Alles Teufelszeug? VI

closs
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#1071 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 6. Aug 2017, 09:30

sven23 hat geschrieben:Und warum kannst du dann nicht ergebnisoffen an die Texte rangehen und auf die Forderung, man müsse unbedingt setzen, dass Jesus göttlich sei, verzichten? Die Forschung macht diesen Unsinn doch auch nicht.
Doch - auch die historisch-kritische Forschung (ich nehme an, diese meinst Du) ist definitorisch so fundiert, dass sie Jesus als Nur-Mensch setzen muss. - Sie tut dies zwar nicht expressis verbis, aber über ihre anthropozentrische Definition von "Vernunft" und "Evidenz" - das Futter für diese Aussage hat mir Thaddäus einmal mehr gegeben.

Siehe es doch unideologisch und nüchtern: Es gibt unterschiedliche Perspektiven bei der Forschung - das muss man sich nicht gegenseitig vorwerfen, da es normal ist.

sven23 hat geschrieben: Wir können nur versuchen, seine Glaubenswelt über die Textquellen zu rekonstruieren.
Und über deren Interpretation. - Und da ist es ein Unterschied, ob man diese philosophisch/theologisch/spirituell interpretiert oder rezeptions-orientiert. - Auch hier: Das ist kein gegenseitiger Vorwurf, sondern das sind unterschiedliche legitime Perspektiven.

sven23 hat geschrieben:Natürlich tut er das nicht, weil die kanonische Exegese mit ihren zirkelreferenten Gaubenbekenntnissen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt.
Selbstverständlich genügt die kanonische Exegese wissenschaftlichen Ansprüchen, wenn man "Wissenschaft" nicht einseitig definiert - Du bist schon wieder im Ideologie-Modus.

sven23 hat geschrieben:Weil du der irrigen Annahme aufsitzt, dass nur das nachbeten der Glaubenspropagandaschriften der Historie gerechter wird als die historische Forschung selber.
Eine vollkommen abwegige Unterstellung - falsch.

sven23 hat geschrieben:Glaubenskonkurrenz ja, aber keine Ernst zu nehmende auf der wissenschaftlichen Ebene.
Nach DEINER Definition von WIssenschaft sind keine substantiellen Antworten auf geistige Fragen möglich, sondern lediglich Beschreibungen von Religions-Gewohnheiten - eigentlich sprichst Du von "Religions-Wissenschaft" und nicht von "Theologie".

sven23 hat geschrieben:Wenn die Auferstehung so ein zentraler Punkt des Christentums ist, warum hat dann der Schreiber des Markusevangeliums nichts davon gewußt?
Warum dies in dessen Quellen nicht steht, weiß ich nicht. - Willst Du davon abhängig machen, ob Jesus auferstanden ist oder nicht?

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#1072 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » So 6. Aug 2017, 09:44

closs hat geschrieben:Nach DEINER Definition von WIssenschaft sind keine substantiellen Antworten auf geistige Fragen möglich, sondern lediglich Beschreibungen von Religions-Gewohnheiten - eigentlich sprichst Du von "Religions-Wissenschaft" und nicht von "Theologie".
Antworten auf geistige Fragen gibt es aus einem anderen Grund nicht: Sie sind allesamt nicht nachweisbare und unbegründete Behauptungen der Theologie, mit anderen Worten: Dogmen!

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#1073 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » So 6. Aug 2017, 09:50

Rembremerding hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Heute würde man sagen, es sei unwissenschaftlich, wenn man sich auf Erfahrungsebenen einlässt, weil man dann befangen sei.
Aber liegt die Wurzel solcher Erfahrungsvermeidung nicht auch darin, nicht mehr unterscheiden zu können, sich selbst und seine (geistigen) Beweggründe nicht mehr zu kennen? Ein ängstliches Ausweichen auf etwas, dass man Vernunft nennt, aber eigentlich nur Anthropozentrismus ist?
Werden wir in 50 Jahren die Werke eines Platon, Boethius oder Albertus Magnus noch verstehen können, wenn man verlernt hat in (fremden) Bildern, Gleichnissen zu denken [...]
Als Rudolf Bultmann in seinem Aufsatz ZUR FRAGE DES WUNDERS schrieb, der moderne Mensch könne nicht an die mythische Wunder- und Geisterwelt des neuen Testamentes glauben und gleichzeitig moderne medizinische Apparaturen und das Radio benutzen, hat er sich auf der lebenspraktischen Ebene in der Tat ziemlich geirrt. Das geht scheinbar sogar sehr gut, denn dieser Widerspruch wird überall auf der Welt und auch im aufgeklärten Europa tagtäglich millionenfach gelebt, ohne dass die, die geistig so schizophren leben das auch nur bemerken würden.

