witzbold. Die "Päpstliche Bibelkommission" sagt genau das Gegenteil. In ihrem Dokument "Die Interpretation der Bibel in der
Kirche" stellt sie ausdrücklich fest:

"Die historisch-kritische Methode ist die UNERLÄSSLICHE Methode für die wissenschaftliche Erforschung des SINNES alter Texte."


closs hat geschrieben:Richtig wäre, dass die HKM den Text nur technisch, aber nicht in Sinnfragen des Textes interpretiert.
Was Du als theologische Laie für richtig hältst, widerspricht - wie ich gerade aufgezeigt habe - der Auffassung der "Päpstlichen Bibelkommission".

closs hat geschrieben:Die Aussage "Jesus hatte eine Naherwartung" ist eine Sinngebung des Textes aus Sicht dessen, der die Existenz Gottes bei der Bibel-Interpretation ausschließt.
Nö - die neutestamentliche Forschung hält sich an die überlieferte Botschaft Jesu vom "Reich Gottes", das er und seine von ihm ausgesandten Jünger dem Volk als "NAHE herbeigekommene Gottesherrschaft" verkündigten. Gerade die NÄHE des Gottesreiches
stand im ZENTRUM seiner Verkündigung.

Seine diesbezüglichen Aussagen werden von der HKM nicht als fromme Legenden, sondern authentische Äußerungen und damit als historisch echt angesehen. Wie kann man angesichts dieses klaren Quellenbefundes allen Ernstes Jesu diese "Naherwartung" abspre-
chen? Das ist doch absurd.


closs hat geschrieben:Das kann man machen ("Lass uns so interpretieren, als ob es Gott nicht gäbe"),
Häh? Jesu Botschaft und Naherwartung haben doch nichts mit der Frage zu tun, ob Gott existiert oder nicht.

closs hat geschrieben:aber nicht damit beanspruchen, Alleinvertretungsanspruch der historischen Wahrheit zu haben - es geht um diesen Alleinvertretungsanspruch.
Die historisch-kritische Exegese vertritt KEINEN Alleinvertretungsanspruch. Dass sie an den theologischen Fakultäten die Standard-Exegese schlechthin darstellt, spricht allerdings für die herausragende Qualität ihrer streng wissenschaftlich orientierten Methode der Auslegung biblischer Texte.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:diese Frage stellt sich angesichts des obigen Befundes (KEIN Unterschied) überhaupt NICHT.
Einerseits richtig
Was heißt hier "einerseits"? Es ist völlig richtig. Die Feststellung, dass es NICHTS zu entscheiden gibt, lässt logischerweise keine Entscheidungsfrage zu. Das wars halt.

closs hat geschrieben:andererseits spielt es eine Rolle dafür, wie man sich selber versteht. Und da ist es schon ein Unterschied, ob man weiß, dass man die nicht-beweisbare Basis wissen oder nur glauben kann.
Du kannst es Dir ja aussuchen. Nur: Eine Option gibt es tatsächlich nicht.

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#620 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Mi 25. Okt 2017, 01:34

Münek hat geschrieben:Du Witzbold. Die "Päpstliche Bibelkommission" sagt genau das Gegenteil. In ihrem Dokument "Die Interpretation der Bibel in der
Kirche" stellt sie ausdrücklich fest:

"Die historisch-kritische Methode ist die UNERLÄSSLICHE Methode für die wissenschaftliche Erforschung des SINNES alter Texte."
OK - aber damit ist doch der Wortsinn gemeint und nicht der geistige Sinn (also das, was damit biblisch gemeint ist/wie etwas biblisch zu verstehen ist)

Egal wie Du es drehst: Es geht um den Unterschied zwischen "Was steht da" und "Was hat das zu bedeuten". - Allerdings gebe ich zu, dass man das früher aufgeteilt hat in "Exegese" und "Hermeneutik" - diese Vermischung innerhalb der Exegese stört mich selber.

Münek hat geschrieben:Nö - die neutestamentliche Forschung hält sich an die überlieferte Botschaft Jesu vom "Reich Gottes", das er und seine von ihm ausgesandten Jünger dem Volk als "NAHE herbeigekommene Gottesherrschaft" verkündigten. Gerade die NÄHE des Gottesreiches stand im ZENTRUM seiner Verkündigung.
Im Wortsinn richtig: Es geht in der Tat um die Nähe des Gottesreiches: "Es ist nah". So steht es da und so hat es wissenschaftlich festgehalten zu werden.

Und jetzt kommt der nächste Schritt zu "Was hat dieser Wortsinn eigentlich zu bedeuten?" - und da meint die HKM offenbar auf ihrer säkularer Interpretationsbasis: "Das Reich Gottes kommt in kurzer Zeit physisch und löst meinetwegen die Römer ab" - dann sitzt halt auf Pilati Stuhl ein anderer aus der göttlichen Truppe. - Die christliche Interpretationsbasis meint: "Wir reden hier von einem geistigen Prozess, der im Menschen nah gekommen ist und bspw. durch Jesu Auferstehung vollendet ist - ab dann ist das nahe Gottesreich da".

Nun müssen und können wir nicht entscheiden, wer letztlich recht hat, aber: Es sollte an diesem Beispiel der Unterschied zwischen Textsinn ("Himmel - Reich - nah") und geistiger Sinn/Verständnis-Sinn ("Ist das haptisch-materiell oder geistig gemeint?") klar geworden sein. - Letzteres ist eine Interpretation, die nicht ohne Setzungen geht - und da meint Ratzinger eben, dass diese Setzungen innerhalb der Theologie nicht säkular, sondern christlich/geistig sein sollen.

Münek hat geschrieben:Seine diesbezüglichen Aussagen werden von der HKM nicht als fromme Legenden, sondern authentische Äußerungen und damit als historisch echt angesehen.
Natürlich sprach er vom nahen Gottesreich - aber was bedeutet es?

Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Exegese vertritt KEINEN Alleinvertretungsanspruch.
Das ist genauso ein Feigenblatt-Argument wie die Aussage, dass die HKM offen ließe, dass Jesus göttlich sei.

Münek hat geschrieben:Die Feststellung, dass es NICHTS zu entscheiden gibt, lässt logischerweise keine Entscheidungsfrage zu.
Es ist sehr wohl zu entscheiden, ob man seine Wahrnehmung auf Glaubensbasis erkennt oder auf Wissensbasis wähnt.

Wenn man wähnt (kommt von "Wahn"), wird man meinen, die HKM sei diesbezüglich eine andere Wissenschaft als christliche Exegese-Formen. - WEnn man erkennt, wird man meinen, dass beide auf Glaubensentscheidungen beruhen. - Damit aber fällt der Kritische Rationalismus als Philosophie (!) in sich zusammen (als Methodik ist und bleibt er gut).

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