Genau deshalb greife ich auf die Forschungsergebnisse zurück. Alles andere ist laienhaftes Gestochere im Nebel. Dass Paulus die Lehre Jesu in entscheidenden Punkten abgeändert und damit auch massenkompatibel gemacht hat, ist unbestritten. Man denke nur an seinen Kniefall vor den Römern. (Alle Obrigkeit ist von Gott eingesetzt....). Dem Wanderprediger wäre ein solcher Satz sicher nicht über die Lippen gekommen.closs hat geschrieben:Jede Rezeption Jesu ist ein Diskussionspunkt. - Und natürlich hat auch Paulus seine Pros und Contras - aber er ist auf der großen Schiene dem Denken Jesu verpflichtet. - Allerdings ist das ein Thema, das wir hier nicht professionell abhandeln können - wir sind hier mitten in großen Fachthemen, bei denen ein paar Semester Theologie-Studium nicht reichen. - Wir sollten uns nicht übernehmen.sven23 hat geschrieben:Du tust ja gerade so, als sei das nicht mal innerhalb der Theologie ein Diskussionspunkt.
Nun vergiß mal deine Hermeutik. Gemeint ist damit ganz einfach, dass der historische Jesus ein anderer war, als uns Evangelien und kirchliche Überlieferung weimachen wollen. Das meiste an den Legenden und Mythen ist unhistorisch. Bevor du jetzt wieder fragst, was "unhistorisch" bedeutetcloss hat geschrieben:DU verstehst nicht, dass die historische Rezeption (= Quellen) und unsere Rezeption auch deshalb unterschiedlich sein können, weil wir heute im Abstand mehr verstanden haben KÖNNEN (genauso können wir auch weniger verstanden haben - schwer entscheidbar). - Du grenzt diesen hermeneutischen Prozess ("Hermeneutischer Zirkel") vollkommen aus.sven23 hat geschrieben:Was ist an der Diskrepanz zwischen historischem Geschehen und kirchlicher Überlieferung nicht zu verstehen?

Du wirst für die Trinität keinen Anhaltspunkt im AT finden. Selbst Ratzinger muss auf "heilig, heilig, heilig" zurückgreifen, um daraus die Trinität abzuleiten, das ist wirklich unterirdisches Niveau.closs hat geschrieben: Es ist nicht damit getan nachzuweisen, dass es in den frühen Rezeptionen etwa das Wort "Trinität" nicht gibt, und daraus zu schließen, dass es keine Trinität gibt ("Ätsch-bätsch: Steht nirgends drin") - das ist unsäglich naiv gedacht. - Und wenn Du jetzt sagst, dass Du von "Geschehen" und nicht von "Rezeption" sprichst: Was ist denn "Geschehen" anderes als Interpretation der Rezeptionen?

Natürlich hält sich die Forschung an die Regeln, das ist doch gerade ihre Stärke. Und das schränkt ihre Ergebnisoffenheit in keinster Weise ein. Würde irgendjemand die gleiche Forderung bei der Untersuchung der griechischen Mythologie oder des Gottes Baal erheben? Man müsse deren Gottheit als gegeben voraussetzen, um ergebnisoffen zu forschen? Mit Sicherheit nicht, und allein schon daraus ist ersichtlich, welche ideologische Vorprägung hier immer mitschwingt.closs hat geschrieben:Was ist denn DAS schon wieder ein Ausweichmanöver? - Es ging hier darum - zu Deinem Verständnis anders formulier - , dass sich die HKM an ihrer Regeln halten MUSS, was in sich eine Einschränkung der Ergebnisoffenheit mit sich bringt, sobald es über den möglichen Ergebniskorridor der HKM hinausgeht.sven23 hat geschrieben:dass die Forschung die HKM anwendet, weil sie die Standardauslegungsmethode ist, wurde schon 1000 mal gesagt.
