Agent Scullie hat geschrieben:Tyrion hat geschrieben:Warum sollte eine Reform des Islam nicht möglich sein? Das Christentum wurde ja auch menschlich gemacht, reformiert. Das ging zwar sehr blutig vonstatten, da hierfür Staat und Kirche voneinander getrennt werden mussten, was die Vertreter des Christentums nicht so toll fanden. Aber danach war es möglich, dem Christentum das Töten und Foltern im Namen ihres Gottes so weit möglich auszutreiben. Dafür mussten die Vertreter der christlichen Glaubensrichtungen entmachtet werden.
Ich habe jetzt nicht den ganzen Thread durchgelesen, würde diese Thematik aber gerne noch einmal aufgreifen: eine Religion, sei es nun der Islam, das Christentum oder sonst eine religiöse Lehre, kann nicht reformiert werden.
Das ist sehr absolut formuliert und da bin ich anderer Meinung. Das Judentum ist hierfür ein sehr gutes Beispiel.
Ganz entscheidend für abrahamitische Offenbarungs- und Schriftreligionen sind ihre zugrundeliegenden Heiligen Schriften. So bestand im Judentum des ersten Jahrhunderts, welches Jesus kannte, noch keine talmudische Traditation, wenn auch schon die Mischna in mündlicher Form zumindest teilweise vorlag. Durch den Talmud wird der Tanach (unser AT) auslegt. Die in der Gemara (dem größten Teil des mehrbändigen Talmuds) "dokumentierte Diskussionen der Rabbinen" gab es im ersten Jahrhundert noch nicht (mehr dazu in meinem Beitrag vom
Mi 22. Feb 2017, 20:35).
Solange die
Fortschreibung der Heiligen Schriften andauert, kann die Religion auch durch diese "reformiert" werden, wobei genau genommen der Begriff
Reform nicht ganz passend ist, weil eine Re-form wörtlich eigentlich eine Zurück-Formatierung zum Gründungsgeschehen meint. Doch unterliegen Religionen sehr wohl einer Evolution, insbesondere solange die Fortschreibung der Heiligen Texte vollzogen wird.
Ist die Fortschreibung abgeschlossen, so ist eine Erneuerungs-Reform erheblich erschwert, allerdings nicht gänzlich unmöglich. Veränderungen in der Religion selbst können z.B. durch Variationen in der Zusammenstellung des Bibelkanons erfolgen. In katholischen Bibel ist der Kanon um sieben Spätschriften zum AT (Deuterokanonische Schriften) umfangreicher.
Katholiken, orthodoxe Kirchen und Protestanten verwenden etwas verschiedene Kanones. Luther erklärte in seiner Reformation die Deuterokanonischen Schrifte zu "nützlichen" Apokryphen, womit sich der Bibelkanon als normative Größe für die Glaubensgemeinschaft reduzierte.
Die Überlieferung des Korans ist eine bewegte Geschichte. Der dritte Kalif Uthman (Osman) stellte die 114 Suren des Koran zusammen und legte damit im Wesendlichen die normative Größe für alle Muslime fest.
Das Erneurerungs-Reformen auch in der Neuzeit möglich sind, bezeugen meiner Meinung nach die Mormonen (welche das Buch Mormon hinzufügten) und die Ahmadiyya Muslim Jamaat. Denn laut dem Islam ist Mohammed das "Siegel der Propheten", doch der Gründer der Ahmadiyya-Gemeinde, Mirza Ghulam Ahmad (* 13. Februar 1835; †26. Mai 1908), umging dieses Grundprinzip und gründete damit eine Sondergemeinschaft par excellence. Frau Khola Maryam vertritt übrigens diese Sondergemeinschaft und damit ~1% des Islam in Deutschland.