So nah und doch so fern?

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Naqual
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#111 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Naqual » Fr 16. Aug 2013, 17:44

Münek hat geschrieben: Jesus verkündete den nahen Anbruch des "Reiches Gottes" hier auf Erden (nicht etwa im Himmel, denn
da existierte ja bereits das Reich, d.h. die Herrschaft Gottes!), nein er predigte das Erscheinen Gottes auf
seiner von ihm gegründete Erde
, Gottes persönliches, kurz bevorstehendes, unmittelbares Eingreifen in alle
irdischen Verhältnisse und Machtstrukturen. Er verkündete den machtvollen, für alle sichtbaren Herrschaftsan-
tritt Gottes über seine Welt mitsamt allen Kontinenten, Meeren, Bergen, Völkern, Königreichen und all seinen Ge-
schöpfen.
Diese Vision stand Jesus vor Augen: (nix Gottesreich unsichtbar, nix Gottesreich im "Kopf" , nix Gottes-
reich im "Herzen", nix Gottesreich im nirgendwo, aber doch irgendwo, nix Gottesreich in irgendeiner Kirche ) :D

Der Begriff "Reich Gottes" kommt im NT relativ oft vor. Schaut man sich diese Stellen an ergibt sich folgende Bedeutung:
a) das Reich Gottes ist mitten unter uns im Hier und Jetzt (z.B. Lk 17,21)
b) das Reich Gottes kann von jemanden genommen werden und jemand anders gegeben werden (Mt 21,43)
c) das Reich Gottes kann man annehmen wie ein Kind ((Lk 18,17)
d) das Reich Gottes ist ein geistiger Zustand (Röm 14,17)
e) das Reich Gottes als jenseitiger Ort bereits Verstorbener (Lk 13,28), also dem jenseitigen "Himmel"

Schwieriger ist es, den Begriff Reich Gottes in Bezug auf das Ende der Welt/ Zweites Kommen Jesu zu beziehen.
Die Stelle hier ist nicht eindeutig und kann mit gutem Recht auch anderes interpretiert werden:
f) Mk 9,1 Und er sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft.
Ich persönlich neige zwar dazu, dass nicht die Bedeutung analog a-d gemeint ist. Aber man kann es nicht ausschließen, dass doch.

Gravierender finde ich die Naherwartung bei 1. Thess 4,15ff. Hier kommt der Begriff "Reich Gottes" gar nicht vor. Aber die nicht eingetroffene Naherwartung des Weltendes.

Im Resultat:
Der Begriff "Reich Gottes" hat an allen Stellen gemeinsam, dass es der Bereich ist, in dem Gottes Wille geschieht.
Dies ist ein "Reich", in dem der einzelne Zugang hat (geistig), ist aber auch ein Reich, das in die materielle Hemisphäre hineinwirkt. Dieses Reich erstreckt sich auch auf den Himmel (im christlichen Verständnis).

Damit wird aber nicht das prophetische Fiasko von z.B. 1. Thess 4,15ff geheilt. Hier wird der Tatbestand genauer beschrieben, sogar ohne den Begriff "Reich Gottes". Man kann nun nicht das "Reich Gottes" (a-d) hier hineininterpretieren, weil der Tatbestand nicht mehr zu dem allgemeinen Begriff "Reich Gottes" passt.

Die Aussage, mit Reich Gottes sei ein irdisches Reich gemeint und kein "Geistreich" trifft aber nach den o.g. Bibelstellen nicht zu. "Reich Gottes" umfasst all dies.


___________________________
Zitiert:

Lk 17,21 man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es!, oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.

Mt 21,43 Darum sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch genommen und einem Volk gegeben werden, das seine Früchte bringt.

Lk 18,17 Wahrlich, ich sage euch: Wer nicht das Reich Gottes annimmt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

Röm 14,17 Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist.

Lk 13,28 Da wird Heulen und Zähneklappern sein, wenn ihr sehen werdet Abraham, Isaak und Jakob und alle Propheten im Reich Gottes, euch aber hinausgestoßen.

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#112 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Naqual » Fr 16. Aug 2013, 17:54

sven23 hat geschrieben:Die Konsequenz aus der ganzen Geschichte kann eigentlich nur sein:
Jesus war ein normaler Mensch und ist als Kind seiner Zeit den gleichen Irrtümern aufgesessen wie seine Glaubensbrüder.

Das ist zu stark verallgemeinert pauschalisiert.

