Artbildung - eine weite Grauzone

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
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ThomasM
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#91 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von ThomasM » Di 3. Jan 2017, 20:15

lovetrail hat geschrieben: Das Argument, dass diese Zwischenformen fossil sind, ist nicht wirklich überzeugend. Denn erstens könnte man wieder fragen, warum gerade diese ausgestorben sind und zweitens sollte sich eine Theorie der Biologie am lebenden Bestand ablesen lassen.
Die letzte Bemerkung widerspricht aber dem Begriff "Zwischenform".
Der Begriff suggeriert, dass das eine Form ist, die sich von einer vergangenen abgezweigt hat und in eine zukünftige übergeht. Man KANN also eine Zwischenform nicht am lebenden Bestand ablesen, weil die Zukunft noch nicht da ist.

Aber selbstverständlich kann man rückblickend in die Vergangenheit eine Zwischenform ablesen. Man kann halt feststellen, dass diese Art der Vorläufer der Art ist und diese wiederum der Vorläufer der dritten. Damit ist die zweite Art eine Zwischenform. Über lange Zeiträume also am besten am fossilen Bestand ablesbar.
Allerdings kann es sein, dass eine Zwischenform nicht ausstirbt, sondern noch eine andere ökologische Nische findet, als der Nachfolger.
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#92 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von lovetrail » Di 3. Jan 2017, 21:15

Anton B. hat geschrieben: Klaro. Aber es gibt halt zwei Arten von Menschen: Die einen nehmen ihr Sammelglas und den Köcher und ziehen in die weite Welt hinaus. Die anderen kriegen ihren Allerwertesten noch nicht einmal zur nächsten Bibliothek geschleppt, um sich dort ein vernünftiges Biologie-Lehrbuch zu besorgen und sich über die Vielfalt des Lebens zu informieren.
Wieso soll ich in die Bibliothek latschen, wenn hier in diesem Forum die Experten sitzen? ;-)
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#93 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von lovetrail » Di 3. Jan 2017, 21:19

ThomasM hat geschrieben:
Allerdings kann es sein, dass eine Zwischenform nicht ausstirbt, sondern noch eine andere ökologische Nische findet, als der Nachfolger.
Ja eben, diese Zwischenformen sollten auch nebeneinander (an verschiedenen Orten) existieren können.

Wie man es dreht und wendet, die speziellen Typenbildungen, welche in sich funktionell und äthestisch stimmig sind, kann man nicht allein durch blinde-mechanische Prozesse erklären.

Und wir Christen wissen, dass es eine unsichtbare Welt gibt. Wir müssen doch gar nicht diesen naturalistischen Reduktionismus mitmachen. Ich schulde der Wissenschaft in der Hinsicht nichts. Christus hat uns befreit von solchen weltlichen Überlegungen.

LG
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#94 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von ThomasM » Di 3. Jan 2017, 21:28

lovetrail hat geschrieben: Wie man es dreht und wendet, die speziellen Typenbildungen, welche in sich funktionell und äthestisch stimmig sind, kann man nicht allein durch blinde-mechanische Prozesse erklären.

Und wir Christen wissen, dass es eine unsichtbare Welt gibt. Wir müssen doch gar nicht diesen naturalistischen Reduktionismus mitmachen. Ich schulde der Wissenschaft in der Hinsicht nichts. Christus hat uns befreit von solchen weltlichen Überlegungen.
Wenn wir die Typenbildung nicht erklären können, heißt das nur, dass wir noch nicht genug über die von Gott gegebenen bind-mechanischen Prozesse gelernt haben.

Ich wundere mich aber immer wieder, wieso so viele Christen nichts besseres zu tun haben, als wie blöd gegen die naturalistischen Beschreibungen zu wettern. Es scheint fast, als würden sie ihren Glauben verlieren, wenn wir beginnen zu verstehen, wie Gott die Welt geformt hat.
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#95 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von lovetrail » Di 3. Jan 2017, 21:34

ThomasM hat geschrieben: Wenn wir die Typenbildung nicht erklären können, heißt das nur, dass wir noch nicht genug über die von Gott gegebenen bind-mechanischen Prozesse gelernt haben.
Thomas, in dieser Dimenison ist da nichts zu finden.Da kann man suchen, bis man schwarz wird. Man muss die geistige Dimension des Daseins berücksichtigen. Wieso ist das für jemanden der den Geist Gottes hat so schwer zu verstehen?


