Sophismen und logische Fehlschlüsse

Philosophisches zum Nachdenken
Pluto
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#81 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Pluto » So 16. Apr 2017, 09:16

Halman hat geschrieben:Dass Gott eine Konklusion und keine Prämisse sein soll, ist also ein Fehlschluss?
Die Existenz Gottes ist eine Prämisse aller Gläubigen (closs würde dazu Setzung sagen).

Halman hat geschrieben:Ach-ja, Gott darf auch keine Konklussion sein, weil er nicht wahrnehmbar ist. Schon klar. Da sind wir eben unterschiedlicher Meinung.
Wahrnehmbar ist Gott schon.
Aber er ist von einer Täuschung nicht unterscheidbar.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Halman
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#82 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Halman » So 16. Apr 2017, 14:57

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Dass Gott eine Konklusion und keine Prämisse sein soll, ist also ein Fehlschluss?
Die Existenz Gottes ist eine Prämisse aller Gläubigen (closs würde dazu Setzung sagen).
Dies ist mir bewusst und hatte dies auch schon Thomas gegenüber bestätigt. Allerdings kann ich die Kritik von SilverBullet daran durchaus logisch nachvollziehen.
Du bestreitest die "Setzung" der Gläubigen und vertritts doch einen interlekturell redlichen Standpunkt. Womit offenkundig kein Konsens hinsichtlich der Gültigkeit der Prämisse "aller" Gläubigen besteht.
Dass viele Gläubige Gott als Prämisse setzen, mag zutreffen. Aber wie kommst Du darauf, dass alle Gläubigen so vorgehen?

Übrigens, ich bin auch ein Gläubiger und gehe nicht so vor wie hier unterstellt.

Es muss doch die Frage erlaubt sein: Warum setzen Gläubige "Gott"? Und wenn sie die Prämisse einfach als Idee setzen, wie bewährte sie sich, so dass diese Idee sich zur festen Glaubensüberzeugung weiterentwickelte?

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Ach-ja, Gott darf auch keine Konklussion sein, weil er nicht wahrnehmbar ist. Schon klar. Da sind wir eben unterschiedlicher Meinung.
Wahrnehmbar ist Gott schon.
Aber er ist von einer Täuschung nicht unterscheidbar.
Wie begründest Du diese Konklussion?

Du sagst: "Wahrnehmbar ist Gott schon."
Daraus ergibt sich die Frage: Wie wird Gott wahrgenommen?
Die Klärung dieser Frage halte ich für wichtig, um die Gültigkeit Deiner Konklussion prüfen zu können. Denn es wäre ja auch möglich, dass es sich um eine Wahrnehmung handelt, die von einer Täuschung sehr wohl unterscheidbar ist.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#83 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Pluto » So 16. Apr 2017, 15:51

Halman hat geschrieben:Übrigens, ich bin auch ein Gläubiger und gehe nicht so vor wie hier unterstellt.
Gut!
Wenn man Gott nicht setzt, wie will man seine Existenz bestätigt wissen?
Auf welche Evidenzen basierst DU deine Schlussfolgerung?

Halman hat geschrieben:Es muss doch die Frage erlaubt sein: Warum setzen Gläubige "Gott"?
Aus Mangel an Evidenz.
Halman hat geschrieben:Und wenn sie die Prämisse einfach als Idee setzen, wie bewährte sie sich, so dass diese Idee sich zur festen Glaubensüberzeugung weiterentwickelte?
Worin unterscheidet sich eine Idee von einer Setzung?

Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wahrnehmbar ist Gott schon.
Aber er ist von einer Täuschung nicht unterscheidbar.
Wie begründest Du diese Konklussion?
Ohne Evidenzen ist eine Unterscheidung nicht möglich.
Deshalb: Wie kann man die Idee oder Setzung bestätigen?

Halman hat geschrieben:Du sagst: "Wahrnehmbar ist Gott schon."
Daraus ergibt sich die Frage: Wie wird Gott wahrgenommen?
Vielleicht als Gefühl oder Vision?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#84 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Anton B. » So 16. Apr 2017, 20:41

SilverBullet hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Also m.E. machen die Philosophen keinen schlechten Job. Nur ist das was sie machen, nicht unbedingt das, was manch einer sich so vorstellt.
Mir drängt sich hier die Frage auf, warum derart „nebulös“ über die „Leistung der Philosophen“ gesprochen wird.
Was machen sie denn für einen Job?
Woran wird erkannt, dass dies „kein schlechter Job“ ist?

