ThomasM hat geschrieben:Hast du eine modernere, kompakte Charakterisierung, was man heute unter einer Art versteht?
Ja, siehe meine vorherigen Beiträge hier. So ganz kompakt ist die Charakterisierung aber nicht, sie muss schwammig bleiben, da es schwer fällt, alle Lebensformen in ein für alle gleiches Schubladensystem einzusortieren.
Vielleicht kannst du mit deiner Fachkenntnis auch sagen, wie man die verschiedenen Elemente misst.
Kreuzungstests sollten klar sein, wie sie funktionieren

. Allerdings sind diese nicht immer machbar (bei asexuellen Lebensformen kreuzt sich ja auch nichts). Manchmal bewertet man schon ausbleibende Abwehrreaktionen... zudem müssten die Arten auch züchtbar sein, um dann Kreuzungstests zu machen.
Ansonsten kann man nur nach Unterschieden suchen, prüfen, ob diese konstant sind (würde Hybride mehr oder weniger ausschließen, wobei dominant-rezessive Erbgänge eben auch keine Übergangsmöglichkeiten lassen, aber viele Merkmale sind nicht nur an einen Genort geknüpft). Dann Vergleich mit nah verwandten Arten, ob dort die Merkmale, die man zur Trennung verwenden will, wertvoll, also stabil sind. Natürlich bezieht man Sequenzen ausgesuchter Genorte mit ein. Wären die alle identisch (wenn man beispielsweise 5 Loci verwenden würde), würde kein Journal die Publikation der neuen Art annehmen. Prüft man nur schnell die ITS (wird zum Barcoding standardmäßig verwendet...), kann die auch bei unterschiedlichen Arten identisch sein. Man kann auch Stoffwechselwege mit einbeziehen, Inhaltsstoffe, ökologische Einnischung use.
Also: man sollte anhand so vieler Unterscheidungsmöglichkeiten wie nur möglich prüfen, ob sich Populationen frei mischen können oder ob eine genetische Trennung wahrscheinlich ist (und zu welchem Grad die Populationen genetisch isoliert sind). Und eben für den Fall von Kreuzbarkeit müsste man schauen, inwiefern sich Hybride in der Natur etablieren und inwiefern sich diese dann wieder separieren.
Allgemein möchte ich hier noch einen wichtigen Punkt zur Diskussion einbringen, den es zu beachten gilt:
- Die Definition dessen, was man z.B. unter einer Art versteht, ist etwas Statisches
Statisch heißt, dass es für eine Einordnung - Schubladen - verwendet wird. Solche Einordnungen dienen der Klassifizierung und Ordnung.
Sie sind eine Momentaufnahme, wie ein Foto
Das heißt aber, dass zwei Taxa, die heute noch zu einer gemeinsamen Art gehören, sichaber eben gerade auseinanderentwickeln, in Zukunft zwei Arten sind. Der Artbildungsprozess ist ein zeitlicher, das heißt, der Abstand zweier Arten voneinander ist veränderlich. Man hat lange ein Kontinuum, dann eine Tendenz und erst später wird ein Hiatus deutlich. Ab welchem Stadium der Separierung zweier Populationen muss man nun die Schublade wechseln?
Zudem hat man die Schubladen auch immer wieder neu definiert. Der Artbegriff wurde immer wieder abgewandelt, ist also auch nicht statisch. Kann er auch nicht sein, da man die Schubladen der Realität anpasst. Sie sollen ja ein hilfreiches Werkzeug sein, nichts anderes. Je mehr man über die Natur lernt, umso besser weiß man, wie man ein Ordnungssystem für die Natur optimiert und versucht das dann. Auch die Schubladen werdne angepasst.
Die Frage, wie sich Arten ändern, ist dagegen eine andere Frage, weil eine dynamische, wie ein Film.
Dabei ist es wichtig, sich zuerst auf das erste zu einigen, sonst kann das zweite nicht widerspruchsfrei diskutiert werden.
Stimmt natürlich. Es ist aber schön zu sehen (finde ich), dass niemand wirklich Recht haben kann, da die Artdefinition eben eine sehr offene, schwammige ist. Man muss immer die Plausibilität mit betrachten. Und man kann eben nichts beweisen.
Wenn ich hier immer wieder lesen "man hat bewiesen, dass..." oder "es wurde nicht bewiesen, dass...", dann sehe ich, dass hier ein grundlegender Denkfehler vorliegt. Gäbe es Beweise, bräuchte man keine Theorien. Man kann nichts beweisen, es sei denn, man definiert Axiome (wie in der Mathematik, die eben deshalb keine Naturwissenschaft ist). Man kann also auch nicht beweisen, ob zwei Populationen zu einer Art gehören oder zwei getrennte Artenm sind. Man kann es nur sehr plausibel machen, was der Fall ist. Könnte man nie Nachkommen erzeugen, so wäre die Behauptung, dass sie eine gemeinsame Art sind, natürlich falsifiziert. Es wäre aber möglich, dass eine Kreuzung über eine Kette anderer Populationen möglich ist. Wie soll man das zu 100% ausschließen? Und das betrifft jetzt nur das alte, biologische Artkonzept.