Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Astrophysik, Kosmologie, Astronomie, Urknall, Raumfahrt, Dunkle Materie & Energie
klassische Physik, SRT/ART & Gravitation, Quantentheorie
closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#51 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von closs » Do 22. Aug 2013, 11:36

Janina hat geschrieben:Die Lösung: Der Zwilling in der Rakete sitzt in dem Moment, wo er umdreht, NICHT mehr in einem Intertialsystem. Und umdrehen muss einer von beiden
Ok - nächstes Modell. - Die Rakete steigt hoch und bleibt im Verhältnis zur Sonne "stehen", während die Erde um die Sonne kreist. - Das heißt: Die Erde dreht um. - Heißt das vom Prinzip her, dass dann der Raketenmensch schneller altert als die Erdlinge?

Wie verrechnet man die geschwindigkeits-relevanten Parameter mit dem Satz, dass die Uhren bei höherer Gravitation "langsamer" gehen - konkret: Der Erdling hat eine "langsamere" Uhr wegen der höheren Gravitationskräfte, aber eine "schnellere", wenn er der "Umdrehling" ist ?!?!

Janina hat geschrieben: Beides soll prinzipiell ununterscheidbar sein. Das ist die Gleichheit von träger und schwerer Masse.
Aber die Sache mit der "langsameren" Uhr gilt doch für beide?!?! - Gravitationswellen aber nur für schwere Masse? - Oder bringe ich jetzt was durcheinander?

ThomasM
Beiträge: 5866
Registriert: Mo 20. Mai 2013, 19:43

#52 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von ThomasM » Do 22. Aug 2013, 12:50

Hallo closs
closs hat geschrieben: Ok - nächstes Modell. - Die Rakete steigt hoch und bleibt im Verhältnis zur Sonne "stehen", während die Erde um die Sonne kreist. - Das heißt: Die Erde dreht um. - Heißt das vom Prinzip her, dass dann der Raketenmensch schneller altert als die Erdlinge?
Ich glaube, du solltest langsamer vorgehen. Hast du die Prinzipien der speziellen Relativiätstheorie denn jetzt verstanden? Insbesondere auch das Zwillingspradoxon?

In der speziellen Relativitätstheorie ist nur von gleichförmig bewegten Systemen die Rede, Beschleunigungen und Gravitation werden also erst einmal in ihre Wirkung vernachlässigt, ausser beim Zwillingsparadoxon, wo der Wechsel des Inertialsystems (den man urch beschleunigen/abbremsen durchführt) wichtig ist.

Ich war immer en Formeltyp, d.h. für mich wird alles durch Formeln klar. In der SRT ist das die Lorentz Transformation
http://de.wikipedia.org/wiki/Lorentz-Transformation
die angibt, wie die Koordinaten eines Intertialsystems in ein anderes umzurechnen sind. Aber es gibt viele Menschen, die sind mehr grafisch geeicht. Man kann die Lorentztransformation auch grafisch über Minkowski Diagramme darstellen
http://de.wikipedia.org/wiki/Minkowski-Diagramm
Damit kannst du sehen, dass die gegeneinander bewegten Koordinatensysteme gedreht sind zueinander.

Damit läßt sich nun die Zeitdilation darstellen. Sie ergibt sich dadurch, dass das, was gleichzeitig ist (Phänomene mit gleicher Zeitkoordinate) in den beiden Systemen unterschiedlich beurteilt wird. Das kann man in dem Artikel zu den Minkowski Diagrammen sehr schön bildlich darstellen.

Beim Zwillingsparadoxon ist es wesentlich dass der eine Zwilling immer in einem Inertialsystem bleibt (der auf der Erde, Gravitation ist vernachlässigt) und der andere sein System wechselt (bei der Umkehr). Durch den Wechsel klappt die Perspektive um und auch der fliegende Zwilling berechnet, dass er langsamer älter wird als der auf der Erde zurückgebliebene.
http://de.wikipedia.org/wiki/Zwillingsparadoxon

Willst Du in das ganze Spiel auch noch die Gravitation einführen, wird es gewaltig viel komplexer. Statt Minkowski Diagrammen, musst du dir Penrose Diagramme
http://de.wikipedia.org/wiki/Penrose-Diagramm
anschauen, aber das ist auch grafisch so komplex, dass das in Wikipedia nicht ordentlich augeführt ist. Auch die dazugehörigen Formeln sind ein Albtraum.

