Alles Teufelszeug? II

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sven23
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#1721 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Mi 4. Mai 2016, 20:30

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ratzinger erwartet von den Exegeten eine "Glaubensentscheidung", bevor sie sich an ihre wissenschaftliche Arbeit begeben.
Im Grunde erwartet er eine ANDERE Glaubensentscheidung als die methodisch eingebaute.
Also darf man laut Ratzi und closs die historisch-kritische Methode auf alles anwenden nur nicht auf die Bibel. :lol:

closs hat geschrieben: Im übrigen schließe ich mich hier NICHT Ratzinger an - es müsste für einen professionellen und redlichen Wissenschaftler möglich sein, die Bibel unter verschiedenen Perspektiven (= "Glaubensentscheidungen") zu interpretieren. - Man muss nicht an eine säkulare oder christliche Welt glauben, um deren Perspektive auf die Bibel einzunehmen.
Du kannst auch Guido Knopp zum Perspektivwechsel aufrufen. Er solle also mal annehmen, dass Deutschland den 2. Weltkrieg gewonnen hat. Vielleicht müssen dann die Geschichtsbücher umgeschrieben werden. :lol:
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closs
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#1722 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Mi 4. Mai 2016, 21:38

Münek hat geschrieben:Die Exegeten betrachten die Bibel aus der HISTORISCHEN Perspektive. Die Einnahme einer GLAUBENSperspektive würde sie in das unwissenschaftliche Lager der Dogmatiker katapultieren. Die HKM als universitäre Diziplin würde in einem solchen Fall ihren Wissenschaftsstatus einbüßen.
Du hast immer noch nicht verstanden, dass dieser Fall bereits eingetreten ist - darum geht es doch.

In dem Moment, in dem man historisch-kritische bewährte Analogien auf Jesus überträgt, der - wenn er Messias/Gott ist - eine Singularität ist, hat man bereits eine weltanschauliche Position eingenommen, wenn man diese Möglichkeit ignoriert.

closs
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#1723 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Mi 4. Mai 2016, 21:46

sven23 hat geschrieben:Also darf man laut Ratzi und closs die historisch-kritische Methode auf alles anwenden nur nicht auf die Bibel.
Als HKM in Reinkultur (beobachten/beschreiben) kann und muss man sie selbstverständlich auf die Bibel anwenden. - Es geht um den interpretativen Teil.

Interpretativ ist man bereits, wenn man menschliche Vorstellungen von "Ratio" und "Plausibilität" bedenkenlos auf eine Beurteilung von Jesus anwendet - denn damit hat man bereits festgelegt, dass Jesus nichts als ein "normaler" Mensch ist - man hat sich weltanschaulich festgelegt. - Und genau das sollte innerhalb der Wissenschaft nicht sein - deshalb: Nach BEIDEN Möglichkeiten interpretieren - Szenario 1, Szenario 2.

sven23 hat geschrieben: Er solle also mal annehmen, dass Deutschland den 2. Weltkrieg gewonnen hat.
Dieser Vergleich zeigt wieder mal, dass Du das Problem überhaupt nicht erkannt hast. - Wenn Du repräsentativ bist, wissen die interpretierenden HKM-Vertreter tatsächlich nicht, dass sie weltanschaulich interpretieren - die Selbst-Immunisierung wäre also ultimativ anästhesierend.

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sven23
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#1724 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Do 5. Mai 2016, 09:13

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also darf man laut Ratzi und closs die historisch-kritische Methode auf alles anwenden nur nicht auf die Bibel.
Als HKM in Reinkultur (beobachten/beschreiben) kann und muss man sie selbstverständlich auf die Bibel anwenden. - Es geht um den interpretativen Teil.
Tut man doch. :roll: Die Forschung beschreibt, dass Jesus an das zeitlich nahe Gottesreich glaubte und dies im Zentrum seiner Verkündigung stand. Eine schönere Beschreibung der jesuanischen Glaubenswelt gibt es doch nicht. Dass sie sich als Irrtum erwiesen hat, ist zwar für Gläubige ein Ärgernis, aber nicht mehr zu ändern. Wir können die Quellen ja nicht umschreiben nur damit das Glaubenskonstrukt wieder stimmig ist.
Verstehst du?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Er solle also mal annehmen, dass Deutschland den 2. Weltkrieg gewonnen hat.
Dieser Vergleich zeigt wieder mal, dass Du das Problem überhaupt nicht erkannt hast. - Wenn Du repräsentativ bist, wissen die interpretierenden HKM-Vertreter tatsächlich nicht, dass sie weltanschaulich interpretieren - die Selbst-Immunisierung wäre also ultimativ anästhesierend.
Doch, genau da liegt das Problem. Du verlangst von der Forschung, dass sie andere Prämissen annehmen soll, damit die Ergebnisse rauskommen, die dich zufrieden stellen. Dass so etwas nicht funktioniert, sollte inzwischen auch dem Letzten klar geworden sein.
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#1725 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Do 5. Mai 2016, 10:37

sven23 hat geschrieben: Die Forschung beschreibt, dass Jesus an das zeitlich nahe Gottesreich glaubte und dies im Zentrum seiner Verkündigung stand.
"Die Forschung" interpretiert ihr Verständnis dahingehend, dass Jesus eine Naherwartung hatte. - Wie mehrfach ausgeführt, gibt es genauso begründbares Verständnis, dass er KEINE hatte.

