Alles Teufelszeug? III

closs
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#541 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mo 11. Jul 2016, 11:51

Pluto hat geschrieben:Ein Rad ist aber kein Pendel. Wenn sich das Rad weiterdreht, ist es danach an einem anderen Ort.
Zustimmung - eigentlich dürfte es nicht "hermeneutischer Zirkel", sondern müsste "hermeneutische Spirale" heißen.

Das gilt ohnehin für die Theologie, aber auch für die Aufklärung. - Und da das Thema "Naherwartung" in sich selber nicht klärbar ist, weil hier zwei weltanschauliche Sichtweisen mit jeweilig schlüssigen Argumentarien aufeinanderprallen, habe ich ja den Thread "Was ist Aufklärung?" aufgemacht - der allerdings sehr früh stehen geblieben ist bei der einvernehmliche Feststellung der kantschen Definition - das müsste man noch mit Leben erfüllen.

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sven23
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#542 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mo 11. Jul 2016, 12:38

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Richtig, die Vergottung wurde mit zunehmender Zeit immer weiter voran getrieben.
Ja - das glaube ich auch. Das Bibel-/Jesus-Verständnis hat sich dahin entwickelt..
Weil man wohl dacht: aus der Story lässt sich was machen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass der Wanderprediger von niemandem verstanden wurde, ist doch lediglich eine Schutzbehauptung.
Thaddäus hat gelegentlich über 10 wunderbare Bibel-Zitate gebracht, die dies belegen...
Aber nicht in Bezug auf die Naherwartung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dass die historisch-kritische Methode vom Ansatz her zirkelreferent sei, ist doch lediglich ein Ablenkungsmanöver
Im engeren Sinne stimmt es für beide nicht - geht man jedoch auf den Grund, wird man feststellen, dass Beweise nur auf Basis von Voraussetzungen stattfinden können...
Immer wieder der gleiche Fehler. Die historisch-kritische Methode dient nicht dazu, Gottesbeweise oder Gegenbeweise zu führen. Sie untersucht Textquellen, nicht mehr und nicht weniger.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Geburtslegenden sind keine Peanuts, denn sie sind für die Verankerung des Wanderpredigers im AT sehr wichtig.
Persönlich halte ich davon nichts, weil es substantiell keine Rolle spielt. - Will man partout alles historisch sehen, spielt es eine Rolle - da wird die RKK noch lernen müssen....
Moment, dann genügt dir also im Gegensatz zur Kirche ein unhistorischer Jesusmythos, der auf Legenden und erfundenen Geschichten aufgebaut ist? :o

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dabei ist sie lediglich ein Werkzeug, um alte Texte zu untersuchen, egal von welcher Religion.
So sollte es eigentlich sein. - Demnach kann man mit Fug und Recht konstatieren, dass einzelne Textverfasser Jesus im Sinne einer Naherwartung verstanden haben - punkt, mehr nicht. - Mein Widerstand bezieht sich ausschließlich auf weltanschaulich-säkulare/-atheistische SCHLUSSFOLGERUNGEN aus Quellen-Beobachtungen - hier scheint das Selbstbild des "Wieso - wir sind doch weltanschauungsfrei" so stark zu wirken, dass es ideologisch-dogmatische Züge angenommen hat.
Die Quellen beziehen sich nun mal auf Jesus. Die Forschung gibt sich doch große Mühe, authentische Jesusworte von später in den Mund gelegten zu unterscheiden.
Wenn man alles in Frage stellt, dann muss man auch damit leben, dass die gesamte Bibel keine Aussagen über Gott trifft, sondern lediglich die Meinung der Schreiberlinge wiedergibt.. Wer A sagt, muss auch B sagen.
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sven23
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#543 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Mo 11. Jul 2016, 12:41

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was man in der Jesusforschung machen kann, ist, nachzuzeichnen, dass die Schreiber geglaubt haben, dass Jesus der Sohn Gottes ist oder es andere glauben machen wollten.
Das ist wiederum korrekt - man zeichnet die Entwicklungen innerhalb der zeitgenössischen Jesus-Rezeption nach - das ist HKM.

