Alles Teufelszeug? VI

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Halman
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#961 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Halman » Fr 4. Aug 2017, 00:03

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Nein, sie widersprechen sich nicht offenkundig. Dies sieht meines Wissens auch der Neutestamentler Prof. Dr. Matthias Konradt in seinem BUCH anders.
Nun, dann irrt der Herr Prof. Dr. Matthias Konradt sich offenbar auf einer recht grundlegenden Ebene ... ;)
In welcher? Mir erscheint seine Argumentation überzeugend.

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Nach meinem bescheidenen Verständnis sind die Juden die Ersten, nicht die Einzigen. Die Heilsgeschichte wird in der Bibel nicht als statische Größe verkündet, sondern als evolutive.
Das ist eine Interpretation, die - offensichtlich - keinen Rückhalt in Matthäus 10:5-6 findet, denn dort steht nichts von "Heilsgeschichte" oder einer "evolutiven Größe". Es steht auch nirgendwo, dass man diese Stelle so verstehen solle.
Das stimmt natürlich.
Nun, diese Verse stehen im matthäischen Gesamtkontext des Evangeliums. Das Matthäusevangeliun schöpft aus dem Tanach (AT). Die Verkündung des Himmelreiches hängt meines Wissens mit der messianischen Erwartung zusammen, welche die Juden z.B. aufgrund des Propheten Jesaja hegten.
Mein Gesamteindruck von der Bibel ist, dass sich darin die Heilsgeschichte, insbesondere ab Abraham, bis hin zu Jesus weiterentwickelt. Und mit Abraham kann man auch die Heidenmission begründen (was ja im NT auch so steht). Da er aber über Isaak der Erzvater der Juden ist, haben die Juden den Vorzug.
Damals hofften doch viele Juden auf den Messias. Leute, wie Johannes der Täufer, Jesus, Theudas und Judas der Galiläer (s. Apg 5.36-37) und Simon Bar Kochba († 135) u. vermutl andere., bezogen sich mehr oder weniger aufgrund ihres Glaubensverständnisses auf die jüdischen Schriften des Tanach und traten in ihren Rollen auf.
Jesus ließ nach meinem Verständnis verkünden, dass in ihm die Erfüllung des Himmelreiches liegt. Gut, aufgrund von jüdischen Schriten, die an Juden gerichtet waren. Dies schließt doch für die Zukunft keine erweitere Verkündung zum Segen für alle Völker, wie es bei Abraham angedeutet wird, zwingend aus.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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Münek
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#962 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Fr 4. Aug 2017, 00:24

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Sie kann logischerweise NICHT ergebnisoffen arbeiten, weil sie Ergebnisoffenheit per Setzung von vorn herein ausdrücklich ausschließt.
Sie ist ergebnisoffen im Rahmen ihrer Prämissen.
Jaaa - im "Rahmen"... aber um den geht's nicht.

Nee nee - sie kann deshalb NICHT ergebnisoffen sein, weil sie Ergebnisoffenheit per Setzung (= Rahmen) ausdrücklich ausschließt. Es bringt also überhaupt NICHTS, Ergebnisoffenheit innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu behaupten und gleichzeitig das kritische Hinterfragen der Prämisse auf Plausibilität und Evidenz auszublenden.


Der Schwach- und Knackpunkt ist nicht die Hermeneutik, sondern die SETZUNG als Basis für Schlussfolgerungen und Behauptungen. Nur hier geht es ums Eingemachte. Die beste Hermeneutik macht aus einer falschen Prämisse keine richtige. Da kannst Du Dich auf den Kopf stellen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Berger beanstandet, dass seine Exegetenkollegen biblisch berichtete Wunder und göttliche Eingriffe nicht in ihre historisch-wissenschaftlichen Überlegungen mit einbeziehen, sondern diese schlicht ausklammern.
Wenn es um Interpretation geht, stimme ich Berger zu
Liest Du nicht, was ich schreibe?

