Alles Teufelszeug? V

closs
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#201 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » So 25. Dez 2016, 14:27

sven23 hat geschrieben:Eben, und deshalb hat sie in der historischen Jesusforschung nichts zu suchen
Das ist richtig - die jeweiligen Setzungen passen nicht zueinander. - Man kann sich nur gegenseitig über den Gartenzaun gucken: "Was kommt bei Euch raus".

sven23 hat geschrieben:weil man ja da wissen will, was der Fall war, und nicht, was sich Schreiber ausgedacht haben.
Das ist falsch. - Beide wollen wissen, was der Fall ist, bedienen sich aber dabei unterschiedlicher Wahrnehmungsmodelle.

sven23 hat geschrieben:Eben nicht. Ratzinger pocht auf "tatsächlich historisch Geschehenem". Von einem Mythos will er nichts wissen.
Das sind zwei unterschiedliche Dinge:
1) Ratzinger kann natürlich zwischen Historie und Mythos unterscheiden.
2) Ratzinger hält Auferstehung, etc. nicht für einen Mythos, sondern für Historie.
Da steht Glaube gegen Glaube.

sven23 hat geschrieben:Man kann Scheik durchaus zustimmen: die Kanonisierung war der "Sündenfall" der Kirche.
Das ist wirklich verquer, aber außenstehend wahrscheinlich irgendwie logisch.

Richtig ist, dass der Kanon auch anders aussehen könnte. - Richtig ist auch, dass es christliche Strömungen gibt/gab, die dem Kanon mehr Aufmerksamkeit widmen, als den geistigen Inhalten, um die es überhaupt geht. - Vor allem ist richtig, dass geistige Zusammenhänge nicht von einem Kanon abhängen, aber möglicherweise in einem ausgesuchten Kanon besondern stimmig dargestellt werden.

sven23 hat geschrieben:Na klar, Theißen ist ein geistig-spirituelle Ignorant, wie übrigens die gesamte NT-Forschung.
Als HKM-ler (in Deiner Beschreibung) MUSS er sein, um nicht gegen die eigene Methodik zu verstoßen. Privat kann das ganz anders sein.

Das ist doch das Problem: Als HKM-ler hat man folgende Möglichkeiten:
a) Man ist geistig-spirituell und versteht die HKM dementsprechend als Hilfs-Disziplin für die theologische Auslegung.
b) Man ist geistig-spirituell und versucht die HKM zum Geistigen hin zu öffnen.
c) Man ist geistig-spirituell ignorant, und hat keine Probleme :lol:

sven23 hat geschrieben:Ändern tut sich an der Befundlage dadurch nichts.
Es ändert sich jedenfalls nichts an dem, was damals der Fall war. :)

sven23 hat geschrieben:Und das liegt auch an der Kanonisierung, weil sie den Schriften göttlichen, "ewigen und unveränderlichen Charakter" gab
Damit ist doch der Inhalt gemeint. - Man könnte auch sagen: Die geistigen Inhalte haben ewigen und unveränderlichen Charakter, egal ob ihr den Kanon verändert oder nicht - also lasst es". - Diesbezüglich gab es übrigens einen Streit zwischen Luther und Melanchthon.

sven23 hat geschrieben:Die Veränderungen nach der Kanonisierung gingen munter weiter.
Das gilt auch für Päpste.

sven23 hat geschrieben: Bultmann hat es genau so gemeint, wie er es immer wieder geschrieben hat
Wenn es ist, hat er sich getäuscht. - Man darf nie vergessen: Bultmann ist Fackelträger der HKM, was zu seiner Zeit durchaus löblich war - denn die Kirche hat wirklich einige Schoten fabriziert.

Daraus hat sich der Glaube (!!!) entwickelt, man könne Exegese sozusagen wissenschaftlich objektivieren - ein faszinierender Gedanke, weil damit säkulare und theologische Aufklärung verbunden werden könnten. - Geradezu klassisch im Sinne Goethes, der das, was man will, mit dem, was man soll, als NAturgemäßes in Deckung bringen wollte.

Aber solche Idealismen halten nicht lange - insofern spricht Bultmann aus vergangenen Zeiten. - Heute trennt man in geistigen Fragen wieder technische und geistige Herangehensweisen.

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sven23
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#202 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » So 25. Dez 2016, 15:30

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, und deshalb hat sie in der historischen Jesusforschung nichts zu suchen
Das ist richtig - die jeweiligen Setzungen passen nicht zueinander. - Man kann sich nur gegenseitig über den Gartenzaun gucken: "Was kommt bei Euch raus".
Was bei Kanonik rauskommt, ist schon in den Prämissen festgelegt, also ein Zirkelschluss. Deshalb in der Forschung nicht zu gebrauchen. Kanonik sieht dies übrigens auch ein und will gar keine historische Jesusforschung betreiben, und mit Verlaub, sie kann es auch nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:weil man ja da wissen will, was der Fall war, und nicht, was sich Schreiber ausgedacht haben.
Das ist falsch. - Beide wollen wissen, was der Fall ist, bedienen sich aber dabei unterschiedlicher Wahrnehmungsmodelle.
Das stimmt so nicht. Das Desinteresse der Glaubensdogmatiker am historischen Jesus ist ja schon sprichwörtlich. Symptomatisch dafür ist auch die Einstellung eines Users hier im Forum:
Andreas hat geschrieben: "Auch der historische Jesus ist mir schon lange nicht mehr wichtig. Was bringt es denn?"
Auch zu den "unterschiedlichen Wahrnehmungsmodellen" hat dir Thaddäus schon was passendes geschrieben.

