Alles Teufelszeug? IV

Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#721 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Anton B. » Sa 15. Okt 2016, 16:33

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Solange Du Deine eigene -- vernünftig nicht zu rechtfertigende -- Position einer Vorstellung über die Wirklichkeit der Welt mit und vor Dir trägst, machen solche Diskussionen keinen Sinn.
Ich halte es nach wie vor für vernünftig, Wahrnehmung (Subjekt) und "Realität" (Objekt) kategorial zu trennen. - Kann es sein, dass inzwischen beides im Denken so verschmolzen ist, dass man es nicht mehr unterscheidet?
Nein, im Gegenteil: Wir trennen da ganz scharf. Und weil "empirische" Wissenschaft über die Wahrnehmung läuft und aus der Wahrnehmung heraus eine Linie zu Deinem hinter allen Wahrnehmungen stehenden Wirklichkeit so nicht begründet werden kann, lassen die Erkenntnistheoretiker Deine "Wirklichkeit" ganz explizit außen vor. Das so zu erkennen und den Wissensanspruch damit einzugrenzen, ist doch sehr seriös! Im übrigen hindert diese Aussage doch niemenden -- einschließlich der Philosophen -- weiter nach einem Zusammenhang zwischen unserem Wissen über empirisch zugängliche Beobachtungsgegenstände und einer gegebenen Wirklichkeit zu suchen.

Da finde Deinen Ansatz, immer wieder den Bezug von "Wissen" zu "Wirklichkeit" sensu closs aufzubauen, den aber nur über die Setzung, es gäbe doch diese Wirklichkeit, zu begründen, sehr viel weniger prickelnd.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Anton B.
Beiträge: 2792
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 16:20

#722 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Anton B. » Sa 15. Okt 2016, 16:46

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hier mal eine kurze, lesenwerte Jesusbeschreibung ohne Kitsch.
Bis auf einige reingerutschten Interpretationen beschreibt Kubitza hier das, was man den "historischen Jesus" nennen würde: Umfeld, Vita, Orte, etc. - Wenn es nicht darüber hinausgeht, ist es ok.
Genau! Das ist der historische Jesus. Der "wirkliche" Jesus ist wissenschaftlich nach unserem Verständnis von "Wissen" so wenig "wirklich" fassbar, wie andererseits auch das wirkliche Elektron, die wirkliche Erdgeschichte usw. usf.

Argumentieren kann man, dass Wissens-Elektron genauso wie die Wissens-Erdgeschichte könne als gegebenes Wissen in anderen wissenschaftlichen Kontexten angesehen werden, um damit unter anderem Bildschirme und anderes Zeugs zu konstruieren oder Lagerstätten aufzufinden.

Der Wissens-Jesus andererseits könnte in z.B. wissenschafts-geschichtlichen Zusammenhängen bedeutsam und gerechtfertigt sein.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#723 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » Sa 15. Okt 2016, 17:35

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es gibt nur eine Möglichkeit, und zwar die Untersuchung der Quellen. Was anderes steht nicht zur Verfügung.
Nein - es ist die Bewertung der Quellen - und je nach Weltbild bewertet man säkular oder geistig.
Wird eine Fälschung aus geistiger Sicht eine noble Tat? Kommt hier wieder Paulus zum Vorschein, der sagt, dass die Lüge erlaubt sei, wenn sie der Verherrlichung Gottes dient? Der Zweck heiligt die Mittel?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das sollte aber inzwischen Allgemeinwissen sein.
Hier bricht wieder mal das Dogmatische durch.
Dogmatisch wirds, wenn man die Erkenntnisse der Forschung aus ideologischen Gründen leugnet.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hier mal eine kurze, lesenwerte Jesusbeschreibung ohne Kitsch.
Bis auf einige reingerutschten Interpretationen beschreibt Kubitza hier das, was man den "historischen Jesus" nennen würde: Umfeld, Vita, Orte, etc. - Wenn es nicht darüber hinausgeht, ist es ok.
Genau so beschreibt ihn die Forschung.

