Halman hat geschrieben:Novalis hat geschrieben:Halman hat geschrieben:Die orthodoxen Kirchen sind meiner Kenntnis nach strenger als die katholische Kirche und besonders die russisch orthodoxe Kirche ist mir für ihre regride Strenge und Intoleranz bekannt.
Wer hat Dir denn solche Schauermärchen erzählt? Da bist Du wirklich nicht besonders gut informiert.
Das mag sein.
In der Gegenwart ist Russlandkritik in, einschließlich Kritik an der russisch-orthodoxen Kirche. Die Russland-Berichtserstattung ist z.T. propagandistisch. Mag sein, dass ich deshalb falsch informiert bin
Betrachte doch einfach die Geschichte. Das orthodoxe Christentum geht direkt auf den Ursprung zurück, weshalb sie selbstbewusst der Auffassung sind, dass sie den ursprünglichen Glauben von Jesus Christus und den Aposteln empfangen, aufbewahrt und aktualisiert weitergegeben haben. Dieser Glaube ist zeitlos und auf keine bestimmte Kultur oder Nationalität begrenzt. Was sich auch darin zeigt, dass die Ost- und Westkirche lange Zeit eine Einheit bildeten. Erst am 16. Juli 1054 ereignete sich das "morgenländische Schisma", die große Spaltung des Christentums in die westlich-lateinische und die östlich-orthodoxen Bereiche.
Diese Spaltung zwischen "Rom und Byzanz" zeigt sich bis heute in der gegenseitigen Wahrnehmung. Sie bezeichnen sich jedoch beide, als "die eine katholische und apostolische Kirche", weil sie vor langer Zeit eine Einheit bildeten, eine gemeinsame "Weltkirche":
In der Alten Kirche entstanden in den Regionen des römischen Reiches Obermetropolien, die die Vorherrschaft in ihrem Gebiet innehatten. Daraus entwickelten sich die fünf altkirchlichen Patriarchaten, die als Pentarchie im Römischen Reich die gesamte damalige Weltkirche abbildeten. Vier sind heute orthodoxe Patriarchate und das fünfte Patriarchat Rom bildet die Lateinische Kirche, der Patriarchentitel wird aber seit 2006 nicht mehr geführt
Früher bildeten die großen Patriarchate von Jerusalem, Alexandria, Antiochia, Konstantinopel und Rom ein vereintes Netzwerk. Erst später hat sich dann Rom mit dem Papsttum abgespalten bis sich dann zwischen 1517 und 1648 eine weitere Spaltung im westlichen Christentum in verschiedene Konfessionen ereignete.
"Die Reformation wurde in Deutschland überwiegend von Martin Luther, in der Schweiz von Huldrych Zwingli und Johannes Calvin angestoßen. Ihr Beginn wird allgemein auf 1517 datiert, als Martin Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg geschlagen haben soll, aber ihre Ursachen und Vorläufer reichen weiter zurück. Als Abschluss wird allgemein derWestfälische Frieden von 1648 betrachtet.[1]
Anfänglich war die Bewegung ein Versuch, dierömisch-katholische Kirche zu reformieren."
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Reformation
Die Reformbewegungen wiederum spaltete sich in weitere unterschiedliche Gemeinschaften auf (Calvinisten, Zwinglianer, Presbyterianer, radikal-reformatorischen Täufer, in England die anglikanische Kirche usw.) Heute ist das Christentum so gespalten, dass es vielen schwer fällt sich an die ferne Zeit zu erinnern, in der sie eine Einheit gebildet haben. Als Paulus von dem einen Leib Christi auf Erden sprach, den alle Nachfolger Jesu gemeinsam bilden, hat er nicht gescherzt. Von diesem Einheitsbewusstsein ist leider nicht mehr viel übrig.
Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ist ein Glied an ihm. (Röm 12,5; Eph 5,30)
Aus der Selbstverständlichkeit mit der Paulus das einfach so dahin sagte, können wir schließen, dass das zu den
selbstverständlichen Basics für alle Christen gehörte. Genau so haben sie sich wahrgenommen

. Mein Eindruck ist, dass wir heute weit davon entfernt sind, aber es findet bei manchen ein Umdenken statt. Als ein Zeichen dafür kann das Treffen von Papst Franziskus und dem Moskauer Patriarch Kyrill I. dienen. Denn was viele gar nicht wissen: das war das erste Treffen seit der Kirchenspaltung vor fast 1000 Jahren.