sven23 hat geschrieben:Wir können die Quellen ja nicht umschreiben nur damit das Glaubenskonstrukt wieder stimmig ist.
Nein - die Quellen sind dieselben - die armen Quellen sind nicht das Problem.

sven23 hat geschrieben:Du verlangst von der Forschung, dass sie andere Prämissen annehmen soll, damit die Ergebnisse rauskommen, die dich zufrieden stellen.
Es ist erstaunlich, wie oft längst Widerlegtes immer wieder aufgetischt wird, um nicht über sich selbst nachdenken zu müssen.

"Die Forschung" soll IHRE Prämissen erst mal erkennen und darauf hin auch die andere Prämisse zulassen, um unter dem Aspekt B E I D E R Prämissen interpretieren:
* Wie sieht's unter unserer Prämisse aus?
* Wie sieht's unter der anderen Prämisse aus?

Nur so ist Ergebnisoffenheit möglich - selbst wenn es dann zwei Ergebnisse geben kann. - Nennst Du diese Haltung "Dogmatik"?

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#1726 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Pluto » Do 5. Mai 2016, 10:58

closs hat geschrieben:"Die Forschung" interpretiert ihr Verständnis dahingehend, dass Jesus eine Naherwartung hatte. - Wie mehrfach ausgeführt, gibt es genauso begründbares Verständnis, dass er KEINE hatte.
Das entspricht NICHT der Schrift. In den Evangelien ist NUR von Naherwartung die Rede.
Erst als Paulus merkte, dass daraus nichts wurde, hat er begonnen, die Naherwartung in eine "Fern" Erwartung um zu interpretieren.

sven23 hat geschrieben:Wir können die Quellen ja nicht umschreiben nur damit das Glaubenskonstrukt wieder stimmig ist.
Nein - die Quellen sind dieselben - die armen Quellen sind nicht das Problem.

sven23 hat geschrieben:Du verlangst von der Forschung, dass sie andere Prämissen annehmen soll, damit die Ergebnisse rauskommen, die dich zufrieden stellen.
Es ist erstaunlich, wie oft längst Widerlegtes immer wieder aufgetischt wird, um nicht über sich selbst nachdenken zu müssen.

closs hat geschrieben:"Die Forschung" soll IHRE Prämissen erst mal erkennen...

und darauf hin auch die andere Prämisse zulassen, um unter dem Aspekt B E I D E R Prämissen interpretieren:
* Wie sieht's unter unserer Prämisse aus?
* Wie sieht's unter der anderen Prämisse aus?

Nur so ist Ergebnisoffenheit möglich - selbst wenn es dann zwei Ergebnisse geben kann. - Nennst Du diese Haltung "Dogmatik"?
Die Forschung setzt KEINE Prämissen. Nur eine Analyse die frei ist von Prämissen UND Dogmen, kann Ergebnisoffenheit gewährleisten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1727 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Do 5. Mai 2016, 11:01

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Die Forschung beschreibt, dass Jesus an das zeitlich nahe Gottesreich glaubte und dies im Zentrum seiner Verkündigung stand.
"Die Forschung" interpretiert ihr Verständnis dahingehend, dass Jesus eine Naherwartung hatte. - Wie mehrfach ausgeführt, gibt es genauso begründbares Verständnis, dass er KEINE hatte.
Nein, gibt es nicht. Wenn es ebenso begründbar wäre, gäbe es den Konsens in der Forschung nicht und man würde es offen lassen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wir können die Quellen ja nicht umschreiben nur damit das Glaubenskonstrukt wieder stimmig ist.
Nein - die Quellen sind dieselben - die armen Quellen sind nicht das Problem.
Eben, die Quellen sind wie sie sind. Die lassen sich nur wegbügeln mit glaubensdogmatischen Annahmen. Damit verläßt man aber wissenschaftliches Terrain.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du verlangst von der Forschung, dass sie andere Prämissen annehmen soll, damit die Ergebnisse rauskommen, die dich zufrieden stellen.
Es ist erstaunlich, wie oft längst Widerlegtes immer wieder aufgetischt wird, um nicht über sich selbst nachdenken zu müssen.

