Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
closs
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#841 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 15. Okt 2016, 08:58

Münek hat geschrieben:Das hat die Kirche aber über viele Jahrhunderte gaaanz anders gesehen.
Stimmt - das hat sich erst nach und nach getrennt. - Übrigens durch christliche Wissenschaftler, die sich gegen die Trägheit von Rom durchsetzen mussten - das dauert halt.

Münek hat geschrieben:Doch doch. Das Dogma der Jungfrauengeburt beispielsweise beruht zweifelsfrei auf entsprechenden Berichten in den Geburtsgeschichten der Evangelisten Lukas und Matthäus.
Ein Dogma entsteht nicht aufgrund von Quellengeschichte, sondern aus fundametal-theologischen Gründen - konkret: Dieses Dogma sagt nicht aus, wo etwas direkt oder danach gesagt wurde, sondern dass die Jungfrauengeburt ein historischer Vorgang ist.

Münek hat geschrieben:Erstens ist das Unsinn - und zweitens hat Berger nicht über "ungebührliche Ein- und Übergriffe" der Exegeten gewettert, sondern sich im Gegenteil darüber beklagt, dass sich Exegeten viel zu sehr zurückhalten
1) Das ist nicht Unsinn, sondern Alltag.
2) Ob man beklagt, dass Exegese zu viel materialistisch wertet oder zu wenig christlich wertet, ist ziemlich dasselbe. Es ist dasselbe damit gemeint.

Münek hat geschrieben:Einmischung in geistige Kontexte wird der Exegese weder von Ratzinger noch von Berger - sondern nur von unserem Groß-Theologen Kurt vorgeworfen.
Damit würdest Du deren geharnischte Vorwürfe aber ziemlich verharmlosen. - Du klingst gerade so, als würden sich die beiden aufregen, weil die HKM rein sachlich arbeitet. :lol:

Münek hat geschrieben:Du meinst sicher: Öffnung in die "Glaubensdogmatik à la Katholizismus".
Nein - ins Geistige. In die Möglichkeit, dass es Gott real und nicht nur als "Fantasie" gibt.

Natürlich würde man einem Theißen keinen Atheismus vorwerfen - aber es gibt nun mal diesen Zwiespalt zwischen kritischem Rationalismus, dem die HKM unterliegt, und dem Geistigen, das man mit dem kritischen Rationalismus nicht erreichen kann.

Münek hat geschrieben:Tatsächlich spielt sie nach Ratzinger eine dermaßen herausragende Rolle, dass er in seinem Jesusbuch nicht umhin kommt zu erklären, der christliche Glauben MÜSSE sich der historisch-kritischen Methode AUSSETZEN.
Zustimmung - dagegen spreche ich doch nicht.

Münek hat geschrieben:Welches Dogma ist denn bisher substanziell weiterentwickelt worden?
Ich versuche mal einen Artikel zu finden, den wir vor längerer Zeit hatten - da erklärt ein Theologe, was eigentlich ein Dogma ist - auch den Unterschied zwischen Dogmen-Formulierung und Inhalt, auf dem eine Formulierung beruht.

Pluto
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#842 Re: Theodizee

Beitrag von Pluto » Sa 15. Okt 2016, 09:50

closs hat geschrieben:Übrigens durch christliche Wissenschaftler, die sich gegen die Trägheit von Rom durchsetzen mussten - das dauert halt.
Ein christlicher Wissenschaftler ist ein Oxymoron.
Es gibt Christen, die Wissenschaftler sind, aber auch sie müssen ergebnisoffen forschen und dürfen nicht die Existenz Gottes voraussetzen, sonst betreiben sie nicht Wissenschaft.

closs hat geschrieben:Ein Dogma entsteht nicht aufgrund von Quellengeschichte, sondern aus fundametal-theologischen Gründen
Genau das is das Problem.
closs hat geschrieben:Dieses Dogma sagt nicht aus, wo etwas direkt oder danach gesagt wurde, sondern dass die Jungfrauengeburt ein historischer Vorgang ist.
Wenn man es hinterfragt, ist so etwas ausgeschlossen.
Dogma bedeutet: "Du sollst nicht denken, sondern glauben."

closs hat geschrieben:In die Möglichkeit, dass es Gott real und nicht nur als "Fantasie" gibt.
Das ist zu wenig in die Tiefe gedacht. Ganz auaschließen kann man die Existenz Gottes nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass er existiert ist minimal.

closs hat geschrieben:Natürlich würde man einem Theißen keinen Atheismus vorwerfen - aber es gibt nun mal diesen Zwiespalt zwischen kritischem Rationalismus, dem die HKM unterliegt, und dem Geistigen, das man mit dem kritischen Rationalismus nicht erreichen kann.
Ist es vielleicht wieder ein Fall von, "Was nicht sein darf, kann auc hicht sein"?
Möglicherweise ist das darauf zurückzuführen, dass der geistlich Denkende zu flach oder zu wenig weit denkt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#843 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 15. Okt 2016, 10:25

Pluto hat geschrieben:Ein christlicher Wissenschaftler ist ein Oxymoron.
Aber nur dann, wenn man "Wissenschaft" pysikalistisch definiert. - Demnach müssten alle geisteswissenschaftlichen Institute dicht machen.

