Münek hat geschrieben:Die Spaltung Gottes hat Hiob vollzogen. Jahwe musste erkennen, dass das Prinzip der Liebe höher ist als das Prinzip der Gerechtigkeit.
Er musste lernen und sich ändern.
Die "Spaltung Gottes" ist eine Chimäre, denn es gab zu keiner Zeit eine einheitliche Gottesvorstellung. Jeder Schriftsteller und Redaktor (und die Zahl der biblischen Schriftsteller und Redaktoren ist unübersehbar und höchst umstritten) hat seine eigene Vorstellung. Und die "guten" und "bösen" Anteile im jeweiligen Gottesbild sind höchst subjektiv. Jeder hat seine eigene Ansicht, was er als gut empfindet.
Hiob ist eine ziemlich komplizierte Sache. Das Buch beinhaltet nicht nur mehrere verschiedene Gottesbilder, sondern es beabsichtigt diese Unterschiedlichkeit sogar. Die Rahmenerzählung greift auf ein heidnisches Gottesbild zurück, die allerdings noch einmal schwer überarbeitet wurde - allerdings wurde der Anfang anders bearbeitet, als der Rahmenteil am Ende. Die Elihud-Teile sind spätere Hinzufügungen.
Du beziehst dich wohl auf die Rahmenerzählung am Anfang. Das heidnische Bild von Gott und Teufel wurde wohl absichtlich übernommen, um die Absurdität dieser Wette noch mal so richtig darzustellen. Hiob soll vor ein Rätsel gestellt werden, das er (als gläubiger Jude) gar nicht verstehen KANN. Die Vorstellung, dass Gott mit dem Teufel (oder auch mit sonst jemandem) eine Wette von gleich zu gleich eingeht, war zur Zeit der Entstehung des Hiobbuches schon längst völlig absurd. Wir befinden uns im Zeitalter der Weisheitsschriften, nicht in der Zeit der Patriarchenerzählungen, in der solche Vorstellungen noch gang und gäbe waren und sowieso polytheistische Einflüsse stark waren. Der Anfang der Rahmenerzählung stellt dar, dass das Leiden Hiobs nur einen aberwitzigen, aus menschlicher Perspektive aberwitzigen Grund haben kann. Wiederum versagen alle irdischen Erklärungen. Und für dieses Versagen menschlicher Gedankengänge wählte der Schriftsteller ein Bild: Dies unsäglich absurde, dem jüdischen Denken seiner Zeit völlig widersprechende Wette. Ebenso absurd - so die Aussage - muss Gottes Begründung sein.
Diese Absurdität wird dann noch mal weiter hinten, im Hauptteil, aufgegriffen: Die Rede Gottes aus dem Gewittersturm. Hier allerdings nicht mehr durch ein Bild vermittelt, sondern spöttischer Rede, die Hiob die Absurdität Gottes als für Menschen undurchschaubar offenbart. "Gib dir keine Mühe, du kleiner Wurm namens Hiob! Du hast keine Chance meine Gedanken zu verstehen. Dazu bist du zu mickrig, zu klein, zu unfähig und zu dumm!"
Das Bild von der Wette mit dem Teufel ist grade genau so gut, wie die Rede aus dem Gewittersturm. Gottes Gründe und sein Handeln sind in beiden Fällen aus menschlicher Perspektive absurd. Es ist hoffnungslos, in dieser Weise zu spekulieren: Dafür reicht es bei uns Menschen nicht. Und bei dem armen Hiob auch nicht. Zu klein. Zu beschränkt. Und für solche Verständnisfragen einfach ungeeignet. So ist Hiob. So ist der Mensch. So ist jeder Leidende. Da ist intellektuell nichts drin.