Alles Teufelszeug? III

Pluto
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#511 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Sa 9. Jul 2016, 19:34

Halman hat geschrieben:Paulus erhoffte wohl das Kommen Christi, aber er rechnete auch mit seinem Tod vor dem Kommen Christie. Hatte ich alles schon erklärt. Nur "hört" man es hier offenbar nicht.
Soweit mir bekannt, erwartete Paulus das Ende der Zeit zu erleben.
So steht z.B. in 1. Thess. 4,15-17
Denn das sagen wir euch in einem Wort des Herrn: Wir, die wir leben und bis zur Wiederkunft des Herrn übrigbleiben, werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen; denn der Herr selbst wird, wenn der Befehl ergeht und die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallt, vom Himmel herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, zusammen mit ihnen entrückt werden in Wolken, zur Begegnung mit dem Herrn, in die Luft, und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit.

Ist dir das nicht eindeutig genug?

Wo hast du das Gegenteil erklärt? Bitte um einen Link.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#512 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 9. Jul 2016, 19:59

sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung ist sie das Zentrum.
Das kann sein - aber was ist "historische Jesusforschung"? Ein Versuch, etwas zur Theologie unter der Methode x beizutragen. - Ein Modell unter vielen.

Das Problem ist doch dabei, ob man "Das Leben Jesu" versteht als Untersuchung der Rahmenbedingungen seiner Zeit, oder ob man ihm eigene Ansichten unterstellt, die hinten und vorne theologisch nicht hinhauen.

sven23 hat geschrieben:Was "passt", wir akzeptiert, was nicht "passt", wird passend gemacht oder ignoriert.
Was HKM-Basisarbeit ist, wird erwünscht und akzeptiert, was über dieses Mandat hinausgeht, wird ärgerlich zurückgewiesen oder ignoriert. - Es ist meines Erachtens nach wie vor ein hanebüchener Schwachsinn, Jesus innerhalb der Theologie unter der faktischen Voraussetzung zu untersuchen, dass es Gott nicht gibt - so ist HKM nicht gemeint - das ist weltanschaulicher Wildwuchs.

sven23 hat geschrieben:Und wer fordert immer von der Forschung, sie müsse setzen, dass es Gott gibt?
Ich fordere von der Forschung, dass sie ergebnisoffen arbeitet, sobald sie vom Beobachtenden ins Interpretierende geht - und dazu gehört, dass man eigene Beobachtungen interpretiert unter dem Aspekt
a) es gibt Gott,
b) es gibt Gott NICHT.

Das ist deshalb unabdingbar, weil man unter a) das Beobachtete anders interpretiert als unter b). - Fordert man methodisch, dass nur unter b) interpretiert werden darf UND fügt hinzu, dass dies der einzige Weg der Forschung ist, wird Forschung entweder zu einer Lachnummer oder zu einer Ideologie gemacht - oder man beobachtet und beschreibt und überlässt das Interpretieren den Theologen, also Menschen, die von der Existenz Gottes ausgehen. (Bitte nicht verwechseln mit Religions-Wissenschaftlern - die dürfen die Frage untersuchen "Wie stellt sich die Bibel unter atheistischen Gesichtspunkten dar?")

sven23 hat geschrieben:Wenn es nicht relevant wäre, hätten die Schreiber die Legenden nicht erfunden
Es war für die Schreiber in ihrer AT-Tradition relevant.

sven23 hat geschrieben:und die Kirche würde nicht auf deren Historizität bestehen.
Das kritisiere ich auch - da scheint die Kirche noch nicht angekommen zu sein, wo sie hingehört. - Ob das in der RKK heute noch so gesehen wird, weiss ich nicht - ich werde mal nachfragen.

sven23 hat geschrieben:Zur Erinnerung: unhistorisch heißt, dass es so nicht stattgefunden hat.
Zur Erinnerung: Genau das ist FALSCH.