Die von dir angemahnten, archaischen, antiken und mittelalterlichen Erfahrungs-, Glaubens- und Vorstellungswelten sind nicht verschwunden, sondern allenthalben noch wirksam, weshalb deine Befürchtung, unsere Welt könnte in der Kälte rein rationaler, logischer, naturalistischer, positivistischer und physikalistischer Weltbetrachtung erfrieren, grundlos ist.
Du kannst archaische, antik-volkstümliche und mittelalterliche Erfahrungs-, Glaubens- und Vorstellungswelten aktuell und überall sehr schön beobachten:

z.B., wenn Isis- oder Talibankämpfer ihren Gefangenen den Kopf abschneiden, weil die in deren Augen nicht in der rechten Weise glauben und sie sich darum zu dieser Tat berechtigt fühlen; wenn in Nigeria Albino-Kindern bei lebendigem Leib Körperteile abgeschnitten werden, um daraus kostbare "Medizin" zu machen; wenn selten gewordene Nashörner in Afrika oder die letzten Tiger in Indien von Wilderern abgeschossen werden, um aus Horn und Tiger ebenfalls "kostbare Medizinen" herzustellen, da manche Männer immer noch glauben, Nashorn-Medizin lasse ihre Erektionsprobleme verschwinden und manche Menschen allen Ernstes und tief und fest glauben, Tiger-Medizin lasse die Stärke und magische Kraft dieses Tieres auf sie selbst übergehen.
Du kannst es beobachten, wenn Menschen Engel-Amulette um den Hals tragen oder Opalsteine in der Hoffnung, dass es sie vor irgendwas beschützt; wenn du den Astro-TV-Kanal einschaltest und dir dort - je nach eigener Vorliebe - aus Karten, aus Schmucksteinhaufen, aus Kerzen oder gleich aus dem Universum selbst "gelesen" wird, was das Schicksal für dich bereithält, was für ein Mensch du bist und wie es um deine Chakren steht.
Oder: wenn in der heiligen römisch-katholischen Messe der Priester das Zauberkunststückchen der Transsubstantiation vorführt (ein auf aristotelische Ontologie zurückgehendes magisches Ritual) und Wein in Blut und Teig in Fleisch verwandelt.

Ich denke also nicht, dass die Erfahrungs- und Glaubenswelten früherer Zeiten aus unserer aufgeklärten Welt verschwunden sind. Ich denke aber, dass es gut wäre, wenn zumindest der dümmste und gruseligste Teil dieser Erfahrungs- und Glaubenswelten früherer Zeiten verschwinden würde.

Wenn wir in 50 Jahren die Werke eines Platon, Boethius oder Albertus Magnus noch verstehen, dann liegt das nicht daran, dass wir immer noch deren vergangene Weltbilder, Weltsichten und Erfahrungswelten teilen können (so als ob es keine GEISTES-geschichtliche Weiterentwicklung gegeben hätte), sondern weil Philosophen sich immer wieder neu mit deren Werken beschäftigen, sie als Zeitzeugnisse in ihrem historischen Kontext untersuchen und ihre philosophischen Gehalte mit philosophischen Methoden analysieren und bei alldem zu neuen Einsichten und Interpretationen gelangen.
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 6. Aug 2017, 12:29, insgesamt 2-mal geändert.

