Thaddäus hat geschrieben:Da brauchst du keinen "universalen geistigen Kontext" für, der abgesehen davon auch abzulehnen ist, weil er die fundamentalistische interpretatorische Anweisung bedeutet, jeden Text den eigenen Glaubensansichten passend zu machen und Widersprüche schönfärberisch wegzuglätten.
Das ist sehr parteiisch und eben auch von einer dogmatisierten Hermeneutik und Immunisierungsstrategie geprägt.
Das ist doch gerade das Problem: Da treffen zwei Weltbilder aufeinander, die mit ihren jeweiligen hermeneutischen Ausgangspositionen glauben, richtig zu interpretieren. - Wobei es aus meiner Sicht EINEN wesentlichen Unterschied gibt: Die theologische Seite nennt Ross und Reiter, indem sie sagt "Wir haben recht, wenn unser GLaubensentscheid authentisch zu dem ist, was wahr ist", während Deine Fraktion fälschlich sagt "Wieso? WIR haben doch keine weltanschauliche Setzungen" - und sich damit dann aber auch wirklich immunisiert.
Persönlich sehe ich es viel milder: Der Mensch steht auf seinem heilsgeschichtlichen Erkenntnis-Level und versucht ihn nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen - egal ob er sich dabei irrt oder nicht. - Nicht zu vergessen: Die eigentliche Musik spielt eh bei 1.Kor. 13 - alles Für-wahr-Halten ist Schall und Rauch, wenn nicht die Liebe ist. - Insofern relativiert sich das alles und gibt alle Gründe, entspannt zu sein.
Thaddäus hat geschrieben:Die Entwicklung verläuft nicht von anthropozentrisch zu theozentrisch, sondern von der Auflehnung gegen einen ungerechten Gott zur Unterwerfung unter die göttliche Ungerechtigkeit.
Deine Interpretation ist nachvollziehbar, aber aus meiner Sicht grund-falsch. - Wahrscheinlich liegt es an der Definition von "gerecht" und "ungerecht", die biblisch etwas ganz anderes bedeutet, als wir es säkular kennen.
Thaddäus hat geschrieben:Sein Gerechtigkeitssinn ist aber entscheidend! Genau das ist ja der Punkt.
Genau das ist der Punkt - und sein anthropozentrischer Gerechtigkeitssinn ist eben NICHT entscheidend.
Thaddäus hat geschrieben:Tatsächlich gibt es diese Haltung bei allen religiösen Fundamentalisten. Fragt man einen Fundamentalisten, einen Zeugen Jehovas, einen Evangelikalen etc. oder einen muslimischen Gotteskrieger, ob er es denn in Ordnung findet, wenn Gott die Ermordung aller Männer, Frauen, Kinder und des Viehs einer eroberten Stadt befiehlt (und König Saul wird sogar dafür bestraft, weil er das Vieh verschont), dann wird geantwortet: "Wenn Gott das so befiehlt, dann ist das in Ordnung, sonst würde er es ja nicht befehlen".
Hier beschreibst Du den Missbrauch meines Gedankens - und das führt zum nächsten Thema: Der Grat ist schmal, an dem der Abgrund des Bösen rechts und links abbricht. - Mit anderen Worten: Du hast vollkommen recht mit dem, was Du sagst (mir persönlich ist Saul sympathischer als David), aber so ist es nicht gemeint.
Thaddäus hat geschrieben:Weil der moralische Wert nicht um seiner selbst Willen erstrebt werden soll, sondern in Abhängigkeit vom Willen eines Gottes, der jederzeit seine moralischen Ansichten wechseln kann.
Gott wechselt seine Ansichten nicht. - Aber hier machst Du das große Faß auf, was das AT eigentlich ist: Ist es "das Wort Gottes" im Sinne von "Wenn es da heißt, 'Und Gott sprach', dann ist das verbindlich im Sinne des NT"? - Oder ist das AT eine dunkle Vorstufe des NT, in der ab und zu Licht aufleuchtet?
