Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
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fin
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#1141 Re: Theodizee

Beitrag von fin » Fr 11. Nov 2016, 16:28

-- Biblische Ungereimtheiten --

Betreff: Mt 16:27-28

Ska'ara hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:Es ist weniger ein Übersetzungs- als vielmehr ein Interpretationsproblem. In Matthäus 17 erfüllte sich Jesu Vorhersage. So einfach ist das.
Das sehe ich anders. Was Jesus in Mt. 16, 27-28 meinte, war gewiss nicht seine Verklärung eine Woche später, sondern das, was er in Lk. 21,25 ff. kurz vor seinem Tod in allen Einzelheiten seinen Jüngern schilderte. In beiden Bibelstellen spricht Jesus von demselben apokalyptisch-eschatologischen Ereignis, das noch zu Lebzeiten einiger Jünger stattfinden sollte.


Kann ja nicht so sein, denn das würde bedeuten, dass es keinen Sohn Gottes oder Messias gibt. Damit verneinst du auch das NT. Aber da du das AT auch nicht als das Wort Gottes anerkennst, bist du noch nicht mal ein theoretischer Jude. Du lehnst also die ganze Bibel ab. Dennoch begründest du die Bibel mit sich selbst, lässt aber nicht zu, dass Gläubige dies auch tun und bezeichnest es als unredlich.


Die Anmerkungen Müneks erscheinen mir mehr als berechtigt, zumal seine Überlegungen nicht aus der Luft gegriffen sind, sondern sich nachweislich auf biblische Aussagen stützen, die jeder nachlesen kann - siehe Mt 16:27,28!

Allerdings greifen die Schlüsse von Münek und Ska'ara zu kurz, meine ich - zeigen dagegen auf, daß der eigentliche Zwiespalt und dessen Fokussierungen nicht ausgehalten wird und beides (durch voreiliges Schließen) verloren geht ...

Was gilt es hier zu bedenken?
Das läßt sich nicht so einfach beantworten, da Ungereimtheiten ihre Schwere durch den jeweiligen Kontext beziehen.

Erzählungen von 1. Klässlern werden in der Regel anders bewertet, als zb. Magisterarbeiten von Studenten. Desto ernster aber die Angelegenheiten im Leben werden, desto mehr zählen Glaubwürdigkeit, Integrität, Verbindlichkeit ...

Es verwundert darum nicht, wenn Widersprüche (innerhalb religiöser Traditionen) zugehörige Glaubensgemeinschaften irritieren und/oder den Einzelnen stark verunsichern, insbesondere dann, wenn die Quellen (Schriften) und ihre Inhalte selbst keine innere Konsistenz aufweisen, da sie ja gerade dasjenige abbilden, was allen als höchste Autorität gilt.

Ich meine, daß man in der Sache nicht weiterkommt, wenn man etwaige Widersprüche nicht aushält und ihnen nachgeht, wenn man die Augen verschließt, weil nicht sein kann, was nicht sein darf ...

Welche Schlüsse wären zutreffender?
An dieser Stelle möchte ich nicht vorgreifen, habe aber die Passagen farblich markiert, die ich für wichtig erachte.

Grüße
fin.

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sven23
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#1142 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Fr 11. Nov 2016, 16:42

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Doch, es zeigt, dass die Ergebnisse recht belastbar sind.
NAtürlich sind sie belastbar - an der handwerklichen Qualität der HKM gibt es meinerseits keine Zweifel.
Eigentlich schon, wenn man alles, was die Forschung als unhistorisch erkannt hat, negiert und im Gegenteil fordert, dass alles in der Bibel als historisch zu gelten habe. Das ist die Diskrepanz zwischen Forschung und Glaubensdogmatik.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist nun mal die Befundlage
Das ist nicht DIE Befundlage, sondern es ist die Befundlage aus historisch-kritischer Sicht. Es sagt aber nichts oder wenig darüber aus, wie Jesus bspw. den Satz "Das Gottesreich ist nah" GEMEINT hat.
Deshalb hält sich die Forschung ja auch an die Quellen. Alles andere ist Fantasy-Fiktion-Wunschkonzert. Und die Quellen sagen aus, dass er eine irrtümliche Naherwartung hatte. Das ist breiter Konsens in der Forschung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Frage geht eigentlich an dich, und zwar schon seit gefühlten 100 Jahren.
Das eigentliche Problem bei uns ist, dass Du (und wohl auch einige HKM-ler) meinen, die HKM-Ergebnisse seien der Schlüssel zu dem, was der geistige Hintergrund der Bibel ist. - Wenn man das - entgegen der Mahnung von Theißen - auf geistige Aussagen der Textverfasser bezieht, ist das fatal - und wird nicht erkannt.
Du scheinst das immer noch und immer wieder zu verwechseln. Die Forschung kann den Glauben an Götter untersuchen, mehr nicht. Der Glauben an Götter schließt natürlich auch den geistigen Hintergrund mit ein. Anders ließe sich doch der Glaube und dessen Entwicklung überhaupt nicht rekonstruieren. Dabei sind die Quellen maßgebend und nicht Wunschvorstellungen späterer Generationen und Institutionen, immer im Hinblick auf die historische Jesusforschung.
Die kanonische Exegese und die Glaubensogmatiker interessieren sich weder für die ursprüngliche Bedeutung der Texte, noch für den historischen Jesus, der eh nur stören würde.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Münek
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#1143 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Fr 11. Nov 2016, 16:43

