Alles Teufelszeug? V

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sven23
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#961 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 4. Mär 2017, 13:20

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"So hat Jesus vermutlich zwar keinen zelotischen Hintergrund, aber die zelotische Widerstandsbewegung und Jesus haben einen
gemeinsamen Hintergrund, das Judentum. Und dies auch noch in einer verschärften und besonders radikalen Form."
"Radikal" ist das richtige Wort - "radix" heißt "Wurzel".
Die zelotische Widerstandsbewegung war durchaus auch in einem modernen Sinn "radikal". Jesus wurde sicher nicht wegen Verbreitung der Nächstenliebe exekutiert.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es wird dir nicht gelingen, bei der Naherwartung einen methodischen Stockfehler zu belegen.
Genau das habe ich geschrieben. Es liegt nicht an methodisch-internen Logikfehlern, sondern daran, dass die HKM geistige Fragen nicht beantworten kann. - Sie kann (offenbar) nicht verstehen, dass die Anwesenheit Jesu bereits die Nähe des Gottesreichs ist - sie muss es materialistisch beantworten.
Auch da liegst du völlig daneben, weil du dich nicht für einschlägige Literatur interessierst.

"Die synoptische Tradition ist sich darin einig, dass im Zentrum der Verkündigung Jesu die "Königsherrschaft Gottes" (βασιλεὶα τοῦ θεοῦ/ basileia tou theou) stand (vgl. auch Joh 3,3.5). Er knüpfte dabei an die in der frühjüdischen Tradition verbreitete Vorstellung an, dass Gott gegenwärtig verborgen als König über die Welt herrscht und diese Herrschaft dereinst am Ende der Zeit offenbar werden wird. Im Gegensatz zur Tradition sah Jesus aber bereits seine Gegenwart durch die in seiner Wirksamkeit hereinbrechende Gottesherrschaft geprägt (Lk 11,20; vgl. 10,18). Die entscheidende Heilswende vollzieht sich bereits. Die endgültige Vollendung der Königsherrschaft Gottes steht mit Gewissheit unmittelbar bevor (vgl. Mk 1,15f.; Mt 5,3f.par).
...
Auch die Qumran-Schriften zeigen, wie sehr Jesus einen neuen Akzent setzte, als er die hereinbrechende Königsherrschaft Gottes in das Zentrum seiner Botschaft stellte. Der Begriff ist in ihnen nämlich genauso selten wie in der übrigen frühjüdischen Literatur. Wenn er verwendet wird, ist nie davon die Rede, dass Gottes Königsherrschaft jetzt irdisch Gestalt gewinnen würde. Gerade das aber macht das Wesen der Botschaft Jesu aus."

Quelle: Bibelwissenschaft.de


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die behauptete Historizität.
Klar - es ist erschließbar, aber nicht beweisbar, da es nicht falsifizierbar ist. - Genauso wenig wie es beweisbar ist, das es NICHT historisch ist. - Das Erschließen vom Einen oder vom Anderen ist rein weltanschaulich bedingt.
Na ja, schaut man sich die Texte und deren Entwicklung an, dann kann man die Historizität der Auferstehung vergessen. Es sind Mythen und Legenden, die die Kirche für sich gewinnbringend genutzt hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Da du die Dogmen der RkK für gut begründet hälst, solltest du die Begründung auch kennen.
Aber nicht im Einzelfall - da müsstest Du einen wirklich guten Dogmatiker fragen: 10 Semester Studium, einige Jahre Forschungs-Arbeit - kann ich nicht bieten. - Kann auch ein HKM-ler nicht bieten.
Dann solltest du dich informieren, bevor du solche Behauptungen in die Welt setzt. Aber das ist ja dein altbekanntes Leiden. :roll:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn man den Holocaust nur an den 6 Millionen ermordeten Juden festmacht, kann man ihn natürlich nicht positiv besetzen.
Eben - aber man kann damit nicht Ghettos im Mittelalter begründen. - Genau das wäre unwissenschaftlich gearbeitet.
Was ist das denn für ein Vergleich? Jüdische Ghettos im Mittelalter sollen den Holocaust positiv besetzen? :shock:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Welche Welt-Beurteilungs-Maßstäblichkeit hat der Mensch denn noch außerdem zur Verfügung?
Untersuchen kann man nur anthropozentrisch - aber diese Untersuchung kann dazu führen, dass man sich für in Bezug auf den Maßstab
a) anthropozentrisch, oder
b) theozentrisch
entschließt.