Du hast behauptet, Berger würde sich über "ideologische Auswüchse über die HKM hinaus" (z.B. das "Sprachrohr "Kubitza) aufregen. Nee nee - er attackiert keine Rezipienten, sondern einzig seine Exegesekollegen - und diese massiv und direkt. Für ihn sind sie Bibelfälscher, weil sie sich weigern, überlieferte Wunderberichte als historisch-reale Geschehnisse einzustufen und entsprechend zu berücksichtigen.


closs hat geschrieben:Prinzipiell hat Berger insofern recht, dass eine Methodik nicht einerseits beanspruchen kann, DIE Disziplin zur Historie zu sein, und andererseits reale Möglichkeiten in der Historie aus Setzungs-Gründen ausschließt. - Meine Rede seit 1848.
Historiker gerieten in eine unmöglich zu bewältigende Situation, wenn sie bei der Beurteilung wichtiger Figuren der Zeitgeschichte stets auch berücksichtigten müssten, dass hier und da ein göttlicher Eingriff hätte stattgefunden haben können. Wie und nach welchen Kriterien sollte denn sowas vonstatten gehen?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Genau SO ist es - und NICHT anders.
Thaddäus kann weltanschaulich Deine Ansichten auf ihre eloquente Art bestätigen - mehr nicht.
Wo sie recht hat, hat sie recht. Du hast ja nichts Substanzielles dagegen zu setzen.
Zuletzt geändert von Münek am Fr 4. Aug 2017, 00:30, insgesamt 2-mal geändert.

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Halman
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#963 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Halman » Fr 4. Aug 2017, 00:27

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Wie will man den authentische Jesus-Worte von nicht-authentischen unterscheiden? Textkritisch geht es nicht, da uns keine Urtexte aus dem ersten Jahrhundert vorliegen. So bleiben uns im Wesendlichen Literarkritik und Redaktionskritik.
Matthäus 10:5-6 liefert eindeutig die schwierigere Lesart, denn sie schließt die spätere tatsächliche heidenchristliche Missionstätigkeit aus. Damit findet die textkritische Regel lectio difficilior potior Anwendung, der gemäß die schwierigere Lesart die ursprünglichere ist, was wiederum bedeutet, dass Matthäus 10:5-6 mit höherer Wahrscheinlichkeit ein authentisches Jesuswort ist als das zweite Logion, welches nur die spätere Missionstätigkeit rechtfertigen soll.
Ja, mir leuchtet die Logik ein. Ich sehe nur in einer späteren Erweiterung einer Missionstätigkeit keinen zwingenden Widerspruch zu einer zeitlich begrenzten Judenmission. Es könnte doch sein, dass sie nicht die einzigen sind, sondern schlicht vorgezogen wurden.

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Wenn man z.B. annimmt, dass Jesus als jüdischer Rabbi nicht an einer Weltmission interessiert war, kommt als Ergebnis eben heraus, dass alle Texte über eine Weltmission Redaktionen sind. Die Frage ist nur, ob die Prämisse korrekt ist.
Das ist keine Prämisse, sondern ein Textbefund, denn Matthäus 10:5-6 mit seiner wünschenswert eindeutigen Aussage und Aufforderung lässt sich ja nicht wegdiskutieren. Dass sie im Mt.-Ev. überhaupt verblieben ist und nicht als zu der späteren Tatsache der Heidenmission in Widerspruch stehend einfach redaktionell getilgt wurde bestätigt, dass es sich bei diesem Logion in Matthäus 10:5-6 um eine Aussage Jesu handeln musste, die eben nicht so einfach getilgt werden konnte, weil sie offenbar sehr bekannt war und damals als authentisches Jesuswort angesehen wurde.
Ja, hier präzessierst Du deine obige Argumenation logisch nachvollziehbar. Wenn man aber annimmt, dass die Mission zuerst den Juden und dann den Heiden gelten sollte, passt diese Interpreation doch auch zum Textbefund.