Jesus war ein normaler Mensch, das schließt ein, dass er nicht allwissend war (das NT räumt dies auch ein) und dazu lernen konnte.
Lk 2,52 Und Jesus nahm zu an Weisheit, Alter und Gnade bei Gott und den Menschen.
Jesus konnte sich auch irren.
Mensch sein bedeutet zwingend auch, dass man in Raum und Zeit begrenzt ist.
Deswegen kann ein Mensch auch nicht vollkommen sein und sei es Jesus.
Mk 10,18 Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als Gott allein.

Ein Mensch kann aber über sich hinaus wachsen - mit Gott. Und insofern ist er kein "normaler Mensch" mehr.
Jesus ist hier das trefflichste Beispiel.

So verstehe ich jedenfalls das NT.

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#113 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Zeus » Fr 16. Aug 2013, 20:15

Werter Naqual,
was soll das verbale Herumgeeiere. Es ist eine geschichtliche Tatsache, dass die Urgemeinde Jesus so verstanden hat, dass das - mit dem Ende der Welt verbundene - Reich Gottes so nahe war, dass viele dieses großartige Ereigniss noch erleben würden.
Ich finde es echt sonderbar, dass ausgerechnet in diesem überaus wichtigen Punkt Jesus sich geirrt hat oder mit seiner - deiner Meinung nach anders zu deutenden Aussage - so viele Menschen auf den Holzweg geführt hat.

Gruß
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(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#114 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Naqual » Fr 16. Aug 2013, 21:57

Zeus hat geschrieben:was soll das verbale Herumgeeiere.
Ich habe ein recht klare Haltung eingenommen - außer man hat den Beitrag nicht richtig gelesen.

Ich finde es echt sonderbar, dass ausgerechnet in diesem überaus wichtigen Punkt Jesus sich geirrt hat oder mit seiner - deiner Meinung nach anders zu deutenden Aussage - so viele Menschen auf den Holzweg geführt hat.
Genau hieran ist ersichtlich, dass Du den Beitrag überflogen hast.
Ich sagte ja deutlich, dass die sich da geirrt haben.

Das "Reich Gottes" darf nicht mit der Endzeiterwartung verwechselt werden. Es hat eine eigene geistige Bedeutung.
Man kann es auch nicht gegen den Irrtum der Naherwartung ausspielen. Hier sollte man schon sauber trennen. Auch wenn manche das "Reich Gottes" hier schon dazu hergenommen haben um Nebel zu werfen und den Irrtum der Naherwartung zu kaschieren.

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#115 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Zeus » Sa 17. Aug 2013, 02:36

Zeus hat geschrieben:Ich finde es echt sonderbar, dass ausgerechnet in diesem überaus wichtigen Punkt Jesus sich geirrt hat oder mit seiner - deiner Meinung nach anders zu deutenden Aussage so viele Menschen auf den Holzweg geführt hat.
Naqual hat geschrieben:Ich sagte ja deutlich, dass die sich da geirrt haben.
Ich sehe da keinen Widerspruch.
Naqual hat geschrieben:Das "Reich Gottes" darf nicht mit der Endzeiterwartung verwechselt werden. Es hat eine eigene geistige Bedeutung.
Das ist eine vom Naqual erfundene künstliche Trennung, um zu retten was nicht zu retten ist.
Schade, dass der Urgemeinde diese Einsicht fehlte.
Auch die moderne Theologie wurde anscheinend nicht informiert. ;)
[...]Und es wird gefragt, ob sich die Kirchen denn zu Recht auf jenen Jesus von Nazareth berufen, den sie als Gottes Sohn verkündigen. Die wissenschaftliche Forschung hat längst erkannt, dass Jesus ein ganz anderer war. Er hat sich bis zum Ende als frommer Jude verstanden, der das nahe Gottesreich ankündigt. In diesem zentralen Punkt seiner Verkündigung hat er sich geirrt, denn das Gottesreich kam nicht. Und auch auf Jesu Wiederkunft warten die Christen seit 2000 Jahren vergeblich. Er wird nicht kommen, denn Jesus hatte nie die Absicht eine neue Religion zu gründen, und wollte auch nicht selber verehrt oder gar zum Gott erhoben werden. Erst die Kirche hat Jesus zu einem Gott gemacht. Obwohl in der Forschung und selbst unter Theologen hier weitgehend Einigkeit herrscht, tut die Kirche immer noch so, als gebe es diese wissenschaftlichen Ergebnisse nicht, und als bestünde immer noch die naive Möglichkeit zu glauben oder nicht. Dabei ist das Christentum vor aller Dogmatik bereits durch die historische Vorprüfung gefallen. Es hat schon historisch kein Fundament, die Kathedralen wurden auf dogmatischem Sand errichtet. Das Christentum bewegt sich in der Weltgeschichte ohne Fahrschein.
Der Dr. Heinz-Werner Kubitza (evangelischer Theologe)