"Jesus war (oder wurde durch Johannes) ein Vertreter eines apokalyptisch geprägten Judentums. Der
Kern seiner Botschaft war das unmittelbar bevorstehende Reich Gottes, das direkte Eingreifen Gottes
in den Lauf der Geschichte durch Aufrichtung einer nicht jenseitig gedachten, sondern einer irdischen
Königsherrschaft. Jesus rief wie der Täufer als Vorbereitung hierzu die Menschen zur Buße auf, er hat
aber offenbar nicht selbst getauft."

Kubitza, Der Dogmenwahn

Verstehst du jetzt, warum Gerd Theißen schreibt:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#724 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » Sa 15. Okt 2016, 18:31

Anton B. hat geschrieben:Das so zu erkennen und den Wissensanspruch damit einzugrenzen, ist doch sehr seriös!
Damit wäre ich ja schon zufrieden - genau so ist es. - Ich fordere doch keine Disziplin, die Wirklichkeits-Erkenntnis garantiert, sondern im Gegenteil die Einsicht, dass so etwas nicht möglich ist. - Aber dem wird dogmatisch wiedersprochen.

sven23 hat geschrieben:Wird eine Fälschung aus geistiger Sicht eine noble Tat?
Nein - aber die Veränderung einer Quelle wird nicht unbedingt zur Fälschung, wenn das Objekt nicht die Quelle, sondern der Quellen-Inhalt ist.

sven23 hat geschrieben:Dogmatisch wirds, wenn man die Erkenntnisse der Forschung aus ideologischen Gründen leugnet.
Das ist das Gegenstück dazu - auch das kommt vor.

sven23 hat geschrieben:Genau so beschreibt ihn die Forschung.
Moment - aber diese Zitate sind jetzt wieder mehr interpretations-orientiert.

sven23 hat geschrieben:Verstehst du jetzt, warum Gerd Theißen schreibt: „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Weil er eine historisch-kritische Stellungnahme abgeben will - aus Sicht der HKM ist dieser Satz sicherlich haltbar. - Aber es gibt genug Gründe dafür, dass es NICHT dem wirklichen Denken Jesu gerecht wird.

Benutzeravatar
Münek
Beiträge: 13072
Registriert: Di 7. Mai 2013, 21:36
Wohnort: Duisburg

#725 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von Münek » So 16. Okt 2016, 02:37

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Verstehst du jetzt, warum Gerd Theißen schreibt: „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Weil er eine historisch-kritische Stellungnahme abgeben will - aus Sicht der HKM ist dieser Satz sicherlich haltbar. - Aber es gibt genug Gründe dafür, dass es NICHT dem wirklichen Denken Jesu gerecht wird.
Du hast bisher nicht einen Grund anführen können, der einer näheren Prüfung standgehalten hätte. Nicht einen. Wenn es wirklich Gegengründe gäbe, wären diese von den Neutestamentlern selbstverständlich aufgegriffen und gewürdigt worden.

Dein Geschwurbel vom inneren Gottesreich, Paradigmenwechsel und "sie-verstanden-ihn-nicht-Gerede" kann man dagegen
beim besten Willen nicht ernst nehmen. Du kannst und willst Dich einfach nicht damit abfinden, dass sich Jesus
geirrt hat. Das ist der Punkt. Da liegen der Hund begraben und der Hase im Pfeffer.

Mehr ist nicht erkennbar.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#726 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » So 16. Okt 2016, 06:35