Allein die Aussage "Meine anthropozentrische Untersuchung (geht ja nicht anders) führt zur Erkenntnis, dass das Maß dessen, was der Fall ist, nicht anthropozentrischer Natur ist, ist bereits theozentrisch".
Und da Gott eine menschliche Projektion ist, ist auch ein "theozentrischer Maßstab" letzlich immer anthropozentrisch. Auch wenn man sich was anderes einredet.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#962 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 4. Mär 2017, 13:38

Münek hat geschrieben:So hat es in der Tat funktioniert.
Methodisch absolut nachvollziehbar.

Münek hat geschrieben:Die Setzung, der historische Jesus sei ein präexistentes und damit ein irrtumsfreies Himmelswesen gewesen, ist kein Ergebnis wissenschaftlicher Forschung
Dass er es NICHT ist, ebenfalls. - Das ist kein wissenschaftliches Argument.

Münek hat geschrieben:Pauli historischer Irrtum bestand darin, dass die von ihm als nah bevorstehend angesagte Parusie Christi tatsächlich nicht erfolgt ist.
Sein Irrtum ist, dass er zeitweise aus Jesu Worten eine Naherwartung interpretiert hat.

sven23 hat geschrieben:Es waren jedenfalls keine historischen Tatsachenberichte.
Es war keine klassische Geschichtsschreibung in unserem Verständnis.

sven23 hat geschrieben:Doch seine Lüge sei keine Sünde, weil sie eben der Verherrlichung Gottes diene.
Das steht nicht da. - Es steht da, dass ihm fälschlicherweise unterstellt wird, so zu denken.

sven23 hat geschrieben:Also nicht der Lügner wird verdammt, sondern der Lästerer.
Verdammt wird hier der, welche üble Nachrede begeht, indem er verleumderisch unterstellt, Paulus würde denken, Lüge sei keine Sünde, wenn sie der Verherrlichung Gottes diene.
7 Wenn nämlich die Wahrhaftigkeit Gottes durch meine Lüge überströmender wird zu seinem Ruhm, weshalb werde ich dann noch als Sünder gerichtet?
8 Müßte man dann nicht so [reden] <also wie 3,7> , wie wir verleumdet werden und wie etliche behaupten, daß wir sagen: »Laßt uns Böses tun, damit Gutes daraus komme«? Ihre Verurteilung ist gerecht! (Schlachter)

Wo ist da was unklar?

sven23 hat geschrieben:Solche Leute sind sich keiner Schuld bewußt, weil ihre Lügen einem höheren Zweck dienen.
Richtig. - Aber dagegen geht Paulus in Röm. 3,7f an, indem er sagt: "Geht bei Gott nicht".

sven23 hat geschrieben:. Und immer noch ist es so, dass der Lästerer verdammt werden soll und nicht der Lügner, wie du ursprünglich fälschlicherweise behauptet hast.
Stimmt - hatte ich ursprünglich auf die Schnelle so gelesen (weil beides stimmt im Kontext - sowohl "Trump" wird verdammt als auch einer, der fälschlicherweise einem Wahrheits-Redenden unterstellt, zu lügen, wird verdammt). - Pauli Aussage, dass sich ein Lügner nicht damit freikaufen kann, dass er für Gott lügt, bleibt davon unberührt - und um DIESE Aussage geht es doch.

sven23 hat geschrieben:Nee, es steht immer noch das gleiche drin:
Stimmt. :lol:

sven23 hat geschrieben: Aus diesem Grund hat Bibelhermeneutik in der historischen Jesusforschung nichts zu suchen.
Das behauptet doch keiner. - Die Aussage ist, dass sowohl HKM als auch Bibelhermeneutik Wege zur Suche nach Jesu Wirklichkeit beschreiben - deswegen muss man sie doch nicht vermischen. - Allerdings können ganz unterschiedliche Ergebnisse rauskommen.

sven23 hat geschrieben:Aber du siehst ja, dass auch Halmans Link nicht das Gegenteil belegen kann.
Man muss sich sehr anstrengen, Deine Version herauszulesen.

