closs hat geschrieben: SilverBullet hat geschrieben:„Tatsache“ ist ein reiner Wahrnehmungsbegriff. Wer diesen Begriff einsetzt, möchte damit ausdrücken, dass er, rund um einen Zusammenhang, keinen Zweifel mehr für angebracht hält. „Tatsache“ soll also das Verhalten des Wahrnehmenden beschreiben.
Das ist eine klare Antwort, die allerdings mit anderen Auffassungen kollidiert, dass "Tatsache" ein Synonym ist für "Faktum" im Sinne von "es IST sicher so".
Sorry, du redest von „kollidieren“ und wiederholst dann aber nur genau das, was ich sage, nämlich die Einstellung, dass keine Zweifel angebracht sind, dass „es also sicher so und so ist“.
Das Wort „Tatsache“ und der eigentliche „Inhalt“, also „was Tatsache sein soll“, gehören ins „Reich der Zusammenhänge“.
Das „Reich der Zusammenhänge“ ist aber nicht das „Reich der Existenzen“ (was auch immer „Existenz“ sein mag).
Du zielst mit dem gross geschriebenen „IST“ jedoch genau
in das „Reich der Existenzen“ hinein.
Ein Datenverarbeitendes Wahrnehmungssystem („Gehirn“) kommt nicht an das „Reich der Existenzen“ heran – der bioelektrische Impuls ist quasi ein „Hochsicherheitstrakt für Zusammenhänge“, aus dem ein Übergang zu existenziellen Verhältnissen nur auf explizite Weise erfolgen kann (z.B. Motoneuronen -> Muskulatur -> Bewegung)
Ich ziehe die Konsequenz daraus und belasse das Wort „Tatsache“ im „Reich der Zusammenhänge“. Nur auf diese Weise ist die Frage „Wie wahr sind Tatsachen?“ gerechtfertigt, denn Zusammenhänge können auch dann falsch sein, wenn zuvor nie jemand daran gezweifelt hat und plötzlich jemand sagt, dass „der Kaiser nackt ist“.
Das ist schon oft passiert, was man dann als „Rückkehr zum Boden der Tatsachen“ bezeichnet.
Techniker können ein Liedchen davon singen: obwohl sie die ganze Zeit „nur den Tatsachen“ folgen wollen und auch davon überzeugt sind, genau dies zu tun, gehört es zum Alltag, dass sie grosse Äuglein machen und verdutzt sagen „eigentlich hätte es jetzt funktionieren sollen“

Irgendwo wartet dann eine „versteckte Tatsache“, mit der sich „die Lage der Tatsachen“ grundlegend ändert.
closs hat geschrieben:Halten wir also fest - "Tatsache" kann heißen:
1) Menschliche Erkenntnis eines Zusammenhangs, an dem man keinen Zweifel für angebracht hält.
2) Das, was ohne Zweifel ontologisch "ist".
Dein Punkt 2 zielt auf Existenz ab – sorry: nicht machbar.
closs hat geschrieben:Da 1) kategorial etwas anderes ist als 2), wäre es schön, wenn es eine einvernehmliche Definition gäbe (rein aus Gründen des sauberen Arbeitens, damit nicht wieder Polyseme in der Diskussion rumgeistern)
Punkt 2 steht für den philosophischen Behauptung einer übergeordneten Stellung des Denkens („alles durchdringend“).
Wo willst du die Funktion zum Erreichen einer anderen „Kategorie“ herzaubern?
(das Gehirn kann es jedenfalls nicht)
---
---
Thaddäus hat geschrieben:1. ist Tatsache kein Wahrnehmungsbegriff. Wahrnehmungsbegriffe sind sehen, hören, schmecken, fühlen, riechen, wahrmehmen, beobachten, entdecken, aufmersam werden, feststellen, Schmerzen haben usf.usf. "Tatsache" allerdings ist kein Begriff der Wahrnehmung und gehört nicht zur Kategorie solcher Begriffe.
Du magst für den Begriff „Wahrnehmung“ irgendeine Einteilung der Vorgänge erfinden, aber du wirst grosse Probleme haben, diese Einteilung mit dem Aufbau und den Abläufen des Gehirns zu begründen.
Es fällt auch auf, dass du nicht angibst wo denn dann „Tatsache“ hingehören soll
Eigentlich hättest du das sofort geschrieben, wenn du es gekonnt hättest.
Thaddäus hat geschrieben:2. wenn "Tatsache ein Begriff wäre, den jeder zurecht verwenden darf, wenn "er, rund um einen Zusammenhang, keinen Zweifel mehr für angebracht hält"
Das Wort „Tatsache“ ist
nicht der Zusammenhang, um den es in einer Aussage gehen soll, sondern es soll einen
zusätzlichen Zusammenhang ausdrücken.
Es soll verdeutlichen, dass an dem eigentlichen Zusammenhang nicht gezweifelt wird und auch nicht gezweifelt werden darf/kann/soll.