Das bedeutet nichts anderes, als dass du intuitiv die von dir genannte Situation nicht mehr erfassen kannst, du musst sie durchrechnen. Und das wäre eine sehr schöne Bachelor Arbeit, für die man gut mehrere Momate verwenden kann.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#53 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von closs » Do 22. Aug 2013, 13:51

ThomasM hat geschrieben: Hast du die Prinzipien der speziellen Relativiätstheorie denn jetzt verstanden? Insbesondere auch das Zwillingspradoxon?
Da würde ich nicht unvorsichtig "Ja" sagen. - Das Zwillings-Paradoxon würde ich dann abhaken, wenn Du folgende Frage beantworten könntest - nämlich:

* Die Rakete hebt ab und steht stabil im Verhältnis zur Sonne - bleibt also da, wo die Erde zur Sonne stand, als die Rakete gestartet ist. - Damit - so verstehe ich es - gibt es bei der Rakete keinen Wechsel des Inertialsystems.
* Die Erde umkreist die Sonne im Modell mit 0,6 c und kommt zurück zur Rakete (lassen wir mal weg, dass das ziemlich schnell ginge - mir geht es ums prinzipielle Verständnis). - Gibt es jetzt bei der Erde einen Wechsel des Inertialsystems, weil sie zurückgekehrt ist? - Oder KEINEN Wechsel, weil 0,6 c konstant war (also keine Beschleunigung - negativ wie positiv)?
* Oder den Ausgangsfall: Die Rakete hebt ab und kommt (nach einer zu vernachlässigenden Beschleunigungszeit) auf einer 40 Jahre währenden Kreisbahn mit 0,6 c (also keine Beschleunigung - negativ wie positiv) zurück zu Erde. - Kein Wechsel des Inertialsystems - oder doch? - Keine Altersdifferenz der Zwillinge nach der Landung? - Oder doch?

ThomasM hat geschrieben:Gravitation ist vernachlässigt
Das verstehe ich so, dass die Aussage, dass Uhren um so langsamer laufen, je mehr Gravitation vorliegt, beim Zwillingsparadoxon keine Rolle spielen.

ThomasM hat geschrieben:Penrose Diagramme
Das klingt von der Sache her gut - und überfordernd. - Mir geht es hier eigentlich nicht primär um Naturwissenschaft, sondern um geistig verwertbare Konstellationen innerhalb der Naturwissenschaft.

In diesem Sinne: Gibt es - ich hoffe, ich drücke mich auf fremden Feld halbwegs verständlich aus - in der Komplexität von Inertialsystem-bedingten und gravitations-bedingten Phänomen so etwas wie "intermittenz-Fenster" - also die Öffnung von Chaos in eine Ordnung?

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#54 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von Janina » Do 22. Aug 2013, 14:11

closs hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Die Lösung: Der Zwilling in der Rakete sitzt in dem Moment, wo er umdreht, NICHT mehr in einem Intertialsystem. Und umdrehen muss einer von beiden
Ok - nächstes Modell. - Die Rakete steigt hoch und bleibt im Verhältnis zur Sonne "stehen", während die Erde um die Sonne kreist. - Das heißt: Die Erde dreht um. - Heißt das vom Prinzip her, dass dann der Raketenmensch schneller altert als die Erdlinge?
Schöne Idee. Wenn das funktionieren würde, wäre das so.
Aber:
Die Rakete ist dann KEIN Inertialsystem. Sie muss beim Stehenbleiben gegen die Sonnengravitation an-beschleunigen. Und die Erde (der Erdkern) IST ein Inertialsystem, weil er auf seiner Bahn um die Sonne schwerelos schwebt und nicht beschleunigt. Die Erdoberfläche ist kein Inertialsystem, die Menschen darauf erfahren die gleichbleibende Beschleunigung von 9,81m/s². Aber das kann vernachlässigt werden, indem man die Leute einfach im Erdkern platziert.
Also alles nicht so einfach.

