Descartes und die menschliche Seele

Philosophisches zum Nachdenken
Novas
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#451 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Sa 22. Okt 2016, 23:07

Pluto hat geschrieben:
Novalis hat geschrieben:Doch auch das ist nicht richtig, denn „die“ Wissenschaft sagt gar nichts, das ist einfach nur eine Deutung, die manche Wissenschaftler bevorzugen.
Das ist eine recht wissenschaftsfeindliche Aussage. Der Erfolg der wissenschaftlichen Methode spricht für sich.

Das war eigentlich abzusehen, dass Du mir Wissenschaftsfeindlichkeit vorwirfst, wie das gute Freunde eben so machen, die sich miteinander unterhalten, gelle? :lol: Dabei habe ich nie in meinem Leben den Erfolg und die Effektivität der wissenschaftlichen Methode bezweifelt. Im Gegenteil. Wenn Du meine Beiträge gelesen hättest, so hättest Du gesehen, dass ich gesagt habe "es ist vollkommen pragmatisch" und verständlich so vor zu gehen, wie Du es tust.
Ich kann wirklich nachvollziehen, wie dein Weltbild zustande kommt. Nichtsdestotrotz ist es keine absolute Wahrheit.
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Pluto
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#452 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Sa 22. Okt 2016, 23:08

Novalis hat geschrieben:Wenn Du andere Deutungen von vornherein ausschließt, macht ein Gespräch keinen Sinn, Pluto.
Das mache ich doch nicht.

Also...
Pluto hat geschrieben:Wie ist denn deine (christliche) Interpretation der von mir vorgestellten Experimente?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#453 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » Sa 22. Okt 2016, 23:08

SilverBullet hat geschrieben:Eben, er verstösst gegen seine eigenen Spielregeln:
das radikale Anzweifeln der Existenzzusammenhänge in der Wahrnehmung.
Nach seiner Meinung ist das Ich trotz allem Skeptizimus nicht wegzukriegen. ;) Denn schließlich weist er sein Ich dadurch nach, dass er radikal skeptizistisch sein kann, wenn dieses Bewusstsein, nachfragen zu können, da ist. - Da folge ich Descartes.

SilverBullet hat geschrieben:Das ist maximale Schlamperei, denn nach einem Ausschluss des Körpers, zielt der „Ich“-Zusammenhang auf rein gar nichts mehr.
Das ist einfach nicht richtig.

Erstens schließt Descartes den Körper nicht aus - er sagt nur, dass er ihn strenggenommen nicht nachweisen kann (im Gegensatz zu seinem Ich, dass er nachweisen kann). - Zweitens ist es allein Deinem materialistischen Weltbild geschuldet, wenn Du meinst, bei Verlust der Körperlichkeit ziel der Ich-Zusammenhang auf "gar nichts mehr". Bei einem spiritellen Weltbild dagegen ist die Körperlichkeit eine fakultative Ich-Qualität, aber keine obligatorische.

SilverBullet hat geschrieben:Das ist ein reiner Taschenspielertrick.
Nein - es kommt Dir nur vor, weil Du Dein System als verbindlich setzt. - Logisch geht es auch anders.

SilverBullet hat geschrieben:Ohne die Funktion ist jedes Untersuchen eines Kandidaten sinnlos.
Richtig - aber dieser Fall liegt hier doch nicht vor. - Die menschliche Identität/das Ich hat doch auch im Geistigen Funktionen - z.B. Fragen zu stellen und erkennen zu wollen.