Ich wundere mich aber immer wieder, wieso so viele Christen nichts besseres zu tun haben, als wie blöd gegen die naturalistischen Beschreibungen zu wettern. Es scheint fast, als würden sie ihren Glauben verlieren, wenn wir beginnen zu verstehen, wie Gott die Welt geformt hat.
Mich stärkt sowas im Glauben. Ich würde es gerne weitergeben. Manche wollen halt den alten Wein lieber.

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#96 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von lovetrail » Di 3. Jan 2017, 21:38

Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das Sichtbare nicht aus Erscheinendem (griech: phainomenon) geworden ist. (Heb.11,3; Elb.)

Das Sichtbare ist nicht aus wiederum Sichtbaren geworden, sondern aus Nicht-Erscheinendem. Und dieses phänomenal Nicht-Erscheinende hat mit dem Wort Gottes zu tun, also mit Bewusstsein, Geist, Bedeutung, Form, Ziel, Information.

Die Bibel ist da sehr präzise. Im Glauben verstehen wir es.

LG
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#97 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von Tyrion » Di 3. Jan 2017, 22:13

Anton B. hat geschrieben:Es gibt die "taxonomische Art", die für das Typusexemplar "objektiv definiert" ist. Nämlich durch dasselbe.

Die Art ist nur eine taxonomische Rangstufe. Das Typusexemplar stellt nur die Blaupaiuse dafür dar, was unter einem Namen gemeint ist. Soll heißen, dass alles das, was mit dem als Blaupause hinterlgtem Exemplar des Taxons (muss eben keine Art sein) mit dem mit dem Typusexemplar assoziierten Namen gemeint ist. Das heißt aber nicht, dass dieses Taxon auch anerkannt sein muss.

Beispiel:
Forscher X beschreibt die Art A als neu und hinterlegt einen Typusbeleg in einer öffentlichen Sammlung. Forscher Y hat aber schon früher eine Art B beschrieben, die er auch typisiert hat. Forscher Z hat nun beide Typusbelege studiert und ist der Meinung, dass diese beiden Taxa nicht unterscheidbar sind. In Bezug auf die Rangstufe Art würde das heißen, dass als Artname B gebraucht werden muss (weil älter) und A ein Synonym von B ist. Das ist aber nur eine These von Herrn Z. Vielleicht ist Herr V anderer Meinung und glaubt, die beiden Taxa trennen zu können. Er erkennt als A und B als getrennte Taxa an. Nur für den Fall, dass sich zwei Namen auf den selben Typusbeleg beziehen, ist der eine per se Synonym des anderen.

Kurz gesagt: Die Taxonomie benennt nur. Natürlich trifft der Benenner eine Entscheidung, denn würde er nicht meinen, dass sein Taxon noch unbeschrieben sei, würde er es nicht neu in die Wissenschaft einführen. Es wird dadurch aber keine "taconomische Art" definiert. Es wird nur der Name mit einer Blaupause versehen. Ohne diese wäre die Beschreibung nicht gültig und dürfte nicht engewendet werden (was aber wieder ein anderes Thema wäre).

Ob es dagegen vernünftig ist, jedes verfügbare Taxon der Artebene als gültig zu betrachten, ist hinwiederum eine ganz andere Frage.

Das macht ja niemand. Es passiert oft genug, dass unabhängig voneinander zwei Wissenschaftler die gleiche Art neu beschreiben wollen, einer aber einen Tick schneller war (ist mir auch schon passiert). Insofern besteht nirgends der Anspruch, dass alle Namen auch unabhängige Taxa benennen. Sehr viele Namen sind Synonym, sehr viele aber auch nicht mehr sicher deutbar, weil die Typen zerstört wurden, verloren gingen oder nicht hinterlegt wurden (in der Anfangszeit der Taxonomie musste man das noch nicht). Dann wird diskutiert, was der Originalautor gemeint haben könnte. Viel Interpretationsspielraum... Dann schmeißt man vermeintlich gut getrennte Arten zusammen, weil man eben erst heute genetisch erkennt, dass sie eben nicht getrennt sind. Dafür werden andere vermeintlich einheitliche Taxa aufgespalten, weil man durch neue Methoden entweder neue Merkmale findet oder eben wieder die DNA als neuen Merkmalskomplex mit einbezieht. Es ist also immer eine reine Interpretation, ab wann zwei Populationen unterschiedliche Namen verdienen (egal, ob auf Artebene, Varietätsebene (="Rasse") oder anderweitig). Und falls sie unterschiedliche Namen "verdienen", auf welcher Rangstufe trennt man? Sind es zwei Arten, sind es zwei Unterarten, sind es zwei Varietäten oder was? Niemand kann es sauber definieren. Man verwendet daher ein plausibles, sinnvolles System - das sich an der Phylogenie orientiert (was wiederum eher für höhere Rangstufen wie Gattung, Familie usw. relevant ist - bei Eisbär vs. Braunbär aber auch in nArtabgrenzung hineinspielt).