Pluto hat geschrieben:Es gibt Christen, die Wissenschaftler sind, aber auch sie müssen ergebnisoffen forschen und dürfen nicht die Existenz Gottes voraussetzen, sonst betreiben sie nicht Wissenschaft.
Denkfehler:
BEIDE, Agnostiker und Christ, müssten BEIDES durchspielen:
Wie ist Stelle x zu interpretieren,
a) wenn es Gott gibt
b) wenn es Gott NICHT gibt
Die Interpretationen wäre UNTERSCHIEDLICH.

Pluto hat geschrieben:Dogma bedeutet: "Du sollst nicht denken, sondern glauben."
Nein - Du legst damit das vulgär-gesellschaftliche Verständnis von "Dogma" zugrunde.

Pluto hat geschrieben: Ganz auaschließen kann man die Existenz Gottes nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass er existiert ist minimal.
Aus materialistischer Sicht. - Aus Sicht der Theologie ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gott NICHT existiert, minimal. - Das hat etwas mit den unterschiedlichen Perspektiven zu tun, die untereinander kaum kompatibel sind.

Pluto hat geschrieben:Ist es vielleicht wieder ein Fall von, "Was nicht sein darf, kann auc hicht sein"?
Auch das gilt für beide Seiten - beide Seiten schließen mit einer Wahrscheinlichkeit nahe 1 aus, dass das nicht ist, was dem widerspricht, was sie sehen.

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#844 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Sa 15. Okt 2016, 10:29

Pluto hat geschrieben:Dogma bedeutet: "Du sollst nicht denken, sondern glauben."
Ist zwar typisch Kirche oder Judentum - passt wohl auf viele Religionen, die wohl nicht flexibel sein können, aber die Bibel zeigt keine Dogmen auf, es sei denn, man sieht sie in den Ge- oder Verboten. Sie verbietet aber das Hinterfragen nicht.


Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:In die Möglichkeit, dass es Gott real und nicht nur als "Fantasie" gibt.
Das ist zu wenig in die Tiefe gedacht. Ganz auaschließen kann man die Existenz Gottes nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass er existiert ist minimal.
Wissenschaftlich betrachtet wird Gottes Existenz ausgeschlossen, und es gibt keine Wahrscheinlichkeit einer minimalen Existenz. Dies würde einer Ergebnisoffenheit widersprechen!


Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Natürlich würde man einem Theißen keinen Atheismus vorwerfen - aber es gibt nun mal diesen Zwiespalt zwischen kritischem Rationalismus, dem die HKM unterliegt, und dem Geistigen, das man mit dem kritischen Rationalismus nicht erreichen kann.
Ist es vielleicht wieder ein Fall von, "Was nicht sein darf, kann auc hicht sein"?
Möglicherweise ist das darauf zurückzuführen, dass der geistlich Denkende zu flach oder zu wenig weit denkt.
Würde ich nicht sagen. Er bleibt zwar im Umkreis seines Denkens gefangen, bezieht aber dennoch neue Erkenntnisse mit ein - vorsichtig, um den Glauben nicht zu verwässern. Der Wissenschaftler verliert sich in eine Richtung, die zielgerichtet in die Ferne geht.

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#845 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 15. Okt 2016, 12:01

Ska'ara hat geschrieben: Er bleibt zwar im Umkreis seines Denkens gefangen, bezieht aber dennoch neue Erkenntnisse mit ein
Hier wäre zu fragen: "Was ist eigentlich 'Glaube'?". - Denn die semantische Reichweite reicht von "Ich glaube, weil ich per Vernunft weiss, dass Vernunft ihre Grenzen hat" (so versteht es Kant) bis "Ich glaube, mein Schwein pfeift" - also ganz Unterschiedliches.

Es ist ein Missverständnis, dass heute "Glaube" als Gegenspieler von "Vernunft" verstanden wird - ein Irrweg.