Historisch heisst, dass etwas Geschehenes positiv nachweisbar ist ("Am 6.Juni 1944 war D-Day") - nicht-historisch heisst, dass etwas - ob es geschehen ist oder nicht - NICHT positiv nachweisbar ist. Wissenschaftlich gesprochen.

Mit dem Begriff "unhistorisch" wäre ich vorsichtig. Es macht die Wirklichkeit abhängig vom jeweiligen Forschungsstand ("Solange wir etwas nicht herausgefunden haben, hat etwas nicht stattgefunden").

Konkret:
Die meiste Wirklichkeit der Bibel ist eh nicht historifizierbar - das, was positiv belegbar ist ("Originalphotos von Kreuz" :devil: ), ist ein toller Beitrag er HKM. Was NICHT positiv belegbar ist, ist neutral und vollkommen der so oder anders gearteten Interpretation ausgeliefert.

sven23 hat geschrieben:Wenn man alle Forschungsergebnisse berücksichtigt und sich nicht scheut, 1 und 1 zusammenzuzählen, dann kann man sich durchaus seinem Zweifel anschließen.
Ja - das ist verständlich. - Es geht hier ja nicht um dumme und gescheite Theologen, sondern um die Grundlagen derer, die theologisch arbeiten.

Konkret: Wenn 50% aller Theologen ihr Studium abbrechen, weil sie historisch-kritisch (zu Recht) hören, dass meinetwegen Bethlehem historisch höchst unwahrscheinlich ist und meinetwegen die Auferstehung Christi sowie die Jungfrauengeburt nach heutigem wissenschaftlichen Status nicht möglich ist (was ja ebenfalls stimmt ;), dann haben sie nicht kapiert, was Theologie ist - dann haben sie kein eigenes spirituelles Fundament, um auf diesem innerhalb der Theologie zu forschen. - Insofern ist es gut, wenn sie abbrechen - sie müssen vorher eine Art Kinderglauben gehabt haben, der damit als solcher entlarvt wird.

Und so ähnlich vermute ich auch bei Strauss (der sich ja am Ende komplett von der Kirche losgesagt hat) - er hat gemeint, man könne die christliche Substanz historisch-kritisch nachzeichnen. - Das ist ein grundlegender grandioser Irrtum.


sven23 hat geschrieben:da steht nichts Missverständliches in wiki.
Mit folgendem aus wiki bin ich vollkommen einverstanden - was würdest Du daran aussetzen?

"Die Kanonische Exegese (Kanonische Bibelexegese oder Kanonische Schriftauslegung) ist ein hermeneutischer Zugang zur Bibel, der die einzelnen Bibeltexte primär im Kontext des gesamten Bibelkanons interpretiert. Sie ist eine christlich-theologische Bibelexegese, die in Jesus Christus den Schlüssel der ganzen Bibel sieht und von ihm her den Bibelkanon in seiner geschichtlich-kirchlich gewordenen Gestalt als Einheit betrachtet. Dementsprechend interessiert sie sich weniger für die Entstehungsgeschichte der einzelnen Bibeltexte und das historische Umfeld, in dem sie geschrieben wurden, somit ist sie ein synchroner Bibelzugang. Die kanonische Exegese kann dennoch die Ergebnisse der diachronen historisch-kritischen Bibelexegese einbeziehen, deren eigentliche Methode gegenüber theologischen Bibelauslegungen nicht streng abgegrenzt ist. Durch die organische Verbindung beider Exegesen gründete Papst Benedikt XVI. eine neue Auslegungsrichtung (siehe „Ratzinger-Exegese“), die als eine diachrone Variante der kanonischen Exegese betrachtet werden kann".

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#513 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 9. Jul 2016, 20:01

Pluto hat geschrieben:Ist dir das nicht eindeutig genug?
Es ist eindeutig unter Maßstäblichkeit dieser Quelle, dass Petrus es so verstanden hatte. - Hier aber geht es darum, wie es Jesus gemeint hat.