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#1074 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 6. Aug 2017, 09:57

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und warum kannst du dann nicht ergebnisoffen an die Texte rangehen und auf die Forderung, man müsse unbedingt setzen, dass Jesus göttlich sei, verzichten? Die Forschung macht diesen Unsinn doch auch nicht.
Doch - auch die historisch-kritische Forschung (ich nehme an, diese meinst Du) ist definitorisch so fundiert, dass sie Jesus als Nur-Mensch setzen muss. - Sie tut dies zwar nicht expressis verbis, aber über ihre anthropozentrische Definition von "Vernunft" und "Evidenz" - das Futter für diese Aussage hat mir Thaddäus einmal mehr gegeben.
Dass er ein Mensch war, braucht man erst gar nicht zu setzen, weil es selbstverständlich ist. Über seine angebliche Göttlichkeit macht die Forschung überhaupt keine Aussagen, sondern beschränkt sich auf die Beschreibung des Glaubens an seine Göttlichkeit. Das ist was völlig anderes.

closs hat geschrieben: Siehe es doch unideologisch und nüchtern: Es gibt unterschiedliche Perspektiven bei der Forschung - das muss man sich nicht gegenseitig vorwerfen, da es normal ist.
Das ist nicht normal und nachweislich falsch, wenn es um die historische Forschung geht. Hier hat nur die wissenschaftliche Perspektive eine Existenzberechtigung, nicht die glaubensdogmatische.
Nach deinem Mißgeschick mit dem Kurzzeitkreationismus solltest du jetzt eigentlich wissen, dass Perspektivwechsel nichts an dem ändern, was der Fall ist. :roll:
Mit der Gaubensperspektive lassen sich weder historische noch naturwissenschaftliche Fakten aushebeln.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Wir können nur versuchen, seine Glaubenswelt über die Textquellen zu rekonstruieren.
Und über deren Interpretation. - Und da ist es ein Unterschied, ob man diese philosophisch/theologisch/spirituell interpretiert oder rezeptions-orientiert. - Auch hier: Das ist kein gegenseitiger Vorwurf, sondern das sind unterschiedliche legitime Perspektiven.
Nein, die Glaubensperspektive hat in der historischen Forschung nichts verloren. siehe oben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich tut er das nicht, weil die kanonische Exegese mit ihren zirkelreferenten Gaubenbekenntnissen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügt.
Selbstverständlich genügt die kanonische Exegese wissenschaftlichen Ansprüchen, wenn man "Wissenschaft" nicht einseitig definiert - Du bist schon wieder im Ideologie-Modus..
Das hat nichts mit meiner Definition von Wissenschaft zu tun, sondern ist allgemeingültig. Glaubensbekenntnis-kontaminierte Exegesen haben in der historischen Forschung nichts verloren. Punkt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Weil du der irrigen Annahme aufsitzt, dass nur das nachbeten der Glaubenspropagandaschriften der Historie gerechter wird als die historische Forschung selber.
Eine vollkommen abwegige Unterstellung - falsch.
Was aber durch all deine Beiträge deutlich wird.
q.e.d.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Glaubenskonkurrenz ja, aber keine Ernst zu nehmende auf der wissenschaftlichen Ebene.
Nach DEINER Definition von WIssenschaft sind keine substantiellen Antworten auf geistige Fragen möglich, sondern lediglich Beschreibungen von Religions-Gewohnheiten - eigentlich sprichst Du von "Religions-Wissenschaft" und nicht von "Theologie".
Nenn es, wie du willst. Es ist nicht meine Idee, die historischen Disziplinen unter der Flagge der Theologie laufen zu lassen. Vielmehr benötigt die Theologie die historische Forschung, um als halbwegs wissenschafliche legitimiert an den Universitäten bestehen zu können.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn die Auferstehung so ein zentraler Punkt des Christentums ist, warum hat dann der Schreiber des Markusevangeliums nichts davon gewußt?
Warum dies in dessen Quellen nicht steht, weiß ich nicht. - Willst Du davon abhängig machen, ob Jesus auferstanden ist oder nicht?
Ähm, wie naiv muss man sein, zu glauben, die zweifelhafte Entstehung der Textquellen und ihre Widersprüchlichkeiten hätte keine Auswirkung auf die Glaubwürdigkeit?
Wie erklärst du dir beispielsweise, dass seine Familie Jesus für verrückt erklärt, weil er als (gottgesandter) Endzeitprophet durch die Lande zieht?
Wissen die Eltern nichts mehr von der Ankündigung des Engels, dass Maria einen Gottessohn empfangen hat, oder leiden beide schon an Alzheimer?
Wahrscheinlicher ist doch, dass sie überhaupt nichts von den viel später erfundenen Geburtslegenden wissen.
Zuletzt geändert von sven23 am So 6. Aug 2017, 11:29, insgesamt 2-mal geändert.
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#1075 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » So 6. Aug 2017, 10:07