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#846 Re: Theodizee

Beitrag von Münek » Sa 15. Okt 2016, 12:11

:roll:
closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Doch doch. Das Dogma der Jungfrauengeburt beispielsweise beruht zweifelsfrei auf entsprechenden Berichten in den Geburtsgeschichten der Evangelisten Lukas und Matthäus.
Ein Dogma entsteht nicht aufgrund von Quellengeschichte, sondern aus fundametal-theologischen Gründen.
Falsch! Die wesentliche Grundlage der altchristlichen Glaubensbekenntnisse war für die Kirchenväter die "Heilige Schrift". Daraus folgt, dass die Vorstellung einer Jungfrauengeburt OHNE die Geburtsgeschichten der Evangelisten Lukas und Matthäus NIEMALS entwickelt wor-
den wäre.

Für die Aufnahme ins Glaubensbekenntnis wird es zusätzlich eine große Rolle gespielt haben, dass Matthäus die Jungfrauengeburt ausdrücklich als die Erfüllung einer alttestamentlichen Prophezeiung darstellte.


Wenn es sich aber bei den Geburtserzählungen lediglich um unhistorische erbauliche Legenden handelt, ist konsequenterweise dem altkirchlichen Dogma der Jungfrauengeburt damit die biblische Grundlage entzogen. Es müsste aufgehoben und das Glaubensbekennt-
nis geändert werden.

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#847 Re: Theodizee

Beitrag von Hemul » Sa 15. Okt 2016, 12:30

closs hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben: Er bleibt zwar im Umkreis seines Denkens gefangen, bezieht aber dennoch neue Erkenntnisse mit ein
Hier wäre zu fragen: "Was ist eigentlich 'Glaube'?".
In Hebräer 11:1 werden sie geholfen:
Was Glaube ist
1 Was ist also der Glaube? Er ist die Grundlage unserer Hoffnung, ein Überführtsein von Wirklichkeiten, die man nicht sieht.
:wave:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#848 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 15. Okt 2016, 13:07

Münek hat geschrieben:Falsch! Die wesentliche Grundlage der altchristlichen Glaubensbekenntnisse war für die Kirchenväter die "Heilige Schrift".
Wieso "falsch"? Natürlich sind Dogmen Folge von Exegese. Aber ihre Begründung ist nicht historisch-kritischer, sondern fundamental-theologischer Natur.

Münek hat geschrieben:Wenn es sich aber bei den Geburtserzählungen lediglich um unhistorische erbauliche Legenden handelt, ist konsequenterweise dem altkirchlichen Dogma der Jungfrauengeburt damit die biblische Grundlage entzogen.
Nein - ist es nicht. - Denn es ist damit nicht gesagt, ob diese Darstellungen dem, was wirklich passiert ist, gerecht werden oder nicht. - Umgekehrt: Selbst wenn Jesus 5 Mal am Tag und in ältesten Quellen dokumentiertbar gesagt hätte "Ich wurde jungfräulich geboren", wäre auch da die Frage, ob es wirklich passiert ist.

Hemul hat geschrieben:In Hebräer 11:1 werden sie geholfen:

Was Glaube ist
1 Was ist also der Glaube? Er ist die Grundlage unserer Hoffnung, ein Überführtsein von Wirklichkeiten, die man nicht sieht.
Das ist eine gute Definition. :thumbup: - Sind wir uns einig, dass ein Agnostiker etwas anderes unter "Glaube" versteht, wenn er dieses Wort in den Mund nimmt?

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#849 Re: Theodizee

Beitrag von Hemul » Sa 15. Okt 2016, 13:48

closs hat geschrieben:
Hemul hat geschrieben:In Hebräer 11:1 werden sie geholfen:
Was Glaube ist
1 Was ist also der Glaube? Er ist die Grundlage unserer Hoffnung, ein Überführtsein von Wirklichkeiten, die man nicht sieht.
Das ist eine gute Definition. :thumbup: - Sind wir uns einig, dass ein Agnostiker etwas anderes unter "Glaube" versteht, wenn er dieses Wort in den Mund nimmt?
Pluto-Pluto bitte kommen. Hier wird ein Experte benötigt.:wave:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#850 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Sa 15. Okt 2016, 16:07

closs hat geschrieben:
Ska'ara hat geschrieben: Er bleibt zwar im Umkreis seines Denkens gefangen, bezieht aber dennoch neue Erkenntnisse mit ein
Hier wäre zu fragen: "Was ist eigentlich 'Glaube'?".
Glaube ist eine sichere Annahme, dass dies, was man zu wissen glaubt, auch geschehen wird. Das, was der Gläubige sucht, wird durch seine bestätigte Hoffnung Wirklichkeit.


Es ist ein Missverständnis, dass heute "Glaube" als Gegenspieler von "Vernunft" verstanden wird - ein Irrweg.
Begründeter Glaube ist absolut nicht unvernünftig - nur die Gründe wirken in den Augen der Vernünftigen zu schwammig und unfassbar.

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