"Die Forschung" soll IHRE Prämissen erst mal erkennen und darauf hin auch die andere Prämisse zulassen, um unter dem Aspekt B E I D E R Prämissen interpretieren:
* Wie sieht's unter unserer Prämisse aus?
* Wie sieht's unter der anderen Prämisse aus?

Nur so ist Ergebnisoffenheit möglich - selbst wenn es dann zwei Ergebnisse geben kann. - Nennst Du diese Haltung "Dogmatik"?
Es ist Dogmatik, wenn die trappsende Nachtigall als fetter Truthahn daherkommt. :lol:
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#1728 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Halman » Do 5. Mai 2016, 11:19

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:"Die Forschung" interpretiert ihr Verständnis dahingehend, dass Jesus eine Naherwartung hatte. - Wie mehrfach ausgeführt, gibt es genauso begründbares Verständnis, dass er KEINE hatte.
Das entspricht NICHT der Schrift. In den Evangelien ist NUR von Naherwartung die Rede.
Erst als Paulus merkte, dass daraus nichts wurde, hat er begonnen, die Naherwartung in eine "Fern" Erwartung um zu interpretieren.
Und wie ich hatte nachgewiesen, stimmt dies nicht. ;)
Tatsächlich finden wir verschiedene Schriftstellen, wie die sog. Naherwartungslogien (z.B. Mat 10:23), die in "Spannung" zu anderen matthäischen Worten stehen, wie dem Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen.
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#1729 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Do 5. Mai 2016, 11:21

Pluto hat geschrieben:In den Evangelien ist NUR von Naherwartung die Rede.
Das Wort "Naherwartung" kommt ja gar nicht vor - es wird gesagt, dass das Gottesreich nah ist. - Natürlich ist dies unbestritten, wird aber spirituell ganz anders interpretiert als historisch-kritisch. - Damit es keine Missverständnisse gibt: Sowohl HKM als auch Ratzi bedienen sich DERSELBEN Quellen - es liegt nicht an den Quellen.

Pluto hat geschrieben: Nur eine Analyse die frei ist von Prämissen UND Dogmen, kann Ergebnisoffenheit gewährleisten.
Das meine ich doch auch - aber das geht hier nicht. - Hier muss man ersatzweise unter verschiedenen Prämissen arbeiten, weil es keine Option ohne Prämisse gibt. - Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Prämisse offen verkündet wird (Ratzi: "Glaubensentscheid") oder methodisch immanent ist (HKM: "Wir können nicht annehmen, dass Jesus Gott ist, bevor dies nachgewiesen ist").

sven23 hat geschrieben:Wenn es ebenso begründbar wäre, gäbe es den Konsens in der Forschung nicht
Nur aus methodischen Gründen ist das so - aber doch nicht im Hinblick auf das, was unter dem Aspekt "Jesus=Gott" naheliegender wäre. - Mit anderen Worten: Methodischer Konsens und Wirklichkeits-Konsens gehen hier auseinander.

sven23 hat geschrieben:die Quellen sind wie sie sind. Die lassen sich nur wegbügeln mit glaubensdogmatischen Annahmen.
Quellen lassen sich überhaupt nicht wegbügeln. - Man kann nur prämisse-bedingt andere Interpretationen der Quellen wegbügeln.

sven23 hat geschrieben:Es ist Dogmatik, wenn die trappsende Nachtigall als fetter Truthahn daherkommt.
Dann sind doch BEIDE dogmatisch - da gibt es keinen Ausweg. - Dann ist es doch besser, verschiedene Setzungen gegenüberzustellen und deren Interpretations-Ergebnisse zu vergleichen. - Ein solches Vorgehen kenne ich unter dem Wort "wissenschaftlich". :angel:

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sven23
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#1730 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Do 5. Mai 2016, 11:44

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:In den Evangelien ist NUR von Naherwartung die Rede.
Das Wort "Naherwartung" kommt ja gar nicht vor - es wird gesagt, dass das Gottesreich nah ist. - Natürlich ist dies unbestritten, wird aber spirituell ganz anders interpretiert als historisch-kritisch. - Damit es keine Missverständnisse gibt: Sowohl HKM als auch Ratzi bedienen sich DERSELBEN Quellen - es liegt nicht an den Quellen.
Nein, die Forschung hat beides sauber ausdifferenziert, wie schon hier hundertmal dargelegt wurde. Lies endlich Theißen/Merz, dann musst du nicht immer das gleiche Falsche wiederholen. :roll:

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Nur eine Analyse die frei ist von Prämissen UND Dogmen, kann Ergebnisoffenheit gewährleisten.
Das meine ich doch auch - aber das geht hier nicht. -
Eine Analyse ist eine Analyse ist eine Analyse. Dass dies hier nicht gehen soll, ist doch lediglich eine closssche Zweckbehauptung.
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