Nach unserem jetzigen Kenntnistand werden wir für sich geschlechtlich fortpflanzende Lebewesen den Mayr'schen "biologischen Artbegriff" als hinreichendes Kriterium anlegen.

Auch das wage ich zu bezweifeln, weil er eben beispielsweise z. B. auf viele Pflanzen schlecht anwendbar ist. Es fehlt hier der Bezug auf ökologisch stabil eingenischte Populationen, die aber noch kruezbar sind und folglich auch Hybridpopulationen ermöglichen, die dann aber wieder - z. B. ökologisch - von den Ausgangspopulationen abgrenzbar wären. Betrifft eben praktisch die ganzen Gattungen Salix (Weiden) und Birken (Betula), nur als Beispiel.

Man sollte das generelle Artkonzept nicht allein am Tierreich festzurren - vor allem nicht an Teilbereichen desselben (z. B. Wirbeltieren, wobei es da eben auch nichtimmer so einfach ist)

Nur sind Beobachtungen hinsichtlich dieses "hinreichenden Kriteriums" -- so wie es bei empirischen Untersuchungen nur allzu häufig der Fall ist -- mehr oder weniger "unvollständig". Häufig genug (Fossilien!) ganz ausgesprochen unvollständig.

Stimmt, aber das ist unabhängig vom Grundproblem "Was ist eine Art?"

Unsere Methodik, nämlich die "vorwissenschaftliche" Schaffung von "objektiven" Referenzen (durch das Typusverfahren definierte Arttaxa) als Spiel- und Auswahlmaterial für wissenschaftliche Begründungszusammenhänge ist gar nicht ein so doofes Verfahren.

Sie ist absolut nötig. Wenn nicht einmal die Benennung an sich klar definierbar wäre, wie soll man dann über die Einordnung des Namens ins System diskutieren können?

Pluto hat geschrieben:Problemantisch wird die Definition hingegen bei nicht-geschlechtlicher Fortpflanzung, u.a. bei Einzellern oder bei der Parthenogenese.
... und -- man sollte es gut in Erinnerung behalten -- sind hinsichtlich der Individuenanzahl und der Biomasse nunmal die Keyplayer des Lebens.

Wie gesagt - sie sind die Sieger der Evolution, nicht die Menschheit. :engel:

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#98 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von Tyrion » Di 3. Jan 2017, 22:31

ThomasM hat geschrieben:Hast du eine modernere, kompakte Charakterisierung, was man heute unter einer Art versteht?

Ja, siehe meine vorherigen Beiträge hier. So ganz kompakt ist die Charakterisierung aber nicht, sie muss schwammig bleiben, da es schwer fällt, alle Lebensformen in ein für alle gleiches Schubladensystem einzusortieren.

Vielleicht kannst du mit deiner Fachkenntnis auch sagen, wie man die verschiedenen Elemente misst.

Kreuzungstests sollten klar sein, wie sie funktionieren ;) . Allerdings sind diese nicht immer machbar (bei asexuellen Lebensformen kreuzt sich ja auch nichts). Manchmal bewertet man schon ausbleibende Abwehrreaktionen... zudem müssten die Arten auch züchtbar sein, um dann Kreuzungstests zu machen.