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Das so zu erkennen und den Wissensanspruch damit einzugrenzen, ist doch sehr seriös!
Damit wäre ich ja schon zufrieden - genau so ist es. - Ich fordere doch keine Disziplin, die Wirklichkeits-Erkenntnis garantiert, sondern im Gegenteil die Einsicht, dass so etwas nicht möglich ist. - Aber dem wird dogmatisch wiedersprochen.
Widersprochen wird nur deinem "Wirklichkeitsanspruch", denn Anton hat auch geschrieben:
"Solange Du Deine eigene -- vernünftig nicht zu rechtfertigende -- Position einer Vorstellung über die Wirklichkeit der Welt mit und vor Dir trägst, machen solche Diskussionen keinen Sinn."
Wo er recht hat, hat er recht.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wird eine Fälschung aus geistiger Sicht eine noble Tat?
Nein - aber die Veränderung einer Quelle wird nicht unbedingt zur Fälschung, wenn das Objekt nicht die Quelle, sondern der Quellen-Inhalt ist.
Wenn gefälscht wurde, dann immer in einer bestimmten Absicht. Im Falle der Trinität fand die Kirche keine Begründug in den Evangelien, so dass sie kurzerhand selbst "Beweise" hineinschrieb. Das an sich ist schon schlimm genug. Aber es auch heute noch zu leugnen oder zu ignorieren, ist extrem unredlich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau so beschreibt ihn die Forschung.
Moment - aber diese Zitate sind jetzt wieder mehr interpretations-orientiert.
Aber auf Grund der Quellenlage sauber herausgearbeitet.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Verstehst du jetzt, warum Gerd Theißen schreibt: „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Weil er eine historisch-kritische Stellungnahme abgeben will - aus Sicht der HKM ist dieser Satz sicherlich haltbar. - Aber es gibt genug Gründe dafür, dass es NICHT dem wirklichen Denken Jesu gerecht wird.
Es gibt keine wissenschaftlich belastbaren Gründe. Glaubensdogmatisch kann man eh alles behaupten, weil sich Glaubensdogmatik keiner wissenschaftlichen Methodik stellen muss.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#727 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » So 16. Okt 2016, 10:10

Münek hat geschrieben:Dein Geschwurbel vom inneren Gottesreich, Paradigmenwechsel und "sie-verstanden-ihn-nicht-Gerede" kann man dagegen beim besten Willen nicht ernst nehmen.
Das ist aber nun mal die geistige Grundlage des NT - JEDER halbwegs ordentlich ausgebildeter Theologe weiß, dass mit dem NT etwas ganz Neues kommt und dass die Leute mit offenem Maul dastanden, als Jesus zu ihnen sprach.

sven23 hat geschrieben:Widersprochen wird nur deinem "Wirklichkeitsanspruch", denn Anton hat auch geschrieben: ...
Aber nicht ICH habe doch einen Wirklichkeitsanspruch, sondern ich sage, dass es ihn gibt (völlig unabhängig von mir). - In anderen Worten: Ein Sven und ein Closs können noch so überzeugend ihre weltanschaulichen Schlussfolgerungen zum Besten geben - am Ende zählt, was der Fall ist.

Dies führt dazu, dass Anton immer wieder auf die Relativität von menschlichem "Wissen" hinweist. - Und führt dazu, dass ich immer wieder betone, dass auch "Wissen" eigentlich nur "GLaube" ist.

sven23 hat geschrieben:Im Falle der Trinität fand die Kirche keine Begründug in den Evangelien, so dass sie kurzerhand selbst "Beweise" hineinschrieb. Das an sich ist schon schlimm genug. Aber es auch heute noch zu leugnen oder zu ignorieren, ist extrem unredlich.
Klassischer Fall: Du stellst etwas schräg dar und bezeichnest diejenigen als unredlich, die sich den Kopf nicht verschrägen lassen.

Meinst Du ernsthaft, die Trinität war eine taktische Erfindung der Kirchenväter (bzw. vorherigen Textschreiber)? - Im Sinne von: "Das hat noch keiner - das vermarkten wir jetzt". ---???---

Nein, es war eine theologische Interpretation aus dem, was man unter "Jesus" verstand. - Und jetzt bist Du dran mit Deinen "Fälschungen". Richtig, da mögen dann Fälle dabei sein, in denen pro domo, also durchaus unredlich, nachgeholfen wurde. Es kann deneben AUCH sein, dass man die Schriften redlich im Sinne der eigenen Auffassung geändert hat ("Wir verstehen das so: ..."). - Vergiß nicht: Wir reden von einer Zeit, die so etwas wie historisch-kritische Verpflichtung nicht kannte. - "Fäschung" hat heute einen ganz anderen Zungenschlag als es damals hatte.

sven23 hat geschrieben:Aber auf Grund der Quellenlage sauber herausgearbeitet.
Natürlich belegt man es mit Zitaten - aber das tut die kanonische Exegese auch. - Zitate sind nichts anderes als wehrlose Selbstvergewisserungs-Instrumente - damit kann man so ziemlich alles machen, was man will - halt je nach Weltanschauung.

sven23 hat geschrieben:Es gibt keine wissenschaftlich belastbaren Gründe.
WENN Du nachliest, was Anton zum Thema "Wissenschaft" schreibt, UND: Wenn Du Wissenschaft in Deinem Sinne belässt, hast Du recht.