"Nein, hierzu gibt es keine anderen "Wahrnehmungssysteme". Es gibt nur eine Art Physik oder Theologie wissenschaftlich zu betreiben. Physik betreibt man nur dann wissenschaftlich, wenn man ihre wissenschaftlichen Methoden anwendet. Theologie und wissenschaftliche Exegese betreibt man ausschließlich dann und nur dann, wenn man ihre wissenschaftlichen Methoden anwendet. Wendet man die nicht an, ist das keine wissenschaftliche Exegese - oder Physik.
Der Begriff "Wahrnehmungssystem" ist ohnehin falsch, denn alle Menschen verfügen über dasselbe Wahrnehmungssystem, egal ob sie gerade wissenschaftlich arbeiten oder im Supermarkt Käse einkaufen. "


Ich füge hinzu: oder Käse verzapfen. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben nicht. Ratzinger pocht auf "tatsächlich historisch Geschehenem". Von einem Mythos will er nichts wissen.
Das sind zwei unterschiedliche Dinge:
1) Ratzinger kann natürlich zwischen Historie und Mythos unterscheiden.
Das läßt er nicht erkennen, zumindest wenn es um die eigene Religion geht. Bei anderen Religionen und Kulten mag er einsichtiger sein.

closs hat geschrieben: 2) Ratzinger hält Auferstehung, etc. nicht für einen Mythos, sondern für Historie.
Da steht Glaube gegen Glaube.
Da steht der Glaube an einen Mythos/Legende gegen die Einsicht, dass Geschichte in einem geschlossenen Wirkungszusammenhang steht, der nicht durch Einwirkung übernatürlicher Mächte zerrissen werden kann, wie Bultmann richtigerweise sagt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man kann Scheik durchaus zustimmen: die Kanonisierung war der "Sündenfall" der Kirche.
Das ist wirklich verquer, aber außenstehend wahrscheinlich irgendwie logisch.
Es ist logisch und auch richtig, denn die Adelung der Schriften zu göttlich inspirierten "Heiligen Schriften" schaffte erst alle die Probleme, die sich aus dem absoluten Wahrheitsanspruch ergeben. Heute können wir entspannter damit umgehen, weil wir seit der Aufklärung wissen, dass es sich bei den Texten um Mythen und Legenden handelt, wie bei anderen Religionen und Kulten auch.
Und wie wir gesehen haben, waren auch viele Kirchenväter lange nicht so naiv und leichtgläubig, wie man uns das Glauben machen will. Ihnen waren der legendenhafte Charakter der Jesussaga durchaus bewußt.


closs hat geschrieben: Richtig ist, dass der Kanon auch anders aussehen könnte.
Wohl wahr.

closs hat geschrieben: - Richtig ist auch, dass es christliche Strömungen gibt/gab, die dem Kanon mehr Aufmerksamkeit widmen, als den geistigen Inhalten, um die es überhaupt geht.
Wobei bedacht werden muss, dass der Kanon auf diese "geistigen Inhalte" hin zusammengestellt und verändert worden ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Na klar, Theißen ist ein geistig-spirituelle Ignorant, wie übrigens die gesamte NT-Forschung.
Als HKM-ler (in Deiner Beschreibung) MUSS er sein, um nicht gegen die eigene Methodik zu verstoßen. Privat kann das ganz anders sein.
Häh, Theißen muss ein Ignorant sein, um nicht gegen die historisch-kritische Methode zu verstoßen?

closs hat geschrieben: Das ist doch das Problem: Als HKM-ler hat man folgende Möglichkeiten:
a) Man ist geistig-spirituell und versteht die HKM dementsprechend als Hilfs-Disziplin für die theologische Auslegung.
b) Man ist geistig-spirituell und versucht die HKM zum Geistigen hin zu öffnen.
c) Man ist geistig-spirituell ignorant, und hat keine Probleme :lol:
Alles Quark.
In der NT-Forschung ist die Anwendung einer wissenschaftlichen Methode oberste Pflicht. Alles andere kann man vergessen und gleich bleiben lassen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und das liegt auch an der Kanonisierung, weil sie den Schriften göttlichen, "ewigen und unveränderlichen Charakter" gab
Damit ist doch der Inhalt gemeint. - Man könnte auch sagen: Die geistigen Inhalte haben ewigen und unveränderlichen Charakter, egal ob ihr den Kanon verändert oder nicht - also lasst es". - Diesbezüglich gab es übrigens einen Streit zwischen Luther und Melanchthon.
"Ewige und unveränderliche" Wahrheiten haben die Unheilsgeschichte des Christentums mit verursacht. Damit sollte man vorsichtig sein.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Bultmann hat es genau so gemeint, wie er es immer wieder geschrieben hat
Wenn es ist, hat er sich getäuscht. - Man darf nie vergessen: Bultmann ist Fackelträger der HKM, was zu seiner Zeit durchaus löblich war - denn die Kirche hat wirklich einige Schoten fabriziert.
Daraus hat sich der Glaube (!!!) entwickelt, man könne Exegese sozusagen wissenschaftlich objektivieren - ein faszinierender Gedanke, weil damit säkulare und theologische Aufklärung verbunden werden könnten. - Geradezu klassisch im Sinne Goethes, der das, was man will, mit dem, was man soll, als NAturgemäßes in Deckung bringen wollte.
Da hast du was völlig falsch verstanden. Historisch-kritisch bedeutet, dass man den Unterschied zwischen den biblischen Berichten und den tatsächlichen historischen Ereignissen herausarbeitet. Die große Diskrepanz hat bei vielen zu großer Enttäuschung geführt.

Goethe hatt übigens eine weitaus kritischere Einstellung zur Jesussaga, als manch heutiger "aufgeklärter" Zeitgenosse.

Es werden wohl noch zehntausend Jahre ins Land gehen, und das Märchen vom Jesus Christus wird immer noch dafür sorgen, daß keiner so richtig zu Verstande kommt.

Eine schöne Erfindung.

"Die Geschichte des guten Jesus hab ich nun so satt, dass ich sie von keinem, außer von ihm selbst, hören möchte".