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Gut, es gibt die Zweiquellen-Theorie, mit den Textschichten, markinisches Gut, Logienquelle Q, Sondergut usw. Hemul wird diese Modelle wohl kaum vertreten, eure Prämissen sind verschieden - ihr habt keine gemeinsame Diskussionsbasis.
Doch, wir haben eine gemeinsame Diskussionsbasis: den Text des Matthäus-Ev.! (Verfalle bloß nicht in clossistische Relativierungsstrategie! :lol: )
Nur nehme ich den Text ernst und Hemul nicht.
Gut, diesen Widerspruch, dass der Text selbst eine gemeinsame Diskussionbasis ist, akzeptiere ich und korrigiere hiermit meine Meinung.

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Aramaismen weisen einer Meinung nach glaubhaft auf Authentizität hin, ansonsten kann man alles anzweifeln.
Ersteres ist korrekt, aber ansonsten ergeben sich auch glasklare textkritische Schlussfolgerungen.
Welche?

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Natürlich kann ich theologisch nicht auf Augenhöhe mit Dir diskutieren, dies ist mir völlig klar. Allerdings ist es Deine Idee, in einem Laienforum zu diskutieren. ;) (Worüber ich übrigens erfreut bin. :thumbup: )
Lieber Halman, du bist eines der hell leuchtenden Lichter in diesem manchmal sehr dämmrigen Forum. Ich bestehe sogar darauf, dass du mir widersprichst, wenn du nicht mit mir übereinstimmen kannst oder willst. :thumbup:
Nur nimm es mir nicht übel, wenn ich auch dir nach bestem Wissen und Gewissen widerspreche, wenn ich den Eindruck habe, das tun zu müssen.
Natürlich nehme ich es Dir nicht übel. Durch Kritik und Widerspruch zeigt man sogar Respekt vor dem Gegenüber als mündigen Gesprächspartner. Dieser Widerspruch darf auch deutlich formuliert sein.
Ich bin allerdings gerade zurzeit sehr dünnhäutig, was übrigens GAR NICHTS mit Dir zu tun hat.

Ich erinnere mich, dass wir mal in einer Diskussion über Klaus Berger und/oder Naherwartung (keine Ahnung mehr, um was es genau ging) aneinander gerieten. Lag sicher auch an mir.
Sowas ist im Grunde nicht schlimm und sollte man wegstecken können. Leider kann ich dies nicht mehr. Mein Defizit, ich weiß. Ich bin einfach schlecht drauf.

Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben: Hemul reagiert auf energischem Widerspruch, die drastisch und ohne Rücksicht auf religiöse Gefühle entgegnet werden, frei aus dem "Herzen" und ich meine darin eine gewisse Empörung zu lesen.
Meine Reaktion ist darauf eine andere, denn ich habe nicht mehr die phsychische Kraft, noch die Lust, mich hier zu streiten oder zu ringen, wo ich sowieso verlieren muss, alleine schon wegen dem argumentum ad verecundiam, welches meiner Meinung immer irgendwie mitschwingt, da habe ich keine Chance.
Ach was, stelle dein Licht nicht unter den Scheffel. Außerdem ist die theologische Lösung zu meiner Kritik sehr einfach. Paulus hat die Heidenmission ins Werk gesetzt, die Jesus selbst vermutlich gar nicht wollte. Das heißt aber nicht, dass Paulus damit Unrecht hatte, wenn man von einem heilsgeschichtlichen Wirken Gottes ausgeht. Es ist nicht unerträglich, dass sogar Jesus sich zuweilen geirrt haben könnte, wenn man theologisch ernst nimmt, dass er wahrer Mensch war. Und Menschen irren sich zuweilen ...
Vielen Dank für die Blumen, die kann ich zurzeit sehr gut gebrauchen.
Ich habe mir mal erlaub, ein Wort in Deiner Antwort hervorzuheben. Dieses Wort lässt doch Raum für ein heilsgeschichtliches Wirken Gottes, welches ich als Christ natürlich annehme.
Die Prämisse der Unfehlbarkeit Jesu mit der Prämisse, dass er wahrer Mensch war, anzuweifeln, ist eine sehr elegante Möglichkeit. Gibt es in der Bibel Hinweise bezüglich Jesu Fehlbarkeit oder Unfehlbarkeit?
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#964 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Fr 4. Aug 2017, 01:17