sven23 hat geschrieben:Wer sagt, dass die historische Jesusforschung geistige Fragen beantworten muss?
Man HANDELT oft danach - sonst würde man nicht in geistige Bereiche hinein-interpretieren. - Konkret: Wer nicht VERSTEHT, dass "nahes Himmelreich" als "Nähe durch und in Jesus" gemeint sein kann, sollte sich aus diesebezüglichen Interpretationen raushalten.

sven23 hat geschrieben:Dass Jesus und Paulus sich geirrt haben, dazu bedarf es keiner Bibelhermeneutik.
Sie wäre sogar sehr ungeeignet dafür, weil sie zu anderen Ergebnissen kommt. - Die Naherwartung ist ein inner-methodisches Ergebnissen im säkularen Verständnis der HKM. - "Innerbetrieblich" nachvollziehbar, aber an der Wirklichkeit gemessen aller Wahrscheinlichkeit nach unzutreffend.

sven23 hat geschrieben:Bist du es nicht, der die Aussage um 180° verdreht?
Aus Deiner Sicht kann das wohl sein. - Da braucht man sich nicht zu wundern, wenn dann irgendwelche Kubitza-Konglomerate raus kommen.
Though this be madness,
Yet, ther's method in it.

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#963 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 4. Mär 2017, 14:17

sven23 hat geschrieben:Auch da liegst du völlig daneben, weil du dich nicht für einschlägige Literatur interessierst.
Typisch: Du konstatierst ein "Daneben" und bringst dann einen Text, der exakt meine Haltung (bis auf einen Satz) unterstreicht.
sven23 hat geschrieben: Im Gegensatz zur Tradition sah Jesus aber bereits seine Gegenwart durch die in seiner Wirksamkeit hereinbrechende Gottesherrschaft geprägt (Lk 11,20; vgl. 10,18). Die entscheidende Heilswende vollzieht sich bereits.
Der falsche bzw. falsch verstehbare Satz lautet:
sven23 hat geschrieben:Die endgültige Vollendung der Königsherrschaft Gottes steht mit Gewissheit unmittelbar bevor
Theologisch wird hier eher verstanden, dass Jesus eine Verheißungsgrößé ist auf das apokalyptische Ende der Zeiten hin. - Gut, man kann es auch so wie Du verstehen, wobei dies einige Sinnfragen aufwirft. - Aber so zu tun, als sei Deine Interpretation
a) sicher
b) die einzig wissenschaftliche
ist dann schon dreist.

sven23 hat geschrieben:Na ja, schaut man sich die Texte und deren Entwicklung an, dann kann man die Historizität der Auferstehung vergessen.
Schaut man sich die Texte weltanschaulich präjudizierend an, kann das gut sein.

sven23 hat geschrieben:Dann solltest du dich informieren, bevor du solche Behauptungen in die Welt setzt.
Wenn man vor einer Äußerung erst promovieren müsste, müssten wir hier mit einem Schlag alle theologischen Threads schließen. Was soll das? - Meine Behauptung ist nach wie vor:

1) Dogmen sind über eine lange Zeit entstandene wohldurchdachte und wohlbegründete Lehrsätze, die nichtsdestoweniger im Einzelfall falsch sein KÖNNEN.
2) Ich kann nicht bei allen Dogmen begründen, wie dieser Begründungsprozess gelaufen ist.

Das Problem liegt woanders: Der Kritische Rationalismus wird gerne dahingehend missbraucht, Argumentations-Lücken beim anderen zu suchen und Peanuts zu falsifizieren, um ja nicht gezwungen zu werden, sich arbeitsintensiv mit Inhalten und Substanz beschäftigen zu müssen.

sven23 hat geschrieben:Jüdische Ghettos im Mittelalter sollen den Holocaust positiv besetzen?
Schlechte Idee. Du drehst wieder mal alles exakt auf den Kopf. - MEINE Aussage ist, dass man jüdische Ghettos im Mittelalter nicht über den Holocaust negativ besetzen kann - weil es einfach unwissenschaftlich ist (man kann es auch ohne Wissenschaft merken).