closs hat geschrieben:Selbstverständlich genügt die kanonische Exegese wissenschaftlichen Ansprüchen, wenn man "Wissenschaft" nicht einseitig definiert - Du bist schon wieder im Ideologie-Modus..
Nein das tut sie eben nicht. Die Falsifizierbarkeit der Thesen ist ein Grundsatz der Wissenschaft. Das allein schließt aus, dass die Kanonik wissenschaftlich arbeitet.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1076 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 6. Aug 2017, 11:04

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Nach DEINER Definition von WIssenschaft sind keine substantiellen Antworten auf geistige Fragen möglich, sondern lediglich Beschreibungen von Religions-Gewohnheiten - eigentlich sprichst Du von "Religions-Wissenschaft" und nicht von "Theologie".
Antworten auf geistige Fragen gibt es aus einem anderen Grund nicht: Sie sind allesamt nicht nachweisbare und unbegründete Behauptungen der Theologie, mit anderen Worten: Dogmen!
Das ist wirklich verquer und frontaler Anthropozentrismus - im Grunde sagst Du: "Wenn etwas den Bereich menschlicher Objektivierung verlässt, ist es nichtig".

Thaddäus hat geschrieben:Als Rudolf Bultmann in seinem Aufsatz ZUR FRAGE DES WUNDERS schrieb, der moderne Mensch könne nicht an die mythische Wunder- und Geisterwelt des neuen Testamentes glauben und gleichzeitig moderne medizinische Apparaturen und das Radio benutzen, hat er sich auf der lebenspraktischen Ebene in der Tat ziemlich geirrt. Das geht scheinbar sogar sehr gut, denn dieser Widerspruch wird überall auf der Welt und auch im aufgeklärten Europa tagtäglich millionenfach gelebt, ohne dass die, die geistig so schizophren leben das auch nur bemerken würden.
Das ist dasselbe - im Grunde sagst Du: "Je mehr wir über den objektivierbaren Wellen- und Korpuskel-Charakter des Lichtes wissen, desto weniger gibt es göttliches Licht". - Ein Non-Sequitur, dass man nur anthropozentristisch erklären kann.

Thaddäus hat geschrieben:Ich denke also nicht, dass die Erfahrungs- und Glaubenswelten früherer Zeiten aus unserer aufgeklärten Welt verschwunden sind.
Aber Deine Negativ-Beispiele haben doch nichts mit " Erfahrungs- und Glaubenswelten früherer Zeiten" zu tun, wie sie sein sollten, sondern mit deren Entstellung. - Wenn Du mit einem Porsche besoffen in eine Fußgänger-Gruppe rast, heißt das doch nicht, das Ferdinand Porsche Mord gewollt hat. - Wie können Dir solche Kategoriefehler passieren?