ThomasM
Beiträge: 5866
Registriert: Mo 20. Mai 2013, 19:43

#55 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von ThomasM » Do 22. Aug 2013, 15:07

closs hat geschrieben: * Die Rakete hebt ab und steht stabil im Verhältnis zur Sonne - bleibt also da, wo die Erde zur Sonne stand, als die Rakete gestartet ist. - Damit - so verstehe ich es - gibt es bei der Rakete keinen Wechsel des Inertialsystems.
Wie Janina betonte ist die Rakete während dem Weg zum Standort kein Inertialsystem, aber wenn wir die Synchronisierung der Uhren erst durchführen, nachdem die Rakete vor Ort ist, dann ja.

closs hat geschrieben: * Die Erde umkreist die Sonne im Modell mit 0,6 c und kommt zurück zur Rakete (lassen wir mal weg, dass das ziemlich schnell ginge - mir geht es ums prinzipielle Verständnis). - Gibt es jetzt bei der Erde einen Wechsel des Inertialsystems, weil sie zurückgekehrt ist? - Oder KEINEN Wechsel, weil 0,6 c konstant war (also keine Beschleunigung - negativ wie positiv)?
Wenn die Erde kreist ist sie kein Inertialsystem. Dabei ist es nicht nötig, die Erde zu nehmen. Nimm ein Raumschiff, das mit 0,6 c fliegt und dabei eine Kreisbahn beschreibt. Dieses Raumschiff ist zu keinem Zeitpunkt ein Inertialsystem, da eine (im einfachsten Fall) konstante Beschleunigung wirkt. Es findet also ein konstanter Wechsel des Inertialsystems statt.

Ist die Kreisbahn groß genug, dann ist der Effekt der Beschleunigung auf die Zeit zu vernachlässigen, aber der Wechsel des Inertialsysems nicht.
Das, was beim Zwillingsparadoxon auf einen Punkt konzentriert wird (den Punkt der Umkehr), wäre dann kontinuierlich auf die Flugbahn verteilt

closs hat geschrieben: * Oder den Ausgangsfall: Die Rakete hebt ab und kommt (nach einer zu vernachlässigenden Beschleunigungszeit) auf einer 40 Jahre währenden Kreisbahn mit 0,6 c (also keine Beschleunigung - negativ wie positiv) zurück zu Erde. - Kein Wechsel des Inertialsystems - oder doch? - Keine Altersdifferenz der Zwillinge nach der Landung? - Oder doch?
Wie beschrieben, konstante Beschleunigung = konstanter Wechsel = Alterseffekt

closs hat geschrieben: In diesem Sinne: Gibt es - ich hoffe, ich drücke mich auf fremden Feld halbwegs verständlich aus - in der Komplexität von Inertialsystem-bedingten und gravitations-bedingten Phänomen so etwas wie "intermittenz-Fenster" - also die Öffnung von Chaos in eine Ordnung?
Kommt auf die Gravitation an.

Aber du weisst vermutlich, dass bereits das 3-Körper Gravitationssystem klassisch ein chaotisches System ist. In jedem chaotischen System gibt es immer wieder Inseln der Ordnung, aber das läßt sich allgemein nicht vorhersagen.

Das Universum ist aktuell in einem sehr dynamischen Zustand. Ständig entstehen und vergehen Sternsysteme und Galaxien. In ein paar hundert Milliarden Jahren hat sich das Ganze wohl beruhigt. Allerdings ist dann auch niemand mehr da, den das interessieren könnte.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#56 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von closs » Do 22. Aug 2013, 15:26

ThomasM hat geschrieben:In jedem chaotischen System gibt es immer wieder Inseln der Ordnung, aber das läßt sich allgemein nicht vorhersagen.
Ja - da einen Schlüssel zu finden, wäre cool. - KÖNNEN wir es nicht voraussagen oder ist es an sich nicht voraussagbar? - Unterscheidet da überhaupt die Naturwissenschaft? - Auch nicht mathematisch voraussagbar? - Oder fehlt es nur an der entscheidenden Theorie?

@Janina und Thomas: Ansonsten - danke für die kompetenten Erklärungen.

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#57 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von Janina » Do 22. Aug 2013, 16:00

ThomasM hat geschrieben:Wie Janina betonte ist die Rakete während dem Weg zum Standort kein Inertialsystem, aber wenn wir die Synchronisierung der Uhren erst durchführen, nachdem die Rakete vor Ort ist, dann ja.
Auch nicht, denn Stehenbleiben erfordert dauernden Schub gegen die Sonnengravitation.

