Das finde ich interessant, wollt nur mal etwas provokativ Grenzen abstecken, und Beobachtungen äußern, die mir manchmal unangenehm auffallen.lovetrail hat geschrieben:Ich will da kein neues Paradigma aufstellen, sondern einfach mal den Blick auf eine eher ungewohnte Sache richten.

Diese Ambivalenzen irgendwie einzuordnen ist wirklich problematisch. Wenn ich jetzt sage, dass unsere Gottesbilder Stückwerk sind, kannst du da vermutlich noch mitgehen, weil "Stückwerk" ein biblisch vertrauter Ausdruck ist. Sobald ich aber versuche dieses Stückwerk in moderne Worte fasse, um zu verdeutlichen wie ich das zu verstehen suche, kriegen wir miteinander erfahrungsgemäß ein Problem. Vielleicht betrachten wir erst einmal einzelne Stücke dieses Stückwerks und heben uns die Frage, wie es dazu kommt für etwas später auf.lovetrail hat geschrieben:Einerseits wird ja oft davon geredet, dass Gott in Jesus zu uns gekommen ist, dass er sich also erniedrigt hat und so seine Liebe zu seinen Geschöpfen offenbart hat, andererseits hängt man dann doch oft an einem einseitig transzendenten Gottesbild fest. Interessanterweise spiegelt sich diese Ambivalenz auch im Verständnis des Begriffs "ewig" wieder.
Das Stück Schöpfer-Gott kann ich mir nur transzendent vorstellen. Da "irgendwo transzendent" Gott der Schöpfer - hier konkrete geschaffene Welt. Soweit dürften die meisten Christen das prinzipiell ähnlich verstehen.
Jetzt wird es aber schon schwieriger:
Variante 1:
Ist das Ding "Welt" - einmal angestoßen - ein Selbstläufer oder hält Gott die Welt permanent am Laufen? Ist Gott die immanente Kraft, welche die Welt "physikalisch" im Innersten zusammenhält, sich in Form der (Natur-)Gesetze beständig darum kümmert, damit wir Menschen eine Lebens-Bühne haben, hält sich aber sonst weitgehend aus unseren Angelegenheiten raus, weil er uns die Verantwortung für das Weitere übergeben hat und darauf vertraut, dass wir mit der Fähigkeit der Erkenntnis dessen was gut oder schlecht für uns ist, mit der Zeit den "richtigen" Weg finden werden? Aber wer ist "wir"? "Du und ich", damit könnte ich was anfangen aber vor "wir Menschheit" stehe ich irgendwie fassungslos.
Gen 1,28 hat geschrieben:Gott segnete sie und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen.
Mt 5,45 hat geschrieben:damit ihr Söhne eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten, und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
Oder Variante 2:
Der Geschichte lenkende und dauernd eingreifende, Gehorsam fordernde Gott, der belohnt und bestraft und am Ende alles in der unabwendbaren Apokalypse platt macht und eine neue Welt erschafft.
Das AT ist voll davon.1.Kön 17,1 hat geschrieben:Der Prophet Elija aus Tischbe in Gilead sprach zu Ahab: So wahr der Herr, der Gott Israels, lebt, in dessen Dienst ich stehe: in diesen Jahren sollen weder Tau noch Regen fallen, es sei denn auf mein Wort hin.
Da das mit Gott eine Beziehungskiste ist, wird in Variante 1 die Beziehung ganz anders ausgestaltet sein als in Variante 2. Mit der "Weltgeschichte" kann der Einzelne mit seiner Lebensdauer von 120 Jahren wenig bis nichts anfangen. Davon geht ihn nur ein verschwindet kleiner Teil konkret etwas an und wirklich beeinflussen können du und ich die Weltgeschichte nicht. Ich sehe in den Schriften auch keinen Anhaltspunkt, dass "wir" den kollektiven apokalyptischen Untergang (einer verschwindend kleiner Zahl von gerade dann lebenden Menschen) irgendwie aufhalten können sollen. Was soll's? Wenn Gott beschließt, dass es soweit ist, passiert es eben. Diejenigen die vorher längst gestorben sind, tangiert das nicht im geringsten und diejenigen die zu diesem Zeitpunkt leben ereilt der Tod so überraschend wie jeden anderen davor auch. "Wachet!" macht da wenig Sinn, wenn 2000 Jahre gewacht wurde, für nichts und wieder nichts.
Ich habe meine maximal 120 Jahre Zeit für meine persönliche Beziehung zu Gott. Die Frage, wie ich selbst und wie Gott in "unsere" Beziehung hineinwirken könnte, finde ich daher viel spannender. Wenn Gott ganz transzendent im "irgendwo" hockt ist er für mich unerreichbar, dann kann es mir egal sein, wie es ihm geht, weil ich ihn dann nicht erfahren kann. Ein denkbarer Kommunikationskanal müsste dann in mir selbst liegen und könnte z.B. in meinem Gewissen, meinen "spirituellen Antennen", in mystischen oder meditativen Erfahrungen, in meiner Erkenntnisfähigkeit des Guten und Schlechten in Bezug zur Schrift und zum Leben oder in meiner Liebe verortet werden. Auf dieser Ebene würde m.E. die Frage "Wie geht es Gott (mit mir und mir mit Gott)?" sinnvoll erscheinen und auch beantwortbar werden. Es wäre natürlich toll gewesen Jesus damals als Mensch persönlich zu erleben, aber dieser Zug ist abgefahren. Der Christus ist heute so "transzendent" wie Gott.
Mal bis hier her.