Unser Thema war "Inquisition": Man kann unser heutiges Volks-Verständnis von "Inquisition" nicht zum Maßstab der mittelalterlichen Inquisition machen;
"Ursprünglich vorgesehen war die Anwendung des Verfahrens zur Beseitigung innerkirchlicher Missstände. Das Inquisitionsverfahren entwickelte sich aber im Spätmittelalter, ausgehend von seiner Anwendung in der Ketzerinquisition ..." (wik)

Dasselbe gilt für die "Sharia": Man kann unser heutiges plattes Volks-Verständnis von "Sharia" (= "Tochtermord" :devil: ) nicht zum Maßstab für das unsprüngliche Wesen der Inquisition machen:
"Das Gesetz < "Sharia"> achtet darauf, dass die religiösen Verpflichtungen des Einzelnen gegenüber Gott erfüllt werden und alle Beziehungen des Einzelnen zu seinen Mitmenschen – Vermögensrecht, Familien- und Erbrecht, Strafrecht unter anderem – stets diesen Verpflichtungen entsprechen". (wik)

Mir stinkt es schon, wenn marktschreierische Platt-Definitionen zum Maßstab für ernsthafte Fragestellungen gemacht werden.

sven23 hat geschrieben:Und da Gott eine menschliche Projektion ist, ist auch ein "theozentrischer Maßstab" letzlich immer anthropozentrisch.
Das "da" ist falsch. - Du verwechselst "Gott" mit "Gottesvorstellung". - Zwar ist "Gott" nicht objektiv nachweisbar, aber anthropozentrische Gottesvorstellungen dienen allein dem Zweck, der geglaubten ontologischen Realität "Gott" ein menschliches Vorstellungsbild zu geben.

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#964 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 4. Mär 2017, 14:29

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Pauli historischer Irrtum bestand darin, dass die von ihm als nah bevorstehend angesagte Parusie Christi tatsächlich nicht erfolgt ist.
Sein Irrtum ist, dass er zeitweise aus Jesu Worten eine Naherwartung interpretiert hat.
Und Jesus hat sich selbst falsch interpretiert. :lol:
So kann man sich natürlich auch ganz in der Tradition des Paulus in die eigene Tasche lügen. Alles zum Wohle des Herrn.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es waren jedenfalls keine historischen Tatsachenberichte.
Es war keine klassische Geschichtsschreibung in unserem Verständnis.
Es waren fromme Schummeleien zur "Ehre des Herrn".

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Doch seine Lüge sei keine Sünde, weil sie eben der Verherrlichung Gottes diene.
Das steht nicht da. - Es steht da, dass ihm fälschlicherweise unterstellt wird, so zu denken.
Doch genau das steht da:
Wenn aber die Wahrheit Gottes durch meine Lüge herrlicher wurde zu seiner Ehre, warum sollte ich dann noch als ein Sünder gerichtet werden?
Warum also sollte Paulus noch als Sünder gerichtet werden? Seine Lüge ist ja nichts Böses. Wer aber behauptet, er würde Böses tun, der soll verdammt sein, nicht der Lügner.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Solche Leute sind sich keiner Schuld bewußt, weil ihre Lügen einem höheren Zweck dienen.
Richtig. - Aber dagegen geht Paulus in Röm. 3,7f an, indem er sagt: "Geht bei Gott nicht".
Das sagt Paulus nicht, sondern er fragt lediglich:

Wenn aber die Wahrheit Gottes durch meine Lüge herrlicher wurde zu seiner Ehre, warum sollte ich dann noch als ein Sünder gerichtet werden?

closs hat geschrieben: Pauli Aussage, dass sich ein Lügner nicht damit freikaufen kann, dass er für Gott lügt, bleibt davon unberührt - und um DIESE Aussage geht es doch.
Was ihn nicht davon abhielt, selbst zu lügen. Aber das hat er ja schon eingeräumt, indem er feststellte, dass jeder Mensch lügt, also auch Paulus.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Aus diesem Grund hat Bibelhermeneutik in der historischen Jesusforschung nichts zu suchen.
Das behauptet doch keiner. - Die Aussage ist, dass sowohl HKM als auch Bibelhermeneutik Wege zur Suche nach Jesu Wirklichkeit beschreiben - deswegen muss man sie doch nicht vermischen. - Allerdings können ganz unterschiedliche Ergebnisse rauskommen.
Die Suche nach dem historischen Jesus geht nur mit historisch-kritischer Methode. Alles andere ist willkürliche Kaffesatzleserei.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer sagt, dass die historische Jesusforschung geistige Fragen beantworten muss?
Man HANDELT oft danach - sonst würde man nicht in geistige Bereiche hinein-interpretieren. - Konkret: Wer nicht VERSTEHT, dass "nahes Himmelreich" als "Nähe durch und in Jesus" gemeint sein kann, sollte sich aus diesebezüglichen Interpretationen raushalten.

