Alles Teufelszeug? III

closs
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#991 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 2. Aug 2016, 15:54

sven23 hat geschrieben:Das hat nichts mit Weltanschauung zu tun, sondern ist Stand der theologischen Forschung.
Mit Deinem Zitat bin ich voll einerstanden - wenn da nicht wieder das Problem wäre, dass Du "anbrechende Gottesherrschaft" ganz anders interpretierst als ich - und die RKK. - Auch die RKK sieht im NT die anbrechende Gottesherrschaft.

sven23 hat geschrieben:Sie ist höchst ambivalent und bietet eine Unzahl von Möglichkeiten zu Mißverständnissen
Richtig - es hängt mit der Polung des Lesers zusammen - und genau darum geht es: Wie ist der Leser gepolt?

sven23 hat geschrieben:"Obwohl sie Gottes Rechtsforderung erkennen, dass, die solches tun, des Todes würdig sind"
Das heisst bei Paulus doch nicht, dass man diese Leute killen soll, sondern dass damit die Voraussetzung für ein Leben nach dem Tod nicht gegeben ist. - Das hat überhaupt nichts mit "Töten von Feinden" zu tun.

Die Polung des Lesers und Interpreten.

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sven23
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#992 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Di 2. Aug 2016, 16:19

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das hat nichts mit Weltanschauung zu tun, sondern ist Stand der theologischen Forschung.
Mit Deinem Zitat bin ich voll einerstanden - wenn da nicht wieder das Problem wäre, dass Du "anbrechende Gottesherrschaft" ganz anders interpretierst als ich - und die RKK. - Auch die RKK sieht im NT die anbrechende Gottesherrschaft.
Die nun schon 2000 Jahre "am anbrechen" ist. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie ist höchst ambivalent und bietet eine Unzahl von Möglichkeiten zu Mißverständnissen
Richtig - es hängt mit der Polung des Lesers zusammen - und genau darum geht es: Wie ist der Leser gepolt?
Wenn jemand richtig gepolt ist, braucht der das "Buch der Mißverständnisse" gar nicht, das höchsten dazu dienen kann, seine Polung umzukehren. Siehe Steven Weinberg.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Obwohl sie Gottes Rechtsforderung erkennen, dass, die solches tun, des Todes würdig sind"
Das heisst bei Paulus doch nicht, dass man diese Leute killen soll, sondern dass damit die Voraussetzung für ein Leben nach dem Tod nicht gegeben ist. - Das hat überhaupt nichts mit "Töten von Feinden" zu tun.
So hat man es aber verstanden und so wurde es umgesetzt, halt eben praktizierendes Christentum.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#993 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 2. Aug 2016, 17:38

sven23 hat geschrieben:Die nun schon 2000 Jahre "am anbrechen" ist.
Nein - sie ist vor 2000 Jahren angebrochen. - Einmal reicht.

sven23 hat geschrieben:Wenn jemand richtig gepolt ist, braucht der das "Buch der Mißverständnisse" gar nicht
Da ist was dran - auch ich glaube, dass der Umgang mit der Bibel bisweilen mehr Schaden als Nutzen verursacht hat. - Aber es kann andererseits nicht sein, dass nur der analphabetische "Heide" richtig gepolt ist - es muss auch auf dem intellektuell-geistigen Weg möglich sein.

sven23 hat geschrieben:So hat man es aber verstanden
Gibt es Fälle, in denen Morde konkret auf diese Bibel-Stelle bezogen wurden?

Pluto
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#994 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Di 2. Aug 2016, 17:50

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die nun schon 2000 Jahre "am anbrechen" ist.
Nein - sie ist vor 2000 Jahren angebrochen. - Einmal reicht.
Aha!?
Dann ist die Aufklärung ein Teil dieses "Anbruchs". Warum versuchst du sie dann zu negieren?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#995 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 2. Aug 2016, 18:30

Pluto hat geschrieben:Dann ist die Aufklärung ein Teil dieses "Anbruchs". Warum versuchst du sie dann zu negieren?
Die frühe Aufklärung ist in der Tat ein Teil davon, die heutige ist es nicht.

"Negieren" tue ich beides nicht, da man nicht negieren kann, was zweifellos da ist. - Aber ich lehne in der Tat die geistige Grundlage der heutigen Aufklärung ab, die so gut wie nichts mit der frühen Aufklärung zu tun hat. - Mir wäre eine Weiter-Entwicklung der frühen Aufklärung lieber gewesen und nicht die Abkehr davon.

