Janina hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Warum stellt die Relativitätstheorie für dich eine Bedrohung dar? Ich vermute, weil du sie inkompatibel zu deinem Glauben hältst. Warum ist das so?
Liegt es nicht auf der Hand, dass sein Glauben Bullshit ist? 
Nun, ich betrachte den (überzeugten) religiösen Glauben als ein philosophisch interessantes Phänomen.
So finde ich Wittgensteins Analysen der religiösen Sprache recht interessant, die - vereinfacht zusammengefasst - ergeben, dass religiöse Menschen viele normalsprachliche Ausdrücke (wie z.B. das Wörtchen "glauben" oder den Begriff "Beweis") ganz anders verwenden, als es in der Umgangssprache der Fall ist. Sie folgen auch einer ganz eigenen Sprach-Logik, die mit "Bildern" zu tun haben, die sie mit bestimmten religiösen Begriffen verbinden. So sprechen religiöse Menschen z.B. davon, dass Gott alles sieht, dass Gottes "Augen" alles sehen. Zu diesem Bild gehört aber nicht, dass Gott auch Augenbrauen hat, über die man sich unterhalten könnte. Wenn wir uns über die Augen eines anderen Menschen unterhalten, ist es nicht merkwürdig, sich auch über seine Augenbrauen zu unterhalten. Bei "Gott" schon. Religiöse Menschen können sich aber jederzeit auch in der normalsprachlichen Diktion unterhalten, wenn es nicht um religiöse Themen geht.
Wittgenstein kommt am Ende zu dem Schluss, dass man sich mit (tief-)religiösen Menschen eigentlich nicht wirklich unterhalten kann, weil sie eben die Begriffe - wenn es um religiöse Themen geht - in ihrer eigenen Weise verwenden und bei religiösen Themen einer eigenen Sprachlogik folgen, die nicht-religiöse Menschen nicht nachvollziehen können bzw. sonderbar finden.
Religiöse Menschen folgen ihrem eigenen religiösen "Sprachspiel". Wittgenstein gewichtet die Sprachspiele aber nicht. Es gibt sie, und sie sind lediglich zur Kenntnis zu nehmen. Man kann sie lediglich auf ihre Besonderheiten hin analysieren. Kein Sprachspiel ist "besser" oder "wahrer" als ein anderes. Wenn religiöse Menschen allerdings ihr Sprachspiel als das einzig wahre verkaufen möchten, sieht Wittgenstein darin durchaus ein Problem.
Ein weiterer Grund, warum mich religiöse Überzeugungen interessieren, ist Sartres Freiheitsbegriff. Sartre sagt, dass die Menschen alles mögliche tun, um die Bürde der
radikalen Freiheit, die sie faktisch haben, nicht tragen zu müssen (Warum er diese These einer
radikalen Freiheit des Menschen vertritt, ist ein eigenes Thema).
Das fängt beim Wecker an, der uns allmorgendlich weckt. Wir tun so, als müssten wir dem Weckruf des Weckers folgen und als hätten wir nicht jederzeit die Freiheit, diesen Weckruf zu ignorieren. Der Wecker hilft uns dabei, uns nicht jeden Morgen die Frage stellen zu müssen, ob wir
wirklich aufstehen möchten. Das heißt, wir schränken unsere Freiheit freiwillig ein, einfach um leichter leben zu können.
Einer Religion oder einer ganz bestimmten Weltanschauung zu folgen, schränkt unsere Freiheit ebenfalls ein, und wir empfinden das als Erleichterung unseres Alltages, weil wir uns so nicht ständig mit unserer FREIHEIT beschäftigen müssen, alles jederzeit auch ganz anders sehen zu können und auch jederzeit komplett anders leben zu können, wenn wir das nur wollen. Sehr restriktive Religionsauffassungen schränken die eigene Freiheit sogar erheblich ein. Wenn ich also R.F. danach frage, warum und inwiefern die Relativitätstheorie für seinen Glauben eine Bedrohung darstellt, frage ich eigentlich danach, ob es wirklich nötig ist, dass er seine Freiheit noch dadurch weiter einschränkt, dass er seinen Glauben an der Wahrheit oder Falschheit ausgerechnet einer physikalischen Theorie festmacht.
Sehr religiöse Menschen tendieren auch dazu anzunehmen, ihren Glauben zu bewahren impliziere, noch an ganz andere "Dinge" glauben zu müssen oder diese ablehnen zu müssen, weil sie vermeintlich ihren Glauben bedrohen. Sie glauben dann sozusagen viel mehr, als es ihr Glauben eigentlich von ihnen substanziell verlangt. Ich frage R.F. also auch danach, ob es für seinen Glauben denn
wirklich nötig ist, seinen Glauben von der Wahrheit oder Falschheit naturwissenschaftlicher Theorien wie der Relativitätstheorie (oder der Evolutionstheorie) abhängig zu machen. Ich frage damit nach dem
wirklichen Grund seines Glaubens und dessen Subtstanz.