Ansonsten kann man nur nach Unterschieden suchen, prüfen, ob diese konstant sind (würde Hybride mehr oder weniger ausschließen, wobei dominant-rezessive Erbgänge eben auch keine Übergangsmöglichkeiten lassen, aber viele Merkmale sind nicht nur an einen Genort geknüpft). Dann Vergleich mit nah verwandten Arten, ob dort die Merkmale, die man zur Trennung verwenden will, wertvoll, also stabil sind. Natürlich bezieht man Sequenzen ausgesuchter Genorte mit ein. Wären die alle identisch (wenn man beispielsweise 5 Loci verwenden würde), würde kein Journal die Publikation der neuen Art annehmen. Prüft man nur schnell die ITS (wird zum Barcoding standardmäßig verwendet...), kann die auch bei unterschiedlichen Arten identisch sein. Man kann auch Stoffwechselwege mit einbeziehen, Inhaltsstoffe, ökologische Einnischung use.
Also: man sollte anhand so vieler Unterscheidungsmöglichkeiten wie nur möglich prüfen, ob sich Populationen frei mischen können oder ob eine genetische Trennung wahrscheinlich ist (und zu welchem Grad die Populationen genetisch isoliert sind). Und eben für den Fall von Kreuzbarkeit müsste man schauen, inwiefern sich Hybride in der Natur etablieren und inwiefern sich diese dann wieder separieren.

Allgemein möchte ich hier noch einen wichtigen Punkt zur Diskussion einbringen, den es zu beachten gilt:

- Die Definition dessen, was man z.B. unter einer Art versteht, ist etwas Statisches
Statisch heißt, dass es für eine Einordnung - Schubladen - verwendet wird. Solche Einordnungen dienen der Klassifizierung und Ordnung.
Sie sind eine Momentaufnahme, wie ein Foto

Das heißt aber, dass zwei Taxa, die heute noch zu einer gemeinsamen Art gehören, sichaber eben gerade auseinanderentwickeln, in Zukunft zwei Arten sind. Der Artbildungsprozess ist ein zeitlicher, das heißt, der Abstand zweier Arten voneinander ist veränderlich. Man hat lange ein Kontinuum, dann eine Tendenz und erst später wird ein Hiatus deutlich. Ab welchem Stadium der Separierung zweier Populationen muss man nun die Schublade wechseln?

Zudem hat man die Schubladen auch immer wieder neu definiert. Der Artbegriff wurde immer wieder abgewandelt, ist also auch nicht statisch. Kann er auch nicht sein, da man die Schubladen der Realität anpasst. Sie sollen ja ein hilfreiches Werkzeug sein, nichts anderes. Je mehr man über die Natur lernt, umso besser weiß man, wie man ein Ordnungssystem für die Natur optimiert und versucht das dann. Auch die Schubladen werdne angepasst.

Die Frage, wie sich Arten ändern, ist dagegen eine andere Frage, weil eine dynamische, wie ein Film.
Dabei ist es wichtig, sich zuerst auf das erste zu einigen, sonst kann das zweite nicht widerspruchsfrei diskutiert werden.

Stimmt natürlich. Es ist aber schön zu sehen (finde ich), dass niemand wirklich Recht haben kann, da die Artdefinition eben eine sehr offene, schwammige ist. Man muss immer die Plausibilität mit betrachten. Und man kann eben nichts beweisen.

Wenn ich hier immer wieder lesen "man hat bewiesen, dass..." oder "es wurde nicht bewiesen, dass...", dann sehe ich, dass hier ein grundlegender Denkfehler vorliegt. Gäbe es Beweise, bräuchte man keine Theorien. Man kann nichts beweisen, es sei denn, man definiert Axiome (wie in der Mathematik, die eben deshalb keine Naturwissenschaft ist). Man kann also auch nicht beweisen, ob zwei Populationen zu einer Art gehören oder zwei getrennte Artenm sind. Man kann es nur sehr plausibel machen, was der Fall ist. Könnte man nie Nachkommen erzeugen, so wäre die Behauptung, dass sie eine gemeinsame Art sind, natürlich falsifiziert. Es wäre aber möglich, dass eine Kreuzung über eine Kette anderer Populationen möglich ist. Wie soll man das zu 100% ausschließen? Und das betrifft jetzt nur das alte, biologische Artkonzept.

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#99 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von Anton B. » Di 3. Jan 2017, 23:55

Tyrion hat geschrieben:Die Art ist nur eine taxonomische Rangstufe. Das Typusexemplar stellt nur die Blaupaiuse dafür dar, was unter einem Namen gemeint ist. Soll heißen, dass alles das, was mit dem als Blaupause hinterlgtem Exemplar des Taxons (muss eben keine Art sein) mit dem mit dem Typusexemplar assoziierten Namen gemeint ist. Das heißt aber nicht, dass dieses Taxon auch anerkannt sein muss.
Was Du als "anerkannt" bezeichnest, bezeichnen wir in der Zoologie als "gültiges Taxon". Alle regelgerecht nach dem jeweiligen Code aufgestellten Taxa nennen wir "verfügbare" Taxa. Das ist auch die Terminologie, die ich verwendet habe.