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#514 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von sven23 » Sa 9. Jul 2016, 20:52

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung ist sie das Zentrum.
Das kann sein - aber was ist "historische Jesusforschung"?
Das sollte doch inzwischen bekannt sein:
"Die historische oder historisch-kritische Jesusforschung (Frage nach dem historischen Jesus, früher: Leben-Jesu-Forschung) forscht in den Schriften des Urchristentums und anderen Quellen der Antike nach Jesus von Nazaret. Mit historisch-kritischen Methoden rekonstruiert sie Grundzüge seines öffentlichen Wirkens."
Quelle: Wikipedia


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und wer fordert immer von der Forschung, sie müsse setzen, dass es Gott gibt?
Ich fordere von der Forschung, dass sie ergebnisoffen arbeitet, sobald sie vom Beobachtenden ins Interpretierende geht - und dazu gehört, dass man eigene Beobachtungen interpretiert unter dem Aspekt
a) es gibt Gott,
b) es gibt Gott NICHT.
Du scheinst ja besessen von dieser Idee zu sein.
Um z. B. die Historizität der Geburtslegenden, des Herodischen Kindermordes oder der Synagogen zu untersuchen,ist es irrelevant, ob es Gott gibt oder nicht. Das ist nicht das Thema der Forschung. Also zum x-ten Mal: nicht Gott ist Gegenstand der Forschung, sondern der Glaube an Gott.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn es nicht relevant wäre, hätten die Schreiber die Legenden nicht erfunden
Es war für die Schreiber in ihrer AT-Tradition relevant.
Genau, weil sie AT-Weissagungen auf Jesus projizieren wollten, mußten sie diese Geschichten erfinden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:und die Kirche würde nicht auf deren Historizität bestehen.
Das kritisiere ich auch - da scheint die Kirche noch nicht angekommen zu sein, wo sie hingehört. - Ob das in der RKK heute noch so gesehen wird, weiss ich nicht - ich werde mal nachfragen.
In der Logik der Kirche ist es ja nachvollziebar. Da sie mit einem mythologischen Jesus nichts anfangen kann, muß sie auf Historizität bestehen, entgegen aller Forschung.


closs hat geschrieben: Mit dem Begriff "unhistorisch" wäre ich vorsichtig.
Sei versichert: die Forschung ist vorsichtig.


closs hat geschrieben: Und so ähnlich vermute ich auch bei Strauss (der sich ja am Ende komplett von der Kirche losgesagt hat) - er hat gemeint, man könne die christliche Substanz historisch-kritisch nachzeichnen. - Das ist ein grundlegender grandioser Irrtum.
Es kann sich ja jemand von der Kirche lossagen und trotzdem an einen Gott glauben, soll es ja durchaus geben. ;)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:da steht nichts Missverständliches in wiki.
Mit folgendem aus wiki bin ich vollkommen einverstanden - was würdest Du daran aussetzen?

"Die Kanonische Exegese (Kanonische Bibelexegese oder Kanonische Schriftauslegung) ist ein hermeneutischer Zugang zur Bibel, der die einzelnen Bibeltexte primär im Kontext des gesamten Bibelkanons interpretiert. Sie ist eine christlich-theologische Bibelexegese, die in Jesus Christus den Schlüssel der ganzen Bibel sieht und von ihm her den Bibelkanon in seiner geschichtlich-kirchlich gewordenen Gestalt als Einheit betrachtet. Dementsprechend interessiert sie sich weniger für die Entstehungsgeschichte der einzelnen Bibeltexte und das historische Umfeld, in dem sie geschrieben wurden, somit ist sie ein synchroner Bibelzugang. [/color]Die kanonische Exegese kann dennoch die Ergebnisse der diachronen historisch-kritischen Bibelexegese einbeziehen, deren eigentliche Methode gegenüber theologischen Bibelauslegungen nicht streng abgegrenzt ist. Durch die organische Verbindung beider Exegesen gründete Papst Benedikt XVI. eine neue Auslegungsrichtung (siehe „Ratzinger-Exegese“), die als eine diachrone Variante der kanonischen Exegese betrachtet werden kann".
Der grün gefärbte Text ist ein "no go" in der Forschung.
"Organische Verbindung" ist eine schöne, aber leere Worthülse, weshalb die Ratzinger Exegese als gescheitert betrachtet werden muss und in der Forschung nur müde belächelt wird. Ebenso wie "ein bißchen schwanger" nicht geht, geht auch ein bißchen Wissenschaft nicht. Entweder arbeitet man wissenschaflich oder läßt es bleiben.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#515 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 9. Jul 2016, 21:13

