Alles Teufelszeug? VI

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Münek
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#291 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » So 28. Mai 2017, 03:56

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:man muss trennen zwischen wissenschaftlich-historischer Untersuchung und glaubensdogmatischer Abteilung. Eine Kreuzung führt zwangsläufig zu einer Mißgeburt, die keine Seite befriedigen kann.
Möglicherweise kann Ratzingers Traum, dass sich die HKM ins Geistige hin öffnen solle, wirklich nicht gelingen.
Ich hoffe, Du verstehst, welchen Hammer der glaubensnaive Ratzinger in seiner Glaubensblindheit da reinhauen wollte. Im Grunde eine absolute Unverschämtheit. Wahrscheinlich seinem Greisenalter geschuldet. Er wollte noch mal was Grundsätzliches loswerden.

closs hat geschrieben:Und nochmals die Frage: Meinst Du wirklich nicht, dass Bultmann in die Tiefe gehen wollte, um die Problematik von Methodik und deren Setzungen zu diskutieren?
Bultmann ist exegetisch sehr in die Tiefe gegangen. Dieser Großtheologe hatte es nicht nötig, mit "Setzungen" zu arbeiten. Setzungen sind bekanntlich Dein persönlicher "Zauberstab". Widde-widde-witt... ;)

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sven23
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#292 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 28. Mai 2017, 07:13

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:man muss trennen zwischen wissenschaftlich-historischer Untersuchung und glaubensdogmatischer Abteilung. Eine Kreuzung führt zwangsläufig zu einer Mißgeburt, die keine Seite befriedigen kann.
Möglicherweise kann Ratzingers Traum, dass sich die HKM ins Geistige hin öffnen solle, wirklich nicht gelingen - methodische Probleme sehe ich da selber. - Aber dann muss man es halt aufteilen in rein sachliche HKM und interpretative christliche Hermeneutik.
Das "Verstehst Du auch, was Du liest (Apg. 8,30) kann die historisch-kritische Exegese nicht im Ansatz leisten - das muss jemand anders tun. - Soll man es deshalb weglassen?
Das ist eine reine Schutzbehauptung. Selbstverständlich versteht die Forschung die unterschiedlichen Theologien, die sich in den Rezeptionsschichten verbergen.
Du meinst, die Forschung könne nur über die Jungfrauengeburt schreiben, wenn sie selber dran glaubt. Das ist ein grundsätzlicher Irrtum. Wer Glaubensdogmen an die erste Stelle setzt, muss die Abteilung wechseln. Der hat in der Forschung nichts verloren.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Unabdingliche Voraussetzung aber ist die historische Methode in der Befragung der Texte. Exegese ist ja als Interpretation historischer Texte ein Stück Geschichtswissenschaft.“ Bultmann (Ist voraussetzungslose Exegese möglich?, 1957, S. 410)
Diesen Satz von Dir nehme ich immer wieder gerne auf, weil Du den Verdacht nährst, dass die Frage "Ist voraussetzungslose Exegese möglich?" quasi beantwortet wird mit: "Nein - man muss die Texte lesen, sonst kann man damit keine Exegese treiben" - nimm es mir nicht übel, aber das ist wirklich lustig.
Und nochmals die Frage: Meinst Du wirklich nicht, dass Bultmann in die Tiefe gehen wollte, um die Problematik von Methodik und deren Setzungen zu diskutieren? - Das wäre schön, denn seine Antwort, welche Voraus-Setzungen die HKM aus seiner Sicht hat, hätte mich schon interessiert.

Du beschwerst dich manchmal, dass ich ein Zitat mehr als einmal einstelle. Wie die Erfahrung zeigt, liest du es nicht oder verstehst es nicht im Kontext, so wie auch hier. Die Vorausetzung der Exegese bei Bultmann habe ich oft genug zititert.