(Johann Wolfgang Goethe, Dichter,1749-1832)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#203 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » So 25. Dez 2016, 15:52

sven23 hat geschrieben: Kanonik sieht dies übrigens auch ein und will gar keine historische Jesusforschung betreiben
Richtig - ihr liegt nichts an einer historisch-kritischen Jesus-Forschung (das macht die HKM), sondern an dem geistig wirklichen Jesus in seiner Zeit und darüber hinaus.

sven23 hat geschrieben:Was bei Kanonik rauskommt, ist schon in den Prämissen festgelegt, also ein Zirkelschluss.
Sie fragt nicht nach den Prämissen, sondern ihre Fragen basieren auf den Prämissen. - Diese Fragen sind ergebnisoffen, sonst würde man sie ja nicht stellen.

sven23 hat geschrieben:Das Desinteresse der Glaubensdogmatiker am historischen Jesus ist ja schon sprichwörtlich.
Als Urban Legend. - Nochmal: Der kanonischen Exegese liegt nichts an einer historisch-kritischen Jesus-Forschung (das macht die HKM), sondern an dem geistig wirklichen Jesus in seiner Zeit und darüber hinaus. - Jetzt kann man darüber philosophieren, ob etwas gleichzeitig wirklich und nicht historisch sein kann. Ich meine, nein.

sven23 hat geschrieben:Auch zu den "unterschiedlichen Wahrnehmungsmodellen" hat dir Thaddäus schon was passendes geschrieben.
Das war nicht an sich "passend", sondern passend in Bezug auf Thaddäus' Prämissen - sie hat von SICH erzählt.

sven23 hat geschrieben:dass Geschichte in einem geschlossenen Wirkungszusammenhang steht, der nicht durch Einwirkung übernatürlicher Mächte zerrissen werden kann, wie Bultmann richtigerweise sagt.
Wenn er es so meint, wie es rüberkommt, sagt er etwas furchtbar Falsches. - Natürlich sind aus christlicher Sicht geschichtliche Zusammenhänge NICHT in sich geschlossen in Bezug auf übernatürliche Kräfte = Gott.

sven23 hat geschrieben: Heute können wir entspannter damit umgehen, weil wir seit der Aufklärung wissen, dass es sich bei den Texten um Mythen und Legenden handelt
Das ist kein "Wissen an sich", sondern "weltanschaulich zirkelreferentes System-Wissen". - Du stellst die Aufklärung so hin, als könne sie die Möglichkeit nicht erkennen, dass auch Historie Chiffre sein kann für göttliche Wahrheit. - Oder umgekehrt: Dass es keiner Historie bedarf, um göttliche Wahrheit zu chiffrieren, sondern es auch metaphorisch gehen kann. - Beides geht und beides gibt es.

Nach Deinem Verständnis wäre "Aufklärung" gleichbedeutend mit "Materialismus" - was in der Tat unserer heutigen Spät-Aufklärung entspricht. - Aber es entspricht nicht dem hehren Gedanken der Aufklärung - dazu kann man ruhig Kant heranziehen.

sven23 hat geschrieben:Häh, Theißen muss ein Ignorant sein, um nicht gegen die historisch-kritische Methode zu verstoßen?
Nicht ganz: Er muss geistig-spirituelle Anlagen seinerseits "im Dienst" unterdrücken, wenn er nicht gegen die Methodik der HKM verstoßen will. - Vergiß nicht: Die HKM beansprucht, streng nach den Regeln des Kritischen Rationalismus zu verfahren.

sven23 hat geschrieben:In der NT-Forschung ist die Anwendung einer wissenschaftlichen Methode oberste Pflicht.
Damit bleiben a) - c) möglich. - Es ist dann eine Frage der Grenzen der HKM-Forschung: Ist sie flankierende Wissenschaft oder Teil der Theologie.

sven23 hat geschrieben:"Ewige und unveränderliche" Wahrheiten haben die Unheilsgeschichte des Christentums mit verursacht.
Naja - eher der Umgang damit.

sven23 hat geschrieben:Da hast du was völlig falsch verstanden.
Wahrscheinlich nicht. ;)

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Andreas
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#204 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Andreas » So 25. Dez 2016, 15:59

sven23 hat geschrieben:Das stimmt so nicht. Das Desinteresse der Glaubensdogmatiker am historischen Jesus ist ja schon sprichwörtlich. Symptomatisch dafür ist auch die Einstellung eines Users hier im Forum:
Andreas hat geschrieben: "Auch der historische Jesus ist mir schon lange nicht mehr wichtig. Was bringt es denn?"
Wieder einmal präsentierst du deine unlauteren Methoden. Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate, wie hier.
Andreas hat geschrieben:Es steht dir frei, das Lukasevangelium als Legende zu sehen. Ich sehe es als das Bild, welches Lukas (irgendwer) zeichnet um die Botschaft "Jesus" - so wie er sie verstanden hat - angemessen rüberzubringen. Ob dieses Gespräch zwischen Jesus und dem Gesetzeslehrer historisch so stattgefunden hat, oder nicht, ist mir völlig egal. Mich interessieren die Botschaften, nicht die Boten. Auch der historische Jesus ist mir schon lange nicht mehr wichtig. Was bringt es denn?
Bringt es zum Verständnis des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter etwas, zu wissen, ob dieses Gespräch historisch stattgefunden hat, oder nicht. Dann mal los du Schlaumeier. Butter bei die Fische!

Was sagt deine neutestamentliche Forschung dazu? Spricht hier der historische Jesus oder hat sich Lukas das ausgedacht? Ist der Sinn des Gleichnises ein anderer, falls es nicht vom historischen Jesus stammt? Ändert es etwas an der Botschaft des Lukas?

Abgesehen davon komme ich zu einer Interpretation, die in weiten Teilen nicht der, der Glaubensdogmatiker entspricht. Du argumentierst unredlich.