Münek hat geschrieben: Es bringt also überhaupt NICHTS, Ergebnisoffenheit innerhalb eines vorgegebenen Rahmens zu behaupten und gleichzeitig das kritische Hinterfragen der Prämisse auf Plausibilität und Evidenz auszublenden.
Das gilt doch für die HKM genauso - auch sie hat einen Rahmen, innerhalb dessen sie ergebnisoffen ist - und auch das darf man das kritische Hinterfragen der Prämisse auf Plausibilität und Evidenz nicht auszublenden.

Wer entscheidet, dass die Prämisse "Es kann Wunder geben" und "Jesus ist göttlich" unplausibel ist? Parteiische Gegenspieler?

Münek hat geschrieben: Die beste Hermeneutik macht aus einer falschen Prämisse keine richtige.
Richtig - und nochmal: Wer entscheidet, ob die Prämissen der HKM richtig oder falsch sind? Oder die Prämissen der christlichen Exegesen richtig oder falsch sind?

Münek hat geschrieben:Für ihn sind sie Bibelfälscher, weil sie sich weigern, überlieferte Wunderberichte als historisch-reale Geschehnisse einzustufen und entsprechend zu berücksichtigen.
Da hat Berger insofern prinzipiell recht, weil es nicht sein sollte, dass man als Forscher mögliche Ergebnisse per Prämisse vorab ausschließt. - Das ist doch genau der wunde Punkt.

Münek hat geschrieben:Historiker gerieten in eine unmöglich zu bewältigende Situation, wenn sie bei der Beurteilung wichtiger Figuren der Zeitgeschichte stets auch berücksichtigten müssten, dass hier und da ein göttlicher Eingriff hätte stattgefunden haben können.
Wenn es keine Anlässe aus den Quellen dazu gibt, muss man es nicht berücksichtigen. - Bei der Bibel wimmelt es aber gerade vom Wort "göttlich" (Überraschung! :lol: ), ist also in diesem Kontext relevant.

Münek hat geschrieben:Wie und nach welchen Kriterien sollte denn sowas vonstatten gehen?
Ob es nach wissenschaftlicher (und nicht weltanschaulicher) Einschätzung plausibel ist, dass bei der historischen Untersuchung von Erich Honecker sinnvoll ist, ihm Göttlichkeit als Möglichkeit zuzuordnen, sollte in der Kompetenz des Forschers liegen. - Wenn es jedoch aus dieser Kompetenz heraus einem Wissenschaftler erscheint, dass dies bei Jesus auszuschließen sei, obwohl dies ein Kernthema des NT ist, liegen weltanschauliche Gründe nahe - und die sollte man als Prämisse nennen, bevor man ERgebnisse innerhalb dieser Prämisse präsentiert.

Münek hat geschrieben:Wo sie recht hat, hat sie recht. Du hast ja nichts Substanzielles dagegen zu setzen.
Nee - da geht es um etwas anderes. - Ich greife die Wurzeln ihres Ansatzes an, die aus meiner Sicht nicht tief genug gehen. - Hier prallen verschiedene Weltanschauungen aufeinander - ein Konflik, den ich als "anthropozentrisch gegen theozentrisch" bezeichnen würde.

Letztlich läuft es - wie fast immer - auf zwei Grundfragen hinaus:
1) Ist Materie aus Geist oder Geist aus Materie?
2) Was ist der Maßstab: Das, was ist, oder die menschlich-vernünftige Wahrnehmung davon?