Anton B. hat geschrieben:Und das Interessante ist ja: Heute hinterfragen die Berufsphilosophen wirklich alles.
Mit welchem Resultat – dass sie halt „alles“ hinterfragen?
Hinterfragen sie auch, ob sie sich als „Geistwissenschaftler“ bezeichnen sollten oder stellen auch sie waghalsige Behauptungen auf?
Beide Fragen gehören zusammen und beantworten sich auch zusammen: Wir hatten die Situation, dass sich vieles Wissenschaft nannte. Eigentlich wollen die sich auch weiterhin "Wissenschaft" nennen. Homöopathie z.B., der Marxismus z.B. mit seinem Anspruch Geschichtswissenschaft sein zu wollen. Dass wir diese "Disziplinen" und deren Methodik heute nicht mehr Wissenschaft nennen, verdanken wir der Philosophie.

SilverBullet hat geschrieben:Kann man überhaupt von einem einheitlichen „sie“ sprechen, oder macht letztlich jeder, was er gerade will?
Es gibt klare Majoritätskonsense über das, was man philosophisch weiß. Allerdings denken die Philosophen auch, was so gedacht werden kann. Das verwirrt unter Umständen. Aber sie sagen ja nicht, alles, was sie so erdenken, wäre eben auch so.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Der ein oder andere Mitforist meint, die Philosophie hätte sich zurück entwickelt.
Wie kann es möglich sein, dass es diese Meinung heute gibt – welches „Fachbuch“ haben diese „andere Mitforisten“ übersehen?
So ziemlich alle. Insbesondere die zur zeitgenössischen Erkenntnisphilosophie und Wissenschaftstheorie. Viel wichtiger: Sie haben die Werke nicht gelesen, die die alten Ansätze zur Erkenntnisgewinnung vernünftig begründet bekrittelt haben. Sie haben die Motivation nicht verstanden, warum neue Ansätze gesucht und diskutiert werden.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#85 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von closs » So 16. Apr 2017, 21:25

Anton B. hat geschrieben:Dass wir diese "Disziplinen" und deren Methodik heute nicht mehr Wissenschaft nennen, verdanken wir der Philosophie.
Mir geht es wahrlich nicht darum, für Homöopathie oder Marxismus das Etikett "Wissenschaft" zu fordern.

Trotzdem frage ich:
(1) Ist "Wissenschaft" nicht das, was unter einem bestimmten hermeneutischen Ansatz interaktiv nachvollziehbar untersucht und bewertet?
(2) Oder anders gefragt: Würdest Du für die sogenannten "Geisteswissenschaften" das Etikett "Wissenschaft" befürworten?

Jede Antwort ist ok, führt aber zu Schlussfolgerungen:
ad (1) "Wissenschaft" kann auch das sein, was nicht experimentell überprüft werden kann.
ad (2) Wenn nein auf Frage (2), dann ist Wissenschaft nur Naturwissenschaft, hat also in Geisteswissenschaften/Theologie nicht oder nur peripher etwas zu suchen.

Wohin geht der Trend?

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#86 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Halman » So 16. Apr 2017, 21:28

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Übrigens, ich bin auch ein Gläubiger und gehe nicht so vor wie hier unterstellt.
Gut!
Wenn man Gott nicht setzt, wie will man seine Existenz bestätigt wissen?
Auf welche Evidenzen basierst DU deine Schlussfolgerung?
Leider ist mir die Bedeutung des Fremwortes Evidenz nicht genau klar und daher bitte ich Dich um eine Erklärung, die ich dann akzeptieren werde. So können wir uns eine aufwendige Begriffsanalyse sparen.
Den Wikipedia-Artikel zu dem Begriff verstehe ich so, dass es verschiedene Positionen dazu gibt. Die einleitende Erklärung lässt mir den Begriff jedenfalls nicht völlig eindeutig erscheinen:
Evidenz bezeichnet das dem Augenschein nach unbezweifelbar Erkennbare oder die unmittelbare, mit besonderem Wahrheitsanspruch auftretende vollständige Einsicht. In einer philosophiegeschichtlichen Sichtweise wird der Begriff Evidenz in den jeweiligen Positionen mit eigenen Inhalten ausgefüllt.
(farbliche Hervorhebung von mir)