Thaddäus hat geschrieben:Ich denke aber, dass es gut wäre, wenn zumindest der dümmste und gruseligste Teil dieser Erfahrungs- und Glaubenswelten früherer Zeiten verschwinden würde.
ALLE Entstellungen sollten verschwinden - aber dafür ist doch "Aufklärung" im materialistisch-anthropozentrischen Zuschnitt des 21. Jh. nicht das Mittel der Wahl. Da wäre echte Aufklärung gefragt.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn wir in 50 Jahren die Werke eines Platon, Boethius oder Albertus Magnus noch verstehen, dann liegt das nicht daran, dass wir immer noch deren vergangene Weltbilder, Weltsichten und Erfahrungswelten teilen können (so als ob es keine GEISTES-geschichtliche Weiterentwicklung gegeben hätte), sondern weil Philosophen sich immer wieder neu mit deren Werken beschäftigen, sie als Zeitzeugnisse in ihrem historischen Kontext untersuchen und ihre philosophischen Gehalte mit philosophischen Methoden analysieren und bei alldem zu neuen Einsichten und Interpretationen gelangen.
Du weißt besser als ich, dass dies nur anspruchsvoll gelingen kann, wenn eine Zeit nicht überwucht ist von eigenen Ideologien - sie muss sich in ihren Verstehern weitgehend von sich selbst frei machen, um dem gerecht zu werden, was geistige Größen der Vergangenheit substantiell gemeint haben - dazu ist eine HKM als nicht-geistig orientierte Disziplin ("geistig" gemeint im Sinne der Zeit, in der diese Werke geschrieben wurden, und NICHT gemeint im materialistisch transformierten Sinn unserer Zeit) NICHT geeignet - das gilt genauso für die Philosophie.

Egal, wie Disziplinen heißen: Wenn sie in ihrer eigenen Zeit ersticken, wird das nichts.

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#1077 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von SilverBullet » So 6. Aug 2017, 11:10

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Doch - auch die historisch-kritische Forschung (ich nehme an, diese meinst Du) ist definitorisch so fundiert, dass sie Jesus als Nur-Mensch setzen muss. - Sie tut dies zwar nicht expressis verbis, aber über ihre anthropozentrische Definition von "Vernunft" und "Evidenz" - das Futter für diese Aussage hat mir Thaddäus einmal mehr gegeben.
Dass er ein Mensch war, braucht man erst gar nicht zu setzen, weil es selbstverständlich ist. Über seine angebliche Göttlichkeit macht die Forschung überhaupt keine Aussagen, sondern beschränkt sich auf die Beschreibung des Glaubens an seine Göttlicheit. Das ist was völlig anderes.
Das Problem mit der „angeblichen Göttlichkeit“ besteht für mich darin, dass es sich hierbei gar nicht um eine Angabe handelt.
Wenn man etwas als „göttlich“ einordnen möchte, dann sagt dies lediglich etwas über das „Verhalten des Sprechers“ aus, aber es sagt nichts über „das Ding“ aus.

Wenn sich eine Forschung mit dem „Verhalten des Sprechers“ beschäftigen soll, dann kann sie herausbekommen, „wer, wann, in welchem Umfeld“ etwas zum „ritualisierten Verhalten“ hinzugefügt hat. Sie kann Widersprüche aufdecken, die nicht zu einer Verhaltensanpassung führten, obwohl dies angebracht gewesen wäre.

Wenn sich eine Forschung aber mit einem Ding unter dem Attribut „göttlich“ beschäftigen soll, dann besteht das fundamentale Problem, dass kein Zusammenhang zur Verfügung steht.
Dies wird deutlich, wenn man einfach mal ganz simpel nach der Job-Beschreibung fragt:
Was soll ein Wissenschaftler erforschen, wenn es um den „göttlichen Jesus“ gehen soll?
Wie soll ein Forscher bei Null anfangen und über tägliche Analyse-Leistung einen sauberen/korrekten Wissensumfang über „das Ding“ aufbauen?
=> Es geht nicht.
=> Der Forscher wird sich eine zeitlang den Kopf zerbrechen, mit was er sein Geld verdienen könnte, aber am Ende wird er Däumchen drehen.

Das einzige, was einem Forscher zur Verfügung steht, ist das „Verhalten von Sprechern“.
Er kann Verhaltensveränderungen identifizieren, er kann den ungefähren Zeitpunkt und die Beteiligten feststellen, aber ohne „das erforschbare Ding“, kann er keine Tatsachen über das Ding herausarbeiten.