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sven23
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#205 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » So 25. Dez 2016, 17:47

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Kanonik sieht dies übrigens auch ein und will gar keine historische Jesusforschung betreiben
Richtig - ihr liegt nichts an einer historisch-kritischen Jesus-Forschung (das macht die HKM), sondern an dem geistig wirklichen Jesus in seiner Zeit und darüber hinaus.
Der historische Jesus beeinhaltet doch gerade auch den geistigen, also das, was wer vermutlich glaubte. Das, was man aus ihm gemacht hat, ist in den Evangelien und bei Paulus zu lesen. Ob man das jetzt Rezeption oder Kontamination/Verfälschung nennt, ist Geschmacksache.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was bei Kanonik rauskommt, ist schon in den Prämissen festgelegt, also ein Zirkelschluss.
Sie fragt nicht nach den Prämissen, sondern ihre Fragen basieren auf den Prämissen. - Diese Fragen sind ergebnisoffen, sonst würde man sie ja nicht stellen.
Sie sind eben nicht ergebnisoffen, weil die Prämisse der Inspiriertheit durch den Heiligen Geist die Ergebnisse schon festlegt, das heißt, das was geschrieben steht. (Zirkelschluss). Mehr Anspruch hat die Kanonik doch gar nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das Desinteresse der Glaubensdogmatiker am historischen Jesus ist ja schon sprichwörtlich.
Als Urban Legend. - Nochmal: Der kanonischen Exegese liegt nichts an einer historisch-kritischen Jesus-Forschung (das macht die HKM), sondern an dem geistig wirklichen Jesus in seiner Zeit und darüber hinaus. - Jetzt kann man darüber philosophieren, ob etwas gleichzeitig wirklich und nicht historisch sein kann. Ich meine, nein.
Der geistig "wirkliche" Jesus hatte eine Naherwartung, also insofern war sein Glaube ein historischer Irrtum.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch zu den "unterschiedlichen Wahrnehmungsmodellen" hat dir Thaddäus schon was passendes geschrieben.
Das war nicht an sich "passend", sondern passend in Bezug auf Thaddäus' Prämissen - sie hat von SICH erzählt.
Nee, sie hat vom allgemeinen wissenschaftlichen Konsens erzählt, wie Wissenschaft betrieben wird. Du bist es, der immer seine privaten Definitionen von "irgendwie anders gearteter Wissenschaft" einbringt.

Thäddäus schrieb weiter dazu:
"Und noch einmal: du verkennst fundamental, was die Aufgabe von Wissenschaft ist und welchen Sinn wissenschaftlich methodisches Arbeiten hat. Der besteht genau darin, zu intersubjektiv vermittelbaren, wahren oder möglichst wahrscheinlich wahren Aussagen zu gelangen. Und arbeitet man nicht wissenschaftlich, also mit wissenschaftlichen Methoden, dann gelangt man nicht zu intersubjektiv vermittelbaren, wahren oder möglichst wahrscheinlich wahren Aussagen.
Will man sich dem historischen Jesus nähern, dann geht das ausschließlich über die Methoden, die die Theologie zu einer Wissenschaft machen, z.B. die HKM. Bezieht man sich auf irgendeine andere Erkenntnisquelle, dann betreibt man keine Wissenschaft.
Noch einmal: du kannst nicht vorgeben, zu wissenschaftlichen Einsichten zu gelangen, ohne dafür die wissenschaftlichen Methoden anzuwenden.
Genau das versuchst du. Und genau das ist dein fundamentaler Irrtum.
Die kanonische Exegese ist nicht wissenschaftlich und kann es gar nicht sein, denn sie greift auf Erkenntnsiquellen zurück, die wissenschaftlich nicht legitimiert sind, wie z.B. das wahrheitsgarantierende Wirken des hl. Geistes in der katholischen Tradition oder ein angeblich wahrheitsgarantierendes geistliches Gesamtverständnis des Kanons in seiner historischen Gewachsenheit, dessen Legitimation jedoch dogmatisch nur als gegeben gesetzt wird, welches aber nicht aus den alttestamentlichen und neutestamentlichen Einzelschriften vernünftig abgeleitet oder geschlussfolgert werden kann."


Hier hat Thaddäus absolut recht. Bitte ausdrucken und unters Kopfkissen legen, vielleicht gehts dann endlich ins Köpfchen rein. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:dass Geschichte in einem geschlossenen Wirkungszusammenhang steht, der nicht durch Einwirkung übernatürlicher Mächte zerrissen werden kann, wie Bultmann richtigerweise sagt.
Wenn er es so meint, wie es rüberkommt, sagt er etwas furchtbar Falsches. - Natürlich sind aus christlicher Sicht geschichtliche Zusammenhänge NICHT in sich geschlossen in Bezug auf übernatürliche Kräfte = Gott.
Wieso? Es wäre doch ein Gott denkbar, der nicht in geschichtliche Wirkungszusammenhänge eingreift. Zumindest spricht die Befundlage dafür. Wir kennen kein solches Eingreifen, wie ich aber meine, aus einem anderen Grund. ;)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Heute können wir entspannter damit umgehen, weil wir seit der Aufklärung wissen, dass es sich bei den Texten um Mythen und Legenden handelt
Das ist kein "Wissen an sich", sondern "weltanschaulich zirkelreferentes System-Wissen". - Du stellst die Aufklärung so hin, als könne sie die Möglichkeit nicht erkennen, dass auch Historie Chiffre sein kann für göttliche Wahrheit. - Oder umgekehrt: Dass es keiner Historie bedarf, um göttliche Wahrheit zu chiffrieren, sondern es auch metaphorisch gehen kann. - Beides geht und beides gibt es.
Aber nicht beim unehelichen Sohn Gottes, da hält die Kirche nichts von Metaphern und Mythen. Die Einstellung Platons und der Kirchenväter zu Mythen ist bekannt.

closs hat geschrieben: Nach Deinem Verständnis wäre "Aufklärung" gleichbedeutend mit "Materialismus" - was in der Tat unserer heutigen Spät-Aufklärung entspricht. - Aber es entspricht nicht dem hehren Gedanken der Aufklärung - dazu kann man ruhig Kant heranziehen.
Bitte sehr:
"Die Religion, die nur auf Theologie gebaut ist, kann niemals etwas Moralisches enthalten".
(Imanuel Kant, dt. Philosoph, 1724-1804)

„Der Begriff eines höchsten Wesens ist eine in mancher Absicht sehr nützliche Idee; sie ist aber eben darum, weil sie bloß Idee ist, ganz unfähig,
um vermittelst ihrer allein unsere Erkenntnis in Ansehung dessen, was existiert, zu erweitern.“

