Relativismuspoker

Philosophisches zum Nachdenken
closs
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#61 Re: Relativismuspoker

Beitrag von closs » So 1. Mai 2016, 10:08

sven23 hat geschrieben:Sicher war bei den Griechen auch nicht alles Gold, was glänzt, aber sind von Ihnen solche Zitate bekannt?
Folgendes Zitat aus Google (leider ohne Impressum):

Die Frau in Athen

Die Frauen in der Antiken Athener Gesellschaft hatten keine politische Rechte und wurden als „Minderjährig“ tituliert, während der Begriff „Bürgerinn“, erst gegen Ende der Klassischen Periode anzutreffen war. Zu den Aufgaben der tugendhaften Frau in der Athener Gesellschaft, gehörten Wache und Wahrnehmung von Aufgaben rund um die Verwaltung des Hauses. Zu diesen gehörte die Zeugung von Kindern, vorwiegend Männliche wurden bevorzugt, um die Zeitlinie des Familienhauses zu verlängern und zu verewigen, während sich die Sklaven, die in jedem Hause anzutreffen waren, um die Verpflegung der Familie kümmerten. Die Funktion der Frau in der Antiken Athener Gesellschaft, drehte sich rund um die Erhaltung des Hauses, so mussten auch die Mädchen im jungen Alter Männer heiraten, die eigens dafür von den Vätern ausgewählt wurden. Der Ehemann wurde somit zum neuen Vormund des Hauses und bekam vom Schwiegervater ein Kapital, mit welchem dieser die Gründung der Familie und die Organisation des Hauses finanzieren konnte. Im Falle einer Scheidung musste der Ehemann dieses Kapital dem Vater oder einem anderen nahestehenden Familienmitglied der Frau zurückgeben.

Die Frauen verbrachten die meiste Zeit im „Gynaikonyti“, das oberste Stockwerk des Hauses, wo sie sich ständig mit der Näh- und Strickkunst beschäftigten. Nur selten verliessen sie das Haus und zwar nur zu besonderen Anlässen, wie einer Hochzeit, einem Göttlichen Fest oder einer Beerdigung. Es gab keine spezielle Bildung für die Frauen in Athen und die Wenige Bildung die sie besassen, entstammte von Verwanden, Freundinnen oder anderen Frauen ihrer Umgebung. Die Mentalität dieser Epoche wird am treffendsten in der Gefallenenrede des Perikles beschrieben, als der berühmte Staatsmann über die Frauen behauptet, „man solle von ihnen so wenig wie möglich reden, ob man sie Lobt oder Tadelt“.


Unterm Strich:
Die Stellung der Frau ist ein relativ kultur-unabhängiges Phänomen und überall problematisch (übrigens auch in unserer Zeit) - irgendwelche Pro-Domo-Zitate aus 2000 Jahren zu bringen, bringt da wenig.

Allerdings ist richtig und fatal, dass der "Eva" genauso wie dem "Judas" eine paradigmatische Rolle zugeordnet wurde, die das Verhältnis zu Frauen und Juden negativ beeinflusst haben.

sven23 hat geschrieben:Martin Luther trieb den christlichen Antijudaismus auf die Spitze und bereitete den Weg zum Antisemitismus so gründlich vor, dass selbst ein Adolf Hitler sich auf ihn berufen konnte.
Natürlich war dies eine Steilvorlage - aber es sagt trotzdem nichts aus über Luthers eigentliche theologische Leistung. - Genauso wenig, wie man Richard Wagners Werk nach Wagners Antisemitismus bewerten kann.

Anti-Semitismus war damals genau so "in", wie es heute "in" ist, für Abtreibung und Homosexualität zu sein. - Jede Zeit treibt ihre Kühe durchs Dorf.

Korrekt ist, dass Juden in ihrer Eigenschaft als identifizierbare Minderheit (sie waren oft genauso wenig integriert wie heute Duisburg-Marxloh-Türken es sind) immer Spielball mehrheits-gesellschaftlicher Interessen waren. - Mir fällt da bspw. Nürnberg ein, in dem Juden generationen-lang ruhig leben konnten, bis sie aufgrund eines Deals zwischen Kaiser Karl IV(?) und sonst jemandem vertrieben und niedergemetzelt wurden - ohne besonderen Grund.

Unterm Strich:
Man wird auch bei diesem Thema nicht ohne differenzierte Betrachtung auskommen - ein paar Pro-Domo-Zitate sind nicht ausreichend.

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sven23
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#62 Re: Relativismuspoker

Beitrag von sven23 » So 1. Mai 2016, 10:43

closs hat geschrieben: Die Frau in Athen....

Das ist noch weit entfernt von jenen frauenverachtenden Aussagen der christlichen Kirchenväter, die damit ja gerade die kulturelle Entwicklung in eine fatale Richtung förderten. Geprägt wurden die Kirchenväter aber durch das biblische Vorbild des Paulus, den sie aber in puncto sexueller Verklemmtheit und Verirrung noch weit übertrafen.

closs hat geschrieben: Allerdings ist richtig und fatal, dass der "Eva" genauso wie dem "Judas" eine paradigmatische Rolle zugeordnet wurde, die das Verhältnis zu Frauen und Juden negativ beeinflusst haben.

Das ist richtig und es wird dadurch noch unverständlicher, dass die Kirche die Vorlage dieser Fehlentwicklungen als göttlich inspiriert und dogmatisiert hat. Welch ein fatales Gottesbild steckt dahinter?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Martin Luther trieb den christlichen Antijudaismus auf die Spitze und bereitete den Weg zum Antisemitismus so gründlich vor, dass selbst ein Adolf Hitler sich auf ihn berufen konnte.
Natürlich war dies eine Steilvorlage - aber es sagt trotzdem nichts aus über Luthers eigentliche theologische Leistung.

Zur Gesamtbeurteilung des Lebenswerks gehört diese dunkle Seite auf jeden Fall dazu. Man kann auch Hitlers Lebenswerk nicht allein nach der Zuneigung zu seinem Hund beurteilen.

closs hat