Wenn man allerdings Wissenschaft im weiteren Sinne als etwas versteht, mit dem Zusammenhänge professionell und methodisch aufgearbeitete werden, hast Du schon wieder unrecht. - Und wenn Du Wissenschafts-Aussagen als über das jeweilige Modell hinaus als verbindlich verstehen willst, hat Du auch unrecht.

Je nach dem, wie man es dreht, hast Du recht oder unrecht.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#728 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » So 16. Okt 2016, 12:00

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Dein Geschwurbel vom inneren Gottesreich, Paradigmenwechsel und "sie-verstanden-ihn-nicht-Gerede" kann man dagegen beim besten Willen nicht ernst nehmen.
Das ist aber nun mal die geistige Grundlage des NT - JEDER halbwegs ordentlich ausgebildeter Theologe weiß, dass mit dem NT etwas ganz Neues kommt und dass die Leute mit offenem Maul dastanden, als Jesus zu ihnen sprach.
Sooo neu war es nun auch nicht, bis auf die Thoraverschärfung und das nahe Gottesreich. Ansonsten bewegte er sich noch innerhalb der Grenzen der jüdischen Religion. Was man posthum daraus gemacht hat, ist eine ganz andere Geschichte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Widersprochen wird nur deinem "Wirklichkeitsanspruch", denn Anton hat auch geschrieben: ...
Aber nicht ICH habe doch einen Wirklichkeitsanspruch, sondern ich sage, dass es ihn gibt (völlig unabhängig von mir).
Und wer hat ihn dann?

closs hat geschrieben: Dies führt dazu, dass Anton immer wieder auf die Relativität von menschlichem "Wissen" hinweist. - Und führt dazu, dass ich immer wieder betone, dass auch "Wissen" eigentlich nur "GLaube" ist.
Wissen ist immer nur vorläufiges Wissen. Trotzdem sollte man den Unterschied zwischen Glauben und Wissen nicht verwässern, denn es gibt gravierende Unterschiede.

"In der Tradition sucht die Theologie ihr Heil. Anders die Wissenschaft: Sie hat ihren Siegeszug erst
angetreten und führt ihn fort, als sie sich eben von den Traditionen befreit hat, von denen sich viele
als Aberglaube erwiesen haben. Sie folgt nicht den Alten und kennt keine heiligen Schriften. Michael
Schmidt-Salomon hat dies treffend formuliert:
„Der Unterschied zwischen den Vertretern des Wissens und den Vertretern des Glaubens
besteht darin, dass Wissenschaftler wissen, dass sie nur etwas „glauben“ (= für „wahr“
halten), was heute zwar angemessen erscheint, morgen aber möglicherweise schon überholt
ist, während Gläubige glauben, etwas zu wissen, was auch morgen noch gültig sein wird,
obwohl es in der Regel schon heute widerlegt ist.“

Kubitza, Der Dogmenwahn


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Im Falle der Trinität fand die Kirche keine Begründug in den Evangelien, so dass sie kurzerhand selbst "Beweise" hineinschrieb. Das an sich ist schon schlimm genug. Aber es auch heute noch zu leugnen oder zu ignorieren, ist extrem unredlich.
Klassischer Fall: Du stellst etwas schräg dar und bezeichnest diejenigen als unredlich, die sich den Kopf nicht verschrägen lassen.
Was heißt schräg darstellen? Es ist der Stand der Forschung, dass die Kirche mit der die Trinität "bezeugenden" Textpassage das Johannesevangelium nachträglich gefälscht hat. Damit wollte man sich sozusagen apostolischen Segen für die Trinität erschleichen. Wenn du das noch nicht wußtest, dann weißt du es zumindest jetzt. :roll:

closs hat geschrieben: Meinst Du ernsthaft, die Trinität war eine taktische Erfindung der Kirchenväter (bzw. vorherigen Textschreiber)? - Im Sinne von: "Das hat noch keiner - das vermarkten wir jetzt". ---???---
Mit der Vergottung des Wanderpredigers trat ein Problem auf, nämlich die Aufweichung eines echten Monotheismus. Da mußten sie die Theologen was einfallen lassen und schreckten auch vor Fälschungen nicht zurück.

