Thaddäus hat geschrieben:. Dies liegt daran, dass closs einen radikalen Perspektiv-Skeptizismus vertritt und gleichzeitig eine dogmatische Erleuchtungslehre. B
Letzteres hat nichts mit der Frage zu tun, dass es verschiedene Arten des Für-wahr-Haltens zu einem Sachverhalt geben kann - nichts anderes sage ich gegen Deinen Widerstand. - Du reitest auf einem semantischen Problem rum:
1) Für mich ist "Wahrheit" ein Synonym für "das, was ist" - also objekt-bezogen.
2) Für Dich ist "Wahrheit" eine Qualifizierung von Wahrnehmung - also subjekt-bezogen.
Das hättest Du längst sehen können.
Thaddäus hat geschrieben:Closs schreibt also "Wahrheit", meint aber deiner Ansicht nach eigentlich "Wirklichkeit"?
"Wirklichkeit" die an sich ein "Wahr-Sein" ist - richtig. - Wobei hier natürlich vor allem geistige Wirklichkeit gemeint ist. - Es ist "Wirklichkeit", was Jesus über die Naherwartung denkt, und ist somit eine Wahrheit Jesu.
Demgegenüber steht das "Für-wahr-Halten" derer, die erkennen wollen, was Jesus diesbezüglich gedacht hat - und da hält der eine dieses für wahr (HKM) und der andere jenes für wahr (mehrheitliche Theologie). - Beides ist NICHT "Wahrheit" und NIE "Wahrheit", weil "Wahrheit" ein absoluter Begriff ist im Sinne von "So und nicht anders IST es". - Das kann Wahrnehmung nie leisten - also "Für-wahr-Halten".
Du musst da nicht zustimmen - aber sage bitte nicht schon wieder, dass dies "widersprüchlich" oder sonst was sei - was ich hier schreibe, MUSS man verstehen, wenn man will.
Thaddäus hat geschrieben:Für closs erkennt man Wirklichkeit also letztlich durch religiöse Erleuchtung.
Was geistige Dinge angeht, sicherlich richtig - was die Funktionsweise einer Nähmaschine angeht, sicherlich falsch.
Aber das tu hier nichts zur Sache: Es geht hier um die prinzipielle Differenz zwischen "dem, was ist" und "Wahrnehmung desselben" (damit ist auch wissenschaftliche Wahrnehmung gemeint). - Und letzteres nenne ich eben "Für-wahr-Halten", weil aus meiner Sicht ein Unfertiges (auch Physiker sehen "mittels eines Spiegels wie im Rätsel" - 1.Kor. 13,12) nicht "Wahrheit" genannt werden sollte.
Thaddäus hat geschrieben:Sie ist aber auch ungemein komfortabel, denn der Erleuchtete darf sich im Besitz von Wahrheit glauben
Eben NICHT - das "Erkennen, wie man erkannt ist" gibt es erst doch nach dem (leiblichen) Tod. - Es ist eben NICHT komfortabel, weil man dann als Diesseitiger akzeptieren muss, dass man unerleuchtet ist - und deshalb nicht "wahrheiten", sondern nur "fü-wahr-halten" kann.
Thaddäus hat geschrieben:Closs behauptet in deiner Reformulierung, man könne sich der Wirklichkeit GRUNDSÄTZLICH nur perspektivisch lückenhaft nähern.
Richtig - diese Erkenntnis sollte aber Allgemeingut sein.
Thaddäus hat geschrieben:Und es stellt sich die Frage, wie er zu der These gelangen will, es gäbe nur die eine Wirklichkeit, wenn auch er stets nur perspektivischen Zugang zur Wirklichkeit hat.
Vorsichtig geworden ob möglicher semantischer Probleme muss ich zurückfragegn: Was ist für Dich "Wirklichkeit"?
Aus meiner Sicht gibt es zwie Definitionsmöglichkeiten:
1) Das, was auch unabhängig vom Subjekt "ist" - das könnte bspw. der Mond sein.
2) Auch das, was eigene Vorstellungen sind - das könnten auch Träume sein.
Bisher habe ich mich bei "Wirklichkeit" und "Wahrheit" auf 1) beschränkt. - Was ist für Dich "Wirklichkeit"?
Die Frage, "ob es nur eine Wirklichkeit gibt", ist insofern lustig, als dass alles, was "ist", EINE Wirklichkeit und nicht mehrere Wirklichkeiten ist - insofern verstehe ich Deine Frage vorerst nicht.
Thaddäus hat geschrieben:Viel plausibler ist die Schlussfolgerung, dass es so viele Wirklichkeiten wie Perspektiven gibt.
Wenn man "Wirklichkeit" als subjekt-abhängige Größe versteht, ist das richtig - mit der Gefahr, dass jedes "Für-wahr-Halten" "Wahrheit" ist - dann haben wir wahrscheinlich genauso viel Wirklichkeiten wie Wahrheiten - aber das ist ausdrücklich NICHT mein Ansatz.
Thaddäus hat geschrieben: Den Zugang zu der einen Wirklichkeit gibt es für closs durch religiöse Erleuchtung und damit wird aus seiner ontologischen These, es gäbe nur die eine Wirklichkeit, eine metaphysische Erleuchtungs-Theorie.
Da ziehen Dich Deine Pferde sehr vorauseilend in eine Richtung, um die es mir gar nicht geht.
Was ich sage, sagt von der Substanz her auch der (sicherlich nicht christliche) Heidegger: Differenz zwischen Seiendem und Sein. - Um mehr geht es mir nicht.