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Münek
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#965 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » Fr 4. Aug 2017, 01:25

Halman hat geschrieben:Ich bin allerdings gerade zurzeit sehr dünnhäutig,
Lieber Halman - diese Befindlichkeit registriere ich nicht zum ersten Mal bei Dir. Deshalb versuche ich mal, Deine Haut ein klein wenig zu "verdicken".

Du weißt, dass wir in unseren Auffassungen meistens nicht übereinstimmen, weil ich im Gegensatz zu Dir eine atheistische
Position vertrete. Das hindert mich nicht im Geringsten daran, Dir wegen der QUALITÄT Deiner Beiträge im astro-physikali-
schen UND biblischen Bereich sowie Deines sehr angenehmen persönlichen Auftretens meine Wertschätzung auszusprechen.
Hut ab. :chapeau:


Übertreibe es nicht mit Deiner Bescheidenheit. Gerade Du hast nicht den geringsten Grund, tief zu stapeln, dünnhäutig
zu sein und Dein Licht unter den Scheffel zu stellen. Ganz im Gegenteil. :thumbup:


Soo - das reicht jetzt. Beim nächsten Mal kreuzen wir wieder die Klingen. ;)

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#966 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von 2Lena » Fr 4. Aug 2017, 06:45

Thaddäus hat geschrieben: Matthäus 10:5-6 liefert eindeutig die schwierigere Lesart, denn sie schließt die spätere tatsächliche heidenchristliche Missionstätigkeit aus. Damit findet die textkritische Regel lectio difficilior potior Anwendung, der gemäß die schwierigere Lesart die ursprünglichere ist, was wiederum bedeutet, dass Matthäus 10:5-6 mit höherer Wahrscheinlichkeit ein authentisches Jesuswort ist als das zweite Logion, welches nur die spätere Missionstätigkeit rechtfertigen soll.
Solche Gedanken entstehen wieder einmal durch das HERAUSZERREN eines Spruches, ohne dass irgendwer eine Ahnung hat, was das ganze Kapitel als Lehrstoff enthält. Es ist doch so, dass das ganze Kapitel "stutzig" macht. Jesus zieht durch das Land. Er wirkt Wunder. Er führt philosophische Gespräche, er heilt die Menschen. Er verändert Landschaften, speist Tausende. Da werden keine Leute aufmerksam, kaum mal Interessenten, oder gar Anhänger oder was?
Wo bleibt nur eure Phantasie ...

Man "glaubt" an das "Evangelium". Darin versteht ihr, es waren einmal 12 Apostel, die mit einem kleinen, seltsam fanatischen sich anders verhaltenden Wanderprediger durch die Lande zogen, vom Himmelreich predigten, das nur zu den Juden käme, weil es ... wer weiß es, Propheten das schon lange wussten. Was ergibt das für ein Bild?

Vergesst ihr etwa die Landkarte, woher Noah kam, welche Völker sich von dort aus in alle Welt verteilten und Nachkommen brachten ... und bei denen merkte keiner etwas vom Weltgeschehen? Wie kamen bloß die Lehren jener Zeit schon auf den Balkan, nach Polen, nach Indien, ja bis in den Norden nach England. Das war lange, bevor irgendwelche Missionsreisen von Politikern und Theologen ausgeheckt wurden zur Vereinheitlichung oder Vergrößerung ihrer Herrschaftsgebiete. Was hatte denn Johannes der Täufer mit seiner Bußpredigt? Eine Taufe war im Judentum nicht. Sie kannten die Beschneidung. Taufriten sind aus den Jesiden bekannt, die von sich behaupten die älteste Religion der Erde zu haben.

Halman hat geschrieben:Nein, sie widersprechen sich nicht offenkundig. Dies sieht meines Wissens auch der Neutestamentler Prof. Dr. Matthias Konradt in seinem BUCH anders.

