Theodizee

Rund um Bibel und Glaube
SilverBullet
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#631 Re: Theodizee

Beitrag von SilverBullet » Fr 30. Sep 2016, 17:47

Ska'ara hat geschrieben:In die Vergangenheit kannst du sehen und sie beurteilen?
Was Leid angeht, hast du die Lage bzgl. Vergangenheit und Gegenwart nicht abgestritten, also kannst du genauso „weit“ in diese Richtung sehen.

Ska'ara hat geschrieben:Hättest du verzichtet und dich gegen Leben, Bewegung, Zeit und Entwicklung entschieden?
Klar, warum auch nicht?

„Wem“ würde ich den „was“ beweisen, wenn ich als „super mächtiger Zampano“ kleine „Lebewesen“ entstehen lassen würde und ein übles Versteckspiel mit Regeln aufführe, nur um den „gequälten Pimpfen“ beim lustigen Sich-Winden zuzusehen und Strichlistenkonten aufzustellen?

Wenn ich so etwas gemacht hätte, dann würde ich hoffen, dass es mich nicht gibt :-)

Ska'ara hat geschrieben:Hättest du alles automatisiert?
Was stellst du dir vor, was du bist?

Ska'ara hat geschrieben:Nein, denn auch ohne Religion gäbe es Gewalt und Leid, vielleicht sogar noch mehr
Du denkst also gesteinigte, verbrannte, geköpfte, geschlagene und „wer weiss was noch alles“ Menschen, denen diese Sonderbehandlung aus religiöser Motivation widerfahren ist, stellen kein zusätzliches Leid dar?

Diese Sonderbehandlung ist explizit in den „religiösen Handbüchern“ formuliert.

Dein Ansatz, dass Religion eine Art „Homöopathie“ sei, die ein sowieso schon vorhandenes Leid abschwächen würde, funktioniert nicht im Spannungsverhältnis aus „Schöpfungsverdacht“ und „Theodizee“.

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Ska'ara
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#632 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Fr 30. Sep 2016, 19:43

SilverBullet hat geschrieben: „Wem“ würde ich den „was“ beweisen, wenn ich als „super mächtiger Zampano“ kleine „Lebewesen“ entstehen lassen würde und ein übles Versteckspiel mit Regeln aufführe, nur um den „gequälten Pimpfen“ beim lustigen Sich-Winden zuzusehen und Strichlistenkonten aufzustellen?

Wenn ich so etwas gemacht hätte, dann würde ich hoffen, dass es mich nicht gibt :-)
Nachvollziehbar. Dennoch schuf dieser Gott nur die Wahlmöglichkeit. Auch wir sehen dem Sich-winden zu, überall in der Natur und auch bei Menschen.


Ska'ara hat geschrieben:Nein, denn auch ohne Religion gäbe es Gewalt und Leid, vielleicht sogar noch mehr
Du denkst also gesteinigte, verbrannte, geköpfte, geschlagene und „wer weiss was noch alles“ Menschen, denen diese Sonderbehandlung aus religiöser Motivation widerfahren ist, stellen kein zusätzliches Leid dar?
Die Bessergestellten benutzten die Angst der Menschen, um dieses Leid auf religiöser Basis umzusetzen. Heute schafft man es auch ohne Religion.


Dein Ansatz, dass Religion eine Art „Homöopathie“ sei, die ein sowieso schon vorhandenes Leid abschwächen würde, funktioniert nicht im Spannungsverhältnis aus „Schöpfungsverdacht“ und „Theodizee“.
Nicht abschwächen, es gibt immer Gründe für Leid oder Gewalt. Gott ist schuldig, weil wir schuldig sind? Oder sind wir unschuldig, weil Gott schuldig ist?

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Ska'ara
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#633 Re: Theodizee

Beitrag von Ska'ara » Fr 30. Sep 2016, 19:53

sven23 hat geschrieben:Leid bleibt Leid. Das bizarre an der ganzen Sache ist doch, dass Hardcore-Gläubige diesem grausamen und despotischen AT-Gott zubilligen, nicht-Gläubigen Leid zuzufügen. Oft sogar mit einer gewissen Genugtuung nach dem Motto: selber schuld, sie waren ja gewarnt worden.
Stimmt, die Gläubigen sind also deine Feinde, weil sie einen bösen Gott anbeten. Gott selbst ist dir egal.