(Immanuel Kant)

Schriften von Kant landeten übrigens noch bis Mitte des 20 Jahrhunderts! auf dem Index der verbotenen Bücher.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Häh, Theißen muss ein Ignorant sein, um nicht gegen die historisch-kritische Methode zu verstoßen?
Nicht ganz: Er muss geistig-spirituelle Anlagen seinerseits "im Dienst" unterdrücken, wenn er nicht gegen die Methodik der HKM verstoßen will. - Vergiß nicht: Die HKM beansprucht, streng nach den Regeln des Kritischen Rationalismus zu verfahren.
Sie untersucht Texte, die ein Glaubenskonstrukt beschreiben. Der Inhalt von Glaubenskonstrukten kann niemals Gegenstand von Überprüfung sein.
Dabei deckt sie unhistorisches auf und zeigt den Unterschied zwischen ursprünglicher Lehre und deren Vereinnahmung und Veränderung/Verfälschung durch die Rezipienten.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der NT-Forschung ist die Anwendung einer wissenschaftlichen Methode oberste Pflicht.
Damit bleiben a) - c) möglich. - Es ist dann eine Frage der Grenzen der HKM-Forschung: Ist sie flankierende Wissenschaft oder Teil der Theologie.
Sie ist vor allem eine historische Wissenschaft und hat einige für die Theologie unliebsame Wahrheiten ans Licht gebracht. Das kann man ihr aber nicht zum Vorwurf machen. Die Dinge sind nun mal, wie sie sind.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#206 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » So 25. Dez 2016, 18:08

Andreas hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das stimmt so nicht. Das Desinteresse der Glaubensdogmatiker am historischen Jesus ist ja schon sprichwörtlich. Symptomatisch dafür ist auch die Einstellung eines Users hier im Forum:
Andreas hat geschrieben: "Auch der historische Jesus ist mir schon lange nicht mehr wichtig. Was bringt es denn?"
Wieder einmal präsentierst du deine unlauteren Methoden. Aus dem Zusammenhang gerissene Zitate, wie hier.
Na ja, dein Zitat läßt nicht vermuten, dass du dich ausschließlich auf das Gleichnis bezogen hast. Du schreibst, dass der historische Jesus dir schon lange nicht mehr wichtig ist. Das ist eher eine allgemeingültige Aussage, aber seis drum. Es wird dich sicher freuen, was Kubitza zum barmherzigen Samariter zu sagen hat.

"Jesus hat, sicherlich nicht als Einziger, sondern in Anlehnung an schon vorhandene Strömungen in Palästina,
an einen menschenfreundlicheren Gott geglaubt. Dieser Gott ist weniger der furchtbare Rächer als
vielmehr der liebende Vater, der sich seinen Geschöpfen in Wohlwollen zuwendet. Jesus
hat auch den religiösen Legalismus der pharisäischen Umwelt menschenfreundlich
umgestaltet. Das Gesetz ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des
Gesetzes willen (Mk 2,28), wobei allerdings umstritten ist, ob er das wirklich gesagt hat.
Jedenfalls hat sein praktisches Handeln humanisierende Züge, und wenn es um konkrete
Hilfe in einem Einzelfall geht, dann lässt er auch schon mal beim Gesetz fünfe gerade
sein. Das macht ihn sympathisch ebenso wie seine Hinwendung zu den Ausgegrenzten
und Randgestalten der damaligen Gesellschaft, seine Freundschaft mit Zöllnern und
Sündern. Ebenso pflegte er zu Frauen, die im damaligen Judentum als unbelehrbar
galten, ein ungezwungenes Verhältnis. Sie haben ihm bis zu seinem Tod die Treue
gehalten, als seine Jünger schon aus Jerusalem geflohen waren. Den Reichtum hat er
kritisiert, das Himmelreich den Armen (und nicht nur den Armen im Geiste)
zugesprochen. Seine Aufrufe zu Liebe und Vergebung sind zeitlos, seine Gleichnisse vom
verlorenen Sohn und vom barmherzigen Samariter und Teile der Bergpredigt gehören
zum Besten, was in den neutestamentlichen Schriften überliefert wurde."


Auch wenn Weihnachten ist, muss ich ein bisschen Wasser in den Wein gießen.

"Man kann schon Verständnis dafür haben, dass dieser Jesus nach wie vor Gläubige
und Ungläubige fasziniert. Doch dass diese positiven Züge manchen Romantizismus im
Gepäck haben, dafür haben schon die Evangelisten selbst gesorgt. Sie idealisieren ihn,
glätten Widersprüche und Anstößiges, machen aus ihm das reine unschuldige Lamm, das
die Sünden der Welt trägt. Besonders seine Reden und sein Auftreten im
Johannesevangelium, für die Gläubigen oft besonders wertvoll, sind fast völlig Produkte
frommer Gedankenlyrik, zeigen einen Jesus, wie ihn seine frühen Anhänger haben
wollten. Und auch in den anderen Evangelien muss das, was Jesus wirklich wollte und
gesagt hat, mühsam freigelegt werden. Wer aber noch näher an ihn herankommen will,
muss das Markusevangelium lesen, dieses in der Kirche eher ungeliebte Evangelium, das
noch einen spröden Jesus zeigt, der sich für die Verkündigung der Kirchen nur mit Mühe
einspannen lässt. Die ältesten Zeugnisse zeigen Jesus als Wanderprediger und
Exorzisten. Als Apokalyptiker verkündet er die Gottesherrschaft, das Ende der Welt, so
wie man sie kannte. Er war ein Endzeitprediger und wollte seine Volksangehörigen
aufrütteln. An die Heiden hatte er offenbar keine Botschaft, erst recht nicht an uns heute.
Als gläubiger Jude sah er sich nur zu den Juden gesandt. Seine Predigt der
Gottesherrschaft wäre für Heiden ohnehin unverständlich gewesen. Zu seiner
Vorstellungswelt gehörte auch der Glaube an Hölle, Teufel und Gericht. Sie machen das
Dunkle in seiner Predigt aus, das von den Christen heute meist ausgeblendet wird."

