Meine humorige Art, bedeutet nicht, dass ich es nicht ernst nehme.lovetrail hat geschrieben:Ne, das ist mir in der Tat noch nicht aufgefallen. Werde mir das aber ansehen.
Dieses andauernde Missverständnis von Lehre und Essen ist der Runninggag im Markusevangelium. Mal sehen, was der wandernde Ernährungsberater sonst noch so auf der Pfanne hat.
Mk 6,47-52 hat geschrieben:Spät am Abend war das Boot mitten auf dem See, er aber war allein an Land. Und er sah, wie sie sich beim Rudern abmühten, denn sie hatten Gegenwind. In der vierten Nachtwache ging er auf dem See zu ihnen hin, wollte aber an ihnen vorübergehen. Als sie ihn über den See gehen sahen, meinten sie, es sei ein Gespenst, und schrien auf. Alle sahen ihn und erschraken. Doch er begann mit ihnen zu reden und sagte: Habt Vertrauen, ich bin es; fürchtet euch nicht! Dann stieg er zu ihnen ins Boot und der Wind legte sich. Sie aber waren bestürzt und außer sich. Denn sie waren nicht zur Einsicht gekommen, als das mit den Broten geschah; ihr Herz war verstockt.
Mk 8,14-21 hat geschrieben:Die Jünger hatten vergessen, bei der Abfahrt Brote mitzunehmen; nur ein einziges hatten sie dabei. Und er warnte sie: Gebt Acht, hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer und dem Sauerteig des Herodes! Sie aber machten sich Gedanken, weil sie kein Brot bei sich hatten. Als er das merkte, sagte er zu ihnen: Was macht ihr euch darüber Gedanken, dass ihr kein Brot habt? Begreift und versteht ihr immer noch nicht? Ist denn euer Herz verstockt? Habt ihr denn keine Augen, um zu sehen, und keine Ohren, um zu hören? Erinnert ihr euch nicht: Als ich die fünf Brote für die Fünftausend brach, wie viele Körbe voll Brotstücke habt ihr da aufgesammelt? Sie antworteten ihm: Zwölf. Und als ich die sieben Brote für die Viertausend brach, wie viele Körbe voll habt ihr da aufgesammelt? Sie antworteten: Sieben. Da sagte er zu ihnen: Versteht ihr immer noch nicht?
Welch herrliche Ironie! Das wahre Wunder ist, dass Markus den Jesus förmlich aus dem Buch, das der Leser gerade in Händen hält, heraustreten lässt, um die Leser zu fragen:
„Versteht ihr immer noch nicht?“
„Wer jetzt? Ich?“
„Ja, ich frage Dich. Du bist es doch, der diese Zeilen gerade liest, nicht wahr?“
„Ähhh ... doch ... schon ... na so was!“
„Und? Was will dir Markus damit sagen?“
„Dass es gar nicht ums Brot geht? Das bei den Brotvermehrungen gar kein Brot unter die Leute verteilt wurde? Ahh, die Jünger sollten deine Lehre unters Volk bringen. Und dass sie darin besser wurden erkennt man daran, dass beim zweiten Mal pro Kopf weniger übrig blieb, also vom Volk weniger nicht verdaut ähh verstanden worden ist. Weil deine Jünger dich schon besser verstanden hatten, verstand auch das Volk deine Lehre besser?
Wenn du also fragst: ‚Versteht ihr noch immer nicht‘, sollte man sich Gedanken darüber machen, was man noch nicht verstanden haben könnte, und sich nicht zu sehr an das klammern, was man meint verstanden zu haben.“
„Na also. Geht doch. Zum Verstehen gehört, das eigene Verständnis immer wieder auf den Prüfstand zu stellen.“
„Einen Moment noch! Was ist die Lehre, die du und die Jünger da austeilten? Darüber schreibt Markus ja gar nichts.“
„Wir haben da gar nichts ausgeteilt. Der Text des Markus ist der Text des Markus. Die Wirklichkeit ist die Wirklichkeit. Es ist also Markus der hier eine Lehre austeilt, die er von uns gelernt hat. Markus lehrt euch also, dass es zum Lehren der Lehre gehört, dass der Lehrer verstanden haben muss, was sein Lehrer ihn lehrte. Dessen muss sich der Lehrer des Lehrers vergewissern. Es geht aber in erster Linie darum, zu verstehen, wie das Verstehen funktioniert – das ist die Basis allen Lehrens und das Erste was gelehrt werden sollte, wenn man die Lehre lehrt. Auswahl der Zwölf – Ausbildung der Zwölf – Aussenden der Zwölf, das war aber nur der Anfang. Verstanden hatten sie da noch lange nicht, was das Ziel der Lehre ist. Das kam erst viel später durch das, was sie Erfahren haben.
Wenn du das Verstehen besser verstehen willst, mach einfach, was der Engel dir im letzten Kapitel sagt. Man sieht sich.“
Zuerst verstand ich natürlich nicht, was der Engel mir (?) zu sagen hat. Soll ich jetzt nach Galiläa fahren, oder was? Irgendwas hatte ich wohl falsch verstanden. Hatte ich etwas überlesen? Ich fing also noch mal von vorne an zu lesen. Bald kam ich an diese Stelle:Mk 16,5-7 hat geschrieben:Sie gingen in das Grab hinein und sahen auf der rechten Seite einen jungen Mann sitzen, der mit einem weißen Gewand bekleidet war; da erschraken sie sehr. Er aber sagte zu ihnen: Erschreckt nicht! Ihr sucht Jesus von Nazaret, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden; er ist nicht hier. Seht, da ist die Stelle, wo man ihn hingelegt hatte. Nun aber geht und sagt seinen Jüngern, vor allem Petrus: Er geht euch voraus nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen, wie er es euch gesagt hat.
Mk 1,14-15 hat geschrieben:Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!
„... ging Jesus wieder nach Galiläa ... Kehrt um ...“ War es das, was mir der Engel im leeren Grab sagen sollte? Langsam dämmerte mir, welches Galiläa er gemeint haben könnte ... obwohl ... wie ist das möglich?
„Dein Glaube hat dir geholfen. Wie ich mich freue, dich hier wieder zu sehen. Lass uns gemeinsam noch eine Runde durch das Markusevangelium gehen. Na los, du wirst sehen, dass diesmal vieles anders sein wird. Der Weg ist derselbe, aber weil du nicht mehr der Gleiche bist, wirst du Neuland betreten. Fürchte dich nicht. Glaub’ mir, ich kenn mich dort aus und ich bin immer für dich da.“
Das ist der Hermeneutische Zirkel nach Art des Markus. So tischt er seinen Lesern die Kunst des Verstehens auf: umkehren, umdenken, das Gute ins Herz, das Schlechte in die Grube, dann wieder umkehren und umdenken ... erst wenn sich wirklich nichts neues mehr beim Lesen ereignet und es anfängt langweilig zu werden, ist es Zeit, sich vorerst einem anderen Buch der Bibel zu widmen.
Es ist so bereichernd, den vielfältigen Zusammenhänge innerhalb eines Buches auf die Spur zu kommen. Dazu muss man sich gewissermaßen in dieses Buch einleben. Das ereignet sich aber nur im Hermeneutischen Zirkel wiederholten Lesens.