Rembremerding hat geschrieben:Novalis hat geschrieben:Die materielle Welt - die Welt der Fakten, in welcher der Materialist hauptsächlich operiert - ist nur ein Bruchteil der Wirklichkeit. So entzieht sich ihm das Verständnis religiöser Mythologie, welche die menschliche Existenz mit dem GEIST in Beziehung setzt, den er unentwegt leugnet.
In Mythen versucht der Mensch eine Erklärung zu finden von dem, was nicht ist, aber schon immer war. Der Mensch agiert und reagiert weitaus mehr durch sein Unterbewusstsein, als gerade Materialisten annehmen. Die Forschung hat bereits viel über diese Wirksamkeiten etwa von Sinnbildern, Chiffren und Symbolen entdeckt, eben auch, dass davon einiges der Forschung verborgen bleibt und somit jenseits materieller Erkenntnismöglichkeiten.
Zu Beginn wurden viele Texte mit Mythen in Bezug gesetzt. Die ersten historisch-literarischen Analysen von Texten, wie sie etwa Bultmann vollzog, wollten überall Mythen entdecken. Vieles von dem, was damals "entmythologisierend" ausgeschieden wurde, wird später wieder als historisch relevant in die Texte aufgenommen.
Dies auch, weil die historische Forschung und die Mythenforschung weiter vorangeschritten sind und man mehr über die Mechanismen von Mythen und ihre Bezüge zur menschlichen Psyche weiß. Gerade hier wird menschliche Existenz und Geist als Beziehung erkannt.
Viele psychische Erkrankungen entstehen durch Verdrängung und Verleugnung dieser Beziehung. In diesem Sinne waren Mythen, Sinnbilder und Symbole für den geistig weitaus sensibleren Menschen der fernen Vergangenheit auch Therapien und Reinigungsmöglichkeiten für die Seele.
Unter diesem Blickwinkel kann man beispielsweise Mantras sehen oder das Meditationsbild des hl. Nikolaus von Flüe.
Servus

Ken Wilber zeigt mit seinem integralen Modell die vier grundlegenden Dimensionen des Kosmos auf, die in Form der großen drei Domänen des ICH, des WIR und des ES zusammengefasst werden können. Im folgenden nun einige Aspekte dieser grundlegenden Dimensionen in Wilbers eigenen Worten:
Ich (oben links): Bewußtsein, Subjektivität, Selbst und Selbstausdruck (u.a. auch Kunst und Ästhetik), Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, nicht reduzierbares und unmittelbares gelebtes Gewahrsein, Darstellungen in der ersten Person.
Wir (unten links): Ethik, Moral, Weltsichten, gemeinsamer Kontext, Kultur, intersubjektive Bedeutung, gegenseitiges Verständnis, Angemessenheit, Gerechtigkeit; Darstellungen in der zweiten Person.
Es (rechte Seite): Wissenschaft und Technik, objektive Natur, empirische Formen (u.a. Gehirn und Gesellschaftssysteme), propositionale Wahrheit; objektives Äußeres von Individuen und Systemen, Darstellungen in der dritten Person.
Quelle
Er bezeichnet sie als die "
Großen Drei". Sir Karl Popper sprach von den drei Welten: die subjektive (Ich), die kulturelle (Wir), und die objektive (Es). Habermas spricht von der subjektiven Wahrhaftigkeit (Ich), der intersubjektiven Richtigkeit (Wir) und der objektiven Wahrheit (Es). Platon spricht vom Schönen, Guten und Wahren. Daraus ergeben sich zwei Wege der Erkenntnis: den rechtsseitigen Weg der Erkenntnis über die Objektivität und der linksseitige Weg der Erkenntnis über die Subjektivität. Religion und Spiritualität beschäftigt sich mit der Weltsicht, Sinn und Bedeutung, Gefühlen und moralischen Werten, welche über die Beschreibung des bloßen Außen der Dinge hinaus geht. Hier geht es um Innerlichkeit und Tiefe, um unser
Bewusstsein.
Entsprechend gebrauchen die Naturwissenschaft und die Religion eine unterschiedliche Sprache. Die Naturwissenschaft bedient sich der ES-Sprache, während die Religion eine ICH-Sprache und WIR-Sprache verwendet.
Sowohl die ICH-Sprache als auch die WIR-Sprache sind dialogisch und interpretativ, gehen hermeneutisch, also deutend, vor und befassen sich mit den Phänomenen des Inneren, von Innen heraus.