Kubitza, Der Jesuswahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#207 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » So 25. Dez 2016, 18:21

sven23 hat geschrieben:Der historische Jesus beeinhaltet doch gerade auch den geistigen, also das, was wer vermutlich glaubte.
Auch das funktioniert umgekehrt genauso: Der geistig plausible Jesus ist dann der historische Jesus.

Objektiv haben wir doch das Problem, dass einerseits die HKM nur aus ihrer weltlichen Herangehensweise zu ihrer Ergebnissen kommt und andererseits die theologische Exegese aus ihrer geistig-spirituellen Herandgehensweise. - Platt gesagt: Man sieht und interpretiert dasselbe unterschiedlich. - Beide können unrecht haben - das entscheidet am Ende das, was der Fall ist.

sven23 hat geschrieben:Sie sind eben nicht ergebnisoffen, weil die Prämisse der Inspiriertheit durch den Heiligen Geist die Ergebnisse schon festlegt
DASS es um geistige Botschaften geht, ist festgelegt - aber doch nicht welche. - Es gibt auch unter geistigen Gesichtspunkten eine Menge an unbeantworteten Fragen.

sven23 hat geschrieben:Der geistig "wirkliche" Jesus hatte eine Naherwartung
Sehr unwahrscheinlich.

sven23 hat geschrieben: sie hat vom allgemeinen wissenschaftlichen Konsens erzählt, wie Wissenschaft betrieben wird.
Sie ist aber diesbezüglich wissenschafts-theoretisch einseitig gepolt - auch hier gibt es weltanschauungsbedingt unterschiedliche Auffassungen.

sven23 hat geschrieben:Hier hat Thaddäus absolut recht. Bitte ausdrucken und unters Kopfkissen legen, vielleicht gehts dann endlich ins Köpfchen rein.
Sie hat im Sinne ihres Wissenschafts-Verständnisses recht, das nicht berücksichtigt, dass kritisch-rationalistisches Vorgehen zwar in sich methodisch sauber ist, aber im Großen zirkelreferent ist. - Formal hat sie recht - ontologisch ist sie daneben.

Das muss man nicht unters Kopfkissen legen, weil da viel wichtigere Dinge liegen. - Unter das Kopfkissen gehören z.Bsp. Erkenntnisse wie: "Vernunft ist, wenn man erkennt, dass das, was der Fall ist, nicht notwendig durch menschliche Vernunft erfassbar sein muss". - Erst dann kommt man aus diesem Zirkelschluss raus.

sven23 hat geschrieben: Es wäre doch ein Gott denkbar, der nicht in geschichtliche Wirkungszusammenhänge eingreift.
Deshalb habe ich ja "aus christlicher Sicht" gesprochen. - Aber da kämen wir in das schwierige Feld "Fügung" hinein, bei der BEIDES stimmt: Geschichte ist aus Eigensicht geschlossen, aber nicht aus Fremdsicht.

sven23 hat geschrieben:da hält die Kirche nichts von Metaphern und Mythen. Die Einstellung Platons und der Kirchenväter zu Mythen ist bekannt.
Logisch - weil man davon ausgeht, dass Jesus und seine Auferstehung eben KEIN Mythos ist. - Man unterscheidet Mythos von Historie und sagt "Jesus und dessen Auferstehung ist historisch".

sven23 hat geschrieben:Bitte sehr
Das klingt bei Kant eher nach "Denkt nicht, dass Ihr schlauer werdet, wenn Ihr Euch auf ein höheres Wesen verlasst - das müsst Ihr schon selbst machen". - Ist das zufällig aus der "Praktischen Vernunft"?

Im übrigen hatte ich meinen Kant-Verweis bezogen auf "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen" - da gäbe es in unserer Spät-Aufklärung noch einiges aufzuholen.

sven23 hat geschrieben:Sie untersucht Texte, die ein Glaubenskonstrukt beschreiben. Der Inhalt von Glaubenskonstrukten kann niemals Gegenstand von Überprüfung sein.
Genau so ist es - deshalb hat es nichts mit "geistig-spirituell" zu tun, sondern ist eine sehr wohl anspruchsvolle, aber letztlich nicht mehr als eine inner-methodisch-technische Arbeit.

sven23 hat geschrieben:Die Dinge sind nun mal, wie sie sind.
So ist es - und diese "DInge" (das, was der Fall ist) kümmert sich nicht darum, wie der Mensch ihnen näher oder ferner kommt.

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#208 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von sven23 » So 25. Dez 2016, 19:51

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der historische Jesus beeinhaltet doch gerade auch den geistigen, also das, was wer vermutlich glaubte.
Auch das funktioniert umgekehrt genauso: Der geistig plausible Jesus ist dann der historische Jesus.
Das guckt sich die Forschung eben immer im Einzelfall an. Es kann authentisch sein, es kann aber auch nachträglich erfunden worden sein. Das versucht die Forschung zu unterscheiden. Kanoniker haben diesen Anspruch gar nicht.

closs hat geschrieben: Objektiv haben wir doch das Problem, dass einerseits die HKM nur aus ihrer weltlichen Herangehensweise zu ihrer Ergebnissen kommt und andererseits die theologische Exegese aus ihrer geistig-spirituellen Herandgehensweise. - Platt gesagt: Man sieht und interpretiert dasselbe unterschiedlich. - Beide können unrecht haben - das entscheidet am Ende das, was der Fall ist.
Genauer gesagt: die einen arbeiten mit wissenschaftlicher Methode, die anderen eben nicht. (siehe dazu die Ausführungen von Thaddäus)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der geistig "wirkliche" Jesus hatte eine Naherwartung
Sehr unwahrscheinlich.
Auf Grund der Textquellen höchst wahrscheinlich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: sie hat vom allgemeinen wissenschaftlichen Konsens erzählt, wie Wissenschaft betrieben wird.
Sie ist aber diesbezüglich wissenschafts-theoretisch einseitig gepolt - auch hier gibt es weltanschauungsbedingt unterschiedliche Auffassungen.
Sie ist vor allem richtig gepolt. Eine andere Polung führt unweigerlich zum Kurzschluss.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hier hat Thaddäus absolut recht. Bitte ausdrucken und unters Kopfkissen legen, vielleicht gehts dann endlich ins Köpfchen rein.
Sie hat im Sinne ihres Wissenschafts-Verständnisses recht, das nicht berücksichtigt, dass kritisch-rationalistisches Vorgehen zwar in sich methodisch sauber ist, aber im Großen zirkelreferent ist. - Formal hat sie recht - ontologisch ist sie daneben.
Zirkelreferenz ist ein Markenzeichen der Kanonik, nicht der Wissenschaft.
Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast. Ontologie ist so ziemlich Schnee von gestern. :lol:
Willkommen im 21. Jahrhundert.

