Pluto hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Kühe haben also offenbar schon Vorlieben; keiner der anderen Kühe hat sich von der Musik berührt gezeigt.
Das könnte man vielleicht schon als "Weltbild" bezeichnen. In ihre Welt gehörte auch die Musik, die anderen wollten nur fressen.
Vorlieben sind keine Weltbilder. Bestenfalls sind sie Vorläufer davon.
Das sind Defintionsfragen, die leider nicht vorgeschrieben werden können.
Aber ich wollte nur die Sachen selber so langsam aufbauen.
Zumindest hat diese junge Kuh Musik bewusst wahrgenommen. Oder würdest Du das nicht als "bewussst" bezeichnen?
In der Philosophie unterscheidet man "Bewusstsein" von "Selbstbewusstsein".
Selbstbewusstsein hat diese Kuh wahrscheinlich nicht. Sie weiß nicht, dass sie Musik mag und dass die anderen dafür Desinteresse aufgezeigt haben.
Sie rümpft da nicht die Nase.
Bei Wiki les ich grad, dass man dann von einem "phänomenalen Bewusstsein" spricht, wenn jemand Schmerz empfinden kann. Tiere können das. Dementsprechend haben sie Bewusstsein.
Aber bei einer musikliebenden Kuh geht es noch einen Schritt weiter. Aber auch das zählt offenbar noch zum phänomenalen Bewusstsein. ->
"Ein Lebewesen, das phänomenales Bewusstsein besitzt, nimmt nicht nur Reize auf, sondern erlebt sie auch", schreibt Wikil
Die Katze, die beim Gekraultwerden schnurrt, erlebt offenbar Behagen, und die heillos glupschende Kuh hat - körperlich sichtbar - auch irgendwas erlebt.
Bei beiden könnte man doch zumindest das sagen, dass sie einen Ausschnitt von der Welt kennen und wiedererkennen. Die Katze jedenfalls kommt immer zu mir, weil sie das angenehme Kraulen einfordert. Also haben sie ein Bild von der Welt.
Aber sie
wissen nicht, dass sie ein Bild von der Welt haben.
Obwohl man auch da wieder hinterfragen kann:
Wann ist das Wort "wissen" angebracht, wann nicht?
"Wissen" die Vögel, die allabendlich um 19 Uhr zum Vogelhäuschen kommen, weil diese von meinen Hausgenossen zu dieser Zeit gefüllt wird, dass es da was zu holen gibt, oder nennt man das besser nur Instinkt?
Pluto hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Die Kuh, die Rainer so angeglupscht hat, weil er so schön zur Gitarre sang, hatte auch eine Art Bewusstsein.
Ganz bestimmt, sogar!
Dann scheinen wir darin einer Meinung. Man kann das "Bewusstsein" nennen.
Pluto hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Menschen haben ihre Weltbilder vermutlich auch irgendwie teilweise in den Genen.
Gene sind chemisch. Weltbilder sind philosophisch.
Die Gene können in den Hirnwindungen die Grundlagen für Bewusstsein legen, aber ich glaube nicht, dass sie das Weltbild bestimmen.
Ich kenne mich mit Genen nicht so aus, ich meinte mehr allgemein: Veranlagung.
Zumindest das scheint mir sicher:
Veranlagung prägt entscheidend das Weltbild.
Der Introvertierte - man kann schon bei einem Kind sehen, ob es primär extravertiert oder introvertiert ist - wird zu Weltbildern neigen, die ihm seine eigene innere Welt erklärt.
Das kann natürlich von sehr heftigen Erfahrungen durchkreuzt werden; aber ich bin sicher, dass ein extravertiertes Kind ganz anders auf das Gleiche reagiert wie ein introvertiertes.
Darum entstehen da verschiedene Weltbilder.
Pluto hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Wie die Kuh werden sie dann Erfahrungen abspeichern, die dann die Grundsubstanz für die Sicht ihrer Welt sind und mit den Genen verknüpft werden.
Genau! Aus Erfahrung entsteht Erinnerung. Die Erinnerung kann zu einem späteren Zeitpunkt wieder als "Objekt" (Gitarrenspieler Rainer) abgerufen werden. Glaubst du, dass ein solcher Prozess im Gehirn einer Kuh abläuft, wenn sie das nächste Mal einem Gitarrenspieler begegnet?
Ich denke diese Art der Erinnerung ist in einer Kuh rudimentär vorhanden, in einem Regenwurm nicht, und in einem Dinosaurier-Gehirn vielleicht.
Du lenkst den Fokus nun auf das Erinnerungsvermögen.
Und genau darüber habe ich in der letzten Zeit öfter nachgedacht. Das Rätsel Bewusstsein scheint mir tatsächlich eng mit dem Rätsel "Erinnerungsvermögen" verknüpft zu sein.
Und damit auch die Frage danach, wann und wie ein "Weltbild" ensteht.
Eine Kuh hat vielleicht ein Bild von ihrer Welt, aber kein Weltbild im von Dir gemeinten Sinn.
Dennoch könnte es sein, dass man "Weltbild" im von Dir gemeinten Sinn vielleicht präziser fassen kann, wenn man das von unten aufbaut.
Pluto hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Ich verstehe also Weltbild in Schritt 2 so:
Weil die Welt uns auch Schmerz zufügt, müssen wir sie deuten, sonst gehen wir kaputt.
Die Welt verursacht nicht nur Schmerz, sondern auch Lust und Befriedigung.
Ja, aber Weltbilder entstehen fast immer aus Schmerz. Dem muss man entrinnen, der Freude muss man ja nicht einrinnen.
Und das unterscheidet dann vielleicht das von mir formulierte "Bild von der Welt" von einem Weltbild im menschlichen Sinn. ->
Eine Versuchsratte im Käfig, die immer einen elektrischen Schlag kriegt, wenn sie einen bestimmten Draht berührt, wird ein Bild von der Welt haben, dass Draht Schmerz verursacht, obwohl daran leckeres Essen hängt.
Gleichzeitig wird sie die Erfahrung machen, dass ein anders aussehender Draht, an dem auch leckeres Essen hängt, ihr nichts antut und Befriedigung bringt.
Also besteht ihr Bild von der Welt aus dem, was Schmerz bringt und dem, was Befriedigung bringt.
Anders beim menschlichen Weltbild.
Solange alles gut läuft, ist der Mensch wie die Ratte. Hat zwar ein auf Erfahrungen beruhendes Bild von der Welt, aber kein bewusstes Weltbild.
Kommt aber etwas, das ohne bewusste Erklärung nicht mehr aushaltbar ist, fängt man an zu philosophieren.
Das tut die Ratte nicht, da sie nicht verallgemeinert. Sie ist immer nur konkret. Sie meidet den Stromschlag, aber fragt sich nicht, wer ihr sowas antut.
Das tun erst die Menschen; sie demonstrieren gegen Tierversuche.
Pluto hat geschrieben:Savonlinna hat geschrieben:Darum kann ich mich langsam mit Deiner Idee, dass wir ein "Weltbild" - also ein Verstehmuster - benötigen, anfreunden.
Verstehmuster... — Das hast du ganz besonders gut formuliert!
Weltbild ist eben vielleicht so entstanden. Wir wollen verstehen, damit wir etwas ändern können.
Und was wir nicht ändern können, müssen wir auch verstehen, wenn unser Verstand nicht im Dreieick laufen will.
Aber da fängt es dann schon an. Wollen wir nur beruhigt werden, oder wollen wir wissen.
Je nachdem sind die Weltbilder fest oder dynamisch.