Thaddäus hat geschrieben:R.F. hat geschrieben:Und dann die relativistischen Effekte überhaupt: Liest man dazu die Gedankenexperimente Einsteins, fragt man sich, warum dieser Mensch an den Unsinn glauben konnte.
Da dich die vermeintlichen Paradoxa in der speziellen RT besonders umzutreiben scheinen, eine kurze wissenschaftshistorische Bemerkung dazu:
Einstein entwickelte seine Feldgleichungen, um damit bestimmte Probleme mit Phänomenen der Elektrodynamik zu lösen, die mit der newtonschen Mechanik allein, einfach nicht zu lösen waren. Deshalb heißt Einsteins bahnbrechende Abhandlung auch nicht "Die spezielle Relativitätstheorie", sondern
"Zur Elektrodynamik bewegter Körper". Er führte damit die Arbeiten vor allem Faradays und Maxwells weiter. Die für die Feldgleichungen erforderliche Mathematik übernahm Einstein von den Mathematikern Hendrik Antoon Lorentz und Hermann Minkowski.
Ähm... wenn man von den Einsteinschen Feldgleichungen spricht, dann meint man damit üblicherweise Gleichungen aus der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART), die die Kopplung zwischen der Materie und der Krümmung der Raumzeit beschreiben, mit der Speziellen Relativitätstheorie (SRT) haben diese Gleichungen eher weniger zu tun. Die Mathematik für die Gleichungen der SRT (also nicht die Feldgleichungen) übernahm Einstein zwar von Faraday, Maxwell und Lorentz, aber nicht von Minkowski. Eher übernahm Minkowski Mathematik von Einstein. Minkowski liefert seinen Beitrag zur SRT, insbesondere die Idee einer vierdimensionalen Raumzeit, 1908, also drei Jahre nach der Aufstellung der SRT durch Einstein.
Bei der Formulierung der ART bediente sich Einstein zwar Minkowskis Konzept der Raumzeit, das Gravitationsfeld wird in der ART aber als Abweichung von der Minkowski-Metrik beschrieben, die Feldgleichungen haben mit Minkowskis Beitrag somit auch eher weniger zu tun. Eher mit dem Beitrag von Riemann, wie du selbst richtig bemerkt hast:
Thaddäus hat geschrieben:Die Mathematik für die Allgemeine Relativitätstheorie wurde ebenfalls nicht von Einstein selbst ausgearbeitet, sondern von Bernhard Riemann.
Thaddäus hat geschrieben:Es waren Weber und Kohlrausch, die die Übereinstimmung der elektromagnetischen Konstanten c mit der Lichtgeschwindigkeit feststellten. Damit stand die enge Beziehung zwischen dem Licht und elektromagnetischen Vorgängen fest. Ein erster Hinweis war es, als bereits Faraday 1834 durch ein Experiment nachweisen konnte, dass ein polarisierter Lichtstrahl , der einen magnetisierten durchsichtigen Körper passiert, von diesem beeinflusst wird. Faraday selbst schloss hieraus, dass der "Lichtäther" und der Träger der elektromagnetischen Kraftlinien identisch sein müssen. Im Michelsen-Morley-Experiment wurde freilich die Annahme eines Lichtäthers widerlegt
Nicht ganz. Widerlegt wurde die klassische Äthertheorie, nach der der Ätherwind messbar sein sollte. Die von Lorentz und Fitzgerald aufgestellte Lorentzsche Äthertheorie, nach der der Ätherwind so auf Längenmaßstäbe und Uhren einwirkt, dass er unbeobachtbar wird (solange keine Maßstäbe und Uhren zur Verfügung stehen, die vom Ätherwind unbeeinflusst bleiben), ist mit dem Resultat des Michelson-Morley-Experiments verträglich.
Thaddäus hat geschrieben:und da die Korpuskel-Wellennatur des Lichtes noch nicht erkannt war
Die Wellennatur war bekannt, du meinst vermutlich die Welle-Teilchen-Doppelnatur.