„Man kann nicht elektrisches Licht und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muß sich klar machen, daß er, wenn er das für die Haltung des christlichen Glaubens erklärt, damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht.“
– Rudolf Bultmann: Neues Testament und Mythologie. 1941, 18

„Die historische Methode schließt die Voraussetzung ein, daß die Geschichte eine Einheit ist im Sinne eines geschlossenen Wirkungs-Zusammenhangs, in dem die einzelnen Ereignisse durch die Folge von Ursache und Wirkung verknüpft sind. … Diese Geschlossenheit bedeutet, daß der Zusammenhang des geschichtlichen Geschehens nicht durch das Eingreifen übernatürlicher, jenseitiger Mächte zerrissen werden kann, dass es also kein 'Wunder' in diesem Sinne gibt. … Während z.B. die alttestamentliche Geschichtserzählung vom handelnden Eingreifen Gottes in die Geschichte redet, kann die historische Wissenschaft nicht ein Handeln Gottes konstatieren, sondern nimmt nur den Glauben an Gott und sein Handeln wahr.
(Ist voraussetzungslose Exegese möglich?, 1957, S. 411f.)

Ist das jetzt verstanden worden?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: aber Glaubensfragen gehören selbstverständlich auch dazu.
Erst mal nein - wäre die HKM "nur" Exegese, könnte und müsste sie sich auf neutralem Boden aufhalten und dürfte nur Sachergebnisse abliefern, die NICHT in geistige Fragestellungen hineinreichen. - Insofern ist - nur EIN Beispiel - Bultmanns Postulat der Wirkungskontinuität historischer Abläufe (oder wie hieß das wörtlich?) ein Faux Pas erster Güte, da er einen weltanschaulichen Eingriff darstellt.
Nein, es ist die Voraussetzung für sachlich-objektive Untersuchung. Im Gegenteil wäre das Postulat von Wundern und Auferstehung das genaue Gegenteil dessen, wie die Welt funktioniert. Es wäre pure religiöse Ideologie.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn Evangelikale sie benutzen, ist größte Vorsicht geboten.
Möglich - nichtsdestoweniger wird dieser Exegese bescheinigt, dass sie methodisch der HKM recht ähnlich ist, nur dass sie mit anderen Grundlagen/Setzungen in die Texte geht. - Auf reiner Arbeitsebene - sozusagen vor-interpretativer Ebene - müssten sich eigentlich beide gut verstehen.
Wenn sie der historisch-kritischen Methode so ähnlich ist, warum benutzen Evangelikale dann nicht gleich das Original? Worin besteht der Unterscheid und was bedeutet hier "kritisch"?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und wieder meldet sich der kleine Dunning-Kruger in Richtung Theißen und Co zu Wort.
Oje - der Mann im Glaspalast, der Felsen wirft.
Ich behaupte nicht, es besser als die Forschung zu wissen oder erteile ihr Ratschläge, wie sie ihren Job zu machen hat. :roll:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Reichweite der Methodik ist doch klar. Sie ist das Werkzeug, um sich Historie zu nähern. Grundlage sind die Quellen und auf dieser Basis kommt die Forschung zu einem mehrheitlichen Konsens:
„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Du kommst mir vor wie Pfarrer vor ca. 50 Jahren, die nach jeder Predigt am Ende geschlossen haben mit "Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes" - egal ob es um Jesu Ritt auf dem Esel oder Missionsarbeit in Indonesien ging. :lol:
Ich denke da eher an Cato. Wie es Karthago ergangen ist, ist bekannt. ;)


closs hat geschrieben: Ich meine das ernst: Der Auftritt des atheistischen Materialismus in unserer Epoche hat viel Ähnlichkeit mit der Rolle der Kirche im Mittelalter - da hat die Kirche vor 200 Jahren einen Staffelstab fallen lassen, den sich jetzt unser heutiger Zeitgeist gegrabscht hat.
Ich vergleiche religiöse Ideologien immer mit sozialistischen/kommunistischen Ideologien. Beide haben sich so in ihre ideologischen Konzepte eingemauert, dass sie für rationale Argumente nicht mehr zugänglich sind.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#293 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 28. Mai 2017, 09:32

Münek hat geschrieben: Welche Forschung gibt es da noch? :o Ist mir nicht bekannt.
Aber doch nur, weil Du "Forschung" nach weltanschaulichem Gusto definierst. - Auch ein Systematischer Theologe gilt unter geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkten als Forscher - aber wie gesagt: Hier sind wir in weltanschaulichen Gefilden.