Wie ich Dich kenne, meinst Du die im ersten Satz des Artikels genannte Definition. Legt man diese kritisch aus, so kann ich Dir keine Evidenzen nennen, welche dem Kriterium "dem Augenschein nach unbezweifelbar Erkennbare oder die unmittelbare, ... vollständige Einsicht" entsprechen. Wollte ich Gegenteiliges behaupten, so müsste ich begründen, wie denn die Beoachtung der Welt (bzw. des beobachtbaren Universums), des Menschen, der Bibel und der persönlichen Glaubenserfahrung, zusammenhängend als unbezweifelbare und unmittelbare vollständige Einsicht beschrieben werden kann und dies ist mir zumindest derzeit unmöglich.
Meine Zweifel müssten als unbegründet erwiesen werden. Noch schwieriger scheint mir das Kriterium der Unmittelbarkeit zu sein. Ggf. wäre hier eine Begriffsanalyse hilfreich.

Wenn ich davon spreche, dass ein Phänomen, wie bspw. "Gott", argumentativ hergeleitet werden kann, erhebe ich nicht zwingend notwendig den Anspruch, dies auf Basis von Evidenzen im Sinne des ersten Satzes des Wikipedia-Artikels zu vollbringen.
Es sei hier nochmals betont, dass ich keinen wissenschaftlichen Wissensanspruch erhebe, wenn ich meinen GLAUBEN bekunde. Gründen Glauben und Vertrauen denn stehts auf Evidenzen?

Wie verstehst Du den zweiten Satz im Wikipedia-Artikel, den ich im obigen Zitat blau formatiert habe? Darin ist von der "philosophiegeschichtlichen Sichtweise" die Rede, in welcher der "Begriff Evidenz in den jeweiligen Positionen mit eigenen Inhalten ausgefüllt" wird.
Möglicherweise handelt es sich hier um eine Definition des Begriffes Evidenz, gem. der ich behaupten könnte, dass nachfolgend verlinkte Argumente und Quellen von mir "evident" sind. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob dies zutrifft.

Bessere Argumente, als in meinen vier Quellen des Glaubens, und in meinen Antworten vom Di 15. Sep 2015, 23:29 sowie Do 17. Sep 2015, 00:13, kann ich Dir leider nicht präsentieren. Da sie SilverBullet bekannt sind, oder zumindest durch meine Verweise bekannt sein können, und dieses Thema auch nicht Intention dieses Threads ist, sehe ich keine Veranlassung mich hier noch mals damit abzumühen. Das weder Du, noch SilverBullet, mit meiner Konklussion übereinstimmen, ist mir bekannt.
Um es kurz zu machen: Meiner Meinung nach sprechen die in meinen Links genannten Indizien als Hinweise (nicht Beweise) für die Existenz des biblischen Schöpfergottes, wenn man diese ähnlich wie ein Puzzel in der Gesamtschau betrachtet und daraus die Konklusion, "ich halte die Existenz des biblischen Gottes für glaubhaft", ableitet. Ich will aber nicht so weit gehen, diese Folgerung als zweifelsfreies Wissen zu bezeichnen.

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Es muss doch die Frage erlaubt sein: Warum setzen Gläubige "Gott"?
Aus Mangel an Evidenz.
Halman hat geschrieben:Und wenn sie die Prämisse einfach als Idee setzen, wie bewährte sie sich, so dass diese Idee sich zur festen Glaubensüberzeugung weiterentwickelte?
Worin unterscheidet sich eine Idee von einer Setzung?
Eine Idee kann durchaus eine Setzung sein, aber nicht immer bezeichnen diese Begriffe das Selbe. Nicht alle Ideen werden als Prämissen verwendet, sie können auch Konklusionen sein, wenn man also eine Idee aus einer Argumentation ableitet.
Den Begriff "Setzung" halte ich für etwas unglücklich gewählt. Der Turm von Pisa ist aufgrund einer Setzung schief. Daher deute ich das Wort "Setzung" hier als Synonym für Prämisse.
Nicht alle Prämissen sind Ideen, sie können auch logische Postulate sein, wie in der SRT, oder sogar empirische Fakten.

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wahrnehmbar ist Gott schon.
Aber er ist von einer Täuschung nicht unterscheidbar.
Wie begründest Du diese Konklussion?
Ohne Evidenzen ist eine Unterscheidung nicht möglich.
Deshalb: Wie kann man die Idee oder Setzung bestätigen?
Da dies unmittelbar schwerlich ist, schlage ich vor, die mittelbaren Hinweise zu deuten. Ein wichtiger Aspekt ist die Korrelation zwischen persönlichen Erfahrungen und den überlieferten Glaubenserfahrungen der Bibel (hier bezogen auf das Christentum).