Tyrion hat geschrieben:Beispiel:
Forscher X beschreibt die Art A als neu und hinterlegt einen Typusbeleg in einer öffentlichen Sammlung. Forscher Y hat aber schon früher eine Art B beschrieben, die er auch typisiert hat. Forscher Z hat nun beide Typusbelege studiert und ist der Meinung, dass diese beiden Taxa nicht unterscheidbar sind. In Bezug auf die Rangstufe Art würde das heißen, dass als Artname B gebraucht werden muss (weil älter) und A ein Synonym von B ist. Das ist aber nur eine These von Herrn Z. Vielleicht ist Herr V anderer Meinung und glaubt, die beiden Taxa trennen zu können. Er erkennt als A und B als getrennte Taxa an. Nur für den Fall, dass sich zwei Namen auf den selben Typusbeleg beziehen, ist der eine per se Synonym des anderen.
Das eine nennen wir eine "subjektive", das andere eine "objektive" Synonymie.

Tyrion hat geschrieben:Kurz gesagt: Die Taxonomie benennt nur. Natürlich trifft der Benenner eine Entscheidung, denn würde er nicht meinen, dass sein Taxon noch unbeschrieben sei, würde er es nicht neu in die Wissenschaft einführen. Es wird dadurch aber keine "taconomische Art" definiert. Es wird nur der Name mit einer Blaupause versehen.
Wenn er es "regelgerecht" aufgestellt hat, hat er ein neues Taxon mit dem Rang "Art" eingeführt. Es ist gemäß der Terminologie der Zoologischen Nomenklatur nicht nur verfügbar, sondern der Autor besteht zudem auf dem Anspruch der Gültigkeit, d.h., der Autor sieht es als Taxon, welches nach seiner Darstellung -- um Dein Wort zu verwenden -- "anerkannt" werden und im taxonomischen System seinen expliziten Platz haben muss.

Tyrion hat geschrieben:Man sollte das generelle Artkonzept nicht allein am Tierreich festzurren - vor allem nicht an Teilbereichen desselben (z. B. Wirbeltieren, wobei es da eben auch nichtimmer so einfach ist)
Ja, richtig. Es zeigt sich das, was zu zeigen war: Es gibt unterschiedliche Artbegriffe. Wir bemühen uns aber selbst bei vorwissenschaftlichen Artbegriffen wie dem der taxonomischen Art, den Inhalt mit dem Wissen aus unseren wissenschaftlichen Theorien kurzzuschließen. Eine vorwissenschaftliche Beschreibung und Bennenung von "Knöpfen" wird so zu keiner auf willkürlichen Systematiken basierenden "Knopfologie", sondern es wird ein auf wissenschaftlichen Theorien begründetes System errichtet.

Tyrion hat geschrieben:
Nur sind Beobachtungen hinsichtlich dieses "hinreichenden Kriteriums" -- so wie es bei empirischen Untersuchungen nur allzu häufig der Fall ist -- mehr oder weniger "unvollständig". Häufig genug (Fossilien!) ganz ausgesprochen unvollständig.
Stimmt, aber das ist unabhängig vom Grundproblem "Was ist eine Art?"
Entschuldige, aber dies und gleichermaßen die angesprochene übergroße Vollständigkeit ist unter der Annahme der Enwicklung der Lebewesenwelt durch die Evolutionstheorie ein ganz massives Problem für die Definition eines "natürlichen" Artbegriffs.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#100 Re: Artbildung - eine weite Grauzone

Beitrag von Tyrion » Mi 4. Jan 2017, 00:41

Anton B. hat geschrieben:Was Du als "anerkannt" bezeichnest, bezeichnen wir in der Zoologie als "gültiges Taxon".

Ich selbst kenne mich nur im botanischen Nomenklaturcode gut aus. Gültig bezieht sich da auf "nach den Vorgaben des Codes gültig beschrieben" oder "legitimer Name". In der Botanik i.w.S. gibt es haufenweise illegitime Namen (aber das wird in der Zoologie auch nicht viel anders sein).

Alle regelgerecht nach dem jeweiligen Code aufgestellten Taxa nennen wir "verfügbare" Taxa. Das ist auch die Terminologie, die ich verwendet habe.