Für dich noch mal zum mitschreiben:

"Die synoptische Tradition ist sich darin einig, dass im Zentrum der Verkündigung Jesu die "Königsherrschaft Gottes" (βασιλεὶα τοῦ θεοῦ/ basileia tou theou) stand (vgl. auch Joh 3,3.5). Er knüpfte dabei an die in der frühjüdischen Tradition verbreitete Vorstellung an, dass Gott gegenwärtig verborgen als König über die Welt herrscht und diese Herrschaft dereinst am Ende der Zeit offenbar werden wird. Im Gegensatz zur Tradition sah Jesus aber bereits seine Gegenwart durch die in seiner Wirksamkeit hereinbrechende Gottesherrschaft geprägt (Lk 11,20; vgl. 10,18). Die entscheidende Heilswende vollzieht sich bereits. Die endgültige Vollendung der Königsherrschaft Gottes steht mit Gewissheit unmittelbar bevor (vgl. Mk 1,15f.; Mt 5,3f.par).
...
Auch die Qumran-Schriften zeigen, wie sehr Jesus einen neuen Akzent setzte, als er die hereinbrechende Königsherrschaft Gottes in das Zentrum seiner Botschaft stellte. Der Begriff ist in ihnen nämlich genauso selten wie in der übrigen frühjüdischen Literatur. Wenn er verwendet wird, ist nie davon die Rede, dass Gottes Königsherrschaft jetzt irdisch Gestalt gewinnen würde. Gerade das aber macht das Wesen der Botschaft Jesu aus."

Quelle: Bibelwissenschaft.de

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass Jesus und Paulus sich geirrt haben, dazu bedarf es keiner Bibelhermeneutik.
Sie wäre sogar sehr ungeeignet dafür, weil sie zu anderen Ergebnissen kommt.
Eben, das disqualifiziert sie schon für die historische Wahrheitssuche.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#965 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Münek » Sa 4. Mär 2017, 14:47

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:So hat es in der Tat funktioniert.
Methodisch absolut nachvollziehbar.
Das meine ich auch. Die eindeutige Quellenlage lässt keinen anderen Schluss zu. Selbst Nicht-Exegeten wie Rahner, Kasper und Küng vertreten die Auffassung, dass sich Jesus geirrt hat.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die Setzung, der historische Jesus sei ein präexistentes und damit ein irrtumsfreies Himmelswesen gewesen, ist kein Ergebnis wissenschaftlicher Forschung
Dass er es NICHT ist, ebenfalls. - Das ist kein wissenschaftliches Argument.
Dein Argument zielt ins Leere; denn wie Du inzwischen genau weißt, äußert sich die Wissenschaft dazu mit keinem Wort. Unbestreitbar ist es allerdings, dass eine Person der Zeitgeschichte, ein Mensch also, zugleich ein präexistentes göttliches Wesen sein soll, nur eine fromme Glaubensannahme ist und nicht das Resultat wissenschaftlicher Forschung. Da beißt die Kirchenmaus keinen Faden ab.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Pauli historischer Irrtum bestand darin, dass die von ihm als nah bevorstehend angesagte Parusie Christi tatsächlich nicht erfolgt ist.
Sein Irrtum ist, dass er zeitweise aus Jesu Worten eine Naherwartung interpretiert hat.
Nein - sein Irrtum lag darin, dass seine Parusie-Ankündigung im Sinne einer baldigen Wiederkunft Christi nicht eintraf. Die nicht nur bei Paulus diesbezüglich bestehende Naherwartung der Urchristen wurde bitter enttäuscht.

Dieser Irrtum hat aber nichts damit zu tun, dass sich sog. Bibelhermeneutiker erdreisten - und allein das ist hier das Thema, von dem Du abzulenken versuchst - , die Intention eines Bibelautors besser zu kennen meinen als dieser selbst.