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sven23
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#634 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Fr 30. Sep 2016, 21:13

Ska'ara hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Leid bleibt Leid. Das bizarre an der ganzen Sache ist doch, dass Hardcore-Gläubige diesem grausamen und despotischen AT-Gott zubilligen, nicht-Gläubigen Leid zuzufügen. Oft sogar mit einer gewissen Genugtuung nach dem Motto: selber schuld, sie waren ja gewarnt worden.
Stimmt, die Gläubigen sind also deine Feinde, weil sie einen bösen Gott anbeten. Gott selbst ist dir egal.
Feinde wären sie dann, wenn sie meine Freiheit einschränken, indem sie mich zu ihrem "rechten" Glauben zwingen wollen, wie das zu Zeiten der Inquisition der Fall war oder heute noch im radikalen Islam der Fall ist.
Gott ist in allen Religionen eine Projektionsfläche. Das heißt, nicht Gott hat den Menschen erschaffen, sonder der Mensch hat sich Götter erschaffen. Sie existieren nur in seinem Kopf.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#635 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 30. Sep 2016, 21:13

sven23 hat geschrieben:das AT kann genau so wie das NT sachlich und objektiv bewertet werden.
Ähm - ja. - Wer hat dies bestritten? - Meine Aussage ging ganz woanders hin - ins geistig gesamt-kanonische Verständnis der Bibel.

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#636 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Fr 30. Sep 2016, 21:20

sven23 hat geschrieben:Das bizarre an der ganzen Sache ist doch, dass Hardcore-Gläubige diesem grausamen und despotischen AT-Gott zubilligen, nicht-Gläubigen Leid zuzufügen.
Es gibt in der Heilsgeschichte der Gläubigen einige bizarren Sachen - das gehört dazu, bis man "erkennt, wie man selber erkannt ist". - Daran lässt sich Gott nicht messen.

SilverBullet hat geschrieben: gesteinigte, verbrannte, geköpfte, geschlagene und „wer weiss was noch alles“ Menschen, denen diese Sonderbehandlung aus religiöser Motivation widerfahren ist, stellen kein zusätzliches Leid dar?
Da müsste man jetzt Begriffe wie "Fügung", etc. einführen - und dann würde gar nichts mehr gehen. :lol:

Die Theodizee-Frage lässt sich beantworten, wenn man sie aus der Tiefe beantwortet - es macht aber k(aum)einen Sinn darüber zu sehen, weil es mit Wahrscheinlichkeit nahe 1 kein Einvernehmen geben würde, was "Tiefe" ist.- - Es würde also alles gleich am Anfang stecken bleiben.

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#637 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Fr 30. Sep 2016, 21:26

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:das AT kann genau so wie das NT sachlich und objektiv bewertet werden.
Ähm - ja. - Wer hat dies bestritten? - Meine Aussage ging ganz woanders hin - ins geistig gesamt-kanonische Verständnis der Bibel.
Genau dieses "gasamt-kanonische" ist eine Kunstprodukt, das von den Schreibern so nie geplant war. Es ist eine nachträgliche Vergewaltigung. Man denke nur an Ratzingers "heilig, heilig, heilig".
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#638 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Fr 30. Sep 2016, 21:30

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das bizarre an der ganzen Sache ist doch, dass Hardcore-Gläubige diesem grausamen und despotischen AT-Gott zubilligen, nicht-Gläubigen Leid zuzufügen.
Es gibt in der Heilsgeschichte der Gläubigen einige bizarren Sachen - das gehört dazu, bis man "erkennt, wie man selber erkannt ist". - Daran lässt sich Gott nicht messen.
Das Theodizee Problem ergibt sich ja nur für Gläubige. Es ist der nicht auflösbare Widerspruch zwischen einem angeblich liebenden und gütigen Gott und dem Leid in der Welt.
Heilsgeschichte ist keine Antwort auf diese Frage, zumal sich die sog. Heilsgeschichte selbst zu einer Unheilsgeschichte entwickelt hat.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#639 Re: Theodizee