Positiv aufgefallen ist mir auch, dass wieder vermehrt von einer "Weltkirche" gesprochen wird. Dieses katholische Internetportal trägt das im Titel:
http://weltkirche.katholisch.de/
Ich sehe es so, dass die West- und Ostkirche die beiden Lungenflügel des weltweiten Christentums darstellen. Wäre es nicht mal an der Zeit, dass wir uns daran erinnern, dass wir eine Einheit sind, der eine Leib Christi? Ganz im Sinne der Musketiere: Einer für alle und alle für einen. Der Islam wäre übrigens gar kein Problem, wir müssten nicht über ihn besorgt sein, wenn das Christentum nicht so gespalten und schwach wäre. Die Angst vor der Islamisierung offenbart nur unsre eigene Schwäche.
Was Europa benötigt ist ein Bewusstsein der Einheit auf Basis der gemeinsamen christlichen Werte, des darauf beruhenden Menschenbildes und der spirituellen Tradition:
„EUROPA MUSS MIT BEIDEN LUNGENFLÜGELN ATMEN“
OST- UND WESTKIRCHEN IM GESPRÄCH
Positionspapier von Rom der Konrad-Adenauer-Stiftung zum Dialog mit der Orthodoxie
Als Papst Johannes Paul II. das so treffende und seitdem immer wieder gebrauchte Bild von den zwei Flügeln einer Lunge, welche Europa beide zum Atmen benötige, zum ersten Mal verwendete, zog sich noch eine Bruchstelle durch Ost und West, war der Kontinent durch einen eisernen Vorhang geteilt.
In diesem Jahr gedenken wir der siebzig Jahre, vor denen der Krieg, der für diese Teilung verantwortlich war, ausgebrochen ist. Und wir feiern zwei Jahrzehnte seit dem Fall der Mauer, der die Teilung wieder aufgehoben hat.
Was für Konrad Adenauer, Robert Schumann und Alcide De Gasperi noch ein Traum gewesen ist, ist inzwischen Realität geworden. Und die Bruchlinie, die auch eine konfessionelle war, weitgehend aufgehoben: Seit dem EU-Beitritt Rumäniens und Bulgariens gehören rund 40 Millionen orthodoxe Christen zur Europäischen Union und prägen das Gesicht des neuen Europa mit - Griechenland, Zypern und die stetig wachsenden orthodoxen Diasporagemeinden nicht zu vergessen. Nicht nur durch die Osterweiterung der Europäischen Union ist der Ausspruch, „Europa endet dort, wo die Orthodoxie beginnt“, unhaltbar geworden.
Und dennoch ist diese Haltung noch weit verbreitet, ist Europa für viele „Westeuropa“ geblieben. Die politische Wende ist vollzogen, der geistig-kulturelle Wandel aber steht noch weitgehend aus. Ost und West begegnen sich, aber sie kennen sich kaum. Die neuen Nachbarn werden nach wie vor mit Skepsis betrachtet, die orthodoxen Kirchen als ein Fremdkörper des 21. Jahrhunderts wahrgenommen.
Doch könnten gerade sie zu einem integrierenden Faktor des europäischen Geisteslebens werden, der das Zusammenwachsen unterstützt und den gesellschaftlichen und politischen Diskurs bereichert und erneuert. Und zwar auf der Basis des gemeinsamen Wertefundaments, das Ost und West verbindet und das ein christliches ist: Wir teilen das gleiche Menschenbild, die gleichen christlichen Grundwerte. Das europäische Haus ist auf diesem Fundament gebaut, das Christentum der geistige Kitt, der es zusammenhält.
http://www.kas.de/italien/de/publications/17675/
Für uns Europäer gibt es keinen vernünftigen Grund, weshalb wir uns an der Propaganda gegen Russland beteiligen sollten. Außerdem ist das orthodoxe Christentum nicht nur "russisch". Es gibt auch eine
"Orthodoxe Kirche in Amerika (Orthodox Church in America, OCA)". https://oca.org/ ~ Das wäre schon mal ein typisches Beispiel für ein Missverständnis, dass man dabei einseitig an Russland denkt. Oder es gibt eine
Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, die Kirche von Antiochien ist nach der Urgemeinde in Jerusalem die älteste christliche Kirche überhaupt.
Die heutige syrische Sprache geht - by the way - auf das Altaramäisch zurück.Wie Du weißt, hat Jesus selbst aramäisch gesprochen. Wir haben es hier also mit der Wiege des Christentums zu tun. Da wäre schon ein bisschen Respekt und Demut angebracht
Im übrigen gibt es heute eine weltweite Christenverfolgung. Da propagandistisch von "christlicher Gewalt" zu sprechen, ist an Zynismus wohl kaum zu überbieten:
http://zeitzeichen.net/archiv/religion- ... -weltweit/