Thaddäus hat geschrieben: Nun, dann irrt der Herr Prof. Dr. Matthias Konradt sich offenbar auf einer recht grundlegenden Ebene ...
Immer, wenn hier ein Name eines Wissenschaftlers genannt wird, gehe ich so hoffnungsvoll auf die Seiten - und ach, schon wieder diese Enttäuschung. Es ist zum Heulen. Zwar ist da viel Wissen, aber wo bleibt das Gesamtbild. Zwar ist manchmal etwas Glauben - aber wer vermittelt schon, dass das Gebäude ohne Schieflage endlich einmal halbwegs sicher daherkäme. Nichts als Behauptungen sind, Althergbrachtes, ohne Basis zu sehen.

Bitte überlegt doch mal ihr was das soll:

Matth. 10. 5 Diese zwölf sandte Jesus, gebot ihnen und sprach: Gehet nicht auf der Heiden Straße und ziehet nicht in der Samariter Städte,

Matth. 10. 16 Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe; darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben!
Werden so die Leute zu "Freunden" geschickt?
Und? Wozu bekehren, wenn doch "alle Juden" schon seit Mose an Gott glaubten?

Darin sieht man schon den "Wahnsinn", der in üblichen Redensarten zum Ausdruck kommt. Ein Christ müsse an Gott glauben, getauft sein, das Kreuzzeichen machen können und ein Amulett tragen (nach Möglichkeit). Grimmsdfsfds Wir haben es doch bei Matth. 10 mit Wissenschaft zu tun. Ja, sie ist nur "eingepackt" in historisches Umfeld. Sie "erzählt" wie die Auffrischung der bereits bekannten und bewährten Weisheits- und Wohlfahrtsregeln eine mächtige Wirkung entfalten kann.

Die Probleme vergehen, Gesundung tritt ein und große Entwicklungen kommen voran. Dazu entsteht auch Freundschaft und Gemeinschaftssinn.


Aus dem kleinen Hinweis schon, der sich nur aus dem "Titel", im ersten Satz bloß, beim mehrdimensionalen Lesen ergibt - merkt man dann - da passt Vers 5 und 16, denn es wird etwas Vernünftiges zur Lagebewältigung gesagt. Das trat dann auch ein ...

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#967 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von 2Lena » Fr 4. Aug 2017, 06:51

Thaddäus hat geschrieben: Das ist keine Prämisse, sondern ein Textbefund, denn Matthäus 10:5-6 mit seiner wünschenswert eindeutigen Aussage und Aufforderung lässt sich ja nicht wegdiskutieren. Dass sie im Mt.-Ev. überhaupt verblieben ist und nicht als zu der späteren Tatsache der Heidenmission in Widerspruch stehend einfach redaktionell getilgt wurde bestätigt, dass es sich bei diesem Logion in Matthäus 10:5-6 um eine Aussage Jesu handeln musste, die eben nicht so einfach getilgt werden konnte, weil sie offenbar sehr bekannt war und damals als authentisches Jesuswort angesehen wurde.
So was, also ein Textbefund ...

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sven23
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#968 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 4. Aug 2017, 07:29

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie kommst du darauf, dass Theißen sich der angewandten Methodik nicht bewußt ist? :roll:
Ich habe - wie üblich - das Gegenteil von dem geschrieben, was Du herausliest ..
Ich denke nicht, denn closs hat geschrieben:

Das behauptet keiner - die Naherwartung ist system-intern schlüssig. - Die Betonung lag auf "sich ihrer Prämissen BEWUSST sein".

Das impliziert, dass Theißen sich dessen nicht bewußt wäre, und das ist nachweislich falsch.

closs hat geschrieben: und da brettert dann Berger dagegen.
Berger brettert sowieso ständig gegen das Brett vor seinem eigenen Kopf. Er meinte in einem Interview, man solle doch bitte schön and die Wunder der Bibel glauben, denn schließlich stünden sie ja in der Bibel.
Das ist auch nicht viel besser als der bekannte Zirkelschluss des Paulus:

Die Bibel ist Gottes Wort, denn es steht geschrieben „alle Schrift ist von Gott eingegeben“.