SilverBullet hat geschrieben:Nein, denn die Bauersfrau stellt sich als „gesunden Körper“ fest, aber genau das soll ja angezweifelt werden.
Aber nicht primär - sie stellt primär fest (meinetwegen mit geschlossenen Augen), dass sie existent ist ("Ich bin"). - Sekundär stellt sie fest, dass sie in einer Körperlichkeit existent ist. - Drittens denkt sie gar nicht so kompliziert. :lol:

SilverBullet hat geschrieben:D.h. es ist ausschliesslich „das Wie“, mit dem entschieden werden kann, welche Existenzzusammenhänge gültig sind.
Das ist jetzt wieder die Wahrnehmungs-Ebene. Du entscheidest damit, welche Zusammenhänge Du mit Deiner speziellen Methodik erkennst. - DIejenigen, die Du damit NICHT erkennst, bemerkst Du logischerweise nicht.

SilverBullet hat geschrieben:stell dir Descartes mit einer roten Nase vor, dann erkennst du wo der Hase lang läuft.
Er ist viel nüchterner als Du - ersagt nichts anderes, als dass er mit der einzig sicheren logischen Wahrnehmung "Ich bin" nur glauben kann, dass er materiell ("Res extensa") ist - und glaubt dies natürlich auch (mit einer Begründung), was aber keine "Sachentscheidung" ist, sondern eine Glaubensentscheidung.

Es geht ihm NICHT darum nachzuweisen, dass der Mensch unsichtbar ist (das könnte er logischerweise ebenfalls nicht), sondern dass er es nicht wissen könnte, wenn er es wäre, weil er weiß, dass die Res extensae nur unter GLaubens-Vorbehalt "echt" sind.

SilverBullet hat geschrieben:elbstverständlich, weil du dir ein Wunschverhalten entlang dieser Phantasie angewöhnt hast.
Nein - DEIN Vorgehen ist logisch unsauber. - Du ersetzt logische Erkenntnis durch System-Prämissen.

Pluto
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#454 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » Sa 22. Okt 2016, 23:10

Novalis hat geschrieben:Ich kann wirklich nachvollziehen, wie dein Weltbild zustande kommt. Nichtsdestotrotz ist es keine absolute Wahrheit.
Wo genau habe ich etwas anderes behauptet?

Willst du nicht meine Frage beantworten?
Pluto hat geschrieben:Wie ist denn deine (christliche) Interpretation der von mir vorgestellten Experimente?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Novas
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#455 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » Sa 22. Okt 2016, 23:39

Pluto hat geschrieben:Wie ist denn deine (christliche) Interpretation der von mir vorgestellten Experimente?

Die christliche Deutung ist, dass der Geist nicht durch das Gehirn erzeugt wird, weil er von Gott, poetisch gesprochen, „eingehaucht“ wurde, von einer göttlichen Quelle kommt und zu ihr zurückkehren wird: “the dust returneth to the earth as it was, and the spirit (Hebrew: rûaḥ) returneth unto God who gave it” (Ecclesiastes 12:7) oder im Koran Inna lillahi wa inna ilayhi raji'un (Arabic: إِنَّا للهِ وَإِنَّـا إِلَيْهِ رَاجِعونَ‎‎): „We surely belong to Allah (the Infinite Spirit) and to Him we shall return.“ – das ist aber selbstverständlich keine wissenschaftliche, sondern eine spirituelle Aussage, die als Ergänzung der wissenschaftlichen Deutung verstanden werden darf.
Niemand muss das so sehen. Ich hege auch nicht die Absicht Wissenschaftler in ihrer Arbeit zu belehren, denn ich habe kein wissenschaftliches Fach studiert, also bin ich sehr vorsichtig mit Beurteilungen. Was ich kritisiere ist die Einengung auf das materialistische Weltbild, die mit Verweis auf die Wissenschaft betrieben wird (ist DAS denn wissenschaftlich?). Manchmal dann noch mit der Beifügung, dass jede religiöse/spirituelle Perspektive darüber hinaus, entweder unwissenschaftlich oder sogar wissenschaftsfeindlich sei (jene Worte, die Du gerade selbst gebraucht hast :) ). Ich hingegen denke, dass beides freundschaftlich miteinander kombiniert werden kann, in dem man einfach weder in die eine noch in die andere Richtung ein Fundamentalist ist.

