Agent Scullie hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:
Wenn man ein EEG erstellt, erfasst man offensichtlich nicht den Inhalt eines Gedankens!
Ein EEG erfasst die Aktivität eines Hirnareals. Ich erhalte eine gemessene Kurve. Ganz offensichtlich erfasse ich mit einem EEG aber nicht, dass eine spezielle Hirnaktivität z.B. den wahren Gedanken ausdrückt "2+3=5".
Als Materialist könnte man einwenden, dass die heutige EEG-Technologie einfach noch nicht weit genug fortgeschritten sie, um den Inhalt eines Gedankens erfassen zu können, es durch künftige technischen Entwicklungen aber durchaus einmal möglich werden könnte, den Inhalt eines Gedankens zu messen. Immerhin ist es heute schon möglich, aus einem EEG zu ersehen, ob jemand traurig ist.
Man kann sogar messen, in welchem Hirnareal die Operation "2+3=5" gerechnet wird. Aber das löst nicht das grundsätzliche Problem.
In einer zukünftigen Neurologie kann man vielleicht so gar viel genauer feststellen:
"Wenn "2+3=5" gerechnet wird, feuern die Neuronen xy im Stirnlappen in Intervallen der Werte soundso ...". Ganz offensichtlich kann zwischen diesem neuologischen Ausdruck, der irgendwann vielleicht sogar noch genauer durch einen rein physikalischen Ausdruck ersetzt werden kann, und dem Ausdruck "2+3=5" kein Gleichheitszeichen gesetzt werden, denn sie repräsentieren einen je unterschiedlichen Sinn (genau so, wie der Ausdruck "Morgenstern" nicht einfach durch den Ausdruck "Abendstern" ohne Bedeutungsverlust ersetzt werden kann, obwohl beide Ausdrücke auf denselben 2. Planeten unseres Sonnensystems rekurrieren, nämlich die Venus). Kann man kein Gleichheitszeichen zwischen beiden Ausdrücken setzen bedeutet dies, dass die beiden Ausdrücke eben nicht identisch sind.
Und das bedeutet letztlich, dass der Materialist falsch liegt, wenn er annimmt, ein Gedanke und sein sprachlicher Ausdruck könnten durch einen rein physikalischen Ausdruck ersetzt werden, weil beide Ausdrücke eben nicht identisch sind. Genau das muss ein Materialist aber annehmen.
Wenn ein Arzt fragt:
"Wie stark ist ihr Schmerz auf einer Skala von 1 bis 10?" Dann kann es sein, dass Patient A angibt, sein Schmerz entspräche einer 6, während Patient B, bei dem exakt dieselben C-Nervenfasern (die für Schmerzen zuständig sind) in exakt derselben Stärke aktiv sind, angibt, sein Schmerz entspräche einer 4 oder einer 7. Für das Messen der Empfindung von Schmerzen existiert keine objektiv geeichte Schmerzskala. Die interessiert den Arzt auch gar nicht. Vielmehr kommt es auf das subjektive Schmerzempfinden und damit auf den je erlebten phänomenalen Bewusstseinsinhalt des Patienten an. Deshalb werden (starke) Schmerzmittel auch individuell dosiert, je nach individuellem Schmerzempfinden, auch wenn bei zwei Patienten derselbe schmerzneurologische Befund vorliegt. Manchmal hilft sogar ein Schmerzplacebo ... was von einer materialistischen Warte völlig unerklärlich ist.
Agent Scullie hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Es gibt kein bildgebendes Verfahren in der Medizin, dass den Inhalt eines Gedankens erfassen könnte.
Ein Materialist könnte einwenden: heute gibt es das noch nicht, aber vieleicht wird so etwas irgendwann einmal entwickelt werden.
Der Materialist begeht einen grundsätzlichen Kategorienfehler, insofern er annimmt, ein Gedanke oder der Sinn eines sprachlichen Ausdrucks (oder "der Geist" oder die Vernunft etc.) seien dinglich fixierbare Objekte der gegenständlichen Welt. Das ist ungefähr so, als hielte man
Höflichkeit oder den
"Geist des Grundgesetzes" oder den
"Mannschaftsgeist" einer Fußballmannschaft für gegenständliche Objekte, welche man durch geeignete Messinstrumente finden und messen könnte. Das ist natürlich Unsinn. Ein Großteil der Verwirrung um diese eigentlich recht schlichten Sachverhalte besteht darin, dass manche Leute (gerne Naturwissenschaftler und Neurophysiologen, aber eben auch Materialisten) Begriffe wie "Geist", "Seele", "Schmerz", "Psyche", "Vernunft", "Denken", "Gedanke", "Bewusstsein" usw. samt ihrer Sinn und Bedeutungsebenen zuerst zu einer Art gegenständlicher bzw. messbarer Objekte erheben, dann danach suchen, so etwas natürlich nirgendwo finden - und dann erklären, es könne sie nicht geben, da man sie ja nicht als verort- und messbare Objekte gefunden hat. Das führt dann zu so absurden und skurrilen Behauptungen wie, es gäbe kein Bewusstsein, keinen Schmerz und keine Gedanken.