Ich kenne es ebenals verfügbare Namen bzw. legitime Namen. Das Taxon an sich - also, auf welcher Rangstufe man es einstuft, ob man es eng fasst oder eher im weiteren Sinn - ist Diskussionssache. Die Benenneung muss aber fallgemäß klar definiert sein. Fasst man ein Taxon weit auf, gilt der älteste, legitime Name (das ist ja eh bei beiden Codes der Fall).

Tyrion hat geschrieben:Das eine nennen wir eine "subjektive", das andere eine "objektive" Synonymie.

Wir nennen es hetero- und homotypische Synonyme. Ich habe die Begriffe nur nicht verwendet, da ich davon ausgehe, dass Laien mitlesen. Subjektiv vs. objektiv wird in der Botanik i.w.S. in Bezug auf Synonyme nicht verwendet, wobei es ja nur eine andere Begrifflichkeit für dasselbe ist (und auch aus dem Wortsinn hervorgeht, was gemeint ist). Ich vermute, dass in der Botanik i.w.S. mehr über (subjektive) Synonymie diskutiert wird, vor allem bei den ganzen Apomikten oder auch bei Pilzen (da hat man oft zu wenige Merkmale, um sichere Schlüsse zu ziehen).

Wenn er es "regelgerecht" aufgestellt hat, hat er ein neues Taxon mit dem Rang "Art" eingeführt. Es ist gemäß der Terminologie der Zoologischen Nomenklatur nicht nur verfügbar, sondern der Autor besteht zudem auf dem Anspruch der Gültigkeit, d.h., der Autor sieht es als Taxon, welches nach seiner Darstellung -- um Dein Wort zu verwenden -- "anerkannt" werden und im taxonomischen System seinen expliziten Platz haben muss.

Klar, denn sonst würde er das Taxon nicht beschreiben (gleich auf welcher Rangstufe). Der Autor wird das auch entsprechend in seinem Artikel diskutieren.

Tyrion hat geschrieben:Man sollte das generelle Artkonzept nicht allein am Tierreich festzurren - vor allem nicht an Teilbereichen desselben (z. B. Wirbeltieren, wobei es da eben auch nichtimmer so einfach ist)
Ja, richtig. Es zeigt sich das, was zu zeigen war: Es gibt unterschiedliche Artbegriffe.

Ja, des ist die Qunitessenz. ;) Und in der Botanik greift das klassische Artkonzept eben oft sehr schlecht.

Wir bemühen uns aber selbst bei vorwissenschaftlichen Artbegriffen wie dem der taxonomischen Art, den Inhalt mit dem Wissen aus unseren wissenschaftlichen Theorien kurzzuschließen. Eine vorwissenschaftliche Beschreibung und Bennenung von "Knöpfen" wird so zu keiner auf willkürlichen Systematiken basierenden "Knopfologie", sondern es wird ein auf wissenschaftlichen Theorien begründetes System errichtet.

Das ist doch klar. Und selbst der nicht sauber definierbare Artbegriff ist ja nicht willkürlich schlecht definierbar. Die unterschiedlichen Definitionsmöglichkeiten beruhen ja eben auf Theorien (und auf Pragmatik, die aber auch wieder begründbar ist). Biologie ist eben keine Mathematik. Spannend ist aber auch (und gerade), dass auf Artebene oftmals schwer mit Monophyla als Grundlage der Rangstufe zu argumentieren ist, da eben der Braunbär paraphyletisch gegenüber dem Eisbären ist. Jetzt ergibt es aber wenig Sinn, den Braunbär auf Artebene in diverse Arten aufzutrennen, damit nur noch Monophyla vorhanden wären, da sich diese "Arten" ja problemlos kreuzen könnten. Der Artbildungsprozess ist eben kein "sauberer", einmaliger Akt, sondenr ein fließender Übergang. Und teils isolierte Populationen, die sich wegentwickelt haben, können ja auch wieder zusammenfließen... Es ist ja oft ein Hin und Her, bis die Trennung "durch" ist.

Entschuldige, aber dies und gleichermaßen die angesprochene übergroße Vollständigkeit ist unter der Annahme der Enwicklung der Lebewesenwelt durch die Evolutionstheorie ein ganz massives Problem für die Definition eines "natürlichen" Artbegriffs.

Für mich ist das größte Problem das des Kontinuums - ab welcher Distanz kann man zwei Populationen "sauber" als zu zwei Arten zugehörig "definieren"? Die Kreuzbarkeit ist in der Botanik i.w.S. da ja kein hartes Kriterium.

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