Aber solchen Stockfehlern begegnet man bei Gaubensdogmatikern auf Schritt und Tritt.

closs hat geschrieben: Theißen gehört NICHT zu diesen Ideologen, weil er im Vorwort deutlich macht, dass er sich seiner methodischen Möglichkeiten und Grenzen bewusst ist - also exakt das Gegenteil, was Du aus mir herausliest.
EBEN, deshalb kann er doch mit Fug und Recht sagen:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Dies stand im Zentrum seiner Verkündigung.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Jetzt reicht es aber wirklich langsam mit Deinen absurd-falschen Behauptungen. Was Du als Problem ansiehst, gibt es als solches überhaupt nicht, sondern existiert doch nur in Deiner Vorstellung.
Das zeigt mir, wie tief sich hier Ideologisches eingebrannt hat - es ist geradezu irrational.

Wie will eine Disziplin, die die Bibel unter der Setzung interpretiert, dass es keine Wunder gibt, geistige Fragen interpretieren (wollen)? - Das ist doch "schizo".
Wenn Wunder die conditio sine qua non für das geisteig Glaubenskonstrukt sein sollen, dann steht es auf schwachen Füßen. Darüber sollte man sich im klaren sein.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#969 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 4. Aug 2017, 07:45

Halman hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Wenn man z.B. annimmt, dass Jesus als jüdischer Rabbi nicht an einer Weltmission interessiert war, kommt als Ergebnis eben heraus, dass alle Texte über eine Weltmission Redaktionen sind. Die Frage ist nur, ob die Prämisse korrekt ist.
Das ist keine Prämisse, sondern ein Textbefund, denn Matthäus 10:5-6 mit seiner wünschenswert eindeutigen Aussage und Aufforderung lässt sich ja nicht wegdiskutieren. Dass sie im Mt.-Ev. überhaupt verblieben ist und nicht als zu der späteren Tatsache der Heidenmission in Widerspruch stehend einfach redaktionell getilgt wurde bestätigt, dass es sich bei diesem Logion in Matthäus 10:5-6 um eine Aussage Jesu handeln musste, die eben nicht so einfach getilgt werden konnte, weil sie offenbar sehr bekannt war und damals als authentisches Jesuswort angesehen wurde.
Ja, hier präzessierst Du deine obige Argumenation logisch nachvollziehbar. Wenn man aber annimmt, dass die Mission zuerst den Juden und dann den Heiden gelten sollte, passt diese Interpreation doch auch zum Textbefund.
Ich denke nicht, dass beides zusammenpasst. Möglicherweise handelt es sich beim Heidenmissionsbefehl um eine spätere Einfügung.
Er paßt auch inhaltlich nicht zum Jundenmissionsbefehl, denn "ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen...." besagt ja, dass nur noch kurze Zeit bleibt, um die Juden zu missionieren, bevor das "Reich Gottes kommt mit Kraft". Für die Missionierung der ganzen Welt ist also überhaupt keine Zeit mehr und sie ist vor allem gar nicht mehr nötig, wenn das Reich Gottes mit Kraft gekommen ist.

Denn wie wir alle wissen:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Gerd Theißen, Der historische Jesus
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#970 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 4. Aug 2017, 08:05

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Berger beanstandet, dass seine Exegetenkollegen biblisch berichtete Wunder und göttliche Eingriffe nicht in ihre historisch-wissenschaftlichen Überlegungen mit einbeziehen, sondern diese schlicht ausklammern.
Wenn es um Interpretation geht, stimme ich Berger zu - wenn es um Sachbeobachtungen gibt ("Wir beobachten, dass an Stelle x von Wundern berichtet wird, und können nachweisen, dass diese Stelle nachträglich eingefüpgt wurde"), stimme ich Berger NICHT zu.
Aber genau das macht doch die Forschung. Die Schriften des NT strotzen nur so von nachträglichen Einfügungen, Veränderung, Auslassungen und sinnentstellenden Verfälschungen. Dass dies alles ohne Belang für die Glaubwürdigkeit der Schriften sein soll, kann nur jemand glauben, der glaubensideologisch völlig verblendet ist.