Gruß
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#116 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Naqual » Sa 17. Aug 2013, 09:00

Zeus hat geschrieben:
Naqual hat geschrieben:Das "Reich Gottes" darf nicht mit der Endzeiterwartung verwechselt werden. Es hat eine eigene geistige Bedeutung.
Das ist eine vom Naqual erfundene künstliche Trennung, um zu retten was nicht zu retten ist.
Schade, dass der Urgemeinde diese Einsicht fehlte.
Auch die moderne Theologie wurde anscheinend nicht informiert. ;)

Mir ist schleierhaft, was ich da retten sollte. :-)
Persönlich glaube ich, dass Jesus nicht Gott war sondern dazu gemacht wurde in der Kirchengeschichte und erst etwa gut 200 Jahre nach dem Kreuz. Erfunden wie das Dogma des stellvertretenden Opfertodes (Abwälzen eigener Schuld auf einen Unschuldigen), erfunden wie die "ewige Verdammnis". Paulus lehrte definitiv etwas anders wie Jesus von Nazareth (wird besonders deutlich bei der Frage der Werksgerechtigkeit).
Die Dogmen der Kirche sind aus meiner Sicht auf Dauer unrettbar.
Eine andere Frage ist, was dieser Jesus von Nazareth, der sich als rein jüdischer von Gott Bevollmächtigter verstand, für eine religiöse Lehre hatte. Und da ist das "Reich Gottes" ein Schlüssel hierzu.
Hier kannst Du gerne auf die Bibelstellen eingehen, was Du bisher vermieden hast. Also eine inhaltliche Diskussion zu führen.
Und da finde ich vieles von dem was Jesus gelehrt hatte, lehrreich und nutzbringend.


[...]Und es wird gefragt, ob sich die Kirchen denn zu Recht auf jenen Jesus von Nazareth berufen, den sie als Gottes Sohn verkündigen. Die wissenschaftliche Forschung hat längst erkannt, dass Jesus ein ganz anderer war. Er hat sich bis zum Ende als frommer Jude verstanden, der das nahe Gottesreich ankündigt. In diesem zentralen Punkt seiner Verkündigung hat er sich geirrt, denn das Gottesreich kam nicht. Und auch auf Jesu Wiederkunft warten die Christen seit 2000 Jahren vergeblich. Er wird nicht kommen, denn Jesus hatte nie die Absicht eine neue Religion zu gründen, und wollte auch nicht selber verehrt oder gar zum Gott erhoben werden. Erst die Kirche hat Jesus zu einem Gott gemacht. Obwohl in der Forschung und selbst unter Theologen hier weitgehend Einigkeit herrscht, tut die Kirche immer noch so, als gebe es diese wissenschaftlichen Ergebnisse nicht, und als bestünde immer noch die naive Möglichkeit zu glauben oder nicht. Dabei ist das Christentum vor aller Dogmatik bereits durch die historische Vorprüfung gefallen. Es hat schon historisch kein Fundament, die Kathedralen wurden auf dogmatischem Sand errichtet. Das Christentum bewegt sich in der Weltgeschichte ohne Fahrschein.
Der Dr. Heinz-Werner Kubitza (evangelischer Theologe)

Man sollte Dr. Kubitza nicht für das Flaggschiff moderner Theologie halten. Er arbeitet auch nicht im "theologischen Getriebe" in der Forschung. Er ist ein durchaus kämpferischer, wenn auch aggressiver Vertreter m.E. wirklich wissenschaftlicher Theologie. Das Zitat könnte ich gleichwohl unterschreiben. :devil:
In gewisser Hinsicht bin ich "Bultmann-Fan". Und der viel geschmähte Bultmann war ein tiefgläubiger Mensch.
Also selbst die "entmythologisierte Bibel" gab ihm etwas. Mich wundert das nicht.

