Halman hat geschrieben:
Wenn man so vorgeht, indem man alle Textstellen, die nicht in die Prämisse passen, als spätere Hinzufügungen gedeutet werden, dann ist es nicht verwunderlich, dass im Ergebnis die Prämisse bestätigt wird.
So geht für gewöhnlich die kanonische Exegese vor, indem sie mit Zirkelschlüssen arbeitet. In der seriösen Forschung ist das ein absolutes no go.
Texte werden ja nicht "einfach so" gedeutet, sondern unterliegen einem langwierigen Prozess der Überprüfung. Man kann heute sogar mit Hilfe von Computerprogrammen Textvergleiche automatisiert durchführen. So lassen sich verschiedene Autorenschaften mit großer Wahrscheinlichkeit identifizieren.
Halman hat geschrieben:
Die Deuteropaulinen wären glatt einen neuen Thread wert, wo wir uns herrlich streiten könnten.
Müssen wir gar nicht. Die Forschung ist sich da ziemlich sicher.
Halman hat geschrieben:
Danke für die seriöse Quelle und die klare Meinungsäußerung. Allerdings überzeugt mich die Argumenation mit dem Verweis auf 2Pe 3,4 nicht. Wenn ich den 3. Vers hinzuziehe, so verweis der Autor offenbar aus seiner Perspektive auf die zu erwartene Zukunft:
Zitat aus
2Petr 3:3-4:
3 und zuerst dies wisst, dass in den letzten Tagen Spötter mit Spötterei
kommen werden, die nach ihren eigenen Begierden wandeln 4 und sagen: Wo ist die Verheißung seiner Ankunft? Denn seitdem die Väter entschlafen sind, bleibt alles so von Anfang der Schöpfung an.
Daraus folgt meiner Meinung nach nicht zwingend, dass die Väter bereits zurzeit der Abfassung entschlafen waren.
Nicht zwingend aus diesem Zitat, aber möglicherweise aus der Abfassungszeit der Fälschung.
Das Interessante aber hierbei ist doch, dass man sich überhaupt genötigt sah, diese Fälschung anzufertigen, um auf die Kritiker und Spötter zu reagieren.
Und bezeichnenderweise wird die Naherwartung Jesu hier gar nicht bestritten, sondern man versucht sie zu relativieren. (Gott hat ein anderes Zeitmass). Auch das muß im Rahmen der Parusieverzögerung verstanden werden.
Wie ich schon mal sagte, hält die Radikalkritik Jesus für eine rein mythologische, erfundene Figur. Die Forschung geht aber mehrheitlich von einem echten, historischen Jesus aus, der aber nur noch wenig mit dem biblischen zu tun hat.
Interessanterweise ist die (enttäuschte) Naherwartung ein wichtiges Argument
für einen historischen Jesus. Denn warum sollten Schreiber, die bei einer fiktionalen Figur ihrer Fantasie freien Lauf lassen könnten, etwas erfinden, was sich schon beim Schreiben praktisch als falsch erwiesen hat?