closs hat geschrieben: "Fäschung" hat heute einen ganz anderen Zungenschlag als es damals hatte.
Eine Fälschung bleibt eine Fälschung. Die Herrschaften waren sich ihrer Schandtat durchaus bewußt, sonst hätten sie die Textpassagen nicht ins Johannesevangelium hineingemogelt. Sie wollten den Eindruck erwecken, dass die Trinität apostolisch abgesegnet ist. Doch sie läßt sich weder aus den Evangelien ableiten, noch waren die Schreiber der Evangelien Apostel. Also alles in allem ein untauglicher Fälschungsversuch.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber auf Grund der Quellenlage sauber herausgearbeitet.
Natürlich belegt man es mit Zitaten - aber das tut die kanonische Exegese auch. - Zitate sind nichts anderes als wehrlose Selbstvergewisserungs-Instrumente - damit kann man so ziemlich alles machen, was man will - halt je nach Weltanschauung.
Kanonische Exegese betreibt aber keine historische Jesusforschung. Sei so gut und begreife das endlich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es gibt keine wissenschaftlich belastbaren Gründe.
WENN Du nachliest, was Anton zum Thema "Wissenschaft" schreibt, UND: Wenn Du Wissenschaft in Deinem Sinne belässt, hast Du recht.
.
Wir reden über die historische Jesusforschung. Da ist und bliebt die historisch-kritische Methode alternativlos.

"Professoren der Theologie, vor allem Dogmatiker, haben ein Identitätsproblem. Einerseits können
sie sich als Universitätsangehörige schlecht vom Anspruch auf Wissenschaftlichkeit verabschieden.
Täten sie es, wäre es so, als würden sie selbst die Tür öffnen, durch die man sie bitten würde, die
Universität zu verlassen. Andererseits aber wissen sie ganz genau, dass ihre „Wissenschaft“ nie die
hohen Hürden nehmen kann, die ein ebenso modernes wie erfolgreiches Wissenschaftsverständnis
aufstellt, und dass die Theologie also „aus Prinzip“ am modernen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit
scheitern muss."

Kubitza, Der Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#729 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von closs » So 16. Okt 2016, 14:07

sven23 hat geschrieben:Sooo neu war es nun auch nicht
Das, was Jesus gemeint hat, WAR neu. Du verstehst es jetzt so, wie es die Leute verstanden haben - als alttestamentarisch.

sven23 hat geschrieben:Und wer hat ihn dann?
Von den Menschen hat NIEMAND einen objektiven (Wissens-) Wahrheitsanspruch, wenn er "redlich" ist. Man hat ihn immer nur unter dem Vorbehalt des Glaubens: "Ich glaube, dass dieses oder jenes die Wahrheit ist".

sven23 hat geschrieben:Michael
Schmidt-Salomon hat dies treffend formuliert:„Der Unterschied zwischen den Vertretern des Wissens und den Vertretern des Glaubens
besteht darin, dass Wissenschaftler wissen, dass sie nur etwas „glauben“ (= für „wahr“ halten), was heute zwar angemessen erscheint, morgen aber möglicherweise schon überholt ist, während Gläubige glauben, etwas zu wissen".
Da ist was dran - es hat mit dem Unterschied zwischen induktiv und deduktiv zu tun. - Der eine sammelt Daten und rekrutiert daraus system-internes WIssen - der andere geht von einem Entwurf aus, den er begründet.