Beitrag von closs » Sa 1. Okt 2016, 00:54

sven23 hat geschrieben:Es ist der nicht auflösbare Widerspruch zwischen einem angeblich liebenden und gütigen Gott und dem Leid in der Welt.
Wer sagt, dass dies nicht auflösbar ist?

sven23 hat geschrieben:Heilsgeschichte ist keine Antwort auf diese Frage, zumal sich die sog. Heilsgeschichte selbst zu einer Unheilsgeschichte entwickelt hat.
Das Unheil ist Teil der Heilsgeschichte - und Heilsgeschichte ist selbst eh keine Antwort, sondern in ihr erwachsen mit wachsender Erkenntnis Antworten.

sven23 hat geschrieben:Genau dieses "gasamt-kanonische" ist eine Kunstprodukt, das von den Schreibern so nie geplant war.
Natürlich war es von den Schreibern nie so geplant - also ob der Schreiber des Buches "Richter" sich gedacht hätte: "Welch eine Ehre - ich schreibe am Kanon". :lol:

Aber das ist doch auch nicht mit gesamt-kanonisch gemeint.

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#640 Re: Theodizee

Beitrag von sven23 » Sa 1. Okt 2016, 06:50

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist der nicht auflösbare Widerspruch zwischen einem angeblich liebenden und gütigen Gott und dem Leid in der Welt.
Wer sagt, dass dies nicht auflösbar ist?
Weil es noch keinem Theologen gelungen ist, dies aufzulösen. Mit Auflösen meine ich nicht "mit Ausreden" bemänteln, sondern eine in sich schlüssige Argumentation.

"Theodizee lautet der Fachbegriff, wenn man so fragt: Er meint die Rechtfertigung Gottes
angesichts des Leids in der Welt. Und er trifft die christliche Religion verschärft, denn der christliche
Gott wird ja als Gott der Liebe weltweit verkündigt. Das Theodizeeproblem ist ein Teil der
klassischen Gotteslehre, es entspringt aus der Lehre von den göttlichen Eigenschaften. Theologen sind
gezwungen, sich damit zu beschäftigen. Denn Gott gilt traditionell als allmächtig und allgütig. Beides
geht schwer zusammen. Denn wenn er allgütig ist: Warum greift er nicht ein, wenn Menschen sich
unverschuldet in auswegloser Not befinden? Kann er aber nicht eingreifen, wäre er nicht allmächtig.
Das Theodizeeproblem ist der schwerste Brocken, den die Theologie zu schleppen hat. Denn einen
Gott kann man behaupten und an eine Trinität kann man glauben, aber einen angeblich liebenden Gott
mit all dem großen und kleinen Leid in Verbindung zu bringen – hier stoßen selbst um Erklärungen nie
verlegene Theologen an ihre Grenzen. Und nicht wenige geben unumwunden zu, dass sie keine Lösung
vorweisen können.
Dabei hat es an Versuchen zu einer Lösung wahrlich nicht gefehlt. Doch keine konnte befriedigen.
Schon alt sind die Versuche, all das Böse auf der Welt dem Teufel zuzuschreiben, der die guten
Absichten Gottes immer wieder stört. Auf diese Weise behält Gott zwar seine weiße Weste, aber
verliert auch seine Souveränität. Und das Problem, warum er das Böse nicht einfach verhindert,
bleibt bestehen. Teufelslösungen waren in der Kirche zudem immer auch gefährlich, denn der Schritt
hin zu einer völlig dualistischen Weltsicht war immer eine Gefahr."

Kubitza, Der Dogmenwahn

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Heilsgeschichte ist keine Antwort auf diese Frage, zumal sich die sog. Heilsgeschichte selbst zu einer Unheilsgeschichte entwickelt hat.
Das Unheil ist Teil der Heilsgeschichte - und Heilsgeschichte ist selbst eh keine Antwort, sondern in ihr erwachsen mit wachsender Erkenntnis Antworten.
Gott als Unheilsbringer. Ganz ehrlich, wer braucht so was? :shock:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Genau dieses "gasamt-kanonische" ist eine Kunstprodukt, das von den Schreibern so nie geplant war.
Natürlich war es von den Schreibern nie so geplant - also ob der Schreiber des Buches "Richter" sich gedacht hätte: "Welch eine Ehre - ich schreibe am Kanon". :lol:

Aber das ist doch auch nicht mit gesamt-kanonisch gemeint.
Da bist du unzureichend informiert.
So bescheuert das klingt, aber Kanoniker versuchen selbst das hinzubekommen. Ratzingers "heilig, heilig, heilig", oder angeblich"wartende Herrenworte" im AT sind nur ein paar Beispiele. Umgekehrt gab es auch den Versuch, Jesus durch die erfundenen Geburtslegenden in alten AT Prophezeiungen zu verankern.
Aber auch der neutestamentliche Kanon ist ein nachträgliches, willkürliches Kunstprodukt, das so nie geplant war.

"In den ersten vier Jahrhunderten war der Streit darüber, was denn nun zu den heiligen Schriften
gehört, noch präsenter. Viele der heute als apokryph geltenden und nicht in den biblischen Kanon
aufgenommenen Schriften waren umstritten, so z. B. der Hirt des Hermas, die Didache, der
Barnabasbrief, die Offenbarung des Petrus, das Hebräerevangelium oder die beiden
Clemensbriefe. Daneben gab es noch eine wahre Fülle von weiteren Schriften, die teils nur in
Fragmenten bekannt sind und von denen kaum ein heutiger Gläubiger gehört haben dürfte: etwa 20
Evangelien (z. B. die Ägypterevangelien, das Ebioniterevangelium, das Protevangelium des
Jakobus, die Kindheitsevangelien, das Petrusevangelium), etwa 10 Apostelgeschichten (z. B. die
Andreasakten, die Paulusakten, die Petrusakten, Thomasakten etc.) und weitere Paulusbriefe (so
den 3. Korintherbrief, den 3. Brief an die Thessalonicher) und ein halbes Dutzend Apokalypsen.
Als Kennzeichen einer heiligen und bewahrenswerten Schrift galt die Apostolizität, also die
Abstammung von einem Jünger Jesu. So wurde das Johannes- und das Matthäusevangelium seit der
Antike auf Jünger Jesu zurückgeführt, das Markus- und das Lukasevangelium auf Begleiter des
Paulus. Paulus hat sich selbst betont als Apostel verstanden, obwohl er Jesus nie getroffen hat. Von
der Urgemeinde wurde sein Anspruch auf das Apostelamt zurückgewiesen, kirchengeschichtlich hat
er sich aber durchgesetzt. Die Petrusbriefe hielt man für Schriften des Petrus, der Jakobusbrief sollte
ein Brief des leiblichen Bruders von Jesus sein, der die Urgemeinde bis zu seinem Tod im Jahre 62
leitete. Die Apokalypse des Johannes wurde dem Autor des Johannesevangeliums und Jünger
Johannes zugeordnet.
Alle diese Zuordnungen gelten in der Forschung schon seit Langem als nicht mehr haltbar. Man ist
heute der Meinung, dass es vor allem der Wille späterer Zeiten war, die als wertvoll erachteten
Schriften mit dem ersten Jüngerkreis Jesu in Verbindung zu bringen. Keiner der Evangelisten war ein
Augenzeuge, die Synoptiker verwenden eindeutig Quellenmaterial, das Johannesevangelium im
Wesentlichen durch den Evangelisten selbst erfundene Reden Jesu mit wenig Anklängen an die
Historie. Viele Briefe sind als Fälschungen erkannt, darunter auch sechs der angeblich dreizehn
Paulusbriefe, die Petrus- und die Johannesbriefe sowie der Jakobusbrief. Auf der anderen Seite
führte das Argument der Apostolizität auch dazu, dass an sich hochwertige, aber eben
nichtapostolische Schriften wie die Clemensbriefe es nicht in den neutestamentlichen Kanon geschafft
haben. Sie wären für die kirchliche Verkündigung viel nützlicher gewesen als z. B. der Hebräer- oder
der Jakobusbrief oder die Johannesoffenbarung.
All dies wird von den neutestamentlichen Forschern heute klar erkannt. Dennoch umranken ihre
dogmatischen Kollegen auch die Zusammensetzung des Kanons mit geweihtem Nebel."

Kubitza, Der Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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