Quelle: Integrales Leben
Das innere Erleben des Menschen, wozu religiöses Erleben und mystische Erfahrung gehört, kann zwar aus der objektiven Perspektive (ES-Bereich) beschrieben werden - als gehirnphysiologischer Prozess, das Zusammenspiel von Synapsen, Transmittern usw. - doch damit wissen wir noch rein gar nichts über ihre Bedeutung. Die Deutung erfolgt in der ICH- und WIR-Perspektive, woraus dann eine bestimmte Weltsicht entspringt. Der wissenschaftliche Materialismus kann hier durchaus als "Flachland" bezeichnet werden, weil die Dimension der Subjektivität und Intersubjektivität (die unsrem Leben Sinn und Bedeutung verleiht) auf die objektiven und interobjektiven Merkmale reduziert wird, sodass die gesamte Innerlichkeit unter den Tisch fällt.
Ein Kósmos mit innerer Tiefe, Sinn und Bedeutung, ein geistreiches und seelenreiches Weltbild wurde ersetzt durch die Vorstellung eines physischen Kosmos der reinen Oberflächen. Anstatt von der untersten Ebene der großen Kette des Seins - der Materie - zur höchsten Dimension (GEIST) hinauf zu denken, wird nun das Höchste auf das Niedrigste reduziert. Zweifellos hat die ES-Perspektive ihre Berechtigung, doch sie sollte nicht verabsolutiert werden. Denn ...
... die Folge davon ist eine Entqualifizierung des Kósmos, eine Blindheit gegenüber Wert, Bedeutung, Innerlichkeit und Tiefe, welche eben allesamt keinen einfachen Ort haben, auf den man den Finger legen könnte. Ein weiteres Beispiel zur Veranschaulichung der Verflachung des Kósmos auf den rein materiellen Kosmos ist die psychologische Schule des Behaviorimus. Der Behaviorismus betrachtet die Innerlichkeit des Menschen als "black box", bestenfalls als eine "intervenierende Variable". Daher beschränkt er sich auf das menschliche Verhalten, welches beobachtbar und objektivierbar ist und beschrieben werden kann. Der Behaviorismus lässt sich auf keinen Dialog mit dem Menschen ein: Der Mensch ist nicht Subjekt der Kommunikation, sondern allenfalls ein Objekt der Information. Wilber bemerkt hierzu trocken: "Ob wohl je ein Behaviorist seiner Liebsten erklärt hat, daß ihre gemeinsame Liebe lediglich eine intervenierende Variable ist?" 13 Kurz gesagt: Behaviorismus ist Psychologie in ES-Sprache. Das soll nicht etwa heißen, dass uns der Behaviorismus überhaupt nichts mitzuteilen hätte, sondern nur, dass wir darin keinerlei qualitativen, moralischen Aussagen über Innerlichkeit oder den Wert der Intentionen von Menschen finden werden.
"Flachland" ist also ein Begriff, den Wilber geprägt hat, um diesen geradezu klassischen Typ von Reduktionismus zu benennen, der sich seit dem Siegeszug der modernen Naturwissenschaften im Verlauf der Moderne hartnäckig verbreitet hat. Im Kern bezeichnet er die Reduktion des vielschichtigen Kósmos auf seine rein materiellen Korrelate. Der ICH- und der WIR-Bereich, also die ganze linke Seite des Quadrantenmodells, in der wir Sinn, Wert, Tiefe, Würde, Schönheit und Gerechtigkeit verorten, wurden dem Erdboden gleichgemacht, plattgewalzt, für rein subjektiv und somit unwissenschaftlich erklärt. Sie waren plötzlich nicht mehr "wirklich" wirklich. Mit der verabsolutierten Wahrheit der ES-Bereiche in den Händen erklärte man die Dimensionen der Innerlichkeit jedes Holons für inexistent und degradierte Bewusstsein zu einem reinen Epiphänomen des materiellen Gehirns. Das versetzte der Großen Kette des Seins der Philosophia perennis einen fast vernichtenden Stoß.
Integrales Forum
Die große KETTE DES SEINS wurde durch das Flachland eingetauscht

Wilber zitiert gerne Alfred North Whitehead, um die daraus resultierende Entqualifizierung des Kósmos zum allein physischen Kosmos zu illustrieren:
"Eine fade Sache, ohne Klang, ohne Duft, ohne Farbe, nur noch das endlose, sinnlose Hasten von Material. Das hat die moderne Philosophie ruiniert."
und weiter kommentiert Wilber:
Um genau zu sein: Es hat die moderne Lebenswelt ruiniert. Wenn man vom Inneren zum Äußeren geht, vom Geist zum Gehirn, vom Mitgefühl zum Serotonin, dann geht man vom Wert zum Wertlosen, von der Würde zum Würdelosen ~ Ken Wilber