Die Bewertung, was Jesus SELBST gemeint hat, ist jedoch über Rezeption nur sehr bedingt möglich. Man wird zwar in diesen Rezeptionen alles finden, was ein bewertendes Urteil ermöglicht. - Dieses bewertende Urteil ist jedoch abhängig von UNSERER jeweiligen weltanschaulichen Prädisposition.
Deshalb hat man eine Methode entwickelt, die subjektive Einflüsse möglichst ausschließt, ähnlich den Blindstudien in der Medizin. Nur so kann man sich dem, "was der Fall ist", annähern.
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#544 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Mo 11. Jul 2016, 13:37

sven23 hat geschrieben:Aber nicht in Bezug auf die Naherwartung.
Korrekt - sie hat ihre Beobachtung bezugslos so stehen gelassen - das ist ok.

sven23 hat geschrieben: Sie untersucht Textquellen, nicht mehr und nicht weniger.
Wirklich immer dasselbe: Dann darf sie auch nur über Quellen sprechen und nicht über Objekte dieser Quellen. - Wenn es so wäre, wie Du sagst, wäre es erstens genau richtig und zweitens gäbe es dann keinen Streit zum Thema Naherwartung.

sven23 hat geschrieben:dann genügt dir also im Gegensatz zur Kirche ein unhistorischer Jesusmythos, der auf Legenden und erfundenen Geschichten aufgebaut ist?
Nicht ganz. - Die Rahmenbedingungen sind aus meiner Sicht historisch (dazu gehören auch Dinge wie "Auferstehung", die eh nicht historisch-kritisch nachweisbar sind) - Einzel-Episoden können metaphorisch sein.

Es gibt Spezialisten, die wissen, wie man damals geschrieben hat - Tiede(?) hast Du ja gehört. Es würde ebenfalls zur HKM gehören, Texte aus der Zeit heraus zu verstehen und damit zum Schluss kommen, dass "Geschichtsschreibung" damals (nach unserem heutigen Verständnis) immer eine Mischung aus Historischen und Nicht-Historischem war. - Trotzdem sind die nicht-historischen Passagen nicht grundlos - ich verweise auf die Episode mit den "3 Weisen", bei denen es bspw. um Myrrhe als Zeichen für Toten-Salbung geht. - Das ist nicht alles so einfach.

sven23 hat geschrieben:dann muss man auch damit leben, dass die gesamte Bibel keine Aussagen über Gott trifft, sondern lediglich die Meinung der Schreiberlinge wiedergibt
Das ist erstmal tatsächlich so - historisch-kritisch geht es erst Mal um die Meinung der Schreiberlinge. Das ist deren Kernkompetenz. Im nächsten Schritt geht es natürlich um Jesus - das ist aber nicht mehr die Kernkompetenz der HKM.

Dennjetzt kommt der entscheidende Punkt:
Sobald man Geschriebenes übertragen will auf Jesus, wird es eine weltanschauliche Sache. - Denn man wird das Geschriebene ganz anders interpretieren, ob Jesus nur ein Wanderprediger ist oder "Gottes Sohn"/Gott - denn rauskriegen kann man das eine oder das andere ohne weltanschauliche Prädisposition nicht. - Was umgekehrt heisst: Je nach Weltanschauung liest man den Nur-Wanderprediger oder "Gottes Sohn"/Gott heraus.

Das Gefährliche an der Sache:
Im Gegensatz zur christlichen Theologie scheint die HKM in einzelnen Vertretern NICHT zu verstehen, dass ihr methodischer Ansatz bereits eine Präjudizierung in Richtung "Nur-Wanderprediger" ist. - Man scheint sich dadurch täuschen zu lassen, dass die Methodik ja in sich sauber und neutral sei (stimmt) - hier zerfließen wissenschaftliche Methodik und Weltanschauung, ohne dass es von den Betroffenen bemerkt zu werden scheint. - Ein Nährboden für Ideologie.

sven23 hat geschrieben:Deshalb hat man eine Methode entwickelt, die subjektive Einflüsse möglichst ausschließt, ähnlich den Blindstudien in der Medizin. Nur so kann man sich dem, "was der Fall ist", annähern.
Genau das ist die Falle. - Denn es ist einerseits richtig, andererseits kann es nur DAS als "der Fall seiend" vorziehen, was es weltanschaulich für plausibel hält. - Methodik ersetzt nicht Grundlagen - und es nützt auch nichts, wenn man Grundlagen leugnet ("Wir sind weltanschaulich ergebnisoffen"), weil es eine Selbsttäuschung ist, die offenbar bestens funktioniert.