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Du sagst: "Wahrnehmbar ist Gott schon."
Daraus ergibt sich die Frage: Wie wird Gott wahrgenommen?
Vielleicht als Gefühl oder Vision?
Dies wären Möglichkeiten. Das Problem ist dabei die Subjektivität. Hat ein Prophet eine Vision, so besteht seine Schwierigkeit darin, den Rest der Welt davon zu überzeugen, die seine Erfahrung nicht teilen.

Meine Gebetserfahrung habe ich Dir oben verlinkt. Dies ist ein sehr offener und persönlicher Einblick in mein religiöses Erleben und das Beste, was ich zu bieten habe. Nenne mir doch User, die Bessers vorgetragen hatten. Da würde ich Thomas nennen, er schrieb immerhin ein dickes Buch darüber.

@SilverBullet
Nenne mir Gläubige, die besser argumentiert haben als ich. Bitte, ich lerne gerne dazu.
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#87 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Anton B. » So 16. Apr 2017, 22:43

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Dass wir diese "Disziplinen" und deren Methodik heute nicht mehr Wissenschaft nennen, verdanken wir der Philosophie.
Mir geht es wahrlich nicht darum, für Homöopathie oder Marxismus das Etikett "Wissenschaft" zu fordern.

Trotzdem frage ich:
(1) Ist "Wissenschaft" nicht das, was unter einem bestimmten hermeneutischen Ansatz interaktiv nachvollziehbar untersucht und bewertet?
"Wissen" ist die Erkenntnis, die vernünftig begründet dargelegt werden kann. "Wissenschaft" ist demzufolge die Tätigkeit des Suchens nach Erkenntnissen, die dem Kriterium der vernünftigen Begründung genügen.

closs hat geschrieben:(2) Oder anders gefragt: Würdest Du für die sogenannten "Geisteswissenschaften" das Etikett "Wissenschaft" befürworten?
Sicherlich, wenn sie vernünftig begründet betrieben wird.

closs hat geschrieben:Jede Antwort ist ok, führt aber zu Schlussfolgerungen:
ad (1) "Wissenschaft" kann auch das sein, was nicht experimentell überprüft werden kann.
Klar, weil "vernünftige Begründung" und "experimentelle Prüfung" nicht deckungsgleich sind.

closs hat geschrieben:ad (2) Wenn nein auf Frage (2), dann ist Wissenschaft nur Naturwissenschaft, hat also in Geisteswissenschaften/Theologie nicht oder nur peripher etwas zu suchen.
Die "vernünftige Begründung" ist der zentrale Anspruch. Auch Poppers Bemühungen der Suche nach einem Abgrenzungskriterium bezüglich Wissenschaft/Nichtwissenschaft setzt da an. Was -- so müsste dann gefragt werden -- wären die Probleme der Geisteswissenschaften/Theologie an sich bezüglich dieses Kriteriums?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#88 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von closs » So 16. Apr 2017, 23:14

Anton B. hat geschrieben:Die "vernünftige Begründung" ist der zentrale Anspruch.
Finde ich auch - nur: Wer definiert, was "vernünftig" ist? - Für Atheisten ist bspw. die Annahme Gottes "unvernünftig", für Theisten ist sie "vernünftig".

Mir wäre es deshalb lieber, wenn man "umfassende Begründung auf interaktiv nachweisbarem Wege" (= "Ich stimme Dir zwar nicht zu, aber Deine Begründung ist umfassend und in sich widerspruchsfrei") zum Maßstab nehmen würde.

Anton B. hat geschrieben:Was -- so müsste dann gefragt werden -- wären die Probleme der Geisteswissenschaften/Theologie an sich bezüglich dieses Kriteriums?
Das kommt drauf an, wie man "Vernunft" definiert. - Legt man Descartes und sogar Kant zugrunde (im Ergebnis: "Vernunft ist, wenn man erkennt, dass es jenseits der Vernunft etwas gibt"), gäbe es diesbezüglich keine grundsätzlichen Probleme der Geisteswissenschaften/Theologie. - Legt man ein weltanschauliches Weltbild zugrunde dagegen schon.