ThomasM hat geschrieben:Wenn die Erde kreist ist sie kein Inertialsystem.
Ist sie doch. Befindet sich auf der Umlaufbahn ja im freien Fall.

R.F.
Beiträge: 6664
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:20

#58 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von R.F. » Do 22. Aug 2013, 16:31

ThomasM hat geschrieben:
R.F. hat geschrieben: Kommt darauf an, was gemessen wird - doch nicht etwa Zeitdilatation oder Längenkontraktion?
Zeitdilatation durch Messung der Zerfallsrate von Muonen aus einer ruhenden Quelle im Vergleich zu atmosphärischen Muonen.
Hast Du Dir mal Kritiken zu diesen Beobachtungen angeschaut?
ThomasM hat geschrieben:
R.F. hat geschrieben: Bitte nun aber keine Blödeleien wie etwa der Verweis auf das GPS oder das Hafele-Keating-Experiment als Belege für den behaupteten Einfluss von Gravitation und Geschwindigkeit auf die Zeit
Kannst Du jetzt auch erläutern, was du gegen das Hafele-Keating Experiment und den nachfolgenden noch präziseren Experimenten hast.
Aber, aber, was sollte ich gegen diese Experimenten denn haben? Da wird weitaus mehr Geld auf anderen "Forschungs"-Gebieten verdummbeutelt...
ThomasM hat geschrieben: Einen direkteren Nachweis der Zeitdilatation gibt es eigentlich nicht.
Na immerhin gibt das mal einer zu...
ThomasM hat geschrieben: Und versuche du doch mal, ein GPS System allein auf der Basis von Newton aufzustellen. Du würdest hoffnungslos scheitern. Und wenn Newton nicht reicht, wie muss denn dann die Erweiterung aussehen, damit GPS wieder funktioniert?
- - -
Tatsächlich? Soll ich Dir mal laut vorrechnen, wie hoch die tägliche Positionsabweichung durch relativistische Einflüsse wäre, wenn es diese denn gäbe?

R.F.
Beiträge: 6664
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:20

#59 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von R.F. » Do 22. Aug 2013, 17:22

ThomasM hat geschrieben: - - -
Wie Janina betonte ist die Rakete während dem Weg zum Standort kein Inertialsystem, aber wenn wir die Synchronisierung der Uhren erst durchführen, nachdem die Rakete vor Ort ist, dann ja.
- - -
Sagt mal, ihr Experten, habt ihr euch die Beschreibung der Experimente mal etwas näher angeschaut?

Wenn ihr mal ganz heftig nachdenkt, wird euch ie Vielzahl der Inertialsysteme vielleicht spanisch vorkommen. Und dann - nach einem nochmaligen heftigen Hirn-Ruck ;) - die Erkenntnis: Es gibt nur ein einziges Inertialsystem - der Kosmos...

ThomasM
Beiträge: 5866
Registriert: Mo 20. Mai 2013, 19:43

#60 Re: Was genau in der Physik ist die "Zeit"?

Beitrag von ThomasM » Do 22. Aug 2013, 17:25

R.F. hat geschrieben: Hast Du Dir mal Kritiken zu diesen Beobachtungen angeschaut?
Nur die von meinem Assistenten, der den Versuch kontrollierte. Und die war eigentlich ganz gut.
Ansonsten kenne ich keine Kritiken. Hast Du mal Referenzen?

R.F. hat geschrieben: Aber, aber, was sollte ich gegen diese Experimenten denn haben? Da wird weitaus mehr Geld auf anderen "Forschungs"-Gebieten verdummbeutelt...
Erst bezeichnest du diese Experimenet als Quatsch und jetzt das. Sei doch mal sachbezogen und konkret.

R.F. hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: Einen direkteren Nachweis der Zeitdilatation gibt es eigentlich nicht.
Na immerhin gibt das mal einer zu...
Also stimmst du mir zu, dass die Zeitdilatation nachgewiesen ist.

R.F. hat geschrieben: Tatsächlich? Soll ich Dir mal laut vorrechnen, wie hoch die tägliche Positionsabweichung durch relativistische Einflüsse wäre, wenn es diese denn gäbe?
Ja, bitte

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Antworten