Schmidt-Salomon sagt es richtig, versteht sich aber möglicherweise selber nicht - denn: Wenn man bekennt, dass man glaubt, sagt man automatisch, dass man nicht weiss. - Gläubige sind sich einer Sache persönlich gewiss, wissen es aber nicht im Sinne eines kritisch-rationalen Nachweises (weil es gar nicht geht).

sven23 hat geschrieben:"obwohl es in der Regel schon heute widerlegt ist.“
Das ist der typische materialistische Stockfehler, den hier auch SChmitd-Salomon macht. Denn das kritisch-rationale Widerlegen findet auf einer ganz anderen Ebene statt - man kann eine Jungfrauengeburt nicht widerlegen.

sven23 hat geschrieben:Es ist der Stand der Forschung, dass die Kirche mit der die Trinität "bezeugenden" Textpassage das Johannesevangelium nachträglich gefälscht hat.
Möglich - aus welchen Gründen auch immer wurde hier verändert. - Aber das sagt doch nichts darüber aus, ob Trinität geistig plausibel ist oder nicht.

sven23 hat geschrieben:Mit der Vergottung des Wanderpredigers trat ein Problem auf, nämlich die Aufweichung eines echten Monotheismus. Da mußten sie die Theologen was einfallen lassen und schreckten auch vor Fälschungen nicht zurück.
Das sind alles so Verschwörungs-Theorien. - Wer weiß, was Trinität bedeutet, stellt sie nicht gegen den Monotheismus. - Aber: Es kann gut sein, dass da kirchlicherseite nachgeholfen wurde: "Die Leute verstehen es eh nicht, also machen wir es per order di mufti apostolisch - das ist NICHT gut, ändert aber am Gehalt der theologischen Frage nichts.

sven23 hat geschrieben:Eine Fälschung bleibt eine Fälschung.
Es sollte zu den Tugenden der HKM gehören, Dinge aus ihrer Zeit heraus zu bewerten. Das gilt für alle geschichtlichen Dinge.

sven23 hat geschrieben:Kanonische Exegese betreibt aber keine historische Jesusforschung.
Aber Exegese. - Wenn die HKM herausfindet, dass Jesus in der Jugendzeit vermutlich "da" wohnte - es damals Wanderprediger gab, als einer von denen Jesus galt - die Anzahl der 12 Apostel mit dem zusammenpasst, was andere Wanderprediger machten - Jesus vermutlich unter der Woche vegetarisch lebte - etc.: Dann ist das historische Jesusforschung, an der die kanonische Exegese nur am Rande interessiert ist.

Das heißt aber nicht, dass die kanonische Exegese in ihrem geistigen Ansatz nicht den "Jesus der Botschaft" in dessen historischen Einbettung untersucht: Was hat er mit dem Zitat x gemeint? - Wie ist dies zu verstehen im Kontext mit Abraham/der Genesis/Hiob oder sonstwas? - Was war das geistig Neue an Jesus, das mit dem Zitat y zum Ausdruck gebracht wird. - Das alles hat mit HKM nichts zu tun.

sven23 hat geschrieben:Kubitza, Der Dogmenwahn
Das ist Verschwörungsgeschwätz von Kubitza. - Systematische Theologen verstehen sich selbstverständlich als Wissenschaftler - nur eben nicht unter säkular-kritisch-rationaler Flagge.

Hätte Kubitza recht, müsste man jegliche Literaturwissenschaft aus den Unis verbannen - dann gäbe es dort noch Linguistik und eine HKM für Literatur ("Wo war Mozart, als er seinen Türkischen Marsch komponiert hat"/etc.). - Was Literatur inhaltlich bedeutet, müsste dann außerhalb der Uni thematisiert werden.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#730 Re: Alles Teufelszeug? IV