closs hat geschrieben: Das muss man nicht unters Kopfkissen legen, weil da viel wichtigere Dinge liegen. - Unter das Kopfkissen gehören z.Bsp. Erkenntnisse wie: "Vernunft ist, wenn man erkennt, dass das, was der Fall ist, nicht notwendig durch menschliche Vernunft erfassbar sein muss". - Erst dann kommt man aus diesem Zirkelschluss raus.
Das ist in Diskussionen immer so das letzte Gefecht: Gottes Wege sind unergründlich. :lol:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:da hält die Kirche nichts von Metaphern und Mythen. Die Einstellung Platons und der Kirchenväter zu Mythen ist bekannt.
Logisch - weil man davon ausgeht, dass Jesus und seine Auferstehung eben KEIN Mythos ist. - Man unterscheidet Mythos von Historie und sagt "Jesus und dessen Auferstehung ist historisch".
Eben nicht, dein Kurzzeitgedächtnis ist katastrophal.

"Dazu sollte man auch wissen, dass nicht nur die Aussage von Papst Leo X. (1513-1521) überliefert ist, bei dem das kirchliche Ablass – Unwesen seinen Höhepunkt erreichte und der auch die Bannandrohungsbulle gegen Luther unterschrieb: "wie viel die Fabel von Christus uns genützt hat", sondern schon die des den Ursprüngen des Christentums viel näher stehenden Tertullian (etwa 150-225), dem Vater des abendländischen Christentums, dem eigentlichen Begründer des Katholizismus, der ganz offen und gleich dreimal von der »Christus-Fabel« schrieb! Und für den Papst Pius II, (1405-1464) waren die Fabeln gar Märchen: "Uns und den Unsrigen ist das Märchen vom Jesus zum Segen geworden!""
Quelle: Glauben&Wissen
Die Kirchenväter erkannten sehr wohl den Mythen- und Märchencharakter der Evangelien. Origenes spottet über diejenigen, die sie wörtlich, also historisch verstehen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Bitte sehr
Das klingt bei Kant eher nach "Denkt nicht, dass Ihr schlauer werdet, wenn Ihr Euch auf ein höheres Wesen verlasst - das müsst Ihr schon selbst machen". - Ist das zufällig aus der "Praktischen Vernunft"?
Nein, aus "Pädagogik" aus dem Jahr 1803.

closs hat geschrieben: Im übrigen hatte ich meinen Kant-Verweis bezogen auf "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen" - da gäbe es in unserer Spät-Aufklärung noch einiges aufzuholen.
Deshalb mahnte Kant doch dazu, sich von kirchlichen Autoritäten frei zu machen und selbst nachzudenken.
Er sah jedenfall in Jesus nicht den Sohn Gottes, sondern das Ideal einer "vollkommenen" Menschheit.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie untersucht Texte, die ein Glaubenskonstrukt beschreiben. Der Inhalt von Glaubenskonstrukten kann niemals Gegenstand von Überprüfung sein.
Genau so ist es - deshalb hat es nichts mit "geistig-spirituell" zu tun, sondern ist eine sehr wohl anspruchsvolle, aber letztlich nicht mehr als eine inner-methodisch-technische Arbeit.
Du begreifst es nicht. Inhaltlich können auch Glaubensdogmatiker nichts überprüfen. Sie können ein Glaubenskonstrukt virtuell weiterspinnen, was aber nichts über dessen Bezug zu dem, was der Fall ist, aussagt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Dinge sind nun mal, wie sie sind.
So ist es - und diese "DInge" (das, was der Fall ist) kümmert sich nicht darum, wie der Mensch ihnen näher oder ferner kommt.
Die Forschung ist den Texten schon ziemlich nahe gekommen und die Diskrepanzen zwischen Bibel und historischem Geschehen sind enorm.

Ein schönes Beispiel, wie ein Mythos entstehen kann ist der kubanische Revolutionär Che Guevara.
Obwohl er auf ganzer Linie gescheitert ist, sowohl als Industrieminister und Leiter der Nationalbank, als auch als Missionar, der die Revolution nach Südamerika und Afrika tragen wollte, wurde er zu einem Mythos. Die Amerikaner taten ihm den "Gefallen" und ermordeten ihn in Gefangenschaft, so daß sie ungewollt einen Märtyrer aus ihm machten. Selbst der verhaßte Kapitalismus hat ihn als Webeikone für sich vereinnahmt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#209 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von closs » So 25. Dez 2016, 21:34

sven23 hat geschrieben: Es kann authentisch sein, es kann aber auch nachträglich erfunden worden sein. Das versucht die Forschung zu unterscheiden. Kanoniker haben diesen Anspruch gar nicht.
Dieser Gegensatz stimmt so nicht. - Es kann in Bezug auf Jesus authentisch sein, egal ob es historisch belegt ist. - Natürlich schließt das nicht aus, dass Nachträgliches NICHT authentisch ist - das ist das Thema der theologischen Exegese - diesen Anspruch haben wiederum die HKM-ler nicht.