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sven23
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#996 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Di 2. Aug 2016, 20:05

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die nun schon 2000 Jahre "am anbrechen" ist.
Nein - sie ist vor 2000 Jahren angebrochen. - Einmal reicht.
Und die Jünger sind immer noch mit den Städten Israls beschäftigt? :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn jemand richtig gepolt ist, braucht der das "Buch der Mißverständnisse" gar nicht
Da ist was dran - auch ich glaube, dass der Umgang mit der Bibel bisweilen mehr Schaden als Nutzen verursacht hat. - Aber es kann andererseits nicht sein, dass nur der analphabetische "Heide" richtig gepolt ist - es muss auch auf dem intellektuell-geistigen Weg möglich sein.
Wobei man immer bedenken sollte, wie die Evangelien überliefert wurden. Da ist viel literarische Fiktion dabei.

"Doch schon der Vergleich der Evangelien hat für die Forschung deutlich gemacht, dass es die
Evangelisten mit der Wahrheit nicht ganz so genau nahmen. Denn es gibt in den synoptischen
Evangelien Hunderte von Stellen, wo die Evangelisten mit oft klarer Absicht Worte Jesu in anderen
Kontext stellen, weglassen oder an vielen Stellen sogar hinzuerfinden. Das Johannesevangelium gilt
fast vollständig als eine Erfindung des Evangelisten. Die Evangelisten waren keine Historiker, sie
wollten von vornherein keine Biographie schreiben, sondern sie waren Exponenten der Gemeinden,
für die sie schrieben. Sie waren selbst gläubig und wollten Glauben wecken, und sie taten dies u. a.
auch dadurch, dass sie Worte und Taten Jesu einfach hinzuerfanden. Der Zweck heiligte für sie die
Mittel. Weil dieser Umstand heute ein Allgemeinplatz in der neutestamentlichen Forschung ist,
sprechen Theologen in ihren Kommentaren schon lange nicht mehr von der Wahrheitsliebe der
Verfasser, sondern von deren Glauben."

Kubitza, Der Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#997 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 2. Aug 2016, 20:37

sven23 hat geschrieben:Und die Jünger sind immer noch mit den Städten Israls beschäftigt?
Diese Frage haben wir gefühlte 98 Mal geklärt.

sven23 hat geschrieben:Wobei man immer bedenken sollte, wie die Evangelien überliefert wurden. Da ist viel literarische Fiktion dabei.
Auch hier: Es geht darum, ob Aussagen authentisch sind zu dem, was Jesus gemeint hat. - Die meisten Aussagen von Johannes und Paulus sind überhaupt nicht historisch angelegt. - Kubitza ist hier traditionell fehl-gepolt.

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#998 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Di 2. Aug 2016, 20:44

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und die Jünger sind immer noch mit den Städten Israls beschäftigt?
Diese Frage haben wir gefühlte 98 Mal geklärt.
Sagen wir mal so: die theologische Forschung hat es dahingehend geklärt, dass Jesus an die nahe Gottesherrschaft glaubte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wobei man immer bedenken sollte, wie die Evangelien überliefert wurden. Da ist viel literarische Fiktion dabei.
Auch hier: Es geht darum, ob Aussagen authentisch sind zu dem, was Jesus gemeint hat. - Die meisten Aussagen von Johannes und Paulus sind überhaupt nicht historisch angelegt. - Kubitza ist hier traditionell fehl-gepolt.
Die Inspiriertheit ist kein Problem Kubitzas, sondern der Kanoniker.