Beitrag von sven23 » So 16. Okt 2016, 16:01

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sooo neu war es nun auch nicht
Das, was Jesus gemeint hat, WAR neu. Du verstehst es jetzt so, wie es die Leute verstanden haben - als alttestamentarisch.
Unsinn, die Forschung weiss das sehr präzise zu unterscheiden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und wer hat ihn dann?
Von den Menschen hat NIEMAND einen objektiven (Wissens-) Wahrheitsanspruch, wenn er "redlich" ist. Man hat ihn immer nur unter dem Vorbehalt des Glaubens: "Ich glaube, dass dieses oder jenes die Wahrheit ist".
Die Kirche hatte sogar einen absoluten Wahrheitsanspruch, den sie auch gegen Andersgläubige oft mit brutaler Gewalt durchsetzte. Der Wahrheitsanspruch ist sogar das größte Problem vieler Religionen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Michael
Schmidt-Salomon hat dies treffend formuliert:„Der Unterschied zwischen den Vertretern des Wissens und den Vertretern des Glaubens
besteht darin, dass Wissenschaftler wissen, dass sie nur etwas „glauben“ (= für „wahr“ halten), was heute zwar angemessen erscheint, morgen aber möglicherweise schon überholt ist, während Gläubige glauben, etwas zu wissen".
Da ist was dran - es hat mit dem Unterschied zwischen induktiv und deduktiv zu tun. - Der eine sammelt Daten und rekrutiert daraus system-internes WIssen - der andere geht von einem Entwurf aus, den er begründet.
Schmidt-Salomon sagt es richtig, versteht sich aber möglicherweise selber nicht - denn: Wenn man bekennt, dass man glaubt, sagt man automatisch, dass man nicht weiss. - Gläubige sind sich einer Sache persönlich gewiss, wissen es aber nicht im Sinne eines kritisch-rationalen Nachweises (weil es gar nicht geht).
Eigentlich wollen Kubitza und Schmidt-Salomon auf was anderes hinaus. Glaube/Dogmatik erstarrt in der Tradition. Wissenschaft dagegen erfuhr ihren Aufschwung, als sie sich von ihren oft falschen Traditionen trennte. Das ist der Unterschied.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"obwohl es in der Regel schon heute widerlegt ist.“
Das ist der typische materialistische Stockfehler, den hier auch SChmitd-Salomon macht. Denn das kritisch-rationale Widerlegen findet auf einer ganz anderen Ebene statt - man kann eine Jungfrauengeburt nicht widerlegen.
Woher wollen zölibatäre Männer nach fast 2000 Jahren wissen, dass das Hymen Marias weder bei Zeugung noch bei der Geburt gerissen ist?

"Auch von ihrer Jungfrauenschaft wusste Maria, die Ehefrau und gestandene Mutter von mindestens
sieben Kindern, damals noch nichts. Noch für Paulus, der eine natürliche Geburt Jesu voraussetzt
(Gal 4,4) war Maria keine Jungfrau, und auch das Markusevangelium kennt diesen Gedanken noch
nicht. Er hat sich eingetragen einerseits aus antiken heidnischen Parallelen und andererseits aus einem
Übersetzungsfehler der Septuaginta, dem griechischen Alten Testament, wo in Jes 7,14 eine junge
Frau (hebr. Almah) fälschlich zu einer Jungfrau (gr. Parthenos) gemacht wird. Bedenkt man, wie vor
allem der Katholizismus auch dogmatisch mit der Jungfräulichkeit Mariens hausieren geht, mag man
erahnen, wie auch in anderen Bereichen der Dogmatik theologisch aufgeblasene Vorstellungen sich
nicht von der historischen Wirklichkeit beeindrucken lassen. Für die Forschung sind solche
Vorstellungen jedoch leicht durchschaubar. Und auch dass die „Schriftbeweise“, die vor allem der
Evangelist Matthäus häufig bringt, oft vorne und hinten nicht passen, ist den Neutestamentlern
hinlänglich bekannt."


Die katholische Marialogie hat schon peinliche Züge.


"Viele Juden sind umgebracht worden, weil sie nicht an die Jungfrauengeburt glauben konnten. Und ich kann das auch nicht."