sven23 hat geschrieben:Genauer gesagt: die einen arbeiten mit wissenschaftlicher Methode, die anderen eben nicht. (siehe dazu die Ausführungen von Thaddäus)
Das ist das immer wieder kehrende, selbst-immunisierende Argument der Materialisten. - Man definiere Wissenschaft so, dass sie nur materialistisch anwendbar ist, untersuche damit die Bibel und beanspruche, dass dies die einzig wissenschaftliche Methodik sei. - NICHT zirkelreferent???

sven23 hat geschrieben:Sie ist vor allem richtig gepolt. Eine andere Polung führt unweigerlich zum Kurzschluss.
Genau das wird auch umgekehrt so gesehen - siehe unterschiedliche weltanschauliche Setzungen/Ausgangslagen. - Die Vorwürfe sind wechselseitig oft identisch.

sven23 hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob du es mitbekommen hast. Ontologie ist so ziemlich Schnee von gestern. :lol: Willkommen im 21. Jahrhundert.
Es kann aber auch der Schnee von morgen sein. - Denn ob der heutige, ausschließlich anthropozentrisch aufgebaute Apparat hält, darf man bezweifeln. - Das, was der Fall ist (egal, was es ist) wird letztlich IMMER die Nase vorn haben.

sven23 hat geschrieben:Das ist in Diskussionen immer so das letzte Gefecht: Gottes Wege sind unergründlich.
Das Vetorecht dessen, was der Fall ist, ist auch einsichtig ohne religiösen Bezug.

sven23 hat geschrieben:Deshalb mahnte Kant doch dazu, sich von kirchlichen Autoritäten frei zu machen und selbst nachzudenken.
Damals waren es in der Tat die kirchlichen Autoritäten, gegen die eigene Mündigkeit durchzusetzen war - heute sind es die anthropozentrisch-materialistischen Systeme. - Tema con variazione.

sven23 hat geschrieben:Er sah jedenfall in Jesus nicht den Sohn Gottes, sondern das Ideal einer "vollkommenen" Menschheit.
Das widerspricht sich nicht.

sven23 hat geschrieben:Die Kirchenväter erkannten sehr wohl den Mythen- und Märchencharakter der Evangelien.
Origines kenne ich nicht gut genug - allerdings scheint er mir kein Kirchenvater zu sein. - Davon abgesehen: Der Stand des Katholizismus ist, dass Jesus kein Mythos ist - ich kann mir schwer vorstellen, dass dies anders war. - Man müsste klären, was mit "Christus-Fabel" gemeint ist - vermutlich etwas im Sinne von "die Geschichte um Jesus" - aber dazu müssten wird echte Spezialisten an Bord haben. - Zitate eines Mischverlags geben gute Anreize, aber nicht mehr.

sven23 hat geschrieben:Eben nicht, dein Kurzzeitgedächtnis ist katastrophal.
Ablehnung von Aussagen sind nicht zu verwechseln mit Kurzzeitgedächtnis.

sven23 hat geschrieben:Nein, aus "Pädagogik" aus dem Jahr 1803.
Ja - das passt. - Also aus einer Schrift, die sich der Praxis verpflichtet fühlt.

sven23 hat geschrieben: Inhaltlich können auch Glaubensdogmatiker nichts überprüfen.
Zumindest nicht nachweisen. - Aber man kann Aussagen über Nicht-Falsifizierbares mit der Zeit verdichten - nachdem also immer mehr zusammengepasst hat und widerspruchsfrei geblieben ist.

sven23 hat geschrieben:Ein schönes Beispiel, wie ein Mythos entstehen kann ist der kubanische Revolutionär Che Guevara.
Ja - das gibt es auch. - Es wird bei allem so sein, dass es sowohl authentische als auch unauthentische Ausformungen gibt. - Das kann auch die HKM nicht vermeiden, weil sie im Grunde "nur" "technisch" unterwegs ist.

Die eigentliche Frage "Passt das zu Jesus?" ist substantiell nur geistig beantwortbar - auch da nur ohne Gewähr, aber recht sicher. - Historisch-kritisch kann man dazu beitragen im Sinne von "Passt das zur Überlieferungs-Tradition, etc.?" - aber das ist keine substantielle Fragestellung.

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#210 Re: Alles Teufelszeug? V

Beitrag von Andreas » So 25. Dez 2016, 22:00

sven23 hat geschrieben:Na ja, dein Zitat läßt nicht vermuten, dass du dich ausschließlich auf das Gleichnis bezogen hast.
Natürlich nicht, weil du wieder unredlicherweise nur zitierst, was dir genehm ist.
sven23 hat geschrieben:Du schreibst, dass der historische Jesus dir schon lange nicht mehr wichtig ist.
Aus dem Kontext, aus dem du "dein" Zitat reißt, lässt sich ersehen, dass es mir dabei um das Verständnis des Endtextes des barmherzigen Sarmaritaners geht.
sven23 hat geschrieben:Das ist eher eine allgemeingültige Aussage, aber seis drum.
Dazu machst du es, durch unredliches, sinnentstellendes zitieren.
sven23 hat geschrieben:Es wird dich sicher freuen, was Kubitza zum barmherzigen Samariter zu sagen hat.
Ich hatte nach der neutestamentlich Forschung gefragt und nicht nach der Meinung eines Nobody wie Kubitza, der nie als neutestamentlicher Forscher tätig war und sofort nach dem Studium die Biege machte.

Thema seiner Dissertation: “Geschichte der Evangelischen Studentengemeinde Marburg” :lol: Nicht gerade ein Beitrag zur neutestamentlichen Forschung. Seine Bücher sind nicht wissenschaftlich. Wenn man das Rasenmähen oder In-der-Nasebohren eines Dr. theol. als wissenschaftliche Arbeit begreift, ist das natürlich was anderes.

Copy & Paste aus immer dem gleichen Dreck, mehr hast du einfach nicht drauf. Was sagt denn nun die neutestamentliche Forschung? Samaritergleichnis, Worte des historischen Jesus oder nicht? Keine Peilung? Keine Ahnung? Keine wissenschaftlichen Fakten?
Typisch Sven - abgedriftet im Kubitzawahn!

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