Münek hat geschrieben:Immer wieder: Der hermeneutische Ansatz (kein Zauberstab !) bringt nichts, wenn die Setzung nicht stimmt. Aus dieser Falle kommst Du nicht raus.
Das ist keine Falle, sondern eine Notwendigkeit, die auch für die HKM gilt - auch deren Setzungen können falsch sein (Jesus=nur Mensch/naturalistische Wirkungskontinuität der Historie/etc.).

Münek hat geschrieben:Ich hoffe, Du verstehst, welchen Hammer der glaubensnaive Ratzinger in seiner Glaubensblindheit da reinhauen wollte.
Hoffentlich verstehst Du, wie laienhaft und naßforsch Du hier über Themen sprichst, die wirklich schwierig sind - das hat ganz andere Dimensionen als Deine ideologisch kurzgeschnittene geistige Rappo-Frisur.

Münek hat geschrieben: Dieser Großtheologe hatte es nicht nötig, mit "Setzungen" zu arbeiten.
Wenn er ein Großtheologie ist, weiß er, dass es unumgänglich ist.

sven23 hat geschrieben:Du meinst, die Forschung könne nur über die Jungfrauengeburt schreiben, wenn sie selber dran glaubt.
Nein - es geht um den Unterschied zwischen äußerem analytischem Verstehen ohne Betroffenheit ("das Liebesleben der nordafrikanischen Nacktschnecke") und wirklichem Kapieren: "Verstehst Du, was Du da liest"?

sven23 hat geschrieben:Die Vorausetzung der Exegese bei Bultmann habe ich oft genug zititert.
Das ist jetzt ein passendes Zitat - eine glasklare Setzung - dazu passt dann noch die naturalistische Wirkungskontinuität der Geschichte. - Alles nicht-falsifizierbare Setzungen.

sven23 hat geschrieben:Ist das jetzt verstanden worden?
O ja - längst. - Ich wollte nur, dass nicht nur ich auf nicht-falsifizierbare Setzungen der HKM hinweise, sondern Du selbst - wo doch Münek gerade noch mal wiederholt hat, dass ein Großtheologe keiner Setzungen bedürfe. - Lernziel erreicht.

sven23 hat geschrieben:Nein, es ist die Voraussetzung für sachlich-objektive Untersuchung. Im Gegenteil wäre das Postulat von Wundern und Auferstehung das genaue Gegenteil dessen, wie die Welt funktioniert.
Meinetwegen - aber das heißt: Man kann die Bibel nur dann "sachlich-objektiv" untersuchen, wenn man den Grund, warum es sie gibt, eliminiert: "Lieber Sven, ich bin Gynäkologe, kann dies aber nur sachlich-objektiv, wenn Du eine Frau bist - also setze ich Dich als Frau". - Verstehst Du?

sven23 hat geschrieben:Wenn sie der historisch-kritischen Methode so ähnlich ist, warum benutzen Evangelikale dann nicht gleich das Original? Worin besteht der Unterscheid und was bedeutet hier "kritisch"?
"Kritisch" bedeutet, auf Sachebene wie die HKM zu arbeiten. - Der Unterschied besteht in den anderen Setzungen: " Sie geht jedoch von grundsätzlich anderen Voraussetzungen aus als die historisch-kritische Methode: Die Bibel wird als Heilige Schrift gesehen, die von Gott inspiriert ist. Die als historisch berichteten Ereignisse werden im Wesentlichen als historische Ereignisse gesehen; auch wird mit der Möglichkeit gerechnet, dass tatsächlich Wunder geschehen sind" (wik)

sven23 hat geschrieben:Ich behaupte nicht, es besser als die Forschung zu wissen oder erteile ihr Ratschläge, wie sie ihren Job zu machen hat.
Es geht nicht um wissenschaftliche Fertigkeiten, sondern um verschiedene Grundlagen der Wissenschaft - je nach Hermeneutik. - Und da scheint eigenes im Argen zu liegen, weil dieses Feld weltanschaulich vermint zu sein scheint.

sven23 hat geschrieben:Ich vergleiche religiöse Ideologien immer mit sozialistischen/kommunistischen Ideologien. Beide haben sich so in ihre ideologischen Konzepte eingemauert, dass sie für rationale Argumente nicht mehr zugänglich sind.
Das gilt für modern-aufklärerische Systeme genauso - auch für die Brights gilt das.