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn es um die Rekonstruktion historischer Sachverhalte geht, ist ein sog. "Solus Spiritus" (= hypothetisches Glaubenskonstrukt) nicht vonnöten.
Ich sprach nicht vom historischen Umfeld der Bibel, sondern vom inhaltlichen Verständnis der Bibel selbst.
An "inhaltlichem Verständnis" - wenn Du damit supranaturale Eingriffe Gottes und übernatürliche Wunder meinst - mangelt es den Exe-
geten ganz bestimmt nicht. Diese Glaubensvorstellungen kennen sie schließlich aus dem Eff-Eff, können sie gedanklich-emotional locker nachvollziehen - teilen sie aber bewusst nicht, soweit ihre wissenschaftlich-historische Arbeit betroffen ist.


So einfach ist das. ;)

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Münek
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#1144 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Fr 11. Nov 2016, 16:53

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn es um die Rekonstruktion historischer Sachverhalte geht, ist ein sog. "Solus Spiritus" (= hypothetisches Glaubenskonstrukt) nicht vonnöten.
Ich sprach nicht vom historischen Umfeld der Bibel, sondern vom inhaltlichen Verständnis der Bibel selbst.
Das inhaltliche Verständnis der Bibel ist ohne das historische Umfeld nicht vorstellbar. Darauf weist z. B. Theißen immer wieder hin. Ich denke, er hat da absolut recht.
Auf die Wichtigkeit der Historie hat sogar Ratzinger in seinem Jesusbuch nachdrücklich hingewiesen. Unser lieber Kurt sieht tunnelblickartig alles "geistig".
Zuletzt geändert von Münek am Fr 11. Nov 2016, 16:59, insgesamt 1-mal geändert.

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#1145 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 11. Nov 2016, 16:59

sven23 hat geschrieben:Das inhaltliche Verständnis der Bibel ist ohne das historische Umfeld nicht vorstellbar.
Das ist richtig - deshalb befragt man doch die HKM - als Hilfe für die Auslegung.

sven23 hat geschrieben:Eigentlich schon, wenn man alles, was die Forschung als unhistorisch erkannt hat, negiert und im Gegenteil fordert, dass alles in der Bibel als historisch zu gelten habe.
Dann ja - aber die RKK-ler und Protestanten, die ich kenne, tun das an der Uni nicht. - Und darunter sind extrem konservative RKK-ler.

sven23 hat geschrieben:Deshalb hält sich die Forschung ja auch an die Quellen.
Das klingt immer so wie "Anker" - das können wir nachweisen - hoffentlich war's nicht anders - aber eigentlich egal - Hautpsache methodisch sauber bleiben. - Es ist zu wenig.

sven23 hat geschrieben:Du scheinst das immer noch und immer wieder zu verwechseln.
Du kommst immer wieder auf dieses Motiv, das hier aber nicht relevant ist. - Hier geht darum, was Jesus im Kontext wahrscheinlich meint - und nicht, was die Leute davon verstanden haben. - Es wäre gut, wenn Du deutlich machen würdest, worum es DIR geht.

sven23 hat geschrieben:Die kanonische Exegese und die Glaubensogmatiker interessieren sich weder für die ursprüngliche Bedeutung der Texte, noch für den historischen Jesus
Du versuchst das zur Urban Legend hoch zu stilisieren, obwohl mehrfach erläutert wurde, warum sowohl das "weder" als auch das "noch" in DEINEM Verständnis schlicht falsch ist.

Münek hat geschrieben:Diese Glaubensvorstellungen kennen sie schließlich aus dem Eff-Eff, können sie gedanklich-emotional locker nachvollziehen - teilen sie aber bewusst nicht, soweit ihre wissenschaftlich-historische Arbeit betroffen ist.
Da triffst Du den Nagel auf den Kopf. Genau so ist es.

Man sortiert sein Verständnis nach methodik-verträgliche und methodik-unverträgliche Elemente und verkauft dann ersteres als Exegese.

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#1146 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Fr 11. Nov 2016, 17:04

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Diese Glaubensvorstellungen kennen sie schließlich aus dem Eff-Eff, können sie gedanklich-emotional locker nachvollziehen - teilen sie aber bewusst nicht, soweit ihre wissenschaftlich-historische Arbeit betroffen ist.
Da triffst Du den Nagel auf den Kopf. Genau so ist es. Man sortiert sein Verständnis nach methodik-verträgliche und methodik-unverträgliche Elemente und verkauft dann ersteres als Exegese.
Die Exegeten verfügen auf jeden Fall über das Verständnis, das Du ihnen absprichst.