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#966 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 4. Mär 2017, 14:53

sven23 hat geschrieben:Und Jesus hat sich selbst falsch interpretiert.
Sehr unwahrscheinlich.

sven23 hat geschrieben:Warum also sollte Paulus noch als Sünder gerichtet werden? Seine Lüge ist ja nichts Böses.
Nach Paulus DOCH. :lol:

sven23 hat geschrieben:Die Suche nach dem historischen Jesus geht nur mit historisch-kritischer Methode.
Das ist falsch. - Die HKM ist diesbezüglich das Mittel der Wahl im Rahmen ihrer Methodik - theologisch dagegen sucht man nach der Wirklichkeit Jesu, die natürlich dann ebenfalls historisch ist, wenn solche theologischen Ansätze zutreffend sind.

sven23 hat geschrieben:Für dich noch mal zum mitschreiben
Das reicht nicht - man muss auch verstehen.

sven23 hat geschrieben:das disqualifiziert sie schon für die historische Wahrheitssuche.
Das ist ideologisch. - Unterschiedliche Methodik kann zum selben Thema zu unterschiedlichen Ergebnissen führen - das kann sogar bei gleicher Methodik so sein (guck Dir mal die verschiedenen kosmologischen Theorien an, die sich widersprechen, selbst wenn sie in sich seriös sind). - Deine Auffassung ist zu platt.

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#967 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 4. Mär 2017, 14:54

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch da liegst du völlig daneben, weil du dich nicht für einschlägige Literatur interessierst.
Typisch: Du konstatierst ein "Daneben" und bringst dann einen Text, der exakt meine Haltung (bis auf einen Satz) unterstreicht.
sven23 hat geschrieben: Im Gegensatz zur Tradition sah Jesus aber bereits seine Gegenwart durch die in seiner Wirksamkeit hereinbrechende Gottesherrschaft geprägt (Lk 11,20; vgl. 10,18). Die entscheidende Heilswende vollzieht sich bereits.
Der falsche bzw. falsch verstehbare Satz lautet:
sven23 hat geschrieben:Die endgültige Vollendung der Königsherrschaft Gottes steht mit Gewissheit unmittelbar bevor
Theologisch wird hier eher verstanden, dass Jesus eine Verheißungsgrößé ist auf das apokalyptische Ende der Zeiten hin. - Gut, man kann es auch so wie Du verstehen, wobei dies einige Sinnfragen aufwirft. - Aber so zu tun, als sei Deine Interpretation
a) sicher
b) die einzig wissenschaftliche
ist dann schon dreist.
Ja, ja, die neutestamentliche Forschung ist schon ein dreister Haufen. :lol:
Aber es ändert nichts daran, dass die Naherwartung einen breiten Konsens in der Forschung findet. Auch wenn Ratzinger sich in die Soutane heult.:lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Na ja, schaut man sich die Texte und deren Entwicklung an, dann kann man die Historizität der Auferstehung vergessen.
Schaut man sich die Texte weltanschaulich präjudizierend an, kann das gut sein.
Der Satz stimmt auch ohne "präjudizierend".

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann solltest du dich informieren, bevor du solche Behauptungen in die Welt setzt.
Wenn man vor einer Äußerung erst promovieren müsste, müssten wir hier mit einem Schlag alle theologischen Threads schließen. Was soll das?
Niemand verlangt eine Promotion von dir. Doch wenn du ständig behauptest, die Dogmen seien gut begründet, dann solltest du die Begründung wenigstens kennen.


closs hat geschrieben: Das Problem liegt woanders: Der Kritische Rationalismus wird gerne dahingehend missbraucht, Argumentations-Lücken beim anderen zu suchen und Peanuts zu falsifizieren, um ja nicht gezwungen zu werden, sich arbeitsintensiv mit Inhalten und Substanz beschäftigen zu müssen.
Der Vorwurf wird flugs zum Bumerang:

"Das Dogma ist nichts anderes als ein ausdrückliches Verbot zu denken".

(Ludwig Feuerbach, dt. Philosoph, 1804-1872)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Jüdische Ghettos im Mittelalter sollen den Holocaust positiv besetzen?
Schlechte Idee. Du drehst wieder mal alles exakt auf den Kopf. - MEINE Aussage ist, dass man jüdische Ghettos im Mittelalter nicht über den Holocaust negativ besetzen kann - weil es einfach unwissenschaftlich ist (man kann es auch ohne Wissenschaft merken).
Ich verstehe nicht, was das eine mit dem anderen zu tun hat. Oder willst du damit sagen, dass der christlich-kirchliche Antijudaismus im Holocaust enden musste?