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#545 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Di 12. Jul 2016, 01:46

closs hat geschrieben: Und da das Thema "Naherwartung" in sich selber nicht klärbar ist, weil hier zwei weltanschauliche Sichtweisen mit jeweilig schlüssigen Argumentarien aufeinanderprallen...
Deine Selbsttäuschung ist wirklich nicht von schlechten Eltern. Gratuliere. :) Es entspricht natürlich mitnichten der Wahrheit, dass "hier zwei weltanschauliche Sichtweisen mit jeweils schlüssigen Argumenten aufeinanderprallen". Das Thema "Naherwartung" wurde und wird innerhalb der GESAMTEN Theologie überhaupt nicht kontrovers diskutiert.

Möglicherweise (keine Ahnung) halten sich Dogmatiker in der von der Exegese einvernehmlich entschiedenen Naherwartungsfrage ganz be-
wusst deshalb zurück, weil ihnen klar ist, dass sie den in Auslegungsfragen kompetenteren Exegeten nicht das Wasser reichen könnten.


Da prallt also nichts aufeinander - außer Deine laienhafte Glaubensauffassung (die es nicht zulässt einzugestehen, dass Jesus sich geirrt haben könnte), gegen den geballten Sachverstand der neutestamentlichen Exegeten.

Und von "schlüssigen Argumenten" von Deiner Seite gegen die Auffassung der Bibelhistoriker über Jesu fundamentalen Irrtum kann natürlich ernsthaft ebenfalls keine Rede sein. Deine angeblichen "Gegenargumente" sind laienhaftes Wunschdenken auf mehr als bröseligem Fundament.

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#546 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Di 12. Jul 2016, 02:23

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:dann muss man auch damit leben, dass die gesamte Bibel keine Aussagen über Gott trifft, sondern lediglich die Meinung der Schreiberlinge wiedergibt
Das ist erstmal tatsächlich so - historisch-kritisch geht es erst Mal um die Meinung der Schreiberlinge. Das ist deren Kernkompetenz. Im nächsten Schritt geht es natürlich um Jesus - das ist aber nicht mehr die Kernkompetenz der HKM.
Wessen Kompetenz denn dann? Jetzt sage bloß nicht "der alleinseligmachenden Mutter Kirche"? Dieser Institution, die mal die Unverfrorenheit besaß zu behaupten, SIE sei das von Jesus angekündigte "Reich Gottes" auf Erden?

:lol: :lol: :lol:

Also - WER besitzt nach Deiner Ansicht die Kernkompetenz, wenn es um die historische Person Jesus von Nazareth geht?

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#547 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 12. Jul 2016, 09:33

Münek hat geschrieben:Es entspricht natürlich mitnichten der Wahrheit, dass "hier zwei weltanschauliche Sichtweisen mit jeweils schlüssigen Argumenten aufeinanderprallen".
Dies weist darauf hin, dass Deine Fixiertheit auf EIN Wahrnehmungs-System/eine Wahrnehmungs-Perspektive derart unerschütterlich ist, dass es dogmatische/ideologische Züge trägt.

Auch ich habe eine eigene Glaubens-Wahl dessen, was aus meiner Sicht die richtige Perspektive ist - aber ich kann trotzdem erkennen, dass andere Perspektiven zu anderen ERgebnissen führen können oder gar müssen. - Diesen Überblick kann man sich schon erhalten.

Münek hat geschrieben:WER besitzt nach Deiner Ansicht die Kernkompetenz, wenn es um die historische Person Jesus von Nazareth geht?
Was ist "historisch"?

Unter "historisch" verstehe ich den WIRKLICHEN Jesus in seiner Zeit - die HKM versteht darunter den Jesus der historisch-kritischen Methode. - Was verstehst DU darunter? - Wenn Du mir diese Frage beantworten kannst, weiss ich, wie ich Dir auf Deine Frage antworten kann.

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#548 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Di 12. Jul 2016, 12:38

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:WER besitzt nach Deiner Ansicht die Kernkompetenz, wenn es um die historische Person Jesus von Nazareth geht?
Was ist "historisch"?

