Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
#101 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Ich lass' das einfach mal unkommentiert so stehen, weil ich grad meine Netten-5-Minuten habe.
- Savonlinna
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#102 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Es wäre sinnvoll, mit heutigen Literaturwissenschaftlern, Religionswissenschaftlern und Kulturwissenschaftlern zu vergleichen.Pluto hat geschrieben:Natürlich nicht — Lévi-Strauss war ein Mensch.Savonlinna hat geschrieben:Du glaubst an die Unfehlbarkeit von Claude Lévi-Strauss?Pluto hat geschrieben:Lévi-Straus kommt um Schluss, dass der Grund für die weite Verbreitung von Sintflut Legenden ganz woanders liegt:
Der Mensch liebt das Wasser und hat seit prähistorischen Zeiten immer die ufernahen Ebenen der großen Seen, Flüsse und Meere besiedelt. Dies führte natürlich zu regelmäßigen Überschwemmungen oder Stürmen, in denen viele tausend Menschen ertranken. So hat quasi jede Ethnie ihre Legenden von mindestens einer großen Flut.
Aber gerade seine Unvollkommenheit macht ihn äußerst glaubwürdig. Als weltweit anerkannter Ethnologe und Wissenschaftler sind seine Erkenntnisse auf jeden Fall weitaus höher einzuschätzen als die möglicherweise vom weltanschaulichen Glaubensbild getrübten Ansichten der Schreiber von bibelwissenschaft.de
Die Welt bleibt nicht stehen, und wer nur auf einen einzigen Wissenscchaftler setzt, ist aus dem Spiel.
#103 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Nicht wirklich, nein.Savonlinna hat geschrieben:Es wäre sinnvoll, mit heutigen Literaturwissenschaftlern, Religionswissenschaftlern und Kulturwissenschaftlern zu vergleichen.
Die Faktenlage ist klar und die Theorie von Levi-Strauss erklärt diese Fakten ausgezeichnet.
Hast du eine bessere Theorie, dann lass sehen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
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#104 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Du bist ein gläubiger Mensch, und was Dir einleuchtet, ist in Deinen Augen klar und ausgezeichnet.Pluto hat geschrieben:Nicht wirklich, nein.Savonlinna hat geschrieben:Es wäre sinnvoll, mit heutigen Literaturwissenschaftlern, Religionswissenschaftlern und Kulturwissenschaftlern zu vergleichen.
Die Faktenlage ist klar und die Theorie von Levi-Strauss erklärt diese Fakten ausgezeichnet.
Gegen Glauben kommt keine Wissenschaft an.
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#105 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Das ist eine gute Schlussfolgerung.Janina hat geschrieben:Gläubigkeit spielt dazu gar keine Rolle, es reicht, mit den Gesetzen der Logik vertraut zu sein, um aus der Tatsache, dass keine Welt-Flut stattgefunden hat, schließen zu können, dass die Sintflut-Geschichte kein Augenzeugenbericht ist.Savonlinna hat geschrieben:Man muss kein gläubiger Mensch sein, um zu verstehen, dass die Sintflut-Geschichte nicht dadurch "widerlegt" ist, dass man historisch keine Welt-Flut ausfindig machen konnte.
Und aus dieser kann man weitere Überlegungen generieren.
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#106 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Wenn dieser Text also - sagen wir mal - zur Zeit der babylonischen Gefangenschaft geschrieben wurde oder noch später, dann erhebt sich dringlich die Frage:Andreas hat geschrieben:Bleiben wir doch bei der Sintflutgeschichte als Beispiel. In der Geschichte der Forschung verschiebt sich die vermutete Zeit der Abfassung bzw. letzter Redaktion immer weiter in Richtung Spätdatierung bis in die nachexilische Zeit.
Wozu ist dieser Text verfasst worden? Was sollte mit ihm bezweckt werden?
Und das beinhaltet: Wer ist der Adressat? Also an wen richtet sich die Erzählung?
Das halte ich für denkbar, das halten auch die Forscher für eine sehr erwägenswerte These.Andreas hat geschrieben:Falls ich mit meiner "politischen" Interpretation richtig liegen sollte, kann die Sintflutgeschichte von den Autoren/Redaktoren also durchaus historisch gemeint gewesen sein, nicht als Bericht einer historischen Naturkatastrophe - sondern als "Bericht" der gerade durchlebten Geschichte des jüdischen Volkes in anderer Textart.
Die Situation des jüdischen Volkes in der Gefangenschaft war keine lustige, und es gab viel "Abfallen" von dein Einen Gott, wahrscheinlich auch heimliche Götzenanbetung.
Um dem abzuhelfen, wollte man das "nationale Empfinden", sag ich mal etwas salopp, stärken.
Dazu ging man alte Überlieferungen durch, schrieb sie neu und schnitt sie auf die aktuelle Lage zu.