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sven23
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#117 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Sa 17. Aug 2013, 09:46

Naqual hat geschrieben: Persönlich glaube ich, dass Jesus nicht Gott war sondern dazu gemacht wurde in der Kirchengeschichte und erst etwa gut 200 Jahre nach dem Kreuz. Erfunden wie das Dogma des stellvertretenden Opfertodes (Abwälzen eigener Schuld auf einen Unschuldigen), erfunden wie die "ewige Verdammnis". Paulus lehrte definitiv etwas anders wie Jesus von Nazareth (wird besonders deutlich bei der Frage der Werksgerechtigkeit).

Das wirft aber wieder ganz neue Fragen auf.
Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes war, sonder nur ein Prophet, war er dann ein falscher Prophet?

Wenn Paulus die Lehre Jesu verfälscht hat, wie sieht es dann mit der göttlichen Inspiration der Bibel aus?

Steht dann nicht auch der Rest der Bibel auf dem Prüfstand und letzen Endes Gott selber?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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Naqual
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#118 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Naqual » Sa 17. Aug 2013, 10:32

sven23 hat geschrieben:Das wirft aber wieder ganz neue Fragen auf.
Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes war, sonder nur ein Prophet, war er dann ein falscher Prophet?
Kaum, weil er nie den Anspruch erhoben hat ein Prophet zu sein.
Übrigens war Jesus Sohn Gottes, so wie wir Kinder Gottes sind. :mrgreen:
Es heißt Sohn Gottes, nicht "Gott, der Sohn".
Der Sohn ist eigentlich die Realisierung der Gottesbeziehung für uns. Von daher ist er erheblich mehr als ein Prophet, und nicht "nur ein Prophet". D.h. unabhängig vom historischen Wahrheitsgehalt kann man prüfen, ob dahinter eine religiöse Lehre steht, die hilfreich für einen selbst ist. Für mich ja.

Wenn Paulus die Lehre Jesu verfälscht hat, wie sieht es dann mit der göttlichen Inspiration der Bibel aus?
Paulus war genausowenig unfehlbar wie der Papst. Und m.E. hat er einen enormen Schuldkomplex gehabt, der in seine religiösen Darstellungen mit reinfließt.
Die Bibel hat viele inspirierte Teile. Deswegen muss sie aber nicht unfehlbar sein. Lehrreich finde ich sie gleichwohl.
Dir Vorstellung der vermeintlichen göttlichen Inspiration fördert nur Rechthaberei und Wortklauberei. Und sie lässt einen in trügerischer Sicherheit wiegen. Zudem wird es vermieden mit dieser Vorstellung, biblische Aussagen zu hinterfragen. Letzterees führt aber immer zu einem tieferen Verständnis (sogar religiösem!).
Maßgeblich sollte doch sein, was man selbst erfahren kann als hilfreich zu einer Selbstveränderung zum Guten. Gelesenes, was diesen Zweck langfristig nicht erfüllt ist doch sinnlos.
Das macht mir übrigens die Buddhisten sympathisch, die sind viel "erfahrungsorientierter" (vom Grundsatz her, die Praxis schaut oft auch anders aus).

Steht dann nicht auch der Rest der Bibel auf dem Prüfstand und letzen Endes Gott selber?
Gegen Prüfen ist nichts einzuwenden, aber das Ziel sollte sein, etwas aufzubauen nicht zu zerstören. Also Erkenntnisse zu sammeln, die einem wirklich nützen. Leider passiert es dabei öfters mal, dass ein paar Porzellanvasen zerdeppert werden.
Muss man mit leben. Gehört zum geistlichen Wachstum.
Gott selbst kann man übrigens nicht auf den Prüfstand stellen, nur immer die eigene Vorstellung von Gott.
Im Christentum ist das Instrumentarium hierfür allerdings ein wenig unterentwickelt durch die m.E. nach etwas einfältige Haltung, dass etwas, das in der Bibel steht nicht mehr die eigene Vorstellung ist (dabei jedoch die eigene Vorstellung eines anderen).

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#119 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von sven23 » Sa 17. Aug 2013, 10:52

Naqual hat geschrieben: Kaum, weil er nie den Anspruch erhoben hat ein Prophet zu sein.
Übrigens war Jesus Sohn Gottes, so wie wir Kinder Gottes sind. :mrgreen:
Es heißt Sohn Gottes, nicht "Gott, der Sohn".
Der Sohn ist eigentlich die Realisierung der Gottesbeziehung für uns. Von daher ist er erheblich mehr als ein Prophet, und nicht "nur ein Prophet". D.h. unabhängig vom historischen Wahrheitsgehalt kann man prüfen, ob dahinter eine religiöse Lehre steht, die hilfreich für einen selbst ist. Für mich ja.