Das noch größere Faß wäre die Frage: Wer sollte eigentlich die Bibel lesen? - Natürlich DARF das jeder - aber für wen bringt es etwas? - Der Hintergrund dieser Frage: Nach meiner Erfahrung sind die echtesten Christent diejenigen, die geistiges Empfinden/geistigen Instinkt haben, die sich von brutalen Szenen im Namen Gottes nicht aus der Ruhe bringen lassen, weil sie spüren: "Das ist anders gemeint, als man es wörtlich lesen kann". - Dann gibt es noch die wenigen echt großgeistigen Philosophen/Theologen, die sowohl geistiges Empfinden/geistigen Instinkt haben als auch intellektuell fit sind. - Und dazwischen sind halbseidene Modelle und Meinungen, wozu auch säkulare Interpretationen der Bibel gehören.
Thaddäus hat geschrieben:Verpflichtende moralische Maßstäbe können nicht durch die Religion begründet werden, - es sei denn der Gläubige entscheidet sich moralisch dafür, dass das Gute und Gerechte absolute Werte an sich sind und geht davon aus, dass auch Gott sich diesen absoluten Werten unterwerfen muss, eben weil sie absolute moralische Maßstäbe sind, und er sie darum ebenfalls will.
Gott unterwirft sich genauso wenig "moralischen" Werten wie sich ein Kreis seiner Rundheit unterwirft - Dein sprachlicher Ansatz ist falsch.
Davon abgesehen bleibt die Frage offen: Wer entscheidet, was absolute Werte sind? Aus Deiner Sicht doch wieder der Mensch - oder nicht? - Und genau da würde Hiob sagen: "Falscher Weg - Du kannst als Mensch denken, protestieren, zustimmen - aber Maßstab ist 'das, was der Fall ist', und nicht der Mensch".
Thaddäus hat geschrieben:Macht man das Gute und Gerechte abhängig von dem, was Gott will, dann bedeutet das, dass es keine moralisch verpflichtenden Werte gibt.
Das Gegenteil ist eigentlich richtig - wenn man allerdings sein Urteil von seinem Verständnis des AT abhängig macht, kann man zu Deinem Ergebnis kommen.
Thaddäus hat geschrieben:Gottseidank hat die Aufklärung und die aufkläererische Philosophie dafür gesorgt, dass zumindest in der westlichen Welt allgemeine und verpflichtende Menschenrechte gelten.
Dein Verständnis ist schon nachvollziehbar, aber irgendwie verdreht.
1) Dass wir gerade in Europa seit 70 Jahren Friedenszeiten und menschen-achtende Gesetzgebungen haben, ist ein Glücksfall, der anhalten kann, aber auch morgen vorbei sein kann.
2) Alle wesentlichen europäischen Kriege seit der Aufklärung waren rein säkulare Kriege.
3) Wenn man heutige westlichen Maßstäbe lobt, muss man gleichzeitig das Leid sehen, das durch wirtschaftliche und militärische Macht des Westens im Rest der Welt geschehen ist. - St-Florians-Prinzip funktioniert zur moralischen Selbst-Abschottung, gilt aber unter göttlichen Gesichtspunkten NICHT.
4) In den USA sitzen viele als Jugendliche Verurteilte lebenslang im Knast - ohne Chance auf Begnadigung.
5) Die IS ist zu einem großen Teil ein Geschöpf westlicher Einmischungs-Politik.
6) etc.
Thaddäus hat geschrieben:Das Buch Hiob ist das beste Exempel dafür, dass Gott JHWH nicht moralisch ist, weil er die Bedeutung von Gerechtigkeit und gerechtem Handeln umkehrt und dadurch pervertiert.
Was ist "moralisch"? - Theologisch gibt es nur "gut" und "böse".
Dein Urteil " weil er die Bedeutung von Gerechtigkeit und gerechtem Handeln umkehrt und dadurch pervertiert" ist streng anthropozentrisch und somit voll im Fahrwasser der Spät-Aufklärung - aber ist das WIRKLICH aufgeklärt? - Hiob würde sagen: "Nein".