=> Dieser Zusatz betrifft nur das potentielle Wahrnehmungsverhalten an dem eigentlichen Zusammenhang zu zweifeln.
=> das eigene Weglassen des Zweifels, obwohl dieser möglich ist und vielleicht sogar bereits stattgefunden hat, wird im „Bewusstsein“ als ein Verhalten, als „das Einnehmen einer Position“ verstanden. Dies ist abstrakt gesehen auch korrekt, denn es findet eine Reaktion im Gehirn statt.
Das Wort „zurecht“ hat erst einmal nichts mit dem Wort „Tatsache“ zu tun, sondern ist wiederum ein zusätzlicher Zusammenhang.
Dass du das Wort „zurecht“ überhaupt in Bezug auf „Tatsache“ einsetzen kannst (hier in deiner „Wenn“-Aussage), verdeutlicht, dass „Tatsache“ nicht automatisch für ein wahrnehmungsunabhängiges „zurecht“ steht.
Thaddäus hat geschrieben:Und dazu soll "Tatsache" lediglich das "Verhalten" beschreiben, dass man sich seiner Sache subjektiv absolut sicher ist. Das ist gleich doppelt falsch, denn sich einer Sache sicher zu sein, ist gewiss kein "Verhalten" und sich über einen Sachverhalt subjektiv sicher zu sein, macht noch lange keine Tatsache aus.
Ich kann nur wiederholen, dass es ganz normal ist, von einer „Tatsache“ auszugehen, eines Bessern belehrt zu werden (z.B. wegen Nicht-Funktionalität) und sich anzupassen.
Wenn es nicht um ein Verhalten ginge, was ändert sich dann beim „sich anpassen“?
Nimmt man an Gewicht zu?
Thaddäus hat geschrieben:Was eine Tatsache ist, darf aber nicht davon abhängen, was ein Subjekt darüber zu glauben oder zu wissen meint.
Woher soll die Korrektur kommen, wenn sich ein oder mehrere Subjekte einig (im Sinne von Überzeugung) sind?
Wie „closs“ möchtest du eine übergeordnete Position beanspruchen.
Woher kommt die Fähigkeit dazu?
Thaddäus hat geschrieben:Wäre dem so, wären Tatsachen alle Überzeugungen von Subjekten, an denen diese Subjekte aus welchen Gründen auch immer nicht zweifeln. Und das würde bedeuten, es gäbe nur Überzeugungen, aber eben keine Tatsachen oder eben, dass Tatsachen nur Überzeugungen sind.
Tja, die „schrägen Linien“ sind ja auch nicht schräg.
Obwohl du das weisst, schaust du auf das Bild und zack: „schräg“.
=> du kannst nicht zweifeln
=> die „Tatsache der Schräge“ ist eine Überzeugung auf die dein Verhalten festgelegt ist.
Thaddäus hat geschrieben:Wegen dieser ontologischen Probleme, definiert z.B. Markus Gabriel den Begriff "Tatsache" (in Sinn und Existenz) als "wahre Aussage über einen Sachverhalt".
Diese Defintion verhindert, dass es nur um die subjektive Überzeugung geht, deren man sich subjektiv sicher ist und darum nicht mehr zweifelt.
Das Wort „wahr“ verändert rein gar nichts (du machst den gleichen Fehler – siehe nächster Abschnitt), sondern ist ein reines Schauspiel, da nur Subjekte „wahr oder nicht-wahr“ feststellen (wobei mir "Subjekt" nicht gefällt und ich lieber neutral von einem Wahrnehmungsvorgang sprechen würde).
Der Philosoph möchte hier vermutlich den Zusammenhang der „existenziellen Grundlage“ ins Spiel bringen, also einer „Unabhängigkeit vom Subjekt“.
Das Feststellen einer Wahrnehmungsunabhängigkeit wird jedoch immer durch ein Wahrnehmungssystem durchgeführt und somit handelt es sich maximal um eine Wahrscheinlichkeitsaussage. Genau dies ist jedoch schon die Grundlage der Überzeugung, um das Wort „Tatsache“ einzusetzen, also ist „wahr“ überflüssig bzw. ungeeignet.
Wo soll da noch ein Sicherheitsanteil dazukommen?
Der Philosoph hat am Ende des Tages rein gar nichts am Status Quo verändert, sondern wieder einmal nur suggestiv die Behauptung einer Fähigkeit aufgestellt.
Thaddäus hat geschrieben:Wenn ich also aus welchen Gründen auch immer der festen Überzeugung bin, dass es gerade jetzt in Bueno Aires regnet, dann mag es sein, dass ich mir ganz sicher hierüber bin. Eine Tatsache ist es aber nur, wenn es sich tatsächlich auch so verhält.
Offensichtlich hast du nicht gemerkt, dass du das Wort „tatsächlich“ als wesentliche Grundlage für das Verwenden des Wortes „Tatsache“ voraussetzt, was mehr als ungünstig ist.