Novalis hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben: Historiche Wurzeln können überall gleich gewesen sein.
Aber was man aus dieser Erzählung macht, was man mit ihr transportiert: das ist dann das Entscheidende.
In der biblischen Erzählung steht am Ende die Erstellung des Regenbogens:
Der Regenbogen wird erstellt, als Zeichen von "Gott", dass er von nun an nie wieder die Schöpfung vernichten werde.
So etwas heißt immer:
die Gotesvorstellung durch den Menschen hat sich verändert.
Also: die Auffassung, dass Gott die Schöpfung zerstört, sei der Schnee von gestern.
Von nun an wird Gott anders aufgefasst: als jemand, dessen Verbindung mit dem Menschen unlösbar ist.
Zeichen dafür ist der Regenbogen, der Erde und Himmel verbindet.
Die Erzählung spiegelt also eine veränderte Gottesauffassung wider.
Sehr gut
Das Gleiche finden wir bei der Opferung des Isaak wieder.
Nur die Fundamentalisten - auch die fundamentalistischen Neo-Atheisten - können die Erzählschichten nicht erkennen.
Auch da handelt es sich um eine veränderte Gottesvorstellung, die man durch die Erzählung vermitteln will:
'Opfert keine Menschen mehr, Gott fordert das nicht, sondern opfert - stattdessen - Tiere.'
Das Tieropfer soll offenbar "als pädagogisch sinnvolle Maßnahme' die Menschen langsam vom Menschenopfer wegbringen, indem man ihnen erst einmal eine Ersatzhandlung anbietet.
Bei der biblischen Sintfluterzählung scheint es mir so zu sein, dass da noch viel krasser eine neue Gottesvorstellung etabliert werden soll.
Bei bibelwissenschaft.de habe ich sogar eine Deutung gelesen, die heute mehr Beachtung finde:
dass von vornherein "die Flut" mythisch verstanden wurde, also in etwa so, dass man insgesamt in Unverstehen "ertrinke".
Dass also von vornherein kein naturwissenschaftliches Ereignis gemeint war, sondern ein kollektiv-seelisches.
Wasser symbolisiert bis heute das Unbewusste, und das Ertrinken in einer Riesenflut hieße: man hat den Durchblick verloren.
Man sagt ja bis heute: 'ich ersaufe in dieser ganzen Arbeit' - und meint dabei überhaupt nicht ein Ersaufen in der Nordsee.
Das heißt:
Man muss gar nicht verlangen, dass man diese alten Erzählungen "geistig" liest, nur damit ihre Brutalität nicht zum Vorschein komme, sondern man muss sie vom damaligen Verständnis her lesen lernen.