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sven23
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#1147 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Fr 11. Nov 2016, 17:14

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das inhaltliche Verständnis der Bibel ist ohne das historische Umfeld nicht vorstellbar.
Das ist richtig - deshalb befragt man doch die HKM - als Hilfe für die Auslegung.
Und warum nimmt man die Hilfe nicht an? Doch wohl nur aus ideologischen Gründen. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eigentlich schon, wenn man alles, was die Forschung als unhistorisch erkannt hat, negiert und im Gegenteil fordert, dass alles in der Bibel als historisch zu gelten habe.
Dann ja - aber die RKK-ler und Protestanten, die ich kenne, tun das an der Uni nicht. - Und darunter sind extrem konservative RKK-ler.
Sie haben kein Problem damit, dass z. b. das Johannesevangelium eine weitgehend freie Erfindung des Schreibers ist?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb hält sich die Forschung ja auch an die Quellen.
Das klingt immer so wie "Anker" - das können wir nachweisen - hoffentlich war's nicht anders - aber eigentlich egal - Hautpsache methodisch sauber bleiben. - Es ist zu wenig.
Methodische Sauberkeit ist schon sehr viel. Es reicht, wenn Kanoniker und Glaubensdogmatiker mit unsauberen Methoden arbeiten. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du scheinst das immer noch und immer wieder zu verwechseln.
Du kommst immer wieder auf dieses Motiv, das hier aber nicht relevant ist. - Hier geht darum, was Jesus im Kontext wahrscheinlich meint - und nicht, was die Leute davon verstanden haben. - Es wäre gut, wenn Du deutlich machen würdest, worum es DIR geht.
Genau diese Diskrepanz hat die Forschung doch mit aller Deutlichkeit herausgearbeitet. Der historische Jesus ist ein anderer, als man posthum aus ihm gemacht hat. Ist das immer noch nicht klar geworden? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die kanonische Exegese und die Glaubensogmatiker interessieren sich weder für die ursprüngliche Bedeutung der Texte, noch für den historischen Jesus
Du versuchst das zur Urban Legend hoch zu stilisieren, obwohl mehrfach erläutert wurde, warum sowohl das "weder" als auch das "noch" in DEINEM Verständnis schlicht falsch ist.
Es ist keine urban legend, sondern Tatsache. Die Bibel ist eine Galilean Legend. :lol:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1148 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 11. Nov 2016, 17:14

Münek hat geschrieben:Die Exegeten verfügen auf jeden Fall über das Verständnis, das Du ihnen absprichst.
Den Exegeten, also den Personen, spreche ich gar nichts ab - es geht darum, was an Verständnis methodisch einfließen darf.

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#1149 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Fr 11. Nov 2016, 17:38

@Münek

Du willst doch nicht etwa meinen Beitrag zum Thema "Gottes Sohn" nicht übersehen? ;)

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#1150 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Fr 11. Nov 2016, 17:45

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das inhaltliche Verständnis der Bibel ist ohne das historische Umfeld nicht vorstellbar.
Das ist richtig - deshalb befragt man doch die HKM - als Hilfe für die Auslegung.
Erstens befragt die Dogmatik die HKM nicht. Und zweitens braucht die Dogmatik auch keine Hilfe für "ihre" Auslegung, weil die Auslegung biblischer Texte überhaupt nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehört.

Das könntest Du so langsam mal geschnallt haben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb hält sich die Forschung ja auch an die Quellen.
Das klingt immer so wie "Anker" - das können wir nachweisen - hoffentlich war's nicht anders - aber eigentlich egal - Hautpsache methodisch sauber bleiben. - Es ist zu wenig.
Auch die Kirche und die Dogmatik haben NICHTS anderes als die schriftlichen Quellen, die für sie bekanntlich das "Wort Gottes" sind. Von einer weiteren Erkenntnisquelle - etwa einem heißen Draht zwischen Gott und dem Papst - ist mir zumindest nichts bekannt.

Möglicherwiese verfügst Du über eine esoterisch-geistige Antenne, mit der Du göttliche Offenbarungen aus der Transzendenz empfängst.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du scheinst das immer noch und immer wieder zu verwechseln.
Du kommst immer wieder auf dieses Motiv, das hier aber nicht relevant ist. - Hier geht darum, was Jesus im Kontext wahrscheinlich meint - und nicht, was die Leute davon verstanden haben. - Es wäre gut, wenn Du deutlich machen würdest, worum es DIR geht.
Es geht überhaupt nicht um das Verständnis oder Unverständnis "von irgendwelchen Leuten" (Rezeptionen), sondern um die überlieferten ureigenen Worte Jesu, die sowohl von der Kirche als auch von der neutestamentlichen Exegese als authentisch angesehen werden.

Das könntest Du allmählich mal geschnallt haben.

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