Lieber Rembremerding, du gehst jetzt ziemlich in's konkret Theologische, es ist klar, dass sich in vielen Konzepten - und das sind sie aus buddhistischer Sicht - Buddhismus und Christentum widersprechen. Das streite ich natürlich nicht ab und wir können gerne auch die Widersprüche diskutieren. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Widersprüche eben nur konzeptioneller Natur sind und vom Einzelnen, der die eine Wahrheit realisiert, in der Realisation überwunden werden. Dass da eben am Ende des Weges die Erlösung steht, wie auch immer sie theologisch oder philosophisch definiert wird. Aber ich gehe mal auf ein paar Widersprüche ein:
Rembremerding hat geschrieben:Hier kam Gott ins Fleisch, in Zeit und Raum und ist auferstanden von den Toten.
Auferstehung von den Toten gibt es aus buddhistischer Perspektive noch und noch: sie ist das Normale. Jedes Sterben ist gleichzeitig die Geburt einer neuen Existenz. Geborenwerden, Altern, Leiden, Sterben, wieder Geborenwerden, usw. Das nennt sich im buddhistischen Konzept Samsara. Der Daseins- oder eben Leidenskreislauf. Im Modell des Palikanons zieht sich dieser Kreislauf durch 18 Daseinsbereiche, wobei der menschliche Bereich die viertunterste Stufe darstellt (darunter sind absteigend das Gespensterreich, das Tierreich, die Hölle). Über der menschlichen Daseinsebene werden 14 himmlische Welten beschrieben, von dem menschennahesten sinnlichen Himmel bis hin zu vollkommen formloser Existenz. Je göttlicher die Bereiche, desto länger dauern die Existenzen, da wird von tausenden von Äonen gesprochen, die so eine Existenz dauern kann. Aus buddhistischer Sicht, wäre also Jesus, insofern er als personales Wesen gedacht wird, in einem dementsprechenden Himmel anzusiedeln (aus dem er, nach seinen eigenen Worten, ja auch noch einmal zurückkommen wird).
Nun gibt es aber in buddhistischer Sichtweise kein individuelles Leben, das als solches "ewig" wären könnte. Wesen werden geboren und sterben oder sie entstehen geistunmittelbar und erlöschen aus diesem Existenzbereich auch wieder. Das gilt auch für ein Wesen, das von sich selber und von anderen Wesen als Schöpfergott angesehen wird. Hierzu möchte ich anmerken, dass viele ernsthafte Christen eine solches, antropomorphes Gottesbild nicht mehr vertreten. Ich persönlich kann "Gott" und "Nirvana" gleichsetzen in dem Sinne, als sie beide Bild für das Zeitlose sind, für das Ungeborene, Ungewordene, Ungeschaffene und daher auch Todlose, Leidlose.
Übrigens: Indem der Christ Gott als Ursprung (der Schöpfung) setzt, Gott selber aber doch auch als anfangslos sich denkt, hat er die Tatsache der Anfangslosigkeit nur mit einem anderen Namen versehen... die Schöpfung ist also eigentlich auch gemäss der Bibel anfangslos, das sie ja aus dem Anfangslosen kommt.
Und dann wird auch die unendlich große Entfernung zwischen Gott und dem Menschen offenbar.
Die zwischen dem Nirvana und dem Menschen ist genauso gross: Der Mensch ist dem Leiden unterworfen, das Nirvana ist das Leidlose. Der Mensch ist dem Tod unterworfen, Nirvana ist das Todlose. Und doch wird auf beiden Wegen das ferne Ziel - oder besser: der ferne Sinn - sich im Menschen aktualisieren. Sei es eben definiert als Christus in mir oder als Selbstlosigkeit (anatta).
Aber hier liegt gerade das Gnadenvolle: das leichte Joch Gott wiederzulieben vermeidet verkrampfte Werkgerechtigkeit, lässt Gott alles weitere tun.
Die Wichtigkeit des eigenen Einsatzes wird in der Bibel genauso betont wie vom Buddha. "Vollendet eure Rettung unter Furcht und Zittern...", heisst es da beispielsweise und Jakobus 2 betont ausserordentlich die Verbundenheit von Glaube und Werk. Natürlich können wir es in letzter Konsequenz nicht
machen, sondern nur es an uns geschehen lassen. "...denn Gott ist es, der das Wollen und Vollbringen wirkt nach seinem Wohlgefallen." Das gilt auch für den Buddhisten. Es ist ein weiterer Irrtum, zu denken, der Buddhist könne das Nirvana machen. Wäre es so, dann könnte Nirvana nicht das Ungewordene und Ungemachte sein. Der Buddhist wird sich - wie es auch vom Christ gefordert ist - mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften und Fähigkeiten darum bemühen, das seinige dazu zu tun, damit die Erlösung geschehen kann ("seine Talente also nicht vergraben"), machen kann er sie nicht.
Diese Unbedingtheit, dass Leben automatisch an sich Leid bedeutet, hat Christus nicht mehr gelehrt. Gerade weil durch ihn das Sterben zum Beginn des ewigen Lebens gelangt.
Im Buddhismus führt der Tod unweigerlich zur Wiedergeburt - solange nicht der Ausweg aus dem Leidenskreislauf gefunden worden ist. Dieser besteht in der Realisation der Selbstlosigkeit.
Buddha geht den Weg dem Leid die Nahrung zu entziehen, Leid zu vermeiden. Christus geht den Weg dem Leid Sinn zu verleihen, es aufzuarbeiten.
Wenn Leiden Sinn machen soll, dann wäre das Ziel grösstmögliches Leiden, also die "Hölle". Aber so meinst du es natürlich nicht. Da bist du mit dem "Aufarbeiten" schon wieder näher beim Buddha: Aufarbeiten tut ein Mensch das Leiden, wenn er es als das erkennen lernt, was es ist und wenn er die Tatsache der durchgängigen Leidunterworfenheit des Lebens (der "Kreatur") zu akzeptieren lernt. Leidfreiheit ist Sinn und Ziel der Existenz, nicht Leiden, auch in der Bibel.
Anders steht es mit Leid, das durch falsche Bindungen entsteht. Dieses Leid braucht nicht einmal vermieden werden, es ist im Grunde unnötig. Hier sind sich, so denke ich, Buddhismus und Christentum einig.
Ja, kein Widerspruch.
erbreich hat geschrieben:Das Tao der Chinesen ist der Dharma der Buddhisten.
Rembremerding hat geschrieben:Nicht ganz, aber es läuft zumindest beides im Kreis und nicht auf einer Linie, wie im Christentum.

Richtig.