"Vor allem mit zwei Bibelstellen
soll die Inspiriertheit der Heiligen Schriften bewiesen werden:
2. Tim 3,16: „Denn alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur
Zurechtweisung, zur Besserung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit.“
2. Petr 1, 20-21: „Und das sollt ihr vor allem wissen, dass keine Weissagung in der Schrift
eine Sache eigener Auslegung ist. Denn es ist noch nie eine Weissagung aus menschlichem
Willen hervorgebracht worden, sondern getrieben von dem Heiligen Geist haben Menschen
im Namen Gottes geredet.“
Mit einer dieser Stellen werden die beiden Zeugen Jehovas oder andere Frömmler Sie überzeugen
wollen. Hierzu sind drei Dinge anzumerken:
1. Das Argument ist natürlich ein Zirkelschluss. Mit einem biblischen Zitat soll die Geltung
des biblischen Wortes beglaubigt werden. Das ist in etwa so, als wäre der Koran wahr,
weil es so im Koran steht. Kein Gläubiger würde bei einer fremden Religion auf solch
eine durchsichtige Argumentation hereinfallen. Sehr gläubige Christen merken die
Zirkelstruktur bei der eigenen Heiligen Schrift jedoch nicht, Glaube ist hier wie anderswo
mit der Logik nur flüchtig bekannt.
2. Zu der Zeit, als die beiden zitierten Briefe geschrieben wurden, gab es überhaupt noch
kein Neues Testament. Bei dem Wort „Schrift“ hätten die beiden Autoren damit
bestenfalls an alttestamentliche Texte gedacht.
3. Die beiden Zitate stammen aus einem Brief des Petrus und einem Brief des Paulus an
Timotheus. Die kritische neutestamentliche Forschung ist sich einig, dass es sich dabei um
Fälschungen (vornehm ausgedrückt: Pseudepigraphen) handelt. Weder stammen die
Timotheusbriefe von Paulus noch die Petrusbriefe von Petrus. Es zeigt sich also der
pikante Umstand, dass mit gefälschten Zitaten die Wahrheit der biblischen Schriften belegt
werden soll."

Kubitza, Der Dogmenwahn
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#999 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von 2Lena » Di 2. Aug 2016, 21:54

Weder stammen die Timotheusbriefe von Paulus noch die Petrusbriefe von Petrus. Es zeigt sich also der pikante Umstand, dass mit gefälschten Zitaten die Wahrheit der biblischen Schriften belegt
werden soll."
Kubitza, Der Dogmenwahn
Solche Wissenschaft lernen die anehenden Theologen, um danach ihr Studium wieder hinzuwerfen, wenn sie ausreichend viel Fehlinformationen erhalten haben. Wer das nicht macht, hat das Problem, dass er später seinen Schäfchen nicht "die Wahrheit" erzählen darf, sondern eine andere Wahrheit sagen sollte.

Die ganze Wahrheit liegt noch nicht vor. Die wäre die Vereinigung aller Philosophieschulen im Christentum. Die meisten "Briefe" in der Sammlung des Paulus sind eine "Liebeserklärung" an das Christentum. Es kam mir vor, als habe jede Richtung ihre Prinzipien (in alter Dichtkunst mehr oder weniger) mit den aktuellen Diskussionen und Zeitereignissen - zur idealen Form für einen Zusammenschluss bereitet. Ich sag das "so aus dem Bauch heraus" ungefähr in der Richtung der verschiedenen Gruppen. Das Aufbereiten ist eine andere Angelegenheit, die nicht ganz einfach vor sich geht.

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#1000 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Di 2. Aug 2016, 22:07

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und die Jünger sind immer noch mit den Städten Israls beschäftigt?
Diese Frage haben wir gefühlte 98 Mal geklärt.
Ja - aber nicht in Deinem (subjektiven) Sinne, sondern im Sinn der Exegese und deren einvernehmliche Feststellung des Irrtums Jesu und dessen Lehrers Johannes.

Dass Du Dich als gläubiger Laie hier querlegst, ist unbeachtlich.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wobei man immer bedenken sollte, wie die Evangelien überliefert wurden. Da ist viel literarische Fiktion dabei.
Auch hier: Es geht darum, ob Aussagen authentisch sind zu dem, was Jesus gemeint hat.
Was hat Jesus denn beispielsweise zu seiner Geburt durch eine Jungfrau oder zu den sonstigen Geburts- und Kindheitslegenden gemeint? :o

closs hat geschrieben:Kubitza ist hier traditionell fehl-gepolt.
Blödsinn! Der Theologe Kubitza wirkt in hervorragendem Maße aufklärerisch, indem er einem breiten Publikum den Stand der historisch-kritischen Bibelforschung in verständlicher Sprache zur Kenntnis bringt.

So werden interessierte Leser aus ihrer Unmündigkeit und Unwissenheit befreit - und in die Lage versetzt, sich selbst ein Bild vom biblischen Gott und seines angeblichen Heilsplanes zu machen. Das finde ich ganz toll. Das ist Aufklärung im besten Sinne. :thumbup:

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