closs hat geschrieben: Mir stinkt es schon, wenn marktschreierische Platt-Definitionen zum Maßstab für ernsthafte Fragestellungen gemacht werden.
Das wird den Opfern der Inquisition auch gestunken haben. Und den Sharia-Opfern wohl ebenso.
Aber hier haben wir wieder das paulinische Motiv, dass der Zweck die Mittel heiligt. Menschen sind zu unglaublichen Verbrechen fähig, wenn man ihnen nur glaubhaft macht, dass dies einer "guten Sache" diene. Das gilt übrigens auch im säkularen Bereich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und da Gott eine menschliche Projektion ist, ist auch ein "theozentrischer Maßstab" letzlich immer anthropozentrisch.
Das "da" ist falsch. - Du verwechselst "Gott" mit "Gottesvorstellung". - Zwar ist "Gott" nicht objektiv nachweisbar, aber anthropozentrische Gottesvorstellungen dienen allein dem Zweck, der geglaubten ontologischen Realität "Gott" ein menschliches Vorstellungsbild zu geben.
Und als menschliches Vorstellungsbild ist es per se wieder anthropozentrisch. Geht nicht anders.
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#968 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » Sa 4. Mär 2017, 14:57

Münek hat geschrieben:Dieser Irrtum hat aber nichts damit zu tun, dass sich sog. Bibelhermeneutiker erdreisten - und allein das ist hier das Thema, von dem Du abzulenken versuchst - , die Intention eines Bibelautors besser zu kennen meinen als dieser selbst.
Wenn die HKM unterstellt, dass Pauli Umschwenken in dieser Frage nur ein Manöver war und nicht Ausdruck inzwischen eingetretenen besseren Wissens, gilt das auch für die HKM. - Die HKM ist genauso viel oder wenig objektiv wie die theologische Hermeneutik - jeder argumentiert aus seinen methodischen Setzungen heraus.

Das ist eigentlich in den Wissenschaften normal. - Nicht normal wird es, wenn man eigene methodische Setzungen verleugnet - dann wird es unseriös.

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#969 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 4. Mär 2017, 15:00

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Für dich noch mal zum mitschreiben
Das reicht nicht - man muss auch verstehen.
Hast du denn jetzt den Abschnitt aus der "Bibelwissenschaft" verstanden?

"Die synoptische Tradition ist sich darin einig, dass im Zentrum der Verkündigung Jesu die "Königsherrschaft Gottes" (βασιλεὶα τοῦ θεοῦ/ basileia tou theou) stand (vgl. auch Joh 3,3.5). Er knüpfte dabei an die in der frühjüdischen Tradition verbreitete Vorstellung an, dass Gott gegenwärtig verborgen als König über die Welt herrscht und diese Herrschaft dereinst am Ende der Zeit offenbar werden wird. Im Gegensatz zur Tradition sah Jesus aber bereits seine Gegenwart durch die in seiner Wirksamkeit hereinbrechende Gottesherrschaft geprägt (Lk 11,20; vgl. 10,18). Die entscheidende Heilswende vollzieht sich bereits. Die endgültige Vollendung der Königsherrschaft Gottes steht mit Gewissheit unmittelbar bevor (vgl. Mk 1,15f.; Mt 5,3f.par).
...
Auch die Qumran-Schriften zeigen, wie sehr Jesus einen neuen Akzent setzte, als er die hereinbrechende Königsherrschaft Gottes in das Zentrum seiner Botschaft stellte. Der Begriff ist in ihnen nämlich genauso selten wie in der übrigen frühjüdischen Literatur. Wenn er verwendet wird, ist nie davon die Rede, dass Gottes Königsherrschaft jetzt irdisch Gestalt gewinnen würde. Gerade das aber macht das Wesen der Botschaft Jesu aus."

Quelle: Bibelwissenschaft.de

Ist doch sooo schwer nicht.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#970 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » Sa 4. Mär 2017, 15:03

Münek hat geschrieben: Dieser Irrtum hat aber nichts damit zu tun, dass sich sog. Bibelhermeneutiker erdreisten - und allein das ist hier das Thema, von dem Du abzulenken versuchst - , die Intention eines Bibelautors besser zu kennen meinen als dieser selbst.[/b]
Genau das ist die Überheblichkeit der Hermeneutiker. Aber vermutlich geht es nicht anders, wenn man Texte ins Gegenteil verdrehen will. Leute wie closs sind auch noch dankbar dafür. :roll:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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