sven23 hat geschrieben:Nachweisen heißt in dem Fall, dass man etwas plausibel, nachvollziehbar und intersubjektiv im Gesamtkontext erklären kann, incl. aller Widersprüche. Das kann und will Kanonik gar nicht.
Doch - kann sie und tut sie. - Sie legt (im Gegensatz zur HKM) ihre Setzungen offen, rekrutiert daraus folgerichtige Aussagen, die sie in ihrem methodischen Rahhmen "plausibel, nachvollziehbar und intersubjektiv im Gesamtkontext erklärt".
sven23 hat geschrieben:Sie begnügt sich mit zirkelreferenten "Nachweisen".
In diesem Sinne sind ALLE "Nachweise" zirkelreferent - auch der Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" ist zirkelreferent in Bezug auf HKM-Grundlagen.
sven23 hat geschrieben: eine Methode ist ein Werkzeug und keine Glaubensentscheidung.
In der Methodik selbst liegen auf Definitions-Ebene Glaubensentscheidungen. - Wer sagt, nur säkular Nachweisbares im Sinne eines anthropozentristischen Vernunft-Begriffs sei innerhalb der Methodik vorgesehen, trifft eine "Glaubensentscheidung", WENN er diese Mechanik als Maßstab zum Verständnis der Welt postuliert.
sven23 hat geschrieben:Was "auf der Höhe der Zeit" ist, wird nicht durch einen Aussenseiter bestimmt.
Seine Begründungen sind entscheidend. - Entweder die heutige "Höhe der Zeit" setzt sich durch, dann bekommen wir eine orwellsche Wahrnehmungs-Diktatur - oder Leute wie Hoyninge-Hüne setzen sich durch, dann bekommen wir eine Wahrnehmungs-Vielfalt.
sven23 hat geschrieben:Du verwechselst Geist mit Fantasy und Wunschdenken.
Nein - aber die Tatsache, dass DU beides immer wieder in einem Atemzug nennst, lässt befürchten, dass DU beides nicht unterscheidest.
sven23 hat geschrieben:Würde die Forschung das Glaubenskonstrukt bestätigen, würden Ratzinger, Berger und closs nicht rumheulen
Wenn HKM diszipliniert angewendet wird, kann sie weder bestätigend noch verwerfend in Bezug zu "Glaubenswahrheiten" stehen. - Es ist weder eine Verwerfungs-HKM noch eine Pro-domo-HKM seitens der Theologie gewünscht (wenn wir Ratzis Versuch, säkular-setzende und geistig-setzende HKM als solche kenntlich zu machen, mal ignorieren).
sven23 hat geschrieben:Inwiefern arbeitet ein Physiker oder ein Biologe zirkelreferent?
Bei Naturwissenschaftlern besteht dieses Problem weit, weit weniger als bei philologischen Wissenschaften.
Bei Naturwissenschaften besteht Zirkelreferenz insofern, als dass Wahrnehmung (Descartes) und Begrifflichkeiten (siehe "Vernunft und QM") immer anthropozentrisch sind - also nur EINE Blickrichtung auf "das, was WIRKLICH der Fall ist", geben. - Ansonsten funktioniert Naturwissenschaft DESHALB ganz gut, weil ihr Untersuchungs-Objekt immer daseins-generiert ist ("Natur") UND weil die Untersuchungs-Objekte normalerweise weltanschauungs-neutral sind (es gibt keine agnostischen oder christlichen Gamma-Strahlen).
Das Problem der Zirkelreferenz ist dann massiv gegeben, wenn es um geistige Dinge geht, weil jegliche Wahrnehmung oder Bewertung von Geist weltanschaulich seitens des Beobachtenden massiv durchsetzt ist.- Das ist offensichtlich bei der kanonischen Exegese, weil sie es so offenlegt. - Es ist genauso präsent bei einer INTERPRETIERENDEN HKM, selbst wenn sie es NICHT offenlegt.
Die Aussage "HKM interpretiert nicht geistig" ist falsch, weil allein das methodische Außenvorlassen der historischen Möglichkeit, dass Jesus "Gottes Sohn"/Gott ist, eine massive geistige Aussage ist.
sven23 hat geschrieben:Wieso verlangst du jetzt von der Forschung, sie solle die Existenz Gottes beweisen?
Das habe ich nie verlangt und werde es nie verlangen. - Verstehst Du provokativ absichtlich falsch? - Meine Aussage ist lediglich, dass eine historisch-KRITISCHE Wissenschaft so kritisch sein soll, dass sie alle historisch möglichen Fälle wissenschaftlich berücksichtigt ("Ergebnisoffenheit"). - Nach Deinen Aussagen ist dies nicht möglich.
sven23 hat geschrieben:Weil die Quellen das nahelegen, ganz einfach.