Ich stimme den Worten des Elektrophysiologen Emil Du Bois-Reymond zu, der über das Geist-Materie-Problem sagte: „Ignoramus et ignorabimus. - Wir wissen es nicht, und wir werden es niemals wissen.“ - die Wissenschaft kann, aus sich selbst heraus, keine absolut endgültige Aussage darüber treffen.

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#456 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » So 23. Okt 2016, 00:28

Den „Materialismusstreit“ gibt es ja schon länger. DAS ist mein Standpunkt und der ist keineswegs wissenschaftsfeindlich:
Der naturwissenschaftliche Materialismus beeinflusste die Monistenbewegung um Ernst Haeckel. Viele zeitgenössische Philosophen kritisierten an ihm eine erkenntnistheoretische Naivität. In seiner 1866 erschienenen, sehr erfolgreichen „Geschichte des Materialismus“ ließ der Neukantianer Friedrich Albert Lange den Materialismus nur als Forschungsmethode gelten, nicht jedoch als Metaphysik und philosophische Weltanschauung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Naturwiss ... us_ab_1850
Weshalb belässt man es nicht dabei und benutzt den wissenschaftlichen Materialismus ganz pragmatisch als Forschungsmethode? Das akzeptiere ich gerne, aber nicht die Weltanschauung. ;)
Zuletzt geändert von Novas am So 23. Okt 2016, 00:47, insgesamt 1-mal geändert.

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#457 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Pluto » So 23. Okt 2016, 00:34

Novalis hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie ist denn deine (christliche) Interpretation der von mir vorgestellten Experimente?
Die christliche Deutung ist, dass der Geist nicht durch das Gehirn erzeugt wird, weil er von Gott, poetisch gesprochen, „eingehaucht“ wurde, von einer göttlichen Quelle kommt und zu ihr zurückkehren wird...
Die Frage war, wie deutest du aus christlicher Sicht das Ergebnis der Experimente.

Novalis hat geschrieben:Ich stimme den Worten des Elektrophysiologen Emil Du Bois-Reymond zu, der über das Geist-Materie-Problem sagte: „Ignoramus et ignorabimus. - Wir wissen es nicht, und wir werden es niemals wissen.“ - die Wissenschaft kann, aus sich selbst heraus, keine absolut endgültige Aussage darüber treffen.
Das war vor 150 Jahren.
Wie sagte die Frau von Schauspieler Sean Connery? Sag niemals nie. (Never say never)

Heute, im 21. Jahrhundert, widerlegt die Hirnforschung die Behauptung des Herrn Du Bois-Reymond.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#458 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » So 23. Okt 2016, 01:22

Pluto hat geschrieben:Heute, im 21. Jahrhundert, widerlegt die Hirnforschung die Behauptung des Herrn Du Bois-Reymond.
Nein - hier wird ständig "Wie" (Naturwissenschaft) mit "Was" (Philosophie) verwechselt.

Die Hirnforschung zeigt die Korrelation von Geist und Körper ausschließlich aus materieller Warte - und diese Korrelation ist von niemanden bestritten. - Noch mehr: Ohne das könnte der Mensch in der materiellen Welt nicht geistig tätig sein. - Aber das sagt immer noch nichts darüber aus, ob das Gehirn der primäre Erschaffer des Geistes ist oder Vermittler von Geist in die materielle Welt ist.