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sven23
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#294 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 28. Mai 2017, 10:02

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Welche Forschung gibt es da noch? :o Ist mir nicht bekannt.
Aber doch nur, weil Du "Forschung" nach weltanschaulichem Gusto definierst. - Auch ein Systematischer Theologe gilt unter geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkten als Forscher - aber wie gesagt: Hier sind wir in weltanschaulichen Gefilden.
Wir sind in der historischen Jesusforschung, also historischer Forschung.
In dieser findet nur die historisch-kritische Methode Anwendung. Sei so gut und begreife das endlich, sonst drehst du dich noch 20000 Beiträge im Kreis. :roll:


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich hoffe, Du verstehst, welchen Hammer der glaubensnaive Ratzinger in seiner Glaubensblindheit da reinhauen wollte.
Hoffentlich verstehst Du, wie laienhaft und naßforsch Du hier über Themen sprichst, die wirklich schwierig sind - das hat ganz andere Dimensionen als Deine ideologisch kurzgeschnittene geistige Rappo-Frisur.
Ich muß Münek zustimmen. Die historisch-kritische Methode ist die Standardmethode der Bibelauslegung.

"Die verbreitetste Methode der biblischen Exegese ist die sogenannte "historisch-kritische Methode". Sie hat zum Ziel, einen biblischen Text in seinem damaligen historischen Kontext auszulegen, wobei die Rekonstruktion der vermuteten Vorgeschichte des Textes eine besondere Rolle spielt. ...Sie gilt bis heute in der evangelischen und katholischen Theologie als Standardmethode der Bibelauslegung,.."


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du meinst, die Forschung könne nur über die Jungfrauengeburt schreiben, wenn sie selber dran glaubt.
Nein - es geht um den Unterschied zwischen äußerem analytischem Verstehen ohne Betroffenheit ("das Liebesleben der nordafrikanischen Nacktschnecke") und wirklichem Kapieren: "Verstehst Du, was Du da liest"?
Natürlich versteht die Forschung, was sie da liest. Genauso wie die Jungfrauengeburt in anderen Mythen und Kulten. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Vorausetzung der Exegese bei Bultmann habe ich oft genug zititert.
Das ist jetzt ein passendes Zitat - eine glasklare Setzung - dazu passt dann noch die naturalistische Wirkungskontinuität der Geschichte. - Alles nicht-falsifizierbare Setzungen.
Die Behauptung von Wundern ist noch weniger falsifizierbar. Trotzdem kann man sagen: nach unserer Beobachtung der Welt gibt es keine Wunder.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, es ist die Voraussetzung für sachlich-objektive Untersuchung. Im Gegenteil wäre das Postulat von Wundern und Auferstehung das genaue Gegenteil dessen, wie die Welt funktioniert.
Meinetwegen - aber das heißt: Man kann die Bibel nur dann "sachlich-objektiv" untersuchen, wenn man den Grund, warum es sie gibt, eliminiert:
Der Grund wird nicht eleminiert, sondern als Glaubensinhalt beschrieben und in seinem Entwicklungsprozess rekonstruiert.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn sie der historisch-kritischen Methode so ähnlich ist, warum benutzen Evangelikale dann nicht gleich das Original? Worin besteht der Unterscheid und was bedeutet hier "kritisch"?
"Kritisch" bedeutet, auf Sachebene wie die HKM zu arbeiten. - Der Unterschied besteht in den anderen Setzungen: " Sie geht jedoch von grundsätzlich anderen Voraussetzungen aus als die historisch-kritische Methode: Die Bibel wird als Heilige Schrift gesehen, die von Gott inspiriert ist. Die als historisch berichteten Ereignisse werden im Wesentlichen als historische Ereignisse gesehen; auch wird mit der Möglichkeit gerechnet, dass tatsächlich Wunder geschehen sind" (wik)
Kritisch hat bei der HKM nichts mit Sachebene zu tun, sondern weil man einen Unterschied zwischen historischen Ereignissen und biblischer Überlieferung vermutet. Diese Vermutung hat sich ja auch bestätigt.
Das kritisch in biblisch kritischer Exegese kann deshalb nur ein Etikettenschwindel sein, weil die oben genannte Voraussetzungen völlig andere sind und diese Exegese für Evangelikale Bibelvergötzer wie die Faust aufs Auge paßt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich behaupte nicht, es besser als die Forschung zu wissen oder erteile ihr Ratschläge, wie sie ihren Job zu machen hat.
Es geht nicht um wissenschaftliche Fertigkeiten, sondern um verschiedene Grundlagen der Wissenschaft - je nach Hermeneutik. - Und da scheint eigenes im Argen zu liegen, weil dieses Feld weltanschaulich vermint zu sein scheint.
Du vermutest immer und überall Minenfelder, wo du dein religiöses Weltbild in Frage gestellt siehst.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#295 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Rembremerding » So 28. Mai 2017, 10:21