ZU einfach - Dein Satz gilt nur bei weltanschaulicher Vorschaltung.
sven23 hat geschrieben:"Nicht, was ein Mensch namens Jesus gedacht, gewollt, getan hat, sondern was nach seinem Tode in seinem und unter seinem Namen, aber oft nicht in seinem Sinne, sehr oft gegen seine Intentionen gedacht, gewollt, getan worden ist, hat die christliche Religion und mit ihr die Geschichte des sogenannten christlichen Abendlandes bestimmt. Was und wer immer Jesus war, ein Mann des Abendlandes war er nicht."
Rudolf Augstein
Intelligent UND schräg.
Richtig ist, dass die Kirche/das Christentum Jesus in der Geschichte massiv instrumentalisiert hat. - Augstein versteht aber nicht, dass es gerade der hermeneutische/heilsgeschichtliche Prozess ist, zu dem nach und nach zu kommen, was Jesus als "Sohn Gottes"/Gott WIRKLICH "gedacht, gewollt, getan hat. - Außerdem bezeichnet Augstein Jesus "als Mensch" (also vermutlich "nur als Mensch"), was eh keine tiefere Interpretation zulässt - dann kann man wirklich nur säkular-historisch, also außerhalb der Theologie interpretieren.
sven23 hat geschrieben: Du sagt im Grunde: auch wenn die Bergpredigt nicht von Jesus stammt, hätte er so was ähnliches theoretisch auch sagen können, wenn er gewollt hätte.
Oder hat es gesagt, aber Matthäus war nicht dabei - wie auch immer.
sven23 hat geschrieben:Gerd Lüdemann
Unter historisch-kritischen Gesichtspunkten hat Lüdemann recht, weil solche Sache historisch-kritisch nicht verständlich sein können. - Unter geistigen Gesichtspunkten geht es schon, weil Geist nach (nicht nur) christlicher etwas Überzeitliches ist. Mit anderen Worten: Es könnte sein, dass Sven heute vormittag eine geistige Eingebung hat, die dem entspricht, was Jesus vor 2000 Jahren gemeint hat. - Geistig gibt es so gesehen nie "Geschichte", sondern immer nur Gegenwart - aber das ist für ausschließlich naturalistisch geschulte Menschen schwer zu verstehen.
Und deshalb ist es auch für einen säkularen HKM-ler schwer zu verstehen - und vor allem: Er MUSS es gar nicht verstehen und kann folgerichtig sagen:
"Wir ziehen unseren methodischen Stiefel durch und kommen deshalb mit guten Gründen zum Ergebnis, dass die Bergpredigt - in unserem methodischen Verständnis - 'gefälscht' ist".
Dazu wird eine Theologe, der in Dingen wie "Kritischer Rationalismus" daheim ist, sagen:
"Ja - das ist folgerichtig in Eurer Denke. - Solange Ihr dies außerhalb der Theologie in Eurem Denksystem sagt, ist das in Ordnung - wenn Ihr es INNERHALB der Theologie sagt, gibt's Zoff, weil Ihr dann bewiesen habt, dass Ihr gar nicht wisst, was Theologie ist. - Forscht also nach EUREN methodischen Setzungen, die ja in sich kohärent sind, aber schaut bitte über Euren Tellerrand hinaus, bevor Ihr Euch in Bereiche wagt, die ANDERE methodische Setzungen haben".
Insofern hat der oben zitierte Augstein recht - weil er gar nicht anders innerhalb seines weltanschaulichen Koordinaten-Systems kann. - Lüdemann hat da recht, wo es um kirchliche Apologien geht, die kirchlicherseits falsch begründet sind. - BEIDE jedoch sind (zurückhaltend formuliert) damit keinen Millimeter näher an der Antwort auf die Frage: "Was hat Jesus WIRKLICH gedacht, wenn er 'Gottes Sohn'/Gott war".
sven23 hat geschrieben:Wo sind Glaubensdogmatiker ergebnisoffen?
Wo es innerhalb ihres methodischen Systems offene Fragen gibt - also nicht anders als bei der HKM.
sven23 hat geschrieben: Stelle dir mal die Peinlichkeit vor, dass Theologie nur durch Glaubensdogmatiker an den Universitäten vertreten wäre.
Es würde etwas fehlen - HKM-ler werden schon gebraucht - aber nicht als substantiell-geistige Interpreten der Bibel.
Im übrigen kann man selbstverständlich "Wissenschaft" so definieren, dass am Ende nur Naturwissenschaften übrigbleiben. - Was nützt eine Theologie unter der Bedingung, dass es keinen Gott gibt, oder eine Musikwissenschaft unter der Bedingung, dass es keine Musik gibt? - Also alles raus aus der Uni - und dort nur noch Helmholtz-Gesellschaften und Pharma-Unternehmen.