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#459 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von Novas » So 23. Okt 2016, 03:35

Pluto hat geschrieben:Die Frage war, wie deutest du aus christlicher Sicht das Ergebnis der Experimente

Nur weil man mit einem musikalischen Instrument Musik erklingen lassen kann, bedeutet das nicht, dass es diese auch komponiert hat. Ich denke, dass das Gehirn ein sehr sensibler Empfänger des Bewusstseins ist und nicht dessen Produzent. So wie ein Fernseher das Bildmaterial einer bestimmten Sendung von einem externen Sender empfängt, doch die Bildinformation hört nicht auf zu existieren, nur weil ich den Fernseher ausschalte oder er kaputt geht, sie wird einfach nicht mehr auf den Bildschirm übertragen, das ist alles. Wir sind eben gewohnt nur das als „real“ zu bezeichnen, was wir in Raum und Zeit bewusst wahrnehmen können, insofern verstehe ich deine skeptische Haltung.

Wenn wir in zweidimensionale „Flachländer“ in einer zweidimensionalen Welt wären, dann könnten wir uns eine dritte Dimension (Höhe/Tiefe) nicht vorstellen, obwohl sie dennoch existiert (siehe „Dr. Quantum im Flachland“) die Flachländer, welche die dritte Dimension leugnen, würden sich vermutlich „Skeptiker“ oder „Realisten“ nennen (und der Maßstab ist das, was sie als Realität gewohnt sind), während jene, die eine dritte Dimension für möglich halten oder an sie glauben, vielleicht sogar einen Einblick in sie gewinnen durften („mystische Erfahrung“), als Phantasten abgetan werden, die nur Wunschträume projizieren, die nichts als flachländische Hirngespinste sind ohne tatsächlichen Realitätsgehalt. Wenn die „Skeptiker“ nur ein bisschen skeptischer mit ihrem eigenen Vorurteil wären, bestünde jedoch die Chance, dass sie die dritte Dimension selbst entdecken.

Das hoffe ich für sie :wave:


closs hat geschrieben:Die Hirnforschung zeigt die Korrelation von Geist und Körper ausschließlich aus materieller Warte - und diese Korrelation ist von niemanden bestritten. - Noch mehr: Ohne das könnte der Mensch in der materiellen Welt nicht geistig tätig sein

So ist es. Ich denke auch, dass das Gehirn nichts anderes, als ein Empfänger und Vermittler ist. In „Ein Kurs in Wundern“, wird es ganz gut gesagt: „Denke daran, dass der Heilige Geist den Körper nur als Kommunikationsmittel deutet.“ - mit anderen Worten: ich bin kein Körper, der eine Seele hat, ich bin eine Seele, die zeitweilig diesen Körper hat. Die Seele braucht ihn in dieser materiellen Welt, um kommunizieren und handeln zu können (so wie wir im Traum ebenfalls einen Körper imaginieren, um uns durch die Traumwelt zu bewegen und mit anderen Wesen dort zu verständigen), aber das Bewusstsein ist davon unabhängig.
Wenn wir erwachen, ist es immer noch existent. Wenn die christliche Sichtweise richtig ist, dann ist der Tod im Grunde nichts anderes, als der Übergang von einem Bewusstseinszustand in einen anderen, wie der Übergang vom Traumzustand in den Wachzustand. Der Tod ist die uns zugewandte Seite jenes Ganzen, dessen andere Seite Auferstehung heisst (Romano Guardini). Schon aus der Beobachtung der Natur wissen wir, dass auf jede Nacht ein neuer Morgen folgt, es gibt nie ein Ende des Lebens, nur Transformation, nur einen Übergang von einen Zustand in einen anderen.

closs
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#460 Re: Descartes und die menschliche Seele

Beitrag von closs » So 23. Okt 2016, 08:45

Novalis hat geschrieben:- mit anderen Worten: ich bin kein Körper, der eine Seele hat, ich bin eine Seele, die zeitweilig diesen Körper hat.
Genau das ist der Punkt, der in einer materialistischen Zeit wahnsinnig schwer zu vermitteln ist.

Ganz ohne Häme: Ich glaube, dass einige Generationen Materialismus zu dogmen-gleich geglaubten Grundlagen geführt hat, deren Normativität unserer Gesellschaft als Basis dient und die heutige westliche Generation hat spirituell verstümmeln lassen.

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