Noch weiter: Würde man einen materialistischen Vernunftbegriff zugrundelegen, hieße dies, dass Wissenschaft nichts in geistigen Dingen (im traditionellen Verständnis) zu suchen hätte - Wissenschaft müsste sich also von dort zurückziehen - aber dann wäre Wissenschaft nicht mehr der Benchmarker in den Erkenntnis-Disziplinen (außer selbstverständlich den Naturwissenschaften - aber davon reden wir ja nicht).

Entweder so oder so - beides gleichzeitig geht nicht.

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#89 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von Anton B. » Mo 17. Apr 2017, 00:24

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Die "vernünftige Begründung" ist der zentrale Anspruch.
Finde ich auch - nur: Wer definiert, was "vernünftig" ist? - Für Atheisten ist bspw. die Annahme Gottes "unvernünftig", für Theisten ist sie "vernünftig".
Und wie lässt sich die "Annahme Gottes" bzw die Nicht-Existenz Gottes begründen?

closs hat geschrieben:Mir wäre es deshalb lieber, wenn man "umfassende Begründung auf interaktiv nachweisbarem Wege" (= "Ich stimme Dir zwar nicht zu, aber Deine Begründung ist umfassend und in sich widerspruchsfrei") zum Maßstab nehmen würde.
Wird ja auch so gemacht. In Teildisziplinen der Theologie z.B.

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Was -- so müsste dann gefragt werden -- wären die Probleme der Geisteswissenschaften/Theologie an sich bezüglich dieses Kriteriums?
Das kommt drauf an, wie man "Vernunft" definiert. - Legt man Descartes und sogar Kant zugrunde (im Ergebnis: "Vernunft ist, wenn man erkennt, dass es jenseits der Vernunft etwas gibt"), gäbe es diesbezüglich keine grundsätzlichen Probleme der Geisteswissenschaften/Theologie. - Legt man ein weltanschauliches Weltbild zugrunde dagegen schon.
Der Kant'sche Vernunftsbegriff gilt doch auch noch heute.

closs hat geschrieben:Noch weiter: Würde man einen materialistischen Vernunftbegriff zugrundelegen, hieße dies, dass Wissenschaft nichts in geistigen Dingen (im traditionellen Verständnis) zu suchen hätte
Habe nie von einem "materialistischen Vernunftsbegriff" gehört oder gelesen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#90 Re: Sophismen und logische Fehlschlüsse

Beitrag von closs » Mo 17. Apr 2017, 01:34

Anton B. hat geschrieben:Und wie lässt sich die "Annahme Gottes" bzw die Nicht-Existenz Gottes begründen?
Philosophisch/dialektisch/ontologisch. - Wobei "begründen" selbstverständlich nicht "nachweisen" heisst.

Anton B. hat geschrieben:Wird ja auch so gemacht. In Teildisziplinen der Theologie z.B.
... welcher man aber gelegentlich Wissenschaftlichkeit abspricht.

Anton B. hat geschrieben:Der Kant'sche Vernunftsbegriff gilt doch auch noch heute.
Kann ich nicht erkennen - heute dominiert eher der kritisch-rationale Vernunftbegriff ("Was nicht falsifizierbar ist, ist unvernünftig").

Anton B. hat geschrieben:Habe nie von einem "materialistischen Vernunftsbegriff" gehört oder gelesen.
S.o.: "Was nicht falsifizierbar ist, ist unvernünftig".

Allerdings gibt es hier eine Frage, die für mich noch offen ist:

1) "Vernunft" geht nur kritisch-rational. - Das hieße, dass der Kritische Rationalismus den exklusiven Zugang zu dem beschreibt, was als Entität sein kann. - Das sagen normalerweise MAterialisten/Kritische Rationalisten. - Aus Sicht von 2) wäre dies un-aufgeklärt.

2) "Vernunft" impliziert die Erkenntnis, dass es mehr gibt, als kritisch-rational erfaßbar ist. - Das sagen Christen/Ontologen/etc. - und vom Ansatz her auch die Früh- und Hoch-Aufklärung.

Im Fall 1) würde "Vernunft" weitgehend eine interne Sache der Naturwissenschaften sein - also eine Reduzierung dessen, was sich 2) darunter vorstellt. - Im Fall 2) wäre "Vernunft" eine universale Größe, die einmal kritisch-rational und ein andermal hermeneutisch eingesetzt wird - was aus Sicht von 1) nicht akzeptabel sein könnte.

Kurz: Ist Vernunft ein streng-methodischer Bestandteil des Kritischen Rationalismus oder ist es eine universale Größe?

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