sven23 hat geschrieben:"Mit historisch-kritischen Methoden rekonstruiert sie Grundzüge seines öffentlichen Wirkens".
"Grundzüge" - der Background - aber doch nicht den Inhalt seines Wirkens - das können nur Theologen. - Das ist genau die "Gewaltenteilung", wie ich sie mir vorstelle: Basisarbeit, Grundzüge, Background per HKM - inhaltliche Auslegung selbst ("Was ist damit von Jesus gemeint?") ist dann der nächste Schritt außerhalb der HKM. - Es sei denn, man folgt Ratzis Vorschlag, dann ist die HKM auch Teil dieses nächsten Schritts.

sven23 hat geschrieben:Um z. B. die Historizität der Geburtslegenden, des Herodischen Kindermordes oder der Synagogen zu untersuchen,ist es irrelevant, ob es Gott gibt oder nicht.
Stimmt - das ist Background - das ist Beobachtung von außen - das ist HKM. - Ich sprach von der interpretierenden HKM - WENN sie schon meint, inhaltlich interpretieren zu müssen.

sven23 hat geschrieben:weil sie AT-Weissagungen auf Jesus projizieren wollten, mußten sie diese Geschichten erfinden.
Und haben damit übersehen, dass dies AT-Denken ist - sie haben also den Paradigmenwechsel des NT nicht mitgemacht. Das werfe ich zu einem Teil auch der RKK vor (wobei es eigentlich kein Vorwurf ist - jeder, wie er kann).

sven23 hat geschrieben:Da sie mit einem mythologischen Jesus nichts anfangen kann, muß sie auf Historizität bestehen, entgegen aller Forschung.
Wieso "entgegen aller Forschung" (schon wieder ein ideologie-verdächtiger Spruch). - Wo kann die HKM in einem relevanten Teil positiv nachweisen, dass etwas mythologisch oder nicht historisch ist? (Ich meine damit nicht Bethlehem-Geschichten, sondern Sachen wie Kreuz und Auferstehung)

sven23 hat geschrieben:Sei versichert: die Forschung ist vorsichtig.
Kommt hier im Forum so nicht rüber.

sven23 hat geschrieben:Es kann sich ja jemand von der Kirche lossagen und trotzdem an einen Gott glauben, soll es ja durchaus geben.
Auch das - ich zum Beispiel. :lol:

sven23 hat geschrieben:Der grün gefärbte Text ist ein "no go" in der Forschung.
In der historisch-kritischen Forschung ist es ein "no go" - logisch. Schließlich ist das ihre Aufgabe. - Hier geht es um geistig-inhaltliche/philologische/theologische/philosophische Forschung (such Dir was aus).

sven23 hat geschrieben:"Organische Verbindung" ist eine schöne, aber leere Worthülse, weshalb die Ratzinger Exegese als gescheitert betrachtet werden muss
Zu Lasten der HKM - denn damit wird sie weiter in den Bereich des Background-Lieferanten abgeschoben.

Du hast den Satz ausgelassen, wonach deren (HKM) eigentliche Methode gegenüber theologischen Bibelauslegungen nicht streng abgegrenzt ist. Genau das passiert jetzt mit dem SCheitern der Ratzinger-Exegese - jetzt wird wieder streng abgegrenzt, was für die HKM bedeutet: Zurück ins Glied.

