Magdalena61 hat geschrieben:Diejenigen, die das tun, machen doch die zeit- und situationsgebundenen Entscheidungen des Propheten zur bequemen Ausrede. Es sind aber nicht alle Muslime von dieser Sorte. Vor allem diejenigen, die mit den (positiven) Werten des Westens in Berührung kommen, plädieren für eine Reformation der Lehre.
Es werden immer mehr, die bereit sind, zu differenzieren.
So ist es

„Wer sich selbst und andere kennt,
Wird auch hier erkennen:
Orient und Okzident
Sind nicht mehr zu trennen.“
West-östlicher Divan (erschienen 1819, erweitert 1827) ist die umfangreichste Gedichtsammlung von Johann Wolfgang von Goethe. Sie wurde durch die Werke des persischen Dichters Hafis inspiriert. Durch die Aufnahme des Goethe-Schiller-Archivs der Klassik-Sammlung Weimar im Jahr 2001 ist Goethes Reinschrift des Werkes Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes.[1]
https://de.m.wikipedia.org/wiki/West-%C ... cher_Divan
Wenn das bereits 1819 stimmte, dann stimmt es 2016 (bald 200 Jahre seiner Zeit voraus!!!!!!) erst Recht. Dazu ein Beitrag von Qantara.de
Goethe und der Orient
Was den Dichter in die geistige Ferne trieb
Goethe, der sich im Rahmen seiner Orientbeschäftigung als Vermittler der Kulturen positionierte, machte jedoch aus seiner tiefen Sympathie für diesen mythischen Ort und dem kritisierten Indifferentismus keinen Hehl und bekannte sich öffentlich zu seiner romantisierten und subjektiven Darstellung, die er im Rahmen seiner fiktiven Reisen manifestierte; denn bereist hatte der Dichterfürst den Orient nie.
Wenn Goethe im frühen 19. Jahrhundert aus den deutschen Staaten eine Reise in den Orient geplant hätte, wäre er vermutlich über die Grenzen des heutigen Europa nicht hinausgekommen. Der Ursprung der Menschheit, wie es neben Goethe und Herder auch Kant vermutete hatte, befand sich zur damaligen Zeit in jenem Territorium, in welchem die Osmanen seit dem 16. Jahrhundert ihre Herrschaft ausbreiteten, dem Orient.
Zum Ursprung der Sprache
Für Goethe verkörperte dieser Ort somit nicht nur Inspirationsquelle und literarische Muse, sondern in ihm sah er auch den Ursprung der Weltreligionen beheimatet, die sogenannte "Wiege der (menschlichen) Kultur". Wenn sich der Dichter somit auf seine fiktiven Reisen in den Orient begab, waren es für ihn auch immer Reisen in die eigene Vergangenheit und ein Ort kollektiver Identifizierung für viele seiner Zeitgenossen. Goethe zog daraus den Analogieschluss, dass der Ursprung des Menschen auch mit dem Ursprung unserer Sprache zusammenfallen muss, die nach goetheschem Verständnis in ihrer reinsten Form als Poesie daherkommt und den Orient folglich zu unserer lyrischen Heimat macht.
Wenn sich der Dichter mit dem Koran beschäftigte, was er viel und ausgiebig tat, war es für Goethe besonders wichtig, die sprachliche Kraft und Schönheit des Heiligen Buches der Muslime herauszustellen, dem er, wie er immer wieder betonte, keinen geringeren Wert beimaß wie der Bibel. Auch wenn er einräumte, dass ihm das volle Erleben des Koran aufgrund seiner fehlenden Arabischkenntnisse verwehrt blieb, so empfand der Dichter doch sein ausgeprägtes literarisches Empfinden als Berechtigung genug, dem Koran diesen hohen Stellenwert zukommen zu lassen. Im prosaischen Teil des Divan diskutierte Goethe den Unterschied zwischen Prophet und Poet und gab deutlich zu verstehen, dass es ihm zuweilen schwer fiel, den Propheten Mohammed auf die Rolle des Überlieferers zu reduzieren und ihn nicht als Poeten behandeln zu dürfen.
https://de.qantara.de/inhalt/goethe-und ... erne-trieb
Möglicherweise gibt es üble Kämpfe, bis sich ein "moderner Islam" etablieren kann. Die christlichen Kirchen führten auch lange genug Krieg gegeneinander.
Alle Weltreligionen haben "moderne" (progressive) und "traditionelle" (konservative) Elemente. Da gilt es wohl die Balance zu finden, damit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammen kommen. Die Angst vor der Islamisierung hat wohl auch mit der Verleugnung unsrer eigenen Identität zu tun. Wer das Eigene liebt und wertschätzt, der muss das Andere nicht hassen oder sich vor ihm fürchten.
Der Philosophie der Selbstbehauptung entsprechend, müssten wir das Eigene nur verteidigen. Doch da stellt sich die Frage: was ist das Eigene, wenn Westen und Osten ineinander übergehen und nicht mehr zu trennen sind?