Unter "historisch" verstehe ich den WIRKLICHEN Jesus in seiner Zeit - die HKM versteht darunter den Jesus der historisch-kritischen Methode.
Was verstehst DU darunter?
Also... unter "historisch" verstehe ich den archäologischen Befund, soweit vorhanden, die zeitgenössischen Texte (Bibel?) oder aber eine Symbiose der Beiden.

Was ich leider immer wieder feststellen muss, ist: Wird man mit einer schweren Frage konfrontiert, versucht man abzulenken, in dem man es entweder mit einer Gegenfrage versucht, oder man beantwortet eine einfachere Frage, die aber gar nicht gestellt wurde.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#549 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Di 12. Jul 2016, 15:58

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Sie untersucht Textquellen, nicht mehr und nicht weniger.
Wirklich immer dasselbe: Dann darf sie auch nur über Quellen sprechen und nicht über Objekte dieser Quellen. - Wenn es so wäre, wie Du sagst, wäre es erstens genau richtig und zweitens gäbe es dann keinen Streit zum Thema Naherwartung..
Die Forschung untersucht Textquellen und sagt, dass der Wanderprediger Jesus gem. den Quellen eine Naherwartung hatte.
Sie schätzt sogar die Naherwartung für höchst authentisch ein, weil sie sich schon bei Abfassung praktisch als Irrtum erwiesen hat. Die Naherwartung spricht sogar für einen echten Jesus und nicht für eine reine literarische Erfindung der Schreiber. Ein solche rein literarische Figur hätten sie sicher nicht mit solch einem Geburtsfehler ausgestattet.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:dann genügt dir also im Gegensatz zur Kirche ein unhistorischer Jesusmythos, der auf Legenden und erfundenen Geschichten aufgebaut ist?
Nicht ganz. - Die Rahmenbedingungen sind aus meiner Sicht historisch (dazu gehören auch Dinge wie "Auferstehung", die eh nicht historisch-kritisch nachweisbar sind) - Einzel-Episoden können metaphorisch sein.
Historisch ist wahrscheinlich lediglich Geburt und Tod, dazwischen jede Menge Mythos, legende und Täuschung.

closs hat geschrieben: Es gibt Spezialisten, die wissen, wie man damals geschrieben hat - Tiede(?) hast Du ja gehört..
Genau, er sprach von Glaubenspropagandaschriften.

closs hat geschrieben: Es würde ebenfalls zur HKM gehören, Texte aus der Zeit heraus zu verstehen und damit zum Schluss kommen, dass "Geschichtsschreibung" damals (nach unserem heutigen Verständnis) immer eine Mischung aus Historischen und Nicht-Historischem war...
Genau das macht die Forschung, im Gegensatz zur kanonischen Exegese, die sich nicht für den ursprünglichen Sinn eines Textes interessiert.


closs hat geschrieben: Sobald man Geschriebenes übertragen will auf Jesus, wird es eine weltanschauliche Sache. - Denn man wird das Geschriebene ganz anders interpretieren, ob Jesus nur ein Wanderprediger ist oder "Gottes Sohn"/Gott - denn rauskriegen kann man das eine oder das andere ohne weltanschauliche Prädisposition nicht. - Was umgekehrt heisst: Je nach Weltanschauung liest man den Nur-Wanderprediger oder "Gottes Sohn"/Gott heraus....
Jesus ist der Protagonist der biblischen Texte. Selbstverständlich darf sich die historische Jesusforschung über den Protagonisten äußern, Bezug nehmend auf die Quellen.
Es ist doch bezeichnend, dass Gläubige darauf pochen, der "echte" Jesus möge doch bitte anders sein, als in den Quellen dargestellt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb hat man eine Methode entwickelt, die subjektive Einflüsse möglichst ausschließt, ähnlich den Blindstudien in der Medizin. Nur so kann man sich dem, "was der Fall ist", annähern.
Genau das ist die Falle. - Denn es ist einerseits richtig, andererseits kann es nur DAS als "der Fall seiend" vorziehen, was es weltanschaulich für plausibel hält. -
Nein, es ist keine Falle. In der historischen Jesusforschung gibt es keine Alternative, wenn man dem glaubensdogmatischen Sandkasten entwachsen will. Und nochmal: die Forschung hat nicht die Absicht, Gottesbeweise zu führen.
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#550 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Di 12. Jul 2016, 16:44

Pluto hat geschrieben:Also... unter "historisch" verstehe ich den archäologischen Befund, soweit vorhanden, die zeitgenössischen Texte (Bibel?) oder aber eine Symbiose der Beiden.
Das ist das, was die Forschung als historisch methodisch naheliegend findet.