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#516 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Sa 9. Jul 2016, 21:28

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ist dir das nicht eindeutig genug?
Es ist eindeutig unter Maßstäblichkeit dieser Quelle, dass Petrus es so verstanden hatte. - Hier aber geht es darum, wie es Jesus gemeint hat.
Das verstehe ich nicht.
Hast du eine geheime Quelle?
Oder ist das eine Auslegung deiner persönlichen Weltanschauung?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#517 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Sa 9. Jul 2016, 23:39

Pluto hat geschrieben:Hast du eine geheime Quelle? Oder ist das eine Auslegung deiner persönlichen Weltanschauung?
Weder noch. - Es ist eigentlich eine Aussage, die man in der HKM lernt (bzw. früher gelernt hat) - nämlich:

Die HKM untersucht nicht das Objekt, sondern Quellen zum Objekt. - Die Quelle ist hier Petrus (bzw. jemand, der sich als Petrus ausgibt - auch das gehört zur HKM, dies zu unterscheiden). - Nimmt man diese Quelle maßstäblich in Bezug auf das Objekt (= Jesus), kann man sagen: "Jesus hatte eine Naherwartung".

Genau das darf man aber in der HKM NICHT - es sei denn, man sagt statt "Jesus hatte eine Naherwartung" "Nach Ansicht von Petrus oder der sich als Petrus ausgibt hatte Jesus eine Naherwartung".

Selbst dieser Satz muss genau bedacht werden. Denn es kann sein, dass Petrus sich fragt: "Habe ICH mich getäuscht oder Jesus". - Selbst wenn er es NICHT fragt, aber andere Quellen es fragen, bleibt offen, ob Petrus mit seiner Annahme recht hat ("Jesus hatte eine Naherwartung"), oder es selber nicht gecheckt hat, dass er selber es nicht gecheckt hat, was er falsch verstanden hat.

SO macht man HKM - genau und von allen Seiten, auch zulasten des Textverfassers, hinterfragen. - Ich denke, dass diesbezüglich die HKM auch heute noch besser ist, als sie hier dargestellt wird.

Auch bei "redlicher" Anwendung der HKM wird am Ende übrig bleiben:
a) Wenn es Gott NICHT gibt, spricht dies eher dafür, dass Petrus damit recht hat, dass Jesus es SO gemeint hat.
b) Wenn es Gott gibt, ist es mehr als unwahrscheinlich.

Da man aber nicht falsifizieren kann, ob es Gott gibt oder nicht, bleibt dieser Interpretations-Spielraum offen - da kann keine HKM etwas dran ändern. - Beharrt man trotzdem auf Version a), weil es der eigenen methodischen Voraussetzungen entspricht, ist dies mindestens nahe an einer ideologischen Aussage. - Denn dann stellt man Methodik-Erfüllung über Verpflichtung gegenüber der Wirklichkeit.

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#518 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Sa 9. Jul 2016, 23:48

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Kurz vor seinem Tod warnte Jesus seine Jünger und sagte ihnen voraus, dass sie die angekündigten endzeitlichen Katastrophen selbst miterleben würden. Das ist doch der Punkt.
Und dann steht woanders, dass dies und jenes alles passieren müsse, bis er wieder kommt - was in wenigen Generationen nicht machbar ist.
Mit Verlaub - hier erkenne ich nur ausweichendes Wortgeklingel. Glaubst Du im Ernst, Jesus hätte sich dermaßen widersprochen? :o
Der Auftrag zur Heidenmission, auf die Du hier wahrscheinlich anspielst, ist Jesus mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit von den Evangelisten in den Mund gelegt worden, und zwar zu einem Zeitpunkt, als diese bereits voll im Gange war - um die ausbleibende
Parusie zu erklären.
;)