Die Sintflutgechichte ist ja nicht die einzige, die damals neu und anders geschrieben wurde. Auch die von der Opferung des Isaaks ist wahrschinlich im Exil geschrieben worden.
Zumindest ist das eine ins Auge zu fassende Erklärung, welchen Grund die Priester - ich vermute, es waren Priester, die diese Erzählung aufschrieben - hatten, die Erzählung zu verfassen.Andreas hat geschrieben:
- Haben die Autoren/Redaktoren diese stark komprimierte "Zusammenfassung" der letzten Jahrhunderte ihrer Geschichte absichtlich in einen "aktualisierten" Mythos gegossen, um ihre nachfolgend und rückdeutende Geschichtsdarstellung (Samuelbücher, Königsbücher, Chronik und vieles aus den Propheten) suggestiv vorzubereiten?
Vielleicht auch umgekehrt?Andreas hat geschrieben:[*]Oder war es ihnen nicht bewusst, und mogelte sich diese frappierend deckungsgleiche Analogie aus dem kollektiven (Unter-)Bewusstsein der Zeit des zweiten Tempels, von den Autoren/Redaktoren selbst unbemerkt in die Sintflutgeschichte? Das entspräche vermutlich dem, was Savonlinna als das "numinosum" bezeichnet.
Auf der Suche nach der Herleitung der Wurzeln des jüdischen Volkes, um dem drohenden Glaubensverlust entgegenzuwirken, wählte man unter anderem eine alte Legende, die über die aktuelle historische Situation hinausging. Sie bettete die aktuelle historische Situation in eine die Historie grundsätzlich strukturierende Idee ->
Die Überflutung durch Wasser, die sehr leicht gleichnishaft zu einem Bild für drohende geistige Katastrophe werden kann, ist ein Urbild für geistige Katastrophen.
Wikipedia schreibt zu diesem Thema:
Diese Tatsache konnte von den jüdischen Theologen und Gelehrten sehr wohl als "geistige Katastrophe" wahrgenommen werden, und man schrieb diese Erzählungen, um dem entgegenzuwirken.Wikipedia hat geschrieben:Um zu verhindern, dass die Eigenart der Juden vollkommen im Vielvölkergemisch Babylons unterginge, betonten die jüdischen Theologen und Gelehrten die Besonderheit des Judentums, insbesondere des jüdischen Glaubens.
https://de.wikipedia.org/wiki/Babylonisches_Exil
Wenn ich das begrifflich etwas umformuliere, halte ich auch das für etwas, was - wie in jedem Geschehen - mitwirken könnte:Andreas hat geschrieben: [*]Oder kann man hier die Art und Weise erahnen, wie in christlicher Terminologie "der Heilige Geist auf die Autoren/Redaktoren wirkt?"[/list]
Hegel nennt das "die List der Vernunft", ich lasse das lieber namenlos.
Aber:
Wir Menschen werden von so einigem "gelenkt" in unseren Entscheidungen, das wir nicht durchblicken.
Es kann einiges in der Menchheit als Ganzes "eingeschrieben" sein, das zum Beispiel die Menschheit dazu gebracht hat, den Frieden zu wollen und teilweise sogar zu erzielen.
Dass ein bestimmtes Volk "auserwählt" ist, um andere zu beherrschen, ist in meinen Augen ein grauenvoller und fataler Gedanke.
Der "heilige Geist" tut dergleichen nicht.
Aber die Ablösung eines jähzornigen Gottesbildes durch ein Gottesbild, das den Einzelmenschen einbettet in ein Gesamtbewusstsein - der gesamten Menschheit -: das in der Sintflutgeschichte sich andeutende Gottesbild ->
das wäre vielleicht im Sinne der Gesamtentwicklung der Menschheit: ein Schritt voran.
Zuletzt geändert von Savonlinna am Mi 25. Mai 2016, 15:11, insgesamt 1-mal geändert.
#107 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Ich nehme an, zuerst einmal an die in Judäa Zurückgebliebenen. Die Elite wurde deportiert und ihr Land wurde von den Babyloniern an die Zurückgeblieben verteilt. Um ihren Fuß wieder auf ihr Land zu setzen, es also wieder in ihren Besitz zu bekommen, brauchten sie eine Begründung, die von den Zurückgebliebenen nicht abzulehnen war.Savonlinna hat geschrieben:Wozu ist dieser Text verfasst worden? Was sollte mit ihm bezweckt werden? Und das beinhaltet: Wer ist der Adressat? Also an wen richtet sich die Erzählung?