Ähm, irrtumsfrei heiß nichts anderes als frei von Irrtümern.closs hat geschrieben:Davon abgesehen, dass "irrtumsfrei" etwas anderes bedeutet, als Du denken magst, ist es korrekt, dass die Kanonik andere Setzungen hat als die HKE.sven23 hat geschrieben:Das ist der Unterschied zur Kanonik, die die Texte als vom Heiligen Geist inspiriert und irrtumsfrei voraussetzt. Soviel zu deinen Setzungen.
Damit ist nichts anderes gesagt, als dass es unredlich ist, sich einzelen Stellen herauszupicken (Cherrypicking), und die anderen, die das Gegegenteil aussagen, zu ignorieren. Da hat der Verfasser doch absolut recht.closs hat geschrieben:Ist das das Wichtigste? - Halten wir fest: Der Verfasser ist anderer Meinung als andere und nennt das unredlich. - Was ist damit gesagt?sven23 hat geschrieben:Aus das wichtige gehst du natürlich wieder nicht ein, denn der Dienst spricht ganz klar von Unredlichkeit, die Texte umzudeuten.
Aber genau so wird es von den Leugnern der Naherwartung gemacht. Die Forschung fällt auf solche Manöver nicht herein und deshalb ist die Naherwartung breiter Konsens.
Alles schön und gut, nur was hat das mit Tiedjes gescheitertem Versuch zu tun, das Matthäusevangelium älter zu datieren als die Forschung?closs hat geschrieben:sven23 hat geschrieben:Es taugt halt nichts, wenn Gläubige ihre Ideologie in wissenschaftliche Arbeit einzuschleusen versuchen.
"Verstehen" geht anders. - ICH versuche bspw. nicht nur die theologische HKM, sondern auch deren interpretative Spitzen zu VERSTEHEN. - Man überprüft, ob diese Interpretationen rein handwerklich erklärbar sind (ja, sind sie), und fragt sich dann, welche weltanschauliche Hermeneutik dahinter steht. - Dazu gehört auch das Einordnen von Äußerungen, denen nach es innerhalb der HKM keine weltanschauliche Hermeneutik gäbe - auch das ist eine interessante Äußerung. - Und daraus macht man sich dann ein Bild unserer Zeit, die solche Konstrukte gebiert - alles durchaus wertfrei gemeint........
Tiedje wollte die Zeit 250 Jahre zurückdrehen ins vorbibelkritische Zeitalter, aber der Zug war längst abgefahren, wie man an seinem Streit mit Lüdemann sehen kann.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-8928592.html
Aber selbstverständlich. Und er weist auch ausdrücklich auf den Unterschied zwischen Traditon der Religion und der Wissenschaft hin.closs hat geschrieben: Die Betonung von Vernunft und Freiheit in der Aufklärung führten zur Negativbelegung des Begriffs der Autorität in Verbindung mit blindem Gehorsam. Gerade aus Vernunft sollte man jemandem, der an Einsicht und Urteil überlegen ist, Autorität zubilligen. Autorität muss durch Anerkennung der Überlegenheit in Urteil und Einsicht erworben und kann nicht verliehen werden. Damit ist eine Autorität eine Wahrheitsquelle, während sie von der Aufklärung als Vorurteilsquelle diffamiert wurde. Jede Tradition (z. B. die Wirklichkeit der Sitten) entspringt der Überlieferung. Somit ist für Gadamer die Tradition oder auch Überlieferung von übergeordneter Autorität. Denn auch die Wissenschaft der Vernunft ist Entwicklung und Veränderung unterworfen. Damit ist sie Teil der Geschichte und somit einer Tradition unterworfen".[/b][/i]
Versteht ein Kubitza (stellvertretend für seine Zunft) so etwas?
Religionen tun sich unglaublich schwer, sich von Traditionen und Dogmen zu trennen. In der Wissenschaft ist es komplett anders. Hat man eine neue, bessere Theorie, wird die alte ersetzt und entsorgt.
"Wirkliche Wissenschaft arbeitet immer im Bewusstsein der Vorläufigkeit von Erkenntnissen. Es ist demgegenüber gerade die Theologie, die sich anmaßt, über den Dingen zu stehen und ewige Wahrheiten zu formulieren."
Kubitza, Der Dogmanwahn