"Wie die Textgeschichte lehrt, wurde am meisten und vor allem absichtlich in der ältesten Zeit geändert, weil nämlich die Evangelien, wie wir gleich sehen werden, fast ein Jahrhundert lang gar nicht als heilig und unantastbar gegolten haben. Man strich und setzte zu, paraphrasierte und erging sich in der Ausmalung von Details, man erzählte überhaupt mehr nach, als dass man korrekte Kopien lieferte. Bis gegen 200 verfuhr man mit den Evangelien nach Bedarf und Geschmack. Doch haben sie auch spätere Abschreiber noch verändert, neue Wunder eingefügt oder die vorhandenen weiter gesteigert.
Um der heillosen Verwilderung ein Ende zu machen, beauftragte im Jahre 383 Bischof Damasus von Rom den Dalmatiner Hieronymus, mit der Herstellung eines einheitlichen Textes der lateinischen Bibeln, von denen auch nicht zwei in längeren Abschnitten übereinstimmten. Der päpstliche Sekretär änderte dabei den Wortlaut der Vorlage, die er als Basis für seine "Berichtigung" der vier Evangelien benutzte, an etwa 3500 Stellen. Diese Übersetzung des Hieronymus, die Vulgata, die allgemein Verbreitete, von der Kirche jahrhundertelang abgelehnt, wurde im 16. Jahrhundert auf dem Konzil von Trient für authentisch erklärt.

Wie jedoch unter den altlateinischen Bibelhandschriften keine mit der anderen völlig harmoniert, so bieten auch unter den griechischen - 1933 kannte man rund 4230, 1957 bereits 4680 griechische Handschriften des Neuen Testaments - keine zwei genau denselben Text. Eine Übereinstimmung aller Codices aber liegt kaum bei der Hälfte der Worte vor. Und dies, obwohl oder vielmehr weil man in der handschriftlichen Überlieferung die Evangelien einander angeglichen hat. Man schätzt die Zahl dieser Varianten, das heißt verschiedenen Lesarten, auf 250000. Änderungen bloßer Satzzeichen und Buchstaben (was ja manchmal schon Sinn entscheidend sein kann) zählen dabei ebenso mit wie Abweichungen ganzer Sätze und Abschnitte. Der Text des "Buches der Bücher", heute in mehr als 1100 Sprachen und Dialekten verbreitet, ist also heillos korrumpiert."

Quelle: glauben&wissen


closs hat geschrieben: Prinzipiell hat Berger insofern recht, dass eine Methodik nicht einerseits beanspruchen kann, DIE Disziplin zur Historie zu sein, und andererseits reale Möglichkeiten in der Historie aus Setzungs-Gründen ausschließt. - Meine Rede seit 1848.
Dass die Revolution von 1848 gescheitert ist, weißt du hoffentlich. Hier sehe ich Parallelen zu dir. :lol:
Deiner Argumentation folgend muss Geschichtswissenschaft die Existenz von Wundern voraussetzen, damit sie die "realen Möglichkeiten der Historie" nicht ausschließt. :roll:

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Genau SO ist es - und NICHT anders.
Thaddäus kann weltanschaulich Deine Ansichten auf ihre eloquente Art bestätigen - mehr nicht.
Vor allem strotzt ihre Argumentation nicht vor inhaltlichen und logischen Stockfehlern. Da hast du noch einiges nachzuarbeiten.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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