Diese deportierte Elite war ja keine homogene Gruppe, sondern setzte sich aus der spirituellen Oberschicht der Priester, aber auch aus Großgrundbesitzern, Handwerkern mit Know How u.v.a. zusammen. An Bord der Exil-Arche waren also viele "reine und unreine Tiere" die auch nötig waren um neu anzufangen. Es ging um geistige Identität aber eben auch um ganz profane Machtinteressen. Beides ließ sich über das neue jüdische Weltbild unter einen Hut bringen, wie man an der historischen Geschichte ablesen kann. Das funktionierte bis in unsere Zeit, als sich eine Rückkehr aus dem Exil 1945 wiederholte. Da kann man mal sehen, welche Macht Worte haben können.
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Der Sabbat wird auch als exilische Errungenschaft vermutet, um nach dem Verlust des Tempels, ein neues, verbindendes Identitätsmerkmal-To-Go zu haben. Also schrieb man das gleich mal in die Schöpfungsgeschichte als den 7. Tag mit rein. An gleicher Stelle machte man deswegen aus den babylonischen, astralen Gottheiten banale Lampen und Leuchten im Sinne des neuen Monotheismus.Savonlinna hat geschrieben:Vielleicht auch umgekehrt?
Da stimme ich mit dir überein. Das war früher eine bei vielen Völkern verbreitete Sichtweise. Im NT wurde versucht, sich von dieser Idee zu distanzieren ("Globalisierung bzw. Verinnerlichung durch Jesus"), was aber im Verlauf der weiteren Geschichte streckenweise ziemlich in die Hose ging. Daran wird heute noch gearbeitet. Es ist Besserung in Sicht, wenn heute selbst Konservative von "unseren älteren Brüdern" sprechen.Savonlinna hat geschrieben:Dass ein bestimmtes Volk "auserwählt" ist, um andere zu beherrschen, ist in meinen Augen ein grauenvoller und fataler Gedanke.
Ohne Hoffnung und Zuversicht fällt der nächste Schritt schwer. Deswegen liegt das Endgewicht dieses vielschichtigen Textes der Sintflutgeschichte ja auch auf dem positiven Bild des Regenbogens.Savonlinna hat geschrieben:Aber die Ablösung eines jähzornigen Gottesbildes durch ein Gottesbild, das den Einzelmenschen einbettet in ein Gesamtbewusstsein - der gesamten Menschheit -: das in der Sintflutgeschichte sich andeutende Gottesbild ->das wäre vielleicht im Sinne der Gesamtentwicklung der Menschheit: ein Schritt voran.
#108 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Oh ja... Ich glaube an viele Dinge wie z.B. Gerechtigkeit, Treue, Menschlichkeit und Wahrhaftigkeit.Savonlinna hat geschrieben:Du bist ein gläubiger Mensch, und was Dir einleuchtet, ist in Deinen Augen klar und ausgezeichnet.Pluto hat geschrieben:Die Faktenlage ist klar und die Theorie von Levi-Strauss erklärt diese Fakten ausgezeichnet.
Doch in diesem Fall es um die Erklärung und Beurteilung historischer Tatsachen, und das ist es besser man betrachtet diese Dinge mit einem von Glauben ungetrübten Blick ==> einem wissenschaftlichen Blick eben.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
#109 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Das liegt nicht nur an der Textsorte, sondern auch an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und einem Schuss gesunden Menschenverstand.Savonlinna hat geschrieben: Dieses Video empfehle ich, weil es von einem genauen Textstudium ausgeht und zur Schlussfolgerung kommt, dass hier kein historischer Bericht vorliegen kann, weil die Textsorte das nicht zulässt.
Der Schwabenprofessor kommt zwar ein bißchen ins Labern, aber im Grunde spricht er die wichtigen Punkte an.Savonlinna hat geschrieben: Das dort Beschriebene wäre historisch niemals möglich gewesen, schon allein, alle Tiersorten in einer nach außen mit Pech versiegelten Arche zu vereinen und dort ein Jahr lang lebendig halten zu können.
"Mich interessiert die Scheiße und Pisse..", sagt Zimmer, und spricht damit das nicht zu bewältigende Problem der Logistik in Bezug auf Ernährung und Entsorgung an, abgesehen von anderen unlösbaren Problemen.
Also ein historischer Tatsachenbericht kann die Sintfluterzählung niemals gewesen sein, allerdings schließt das nicht aus, dass die Geschichte einen historischen Grund haben kann. Ob das eine regionale Flut oder die Eiszeittheorie war, läßt sich wohl nicht mehr rekonstruieren.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell
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#110 Re: Kann die Erzählung von der Sintflut historisch gemeint sein?
Das Ideologische liegt ja auch nicht bei ihm, sondern bei Dir.Pluto hat geschrieben: Doch in diesem Fall es um die Erklärung und Beurteilung historischer Tatsachen, und das ist es besser man betrachtet diese Dinge mit einem von Glauben ungetrübten Blick ==> einem wissenschaftlichen Blick eben.