Das ist ungefähr so absurd und abenteuerlich, wie mittelalterliche Diskussionen darum, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz finden können. Da stellt man sich die Engel natürlich auch wie gegenständliche Objekte vor.
Bewusstsein, Schmerzen, Denken usw.usw. gibt es nicht ohne Gehirn, dass ist ganz klar. Und sie sind natürlich auch nichts feinstofflich Herumschwebendes. Das ist ja gerade die fehlerhaft verdinglichende Vorstellung. Aber ganz offensichtlich produziert unser Gehirn phänomenale Bewusstseinsinhalte und Ausdrücke oder Sätze haben Sinn und der Mensch produziert Kultur, und es gibt in der realen Welt eine Geistesgeschichte menschlicher Ideen. Kreative Ideen und kluge Gedanken schaffen Erfindungen, schaffen Kultur, erfinden Geistes- und Naturwissenschaften, Liebesgedichte und Computerspiele, Quantenphysik und Skeptizismus und die Fernsehfernbedienung oder die Atombombe.
Warum teilen wir das Licht in Spektren genau jener Wellenbereiche ein, die in der Optik eine Rolle spielen? Nur, weil wir Farben sehen. Der phänomenale Bewusstseinsinhalt, die Qualia, sind zuerst da. Dann erst fangen wir an, unsere Empfindungen auch physikalisch einzuordnen. Zuerst sehen wir Farben, dann teilen wir das Licht in entsprechende Spektren ein. Eine intelligente Spezies, die gar keine Augen hat oder keine Farben sieht, hätte eine völlig andere physikalische Optik bzw. gar keine!
Agent Scullie hat geschrieben:Du bist der Ansicht, der Inhalt eines Gedankens sei nichts Messbares, und diese Ansicht erhebst du zur Prämisse, nur um dann diese Ansicht selbst daraus abzuleiten. Man kann aber eben auch der gegenteiligen Meinung sein, dass der Inhalt eines Gedankens eben doch etwas Messbares sei, auch wenn es heute dazu noch kein Messverfahren gibt.
Es ist
grundsätzlich nicht möglich, einen Gedanken wie "2+3=5" zu messen, denn was sollte da gemessen werden können? Noch viel weniger ist es möglich, aus dem Feuern von Neuronen ableiten zu können, dass "2+3=5" ein KORREKTE Addition ist und die Ausdrücke "3+2"=5 oder "1+4=5" äquivalente Ausdrücke sind, die ebenfalls korrekte Additionen darstellen.
Agent Scullie hat geschrieben:Thaddäus hat geschrieben:Das ist auch der übliche Fehler, wenn sich die User hier über "Seele" oder Ähnliches unterhalten. Viele nehmen an, man spräche dann über eine Art feinstofflich schwebende Seelenwolke, die unabhängig vom Körper existierte. Aber das ist Unsinn. Ein Gedanke setzt stets eine elektrochemische Hirnaktivität voraus. Aber diese elektro-chemische Hirnaktivität IST offenbar nicht der Inhalt des Gedankens.
Genau das ist das Rätsel des Bewusstseins ...
Demnach bist du der Ansicht, es gebe keine Seele, die unabhängig vom Körper existieren und inbesondere den körperlichen Tod überdauern kann? Und entsprechend gibt es für dich dann auch kein Leben nach dem Tod?
Das ist ein anderes Problem, aber ja, ich glaube in der Tat nicht, dass es eine vom Körper unabhängige Seele gibt, die ohne Körper weiter existieren könnte. Und wenn es so etwas gäbe, wie eine körperliche Wiederauferstehung (denn das ist christlicher Glaube), dann kann es sich 1. nicht mehr um dieselbe Person handeln und 2. ist diese Person niemals gestorben.