(Prof. Dr. Uta Ranke-Heinemann am 15.4.1987 im Marienwallfahrtsort Kevelaer gegenüber dem WDR. Drei Monate später entzog ihr der Essener Bischof Franz Hengsbach daraufhin die Lehrerlaubnis für Katholische Theologie)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist der Stand der Forschung, dass die Kirche mit der die Trinität "bezeugenden" Textpassage das Johannesevangelium nachträglich gefälscht hat.
Möglich - aus welchen Gründen auch immer wurde hier verändert. - Aber das sagt doch nichts darüber aus, ob Trinität geistig plausibel ist oder nicht.
"Geistig" kann man sich alles mögliche ausdenken, was man an hunderten von Religionen und Tausenden von Göttern sieht. Es geht darum, ob sich Trinität aus der Bibel begründen läßt. Das haben ja auch viele Kirchenführer in der Anfangszeit energisch bestritten. Wohl deshalb auch die Fälschungen, um eine Legitimation in der Hand zu haben. Redlich ist das nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Mit der Vergottung des Wanderpredigers trat ein Problem auf, nämlich die Aufweichung eines echten Monotheismus. Da mußten sie die Theologen was einfallen lassen und schreckten auch vor Fälschungen nicht zurück.
Das sind alles so Verschwörungs-Theorien. -
Das hat überhaupt nichts mit Verschwörungstheorien zu tun, sondern sind nüchterne Ergebnisse der Forschung. Deshalb gab es ja den Streit im die Trinität.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eine Fälschung bleibt eine Fälschung.
Es sollte zu den Tugenden der HKM gehören, Dinge aus ihrer Zeit heraus zu bewerten. Das gilt für alle geschichtlichen Dinge.
Es ist eine Legende, dass es in der Antike üblich gewesen sei, Texte eines (bekannten) Verfassers nach Gutdünken zu verfälschen. Es gab durchaus einen Respekt vor dem geistigen Werk. Dazu empfehle ich die profunden Ausführungen von Gerd Lüdemann zu diesem Thema.
Wenn Texte der Evangelien gefälscht wurden, dann immer in der Absicht, eine eigene Theologie durchzusetzen und sich dabei apostolischer Autorität zu bedienen. Dass die Schreiber der Evangelien überhaupt keine Apostel waren, wußte man damals sicher noch nicht unter den Gläubigen.
Die Kirche wußte es wohl, denn sie hatte den unbekannten Schreibern Apostelnamen gegeben, um den Eindruck zu erwecken, es handele sich um Augen- und Ohrenzeugen. Also eine doppelte Unredlichkeit.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanonische Exegese betreibt aber keine historische Jesusforschung.
Aber Exegese. - Wenn die HKM herausfindet, dass Jesus in der Jugendzeit vermutlich "da" wohnte - es damals Wanderprediger gab, als einer von denen Jesus galt - die Anzahl der 12 Apostel mit dem zusammenpasst, was andere Wanderprediger machten - Jesus vermutlich unter der Woche vegetarisch lebte - etc.: Dann ist das historische Jesusforschung, an der die kanonische Exegese nur am Rande interessiert ist.

Das heißt aber nicht, dass die kanonische Exegese in ihrem geistigen Ansatz nicht den "Jesus der Botschaft" in dessen historischen Einbettung untersucht: Was hat er mit dem Zitat x gemeint? - Wie ist dies zu verstehen im Kontext mit Abraham/der Genesis/Hiob oder sonstwas? - Was war das geistig Neue an Jesus, das mit dem Zitat y zum Ausdruck gebracht wird. - Das alles hat mit HKM nichts zu tun.
Ich glaube, du hast immer noch nicht verstanden, was die Forchung eigentlich macht. :roll:
Wenn sich Jesus auf das AT bezieht, wird das selbstverständlich analysiert. Wo hast du nur dein "Wissen" her? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kubitza, Der Dogmenwahn
Das ist Verschwörungsgeschwätz von Kubitza. - Systematische Theologen verstehen sich selbstverständlich als Wissenschaftler - nur eben nicht unter säkular-kritisch-rationaler Flagge.
Hätte Kubitza recht, müsste man jegliche Literaturwissenschaft aus den Unis verbannen - dann gäbe es dort noch Linguistik und eine HKM für Literatur ("Wo war Mozart, als er seinen Türkischen Marsch komponiert hat"/etc.). - Was Literatur inhaltlich bedeutet, müsste dann außerhalb der Uni thematisiert werden.
Was bliebe an den Universitäten noch übrig, wenn man die historisch-kritischen entfernen würde? Genau, die Dogmatiker, die peinliche Verwandtschaft der wissenschaftlich arbeitenden Forschung. Man könnte dann auch Koranschulen an den Unis etablieren, eine wirklich peinliche Vorstellung.
Zuletzt geändert von sven23 am So 16. Okt 2016, 16:53, insgesamt 1-mal geändert.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Gesperrt