Man kann sich das wie einen „Gerichtsprozess“ vorstellen.
Viele Leute sagen etwas, so dass der Eindruck eines Verhaltensanlasses entsteht, aber das was gesagt wird, kann nicht weiter untersucht werden und ist kein Bestandteil eines zugänglichen Erfahrungsschatzes, wodurch die Relevanz des Gesagten nicht festgestellt werden kann.
=> Kein Urteil.
Es wäre nun aber Unsinn dem Richter vorzuwerfen, dass er kein Urteil fällt.

In Bezug auf die christliche Religion (konkret „die Bibel“) fällt mir nur eine einzige tatsächlich überprüfbare Angabe ein: das „Übers-Waser-Gehen“.
Die Experimentbeschreibung lautet: „glaub an Jesus und du kannst übers Wasser gehen“.
Dies könnte man tatsächlich erforschen.
Da der Ausgang natürlich eindeutig ist und den „Gläubigen“ nicht gefällt, wird das Experiment letztlich derart „wegabstrahiert“, dass es noch nicht einmal mehr um Wasser gehen soll.

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#1078 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 6. Aug 2017, 11:35

sven23 hat geschrieben:Dass er ein Mensch war, braucht man erst gar nicht zu setzen, weil es selbstverständlich ist.
Es geht um "Nur-Mensch".

sven23 hat geschrieben:Über seine angebliche Göttlichkeit macht die Forschung überhaupt keine Aussagen
Richtig - weil sie es bereits in ihrer Konstituierung ausschließt = Prämisse. - Der Effekt des Ausschlusses ist da - das ist das Entscheidende.

sven23 hat geschrieben:Das ist nicht normal und nachweislich falsch, wenn es um die historische Forschung geht.
Es IST normal, weil es gar nicht anders geht - spätestens, wenn auch nur EIN Jota interpretiert und bewertet wird.

Es ist nur dann nicht so, wenn die Aufgabe lautet: "Sammeln Sie in allen Beiträgen dieses Forums Aussagen, die das Wort 'Sven' enthalten". - Dann gehört dies zwar ebenso zur Forschung, ist aber eine erste Phase der Forschung. - Wenn aber die Aufgabe lautet "Wie sind diese Aussagen historisch-kritisch zu bewerten?", wird jede Charakterisierung von Sven davon abhängen, wie der Forschende selber tickt - da kann dann rauskommen:
1) Er ist ideologischer MAterialist ("Jesus war nur ein Wanderprediger")
2) Er ist eine Blüte der Aufklärung ("Jesus war göttlich")
Beide Aussagen sind wissenschaftlich nachweisbar, da sie auf akribischer Untersuchung seiner Texte Bezug nehmen - und zwar DIESSELBEN Texte. - Ersetze "Sven" durch "Jesus", dann verstehst Du vielleicht, was ich meine.

sven23 hat geschrieben:Mit der Gaubensperspektive lassen sich weder historische noch naturwissenschaftliche Fakten aushebeln.
Diesen Satz wiederholst Du immer wieder MIR gegenüber, obwohl ich genau dies vor Jahren im Thread "Realität und Wahrnehmung" (oder so ähnlich) thematisiert habe - das ist MEIN Baby. :D

sven23 hat geschrieben:Das hat nichts mit meiner Definition von Wissenschaft zu tun, sondern ist allgemeingültig.
Nur dann, wenn man damit nicht Prämissen, sondern die Arbeitsweise meint = "Wissenschaftliche Arbeitsschritte müsse falsifizierbar sein" - und diese Bedingung erfüllen auch geisteswissenschaftliche Disziplinen, die unter geistigen Gesichtspunkten wissenschaftlich arbeiten.

sven23 hat geschrieben:Was aber durch all deine Beiträge deutlich wird.
Das sind nicht meine Beiträge, sondern Deine ideologisch-zementierte Interpretations-Perspektive. - Ich sage oft anderes, nicht selten exakt das Gegenteil von dem, was Du durch Deine weltanschauliche Verarbeitung daraus machst. - Du drehst sozusagen Dinge in der Luft um, so dass sie falsch landen, und zitierst mich so, als hätte ich so gestartet.