Es hätte schon gewaltige Auswirkungen auf das Glaubenskonstrukt. Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes war, dann hat man alles um ihn herum (unbefleckte Empfängnis usw) nur erfunden.
Was ist mit dem AT, auch das könnte alle nur menschliche Erfindung sein incl. Gott.


Naqual hat geschrieben: Paulus war genausowenig unfehlbar wie der Papst. Und m.E. hat er einen enormen Schuldkomplex gehabt, der in seine religiösen Darstellungen mit reinfließt.
Das kann man glaube ich unwidersprochen so stehen lassen


Für mich persönlich ist Glaubwürdigkeit ein wichtiger Punkt. Wenn eine Sache insgesamt so unglaubwürdig ist, ist sie für mich wertlos.
Denn daß man auch ohne dieses Konstrukt ein "guter" Mensch sein kann, dafür gibt es ja auch genügend Belege.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#120 Re: So nah und doch so fern?

Beitrag von Naqual » Sa 17. Aug 2013, 11:20

sven23 hat geschrieben:Es hätte schon gewaltige Auswirkungen auf das Glaubenskonstrukt. Wenn Jesus nicht der Sohn Gottes war, dann hat man alles um ihn herum (unbefleckte Empfängnis usw) nur erfunden.
Nicht alles, aber einiges. Die unbefleckte Empfängnis ist eigentlich schon ein Unding in sich, weil es ja die gottgewollte Vermehrungsart ist "befleckt" zu empfangen. Dieses diskrimierende Herabwürdigen einer völlig normalen Sache finde ich schon irritierend. Jesus wurde aus dem Willen Gottes heraus geboren und er war ein geistiges Kind des Vaters. Später wurden Mythologien darüber gedichtet, erinnert von der Bauart her an Homer (nicht Homer Simpson) und die Welt der Halbgötter.

Was ist mit dem AT, auch das könnte alle nur menschliche Erfindung sein incl. Gott.
Nicht alles. ;)
Gemischt. Also ich finde auch viel Tiefsinn in der Bibel.

Für mich persönlich ist Glaubwürdigkeit ein wichtiger Punkt. Wenn eine Sache insgesamt so unglaubwürdig ist, ist sie für mich wertlos.
Für mich schon auch. Ich kenne allerdings niemanden, der für mich absolut glaubwürdig ist, mich selbst eingeschlossen. Also auch mir selbst traue ich nicht immer.
Trotzdem kenne ich Leute, die für mich authentisch rüberkommen und die ich durchaus als Vorbild bzw. Orientierung sehen kann. Obwohl sie nicht vollkommen sind. Mir genügt das und muss es auch.
Die Autoren der Bibel sehe ich auch so. Fehlbare Vorbilder. Das AT ist hier sogar sehr aufrichtig in Bezug auf die führenden Gestalten. Das NT ist da schon erheblich geglättet in Bezug auf die Akteure.

Denn daß man auch ohne dieses Konstrukt ein "guter" Mensch sein kann, dafür gibt es ja auch genügend Belege
Ein "Konstrukt" braucht man allerdings. Und hilfreiche Konstrukte finde ich auch anderswo.
Für mich aber folgerichtig. Gott muss sich in jeden Menschen "eingegeben" haben (er hauchte Adam an und dieser wurde lebende Seele. Der Hauch aber ist ja der Geist Gottes. Und Adam steht für alle Menschen).
Es muss also möglich sein, den Willen Gottes auch ohne Kenntnis der Bibel zu erfahren.
Die Kirchenpolitiker der christlichen Dogmengeschichte monopolisierten allerdings alles.
(Hieran kann man auch etliche Verfälschungen gut erkennen, einfach in dem man danach fragt, ob das Dogma der Kirche nutzt oder dem Gläubigen)
Ökonomisch gesehen ist das Christentum doch ein perfektes System:
Jeder ist Sünder und hat Bedarf an der christlichen Gottesvorstellung (der Allumfassende Nachfragemarkt).
Lösung ist ein BESTIMMTER dogmatischer Glaube dem man anhaften kann und den nur die Kirche vermittelt.
Und die "Angebotsseite" kann dabei noch sehr kostensparend bis kostenfrei agieren.
Kostenloses Wasser wird nur durch einen Priester der Kirche zu Weihwasser. Das kann aber weder ein MItglied einer konkurriernden Religion, noch der einfache Gläubige so hinverwandeln.

Okay, jetzt bin ich ein wenig abgekommen vom eigentlich Thema. ;)

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