closs hat geschrieben:Möglicherweise kann Ratzingers Traum, dass sich die HKM ins Geistige hin öffnen solle, wirklich nicht gelingen - methodische Probleme sehe ich da selber. - Aber dann muss man es halt aufteilen in rein sachliche HKM und interpretative christliche Hermeneutik.

Ratzinger sieht es nicht als "entweder-oder", sondern als "sowohl als auch". Dieses schwarz-weiß-Denken ist erstaunlicherweise mehr dem materialistischen Denken verhaftet, wohl weil es einer Meinungsdiktatur und Machtausübung dienlicher ist.

Die HKM als Untersuchungswerkzeug der Hl. Schrift hat nun einmal ihre Grenzen. Es gab Anfang der 1970er Jahre (die "68er" beteiligten sich nun an der Forschung) eine interessante Diskussion um die Wunder-Texte.
Die HKM, die ja auch andere Texte außerhalb der Bibel untersucht, konnte 6 Kriterien festlegen, die eine mythologische Deutung eines Wunderberichts kennzeichnen. Angewandt auf die Bibel konnten in allen Wunderberichten -außer einem- diese Kriterien erkannt werden, weshalb man sie als Mythologisierung und damit unhistorisch kennzeichnete. Alle diese Berichte hatten jedoch noch weitere Kriterien, welche die HKM nicht bei mythologisierenden Wunderberichten kennt: Orts- und Zeitangaben, Namen. Dennoch blieben einige Literaturwissenschaftler bei ihrem Urteil: unhistorisch.
Demgegenüber standen andere Wissenschaftler, die zumindest eine weitere Untersuchung und Beurteilung dieser Wunderberichte vorschlugen, welche die Andersartigkeit der Texte berücksichtigen sollten und ein vorschnelles Urteil ablehnten. Dabei kritisierten sie, dass dieselben Wissenschaftler auch jenen Wunderbericht als unhistorisch betrachteten, der die 6 Kriterien nicht erfüllte, aber auch keine Orts,-Zeitangaben und Namen aufwies. Sie betonten, dass es keine exklusive HKM für die Hl. Schrift geben dürfe, sondern dass die allgemein erarbeiteten Kriterien auch bei diesen Texten gelten müssen.
Ein weiterer Streitpunkt war, dass man etwa von Jesus verwendete Begriffe wie "Sohn" als Hinzufügung gnostischen Gedankenguts kennzeichnete und sich dabei auf Texte bezog (die Oden Salomons, das 4. Buch Esra), die nach der Endredaktion der Evangelien entstanden. Man sieht in all diesen Manövern die Absicht möglichst viel aus den Texten als unhistorisch und mythologisch zu streichen, was aber nicht alle Wissenschaftler mit machen wollten.