Das ist das einvernehmliche Ergebnis neutestamentlicher Forschungen. Jesus lehnte ja als ein auf Israel fokussierter Jude die Misssion der Heiden ausdrücklich ab - und von einer "weltweiten" Missionstätigkeit der Jünger (Paulus war kein Jünger) wird demgemäß in der Apostelgeschichte auch mit keinem Wort berichtet.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Es ist unredlich, wenn man sich nur eine Bibelstelle herauspickt und sie entsprechend seinen Wünschen interpretiert, und allen anderen stillschweigend unter den Tisch fallen lässt.
Eben - deshalb muss man ein Deutungs-System schaffen, das unabhängig von diesen Widersprüchen ist. - Das ist wissenschaftlich (in "Deinem" Sinne) nur sehr bedingt möglich.
Nee - erstens gibt es keine Gründe zu unterstellen, dass sich Jesus dermaßen widersprechend geäußert haben sollte (siehe den ANGEBLICHEN Auftrag Jesu an die Jünger zur Heidenmission). Und zweitens muss hier wirklich kein auf subjektiven Glaubensvorstellungen beruhendes Deutungssystem a la closs geschaffen werden. Wir bewegen uns hier nicht auf transzendentem, sondern auf historischem Terrain. :)

Bleiben wir doch einfach intellektuell redlich - und räumen (wenn auch zähneknirschend) ein, dass sich Jesus von Nazareth mit seinen prophetischen nahzeitlichen Ankündigungen der hereinbrechenden Gottesherrschaft schlicht geirrrt hat. Weder kam die als nah (zu Lebzeiten einiger Jünger)angekündigte katastrophale Apokalypse noch trat - entgegen Deiner Auffassung - Gott seine Königsherrschaft über die Erde und ihren Völkern an.

Jedenfalls ist von dieser weltweiten Gottesherrschaft weit und breit nichts zu erkennen. Wer etwas anderes glaubt, lügt sich schlicht in die Tasche.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:nach den Worten Jesu (siehe oben) sollte die Apokalypse und der Anbruch der Gottesherrschaft zusammenfallen.
Das ist (nicht nur) aus meiner Sicht genau der Irrtum.
Mein Reden seit anno Tobak - klar hat sich der Mann aus Nazareth geirrt. Das ist ja die einvernehmliche Auffassung der theologischen Experten. Jesus drückte sich in seinen apokalyptischen Endzeitreden dermaßen eindeutig und bestimmt aus, dass es an dem Nichteintreffen seiner Prophezeiungen redlicherweise nichts herumzudeuteln gibt.

closs hat geschrieben:Oder meinst Du, dass die Theologie der großen Kirchen aus Selbsttäuschern besteht, die die Bibel nicht kennen?
Nee anders - die durchblickenden und sich selbst gegenüber ehrlichen (= intellektuell redlichen) Kirchenleute werden ihre abweichenden Erkenntnisse aus purer ANGST für sich behalten und nicht an die große Glocke gehängt haben... ;)

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#519 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Sa 9. Jul 2016, 23:52

closs hat geschrieben:Die HKM untersucht nicht das Objekt, sondern Quellen zum Objekt. - Die Quelle ist hier Petrus (bzw. jemand, der sich als Petrus ausgibt - auch das gehört zur HKM, dies zu unterscheiden). - Nimmt man diese Quelle maßstäblich in Bezug auf das Objekt (= Jesus), kann man sagen: "Jesus hatte eine Naherwartung".
Ich verstehe echt nicht wie du interpretierst.
Ich finde folgende Bibelstellen völlig eindeutig. Da gibt es nichts falsch zu verstehen.

Jak 5,8-9: So wartet auch ihr geduldig; stärkt eure Herzen, denn die Wiederkunft des Herrn ist nahe! Seufzt nicht gegeneinander, Brüder, damit ihr nicht verurteilt werdet; siehe, der Richter steht vor der Tür!