Meine Frage war eine andere:
Ist "historisch" als das zu verstehen, was forschungs-mäßig als wirklich stattgefunden habend positiv ermittelt wird, oder das, was damals stattgefunden hat?

Pluto hat geschrieben: Wird man mit einer schweren Frage konfrontiert, versucht man abzulenken
Das Gegenteil ist der Fall: Die Frage ist dann leicht zu beantworten, wenn der Fragesteller erläutert, was er damit meint - denn er könnte damit zwei unterschiedliche Dinge meinen - s.o. - Insofern sollte der Fragesteller in der Lage sein zu sagen: "DIESES meine ich mit meiner Frage und nicht jenes".

Beispiel A:
Man stelle sich vor, dass Jesus TATSÄCHLICH am Kreuz gestorben ist - das würde ich als "real"/"wirklich" verstehen - da haben wir das Jahr 33 und da steht ein Kreuz und da hängt einer dran namens Jesus. - Man stelle sich nun vor, dass die Forschung methodisch ermittelt, dass aus ihrer Beobachtung zu erschließen ist, dass Jesus am Kreuz gestorben ist.

In diesem Fall stimmen WIRKLICHES Geschehen (WENN es so war) und methodisch ermitteltes Geschehen überein - man darf annehmen, dass dies oft der Fall ist. - Was aber ist nun das Historische daran? - Dass es wirklich geschehen ist oder dass es als wirklich geschehen ermittelt wurde?

Beispiel B:
Man stelle sich vor, dass Maria WIRKLICH als Jungfrau geboren hat - da ist eine Jungfrau, die ein Kind gebiert, ohne jemals mit männlichen Spermien in Kontakt gekommen zu sein. - Man stelle sich nun vor, dass die Forschung methodisch NICHT ermitteln kann, ob dies so ist oder nicht.

In diesem Fall stimmen WIRKLICHES Geschehen (WENN es so war) und methodisches Geschehen NICHT überein. - Wäre es nun "unhistorisch", wenn es methodisch nicht ermittelbar ist, selbst wenn es geschehen wäre?

sven23 hat geschrieben:Sie schätzt sogar die Naherwartung für höchst authentisch ein, weil sie sich schon bei Abfassung praktisch als Irrtum erwiesen hat.
Wie Du sagst: eine Einschätzung, also Interpretation.

Denn das von uns Beobachtete (wollen wir annehmen, dass es übereinstimmt mit dem, was WIRKLICH war) ist in der Tat von vorne herein ein Irrtum: Es war immer falsch, eine Naherwartung zu verstehen/zu glauben. - Warum? Das Interpretierende (also wir) sagt dazu:
a)Weil Jesus sich von vorne herein geirrt hat.
b) Weil Jesus es nie so gemeint hat, wie er rezipiert wurde.
Ohne dieses ausgelutschte Thema noch einmal aufzuwärmen: Hier ist zu unterscheiden zwischen objektiv Beobachtetes ("Der Textverfasser sieht eine Naherwartung") und Interpretierendes a) oder b).

sven23 hat geschrieben:er sprach von Glaubenspropagandaschriften.
Im zeitgenössischen Sinne des Wortes - und fügt hinzu, dass die Bibel im Vergleich zu üblichen zeitgenössischen Schriften außerordentlich historisch ist.

sven23 hat geschrieben:im Gegensatz zur kanonischen Exegese, die sich nicht für den ursprünglichen Sinn eines Textes interessiert.
Da hast Du wirklich was falsch verstanden.

sven23 hat geschrieben: Selbstverständlich darf sich die historische Jesusforschung über den Protagonisten äußern
Immer mit dem Vorbehalt: "Unter Zugrundelegung des Verfasserverständnisses und unserer zeitgenössischen Interpretation".

sven23 hat geschrieben: In der historischen Jesusforschung gibt es keine Alternative, wenn man dem glaubensdogmatischen Sandkasten entwachsen will.
Das, was Du als "Forschung" bezeichnest, ist einem glaubensdogmatischen Sandkasten entwachsen und triumpf-blind in den nächsten reingefallen.

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