sven23 hat geschrieben:Vielmehr benötigt die Theologie die historische Forschung, um als halbwegs wissenschafliche legitimiert an den Universitäten bestehen zu können.
Diesen Satz von Dir zitiere ich immer wieder gerne, weil er geradezu die Karikatur Deiner ideologischen Ausrichtung ist - mit anderen Worten: So etwas ist nicht im Entferntesten ein Thema der Theologie - Dein Anliegen bemerken ihre Vertreter gar nicht.

sven23 hat geschrieben: wie naiv muss man sein, zu glauben, die zweifelhafte Entstehung der Textquellen und ihre Widersprüchlichkeiten hätte keine Auswirkung auf die Glaubwürdigkeit?
Methodisch im Sinne der HKM natürlich - aber doch nicht theologisch/ontisch.

sven23 hat geschrieben:Wie erklärst du dir beispielsweise, dass ...
Um solche Fragen überhaupt stellen zu können, muss man sich erst einmal de-ideologisieren. - Du formulierst derart tendenziell, dass nur eine zirkelschlüssige Antwort möglich ist, dass sie für Dich "wissenschaftlich" ist.

Pluto hat geschrieben: Die Falsifizierbarkeit der Thesen ist ein Grundsatz der Wissenschaft.
Aber diese Falsifizierbarkeit bezieht sich doch auf die wissenschaftlichen Arbeitsschritte und nicht auf substantielle Fragen der Bibel ("Hatte JEsus eine Naherwartung?"), die man wissenschaftlich untersucht. - ODER: Man stellt zur Bibel nur Gaga-Fragen, die selber falsifizierbar sind: "Hat Paulus die Korinther besucht?").

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#1079 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 6. Aug 2017, 11:36

SilverBullet hat geschrieben: In Bezug auf die christliche Religion (konkret „die Bibel“) fällt mir nur eine einzige tatsächlich überprüfbare Angabe ein: das „Übers-Waser-Gehen“.
Die Experimentbeschreibung lautet: „glaub an Jesus und du kannst übers Wasser gehen“.
Dies könnte man tatsächlich erforschen.
Da der Ausgang natürlich eindeutig ist und den „Gläubigen“ nicht gefällt, wird das Experiment letztlich derart „wegabstrahiert“, dass es noch nicht einmal mehr um Wasser gehen soll.
Oder aber: trinke diesen Giftbecher und er wird dir nicht schaden, wie im Markusevangelium empfohlen.
Ob closs sich wohl traut? :lol:
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#1080 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Thaddäus » So 6. Aug 2017, 12:23

closs hat geschrieben: 1) Aus Deiner anthropozentrischen Definition von "Vernunft", "Evidenz" und "Wissenschaft" muss die HKM (die - wie Du sagst - nach diesen Deinen Begriffs-Definitionen strukturiert ist) bei der Beantwortung geistiger Fragen zu Jesu Denken im Zweifelsfall zurücktreten
Abgesehen davon, dass ich "Vernunft", "Evidenz" und "Wissenschaft" bislang überhaupt nicht festlegend "definiert" habe, weil das gar nicht nötig ist, tritt die HKM bei der Beantwortung theologischer Fragen eben nicht zurück, denn genau dafür wird sie in der Theologie ja betrieben.

Man weiß nicht, ob man belustigt oder mittlerweile beschämt dein rumpelstilzschenhaftes Aufgestampfe und Geschreie verfolgen soll, die HKM solle doch nicht ... und dürfe doch nicht ... und es ginge doch nicht, dass sie ...!
Sie tut es! Und wie die meisten Alt- und Neutestamentler wissen, - auch aus guten Gründen. Da kannst du mit den Beinchen aufstampfen und Schreien, so viel du willst, sie wird es auch weiterhin tun. Das ist die Befriedigung, die man verspürt, hinsichtlich deiner starrsinnigen Anmaßung, einer wissenschaftlichen Methodik vorschreiben zu wollen, was sie darf und was nicht.