Damals gab es fast so etwas wie einen Bruch vor allen zwischen europäischen und amerikanischen Wissenschaftlern. Liest man so manche Zitate, so erkennt man immer noch darin, in welchem "Lager" der Sprecher sich wohlfühlt. Der atheistische Versuch sich in die HKM-Untersuchung der Hl. Schrift einzubringen zeigte sich dabei zwar eher dilettantisch, half aber Mehrheiten zu schaffen, die heutzutage in der Forschung leider auch nötig sind, aber der Wahrheit nicht dienen.

Fortschritte aus Textanalysen der Hl. Schrift kommen inzwischen fast nur mehr aus jenem "Lager", welche das "kritisch" in ihrer Methodik nicht als Ablehnung des Textes sehen, sondern als Ansporn zur Wahrheit. Dort entstand die kanonische Exegese, von dort konnten Texte zeitlich besser eingeordnet werden und damit wieder in die Hl. Schrift oder in die Erforschung der Gnosis gelangen, dort werden auch neue archäologische Befunde gewürdigt.
Das wohl auch, weil das andere "Lager" ihr Endergebnis schon vorliegen hat und es besser in die materialistische Weltanschauung und damit dem Zeitgeist passt.
Diese Lagerbildung ist schade, eigentlich könnten beide Seiten voneinander lernen und sich gegenseitig natürlich auch kontrollieren.

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#296 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » So 28. Mai 2017, 10:41

closs hat geschrieben:
Rembremerding hat geschrieben:Es stimmt immer mehr: Nur in dem Geist, in dem die Bibel geschrieben, kann sie verstanden werden.
sven23 hat geschrieben:Richtig, der ist nur aus ideologisch verfälschender Textauslegung möglich.
Das ist der gegenseitige Vorwurf - das wirfst Du mir vor und ich Dir. - Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied, der bei mir vom Vorwurf der Ideologie entlastet: Ich WEISS um meine hermeneutischen Voraussetzungen.
Das ist nicht Dein Ernst. :shock: Du sagst im Grunde genommen: Ich weiß, dass ich einer Ideologie anhänge. Indem ich dies aber zugebe, ist meine Ideologie keine Ideologie mehr. Sagenhaft. Mehr Selbsttäuschung geht nicht.

closs hat geschrieben:Und wenn man darum weiss, bekennt man problemlos: "Meine Aussagen sind nur dann richtig, wenn meine (nicht-falsifizierbaren) Voraus-Setzungen richtig sind" - und dann ist es eben NICHT Ideologie.
Nochmals: DIESEN Glaubensvorbehalt würde die RKK niemals auch nur ansatzweise einräumen. Im Gegenteil. Sie besteht sie ja darauf, im Besitz absoluter ewiggültiger Wahrheiten zu sein. Absolute Wahrheitsanspüche kennen keinen Wahrheits-Vorbehalt. Das ist Ideologie wie aus dem Bilderbuch.