Thaddäus hat geschrieben:Die paradox anmutenden Phänomene der Längenkontraktion und der Zeitdilatation (Lorentz redet ursprünglich von "Ortszeit") sind übrigens keine Erfindungen von Einstein, sondern ergeben sich aus der Elektronentheorie von Hendrik Lorentz und der Lorentz-Transformation.
Nicht ganz. In der Lorentzschen Äthertheorie kann man davon ausgehen, dass eine relativ zum Äther ruhende Uhr stets die Uhr mit der höchsten Ganggeschwindigkeit ist, eine relativ zum Äther bewegte Uhr also stets die langsamer gehende Uhr ist. Ein Uhrenparadoxon wie in der SRT, wo zwei gleichförmig bewegte Uhren als gleichberechtigt angesehen werden, gibt es somit bei Lorentz nicht. Eine durch ihre Relativbewegung zum Äther in ihrem Gang verlangsamte Uhr erfährt bei Lorentz daher auch keine "echte" Zeitdilatation in dem Sinne, dass für die tatsächlich weniger Zeit verginge, sondern sie zeigt lediglich aufgrund des Einflusses des Ätherwindes die Zeit falsch an.
Thaddäus hat geschrieben:Wenn du dich also über Längenkontraktion und Zeitdilatation beschweren möchtest, musst du das eigentlich bei Hendrik Lorentz tun. Einstein hat lediglich übernommen, was Lorentz schon vorher entwickelt hatte.
Soweit es die Längenkontraktion anbetrifft, ist das so richtig, in punkto Zeitdilatation unterscheiden sich die SRT und die Lorentzsche Äthertheorie jedoch voneinander: in der SRT ist die Zeitdilatation "echt", bei Lorentz dagegen nicht, da geht eine dem Ätherwind ausgesetzte Uhr nur falsch.
Thaddäus hat geschrieben:Vor Einstein (1905) kämpfte die Physik damit, folgende zwei grundlegende physikalische Erkenntnisse in Einklang zu bringen:
1. Nach der klassischen Mechanik hat die Geschwindigkeit irgend einer Bewegung verschieden Werte für zwei relativ zueinander bewegte Beobachter
und
2. Die Erfahrung aber lehrt, dass die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von dem Bewegungszustand des Beobachters immer denselben Wert c hat. (Das ist eine empirische Erkenntnis gewesen, denn Messungen der Lichtgeschwindigkeit ergaben stets den Wert c.)
Einstein erkannte nun lediglich, dass es sich bei der Lorentzschen Längenkontraktion und "Ortszeit" nicht bloß um einen mathematischen Kunstgriff und eine physikalische Täuschung handelt, sondern dass sie die Grundlagen der Begriffe "Raum" und "Zeit" selbst darstellen.
Da der 2. Satz als experimentell unwiderleglich erwiesen angesehen werden muss, bleibt nichts übrig, als den ersten Satz fallen zu lassen
Es gibt noch eine andere Möglichkeit, nämlich die Lorentzsche Äthertheorie: nach der ist die Lichtgeschwindigkeit nicht wirklich immer gleich groß, sondern scheint nur immer gleich groß zu sein, weil der Ätherwind so auf Längenmaßstäbe und Uhren einwirkt, dass ein relativ zum Äther bewegter Beobachter, der mit diesem Längemaßstäben und Uhren die Lichtgeschwindigkeit misst, eine von der tatsächlichen (variablen) Lichtgeschwindigkeit abweichenden (immer gleich großen) Messwert erhält.
Allerdings hat die Mehrheit der Physiker schlussendlich der SRT den Vorzug gegenüber der Lorentzschen Theorie gegeben, u.a. auch deswegen, weil sich die SRT zu einer Gravitationstheorie in Form der ART weiterentwickeln ließ.