sven23 hat geschrieben:Dann stell mal eine Frage, die historisch-kritisch nicht das Ergebnis bringt, dass Jesus eine Naherwartung hatte.
Was ist mit "Naherwartung" im gesamt-biblischen Kontext gemeint? Was meint Jesus, wenn er vom "nahen Gottesreich" spricht?
sven23 hat geschrieben:Genau deshalb untersucht die Forschung alle Texte und deren urprüngliche Bedeutung
Was nützt das, wenn man sie dann weltanschaulich kontaminiert interpretiert? - SIehe "Naherwartung" - siehe Röm. 8,7 - siehe "Auferstehung" - siehe etc.?
sven23 hat geschrieben:Nein, denn in der historischen Jesusforschung - und das mag dich jetzt überraschen - zählen nur die historischen Fakten. Mit Kanonik und Hermeneutik kommt man da nicht weit.
Diese Aussage ist aus Deinem Mund falsch. - Rein formal ist sie richtig, aber ich weiß ja, was Du mit "historisch" meinst.
Hermeneutisch versteht man unter "Historie" NICHT nur das, was historisch-kritisch rauskommt, sondern auch das, was bei den Fragen nach Jesu Wirklichkeit rauskommt - also auch das, was die HKM nicht abdecken kann. - Was kann die HKM nicht abdecken? Bspw. kann sie nicht mit supra-naturalistischen Phänomen umgehen, selbst wenn sie historisch stattgefunden haben - sie kann auch nicht geistig interpretieren, also erkennen, dass "Nähe des Gottesreichs" geistig gemeint sein kann, weil sie die philosophischen/theologischen Grundlagen dazu gar nicht hat/haben WILL. - Sie kann weiterhin nicht nachvollziehen, dass eine Rezeptions-Geschichte sich auch zum Besseren wenden kann, da die Schreiber mit der Zeit besser erkennen können, was Jesus gemeint hat, als in älteren Quellen.
Und so bedient sich die Hermeneutik gerne der SACH-Ergebnisse der HKM, behält sich aber die substantielle Auslegung dessen selber vor, "was damals der Fall war" - wobei es selbstverständlich zu Falscheinschätzungen kommen kann. - Aber immerhin besteht hier die Chance, die Bibel in der Tiefe zu verstehen.
sven23 hat geschrieben:Die Geschichte ist manchmal platt. So konnte sich Hitler auf Luther berufen, dieser auf die Kirchenväter und diese auf das Neue Testament.
Genau so ist es. - Man bastelt sich was dem Augenblick Nützlichen zusammen - und dann ist ein Teil richtig und ein anderer Teil falsch. - Oder wie es Goethe sagt: "Viel Irrtum und ein bißchen Wahrheit/So wird der beste Trank gebraut". - Genau so geht es - aber das ist halt nicht Wissenschaft.
sven23 hat geschrieben:Wenn du ein einziges Beispiel benennen kannst, bei dem durch spätere Legendenbildung eine größere Nähe zum Original hergestellt wurde, dann können wir weiter darüber diskutieren.
In Bezug auf Original-Texte kenne ich KEIN Beispiel - aber dafür ist die HKM ja die beste Wahl (so haben wir damals auch gearbeitet). - Man müsste Fälle sammeln, bei denen das Original nicht ein Text ist, sondern derjenige, über den geschrieben wurde. - Dann hätten wir eine adäquate Vergleichs-Ebene.
Und dazu gäbe es sicherlich Beispiele. - So ist etwa "De Bello Gallico" die älteste Quelle über Caesar (die er wohl zum Teil oder gar hauptsächlich selber geschrieben hat). - Jetzt wäre die Frage: "Ist diese älteste Quelle die authentischste zu dem, was Caesar wirklich war?" - Ich kann Dir garantieren, dass die Geschichtswissenschaften Deine These in solchen Fällen ganz bestimmt nicht abnicken würden. - Im Gegenteil: Sie würden vermutlich zum Ergebnis kommen, dass Caesar in jüngeren Quellen realistischer gezeichnet ist.
Mit anderen Worten: Die von Dir genannte (und mir seit fast 40 Jahren bekannte) Grundregel, dass ältere Quellen in Bezug auf ein verschollenes Original i.d.R. authentischer sind als als jüngere Quellen, bezieht sich nur auf den Text selbst, nicht auf die Qualität des Inhalts.
Beispiel: Wenn es ein Original von Wolframs "Parzival" gibt, sind um 1250 erfolgende Abschriften authentischer als um 1350 erfolgende Abschriften. - DAAA stimmt es. - Aber es stimmt nicht, wenn die Frage lautet, ob sich Caesar im "Bellum" historisch realistischer gezeichnet hat als ein Autor 200 Jahre danach - da ist die Antwort völlig offen.
sven23 hat geschrieben:Mit Forschung meine ich auch die ergebnisoffene Forschung nach wissenschaftlicher Methodik. Hermeneutik kannste dafür knicken. (Das Spaghettimonster läßt grüßen)
Solange Du ideologisch derart verstockt bist, ist kein Erkenntnis-Fortschritt zu erwarten.