closs hat geschrieben:Du aber bestehst darauf, dass Dein Weg überhaupt keine Voraus-Setzungen habe und deshalb die Ergebnisse universalen Charakter hätten ("Meine Ergebnisse sind wissenschaftlich") - DAS ist Ideologie: Nicht seine Grundlagen kennen und, von damit verbundenen Konsequenzen entlastet, um so härter auftreten können.
Im Gegensatz zur Dogmatik der Katholischen Kirche ist die wissenschaftliche Bibelforschung jederzeit bereit, ihre Ergebnisse zu modifizieren oder zu revidieren. Sie klammert sich NICHT ideologisch an ihre Resultate. DAS ist Ergebnisoffenheit. Für die RKK
ein absolutes Fremdwort.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Glaubendogmatische Ideologien haben hier nichts verloren.
Richtig - aber wissenschaftliches Arbeiten aufgrund eines hermeneutischen Ansatzes.
Hermeneutisch kannst Du ALLES ansetzen. Ergo: Der Beliebigkeit und dem Wunschdenken sind keine Grenzen gesetzt. Aber: Seriöse Wissenschaft arbeitet nicht im Taka-Tuka-Land.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist viel wahrscheinlicher, dass er entsetzt wäre
Aus theologischer Sicht ist es wahrscheinlicher, dass er erbaut wäre.
Aus historischer Sicht - und nur das ist entscheidend - mit Sicherheit nicht. Der Nazarener wäre in der Tat entsetzt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Zunächst muss dir dir mal ein Lob aussprechen, weil sich deine Beiträge auf einer sachlichen Ebene in wohltuender Weise von der clossschen Schwurbelrethorik abheben
Es wird Dir nicht gelingen, einen Keil zwischen Rem und mich zu treiben. - Ja, er argumentiert auf fester Grundlage lieber en detail, was ich übrigens sehr gerne lese - ich argumentiere eher auf Grundlagenebene, wo es nicht so sehr um Details als um grundlegendes Verständnis ankommt. - Lerne, dass nicht alles, was Dich nicht erreicht, "Geschwurbel" ist.
GESCHWURBEL hat es schwer, jemanden zu erreichen. Deine Weigerung, Dich mit der "historisch-kritischen Exegese" vertraut zu machen, spricht Bände. Und dennoch glaubst Du, hier kompetent mitreden zu können, was dann oft in Schwurbelei ausartet.

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#297 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » So 28. Mai 2017, 11:13

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Welche Forschung gibt es da noch? :o Ist mir nicht bekannt.
Aber doch nur, weil Du "Forschung" nach weltanschaulichem Gusto definierst. - Auch ein Systematischer Theologe gilt unter geisteswissenschaftlichen Gesichtspunkten als Forscher - aber wie gesagt: Hier sind wir in weltanschaulichen Gefilden.
Was erforscht er denn substanziell? Am Inhalt der Glaubensdogmen darf er ja nicht rütteln, sonst gibt's was zwischen die Hörner. Was bleibt da noch zum Forschen übrig?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Immer wieder: Der hermeneutische Ansatz (kein Zauberstab !) bringt nichts, wenn die Setzung nicht stimmt. Aus dieser Falle kommst Du nicht raus.
Das ist keine Falle, sondern eine Notwendigkeit.
Nein - niemand ist gezwungen, etwas zu setzen. Wer naiverweise glaubt, durch Setzungen der Realität näher kommen zu können, unterliegt einem Irrtum. Das klappt nicht - mag der Wunsch auch noch so groß sein.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Dieser Großtheologe hatte es nicht nötig, mit "Setzungen" zu arbeiten.
Wenn er ein Großtheologie ist, weiß er, dass es unumgänglich ist.
Diesbezüglich unterliegst Du einem großen Irrtum, den Du auf Teufel komm raus nicht einzuräumen bereit bist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ist das jetzt verstanden worden?
O ja - längst. - Ich wollte nur, dass nicht nur ich auf nicht-falsifizierbare Setzungen der HKM hinweise, sondern Du selbst - wo doch Münek gerade noch mal wiederholt hat, dass ein Großtheologe keiner Setzungen bedürfe. - Lernziel erreicht.
Ich meinte spekulative Setzungen "transzendenter Art". ;)

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#298 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Münek » So 28. Mai 2017, 11:33

Rembremerding hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Möglicherweise kann Ratzingers Traum, dass sich die HKM ins Geistige hin öffnen solle, wirklich nicht gelingen - methodische Probleme sehe ich da selber. - Aber dann muss man es halt aufteilen in rein sachliche HKM und interpretative christliche Hermeneutik.
Ratzinger sieht es nicht als "entweder-oder", sondern als "sowohl als auch". Dieses schwarz-weiß-Denken ist erstaunlicherweise mehr dem materialistischen Denken verhaftet, wohl weil es einer Meinungsdiktatur und Machtausübung dienlicher ist. Die HKM als Untersuchungswerkzeug der Hl. Schrift hat nun einmal ihre Grenzen.
Und jenseits dieser Grenze setzt dann unbedarft und setzungsreich der Glaube ein. :thumbup: Warum nicht? Nur hat das dann aber nichts mehr mit Wissenschaft zu tun. Zu Wundern und supranaturalistischen Eingriffen transzendenter allmächtiger Geistwesen mit menschlichen Attributen äußert sich seriöse wissenschaftliche Bibelforschung aus guten Gründen nicht.