1Thes 1,9-10: Denn sie selbst erzählen von uns, welchen Eingang wir bei euch gefunden haben und wie ihr euch von den Götzen zu Gott bekehrt habt, um dem lebendigen und wahren Gott zu dienen, und um seinen Sohn aus dem Himmel zu erwarten, den er aus den Toten auferweckt hat, Jesus, der uns errettet vor dem zukünftigen Zorn.

1Thes 4,15: Denn das sagen wir euch in einem Wort des Herrn: Wir, die wir leben und bis zur Wiederkunft des Herrn übrigbleiben, werden den Entschlafenen nicht zuvorkommen;

1Kor 1,7: so daß ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gnadengabe, während ihr die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus erwartet, der euch auch fest machen wird bis ans Ende, so daß ihr unverklagbar seid am Tag unseres Herrn Jesus Christus.

Tit 2,13: indem wir die glückselige Hoffnung erwarten und die Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unseres Retters Jesus Christus,

2Petr 3,12.14: indem ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und ihm entgegeneilt2, an welchem die Himmel sich in Glut auflösen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden! Wir erwarten aber nach seiner Verheißung neue Himmel und eine neue Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt. Darum, Geliebte, weil ihr dies erwartet, so seid eifrig darum bemüht, daß ihr als unbefleckt und tadellos vor ihm erfunden werdet in Frieden!

Auch Paulus hatte eine Nahewartung...
1Kor 15,51: Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden;
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#520 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » So 10. Jul 2016, 02:02

Münek hat geschrieben:Glaubst Du im Ernst, Jesus hätte sich dermaßen widersprochen?
Wieso SICH?

Münek hat geschrieben:Der Auftrag zur Heidenmission, auf die Du hier wahrscheinlich anspielst, ist Jesus mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit von den Evangelisten in den Mund gelegt worden
Gut möglich, dass sie es interpretiert haben im Sinne der Genesis. Aber wo ist da ein Widerspruch zu Jesus?

Münek hat geschrieben:Jesus lehnte ja als ein auf Israel fokussierter Jude die Misssion der Heiden ausdrücklich ab
Das ändert nichts daran, dass das NT nur universal zu verstehen ist. Woher willst Du wissen, dass Jesus prinzipiell dagegen war, dass Gott für die ganze Welt zuständig ist?

Münek hat geschrieben:Bleiben wir doch einfach intellektuell redlich - und räumen (wenn auch zähneknirschend) ein, dass sich Jesus von Nazareth mit seinen prophetischen nahzeitlichen Ankündigungen der hereinbrechenden Gottesherrschaft schlicht geirrrt hat.
Wenn er es so gemeint HÄTTE, hättest Du recht. - Aber Du setzt immer das voraus, was in Frage steht.

Münek hat geschrieben:Jedenfalls ist von dieser weltweiten Gottesherrschaft weit und breit nichts zu erkennen.
Das Dasein ist bis zur Apokalypse "das Fürstentum der Welt" - das ist von vorneherein so geplant.

Münek hat geschrieben: klar hat sich der Mann aus Nazareth geirrt. Das ist ja die einvernehmliche Auffassung der theologischen Experten.
Nein - das ist eine verfochtene These innerhalb des Segments HKM. - "DIE" Theologie denkt insgesamt mehrheitlich anders.

Münek hat geschrieben:die durchblickenden und sich selbst gegenüber ehrlichen (= intellektuell redlichen) Kirchenleute werden ihre abweichenden Erkenntnisse aus purer ANGST für sich behalten und nicht an die große Glocke gehängt haben...
Da muss man schon zu herben Verschwörungstheorien greifen, um das System zu schützen.

Immer wieder:
Die HKM ist als Diszplin zur Beschaffung wertvoller Background-Information sehr gefragt - aber nicht als inhaltlich übergreifende Deuterin der Bibel. Manche sehen das zwar aus einem historischen Hype heraus - aber dieser Hype ist im Abklingen. Es ist nicht mehr üblich, innerhalb der Theologie die Bibel nur unter der methodischen Setzung zu verstehen, dass es Gott nicht gibt. - Tempi passati.

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