closs hat geschrieben: - "Zweifelsfall" heißt, wenn andere theologische Disziplinen bei solchen Fragen zu anderen Ergebnissen kommen.
Da blieben nur die an explizite Glaubensentscheide gebundene und daher unwissenschaftliche Dogmatik und kanonische Exegese übrig, aus denen beliebige Glaubensinhalte abgeleitet werden können. Konvertiere doch zum Islam. Dort wird theologisch ausschließlich kanonische und Ratzinger-Exegese betrieben und die historisch-kritische Erforschung des heiligen Koran ist bei Todesstrafe verboten! (Und die islamischen Schriftgelehrten wissen auch, warum ...!)

closs hat geschrieben: Denn durch diese ihre Selbst-Positionierung kann die HKM (dokumentiert hier auch durch Zitate von Zahrnt und Bultmann) Jesu Denken letztlich dann nicht beurteilen, wenn Jesus tatsächlich, also historisch göttlich war, weil diese Göttlichkeit nicht "vernünftig" (in Deinem Sinne) wäre. Da die HKM jedoch "vernünftig" (in Deinem Sinne) interpretiert, kann sie also nur dann "Evidenz" kreieren, wenn Jesus NICHT göttlich ist.
Ich weiß gar nicht, was du willst! Die HKM weist z.B. historisch-kritisch nach, dass Jesus eine Naherwartung hatte und sich selbst weder als Messias und noch viel weniger als Gottessohn oder gar GOTT verstand. Du lehnst diese ziemlich eindeutigen Ergebnisse ab, weil du GLAUBST, dass Jesus göttlich sei und sich darum alles anders verhielte, - was dir niemand verbieten kann.
Du lehnst diese Ergebnisse der HKM dezidiert nicht deshalb ab, weil du den entsprechenden historisch-kritischen Analysen etwa analytische oder methodische Fehler nachweisen kannst! Damit ignorierst du die klaren christologischen Ergebnisse der historisch-kritischen Forschung allein aus einem Glaubensentscheid heraus, - und aus sonst keinem anderen Grund. Glücklicherweise kannst du diesen deinen persönlichen Glaubensentscheid freilich nicht verbindlich für andere Forscher machen.

closs hat geschrieben: 3) Kanonische Exegese KANN (muss nicht) näher am historischen Jesus dran sein, WENN Jesus göttlich war (und nur diesen Fall untersucht die kanonische Exegese). - Da aber niemand weiß, sondern nur glaubt oder nicht glaubt, dass Jesus göttlich ist, bleibt die Frage, welche Disziplin wann die Nase in bezug auf Authentizität zu Jesus vorne hat, offen und wird "in Weltzeit" offen bleiben.
Wie sven23 schon schrieb, muss nicht erst nachgewiesen werden, dass Jesus Mensch war, insofern er als historische Person überhaupt existierte. Dass er auch göttlich bzw. GOTT gewesen sein sollte, müsste nachgewiesen oder mindestens plausibel gemacht werden, wenn man das behauptet. Oder man pfeift auf Nachweise und Plausibilitäten und glaubt das ganz einfach, was aber bedeutet, dass man von anderen nicht erwarten darf, dass sie das auch glauben.
Und selbst wenn Jesus tatsächlich göttlich war, ändert das kein Jota am Wortlaut des neuen Testamentes und nichts an den Schlussfolgerungen, zu denen die HKM aufgrund ihrer Textanalysen gelangt.

closs hat geschrieben: 4) HKM-Regeln wie etwa "Ältere Quelle ist authentischer zu Original als jüngere Quelle" können unbrauchbar bei der Bibel-Interpretation sein. - Denn heilsgeschichtlich/hermeneutisch ("Hermeneutischer Zirkel") kann eine jüngere Rezeption "schlauer" sein als eine ältere. - Bsp "Trinität:
Und wenn GOTT nicht JHWH, sondern ALLAH ist, dann ist der Koran die heilige Schrift und nicht das NT und es gibt keine Trinität. Obwohl - ich muss mich korrigieren - die gibt es auch nicht nach dem Text des NT!
Zuletzt geändert von Thaddäus am So 6. Aug 2017, 14:25, insgesamt 2-mal geändert.

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