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#299 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » So 28. Mai 2017, 12:01

Münek hat geschrieben:Der Beliebigkeit und dem Wunschdenken sind keine Grenzen gesetzt. Aber: Seriöse Wissenschaft arbeitet nicht im Taka-Tuka-Land.[/b]
Manchmal schon.
Der Unterschied ist aber, dass die wissenschaftliche Methode eingebaute Automatismen hat, die dies verhindern, bzw korrigieren (Stichwort: Falsifizierbarkeit).
Bei der Hermeneutik gibt es keine solchen Mechanismen, weil man kein Mittel hat, um bei den Ideen, die Spreu vom Weizen (Wunschdenken von Wirklichkeit) zu trennen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#300 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 28. Mai 2017, 16:03

sven23 hat geschrieben:Wir sind in der historischen Jesusforschung, also historischer Forschung. In dieser findet nur die historisch-kritische Methode Anwendung. Sei so gut und begreife das endlich, sonst drehst du dich noch 20000 Beiträge im Kreis.
Dieser Kreisel wird so lange weitergehen, solange Du beliebig "historisch" einmal epistemologisch und ein andermal ontologisch verstehst - wahrscheinlich tust Du das, weil Dir der Unterschied nicht klar ist.

Dir ist insofern zuzustimmen, dass die HKM die Disziplin ist, die sich im klassischen Sinn der Geschichtswissenschaften die Bibel vornimmt.

sven23 hat geschrieben:Ich muß Münek zustimmen. Die historisch-kritische Methode ist die Standardmethode der Bibelauslegung.
Aber doch nicht im Sinne von "Verstehst Du auch, was Du liest" Apg. 8,30), sondern im Sinne einer äußeren, analysierenden, beschreibenden Auslegung, die man genauso für den Voodookult, den Kommunismus oder den Naturalismus machen könnte. - Das ist keine Herabsetzung, sondern eine disziplinierte Zuordnung gemäß den methodischen Grundlagen der HKM. - Technisch hat Münek recht - deshalb verzichtet doch die Christliche Hermeneutik nicht auf die historisch-kritische Exegese - sie braucht sie als "Schotter", um damit ihre Verständnis-Straßen bauen zu können.

sven23 hat geschrieben:Trotzdem kann man sagen: nach unserer Beobachtung der Welt gibt es keine Wunder.
Kann sein - aber diese Beobachtung als Grundlage einer Methodik zu verwenden, ist eine knallharte Setzung, aus der die Universalität der Ergebnisse beschnitten wird.

sven23 hat geschrieben:Der Grund wird nicht eleminiert, sondern als Glaubensinhalt beschrieben und in seinem Entwicklungsprozess rekonstruiert.
Das klingt gut und entspräche meiner Forderung nach rein sachlicher Beschäftigung mit der Bibel OHNE Interpretationen wie "Jesus hatte eine Naherwartung" (als sei dies ein Faktum).

sven23 hat geschrieben:Das kritisch in biblisch kritischer Exegese kann deshalb nur ein Etikettenschwindel sein, weil die oben genannte Voraussetzungen völlig andere sind
Wie im anderen Thread erläutert: "Kritisch" ist ein rein sachliches Etikett in den Wissenschaften und ist sehr konkret beschreibbar - dazu bedarf es keiner Vermutungen.

sven23 hat geschrieben:Du vermutest immer und überall Minenfelder, wo du dein religiöses Weltbild in Frage gestellt siehst.
Übe mein religiöses Weltbild haben wir meines Wissens noch gar nicht gesprochen - hier geht es nach wie vor um Grundlagen der Wissenschaft.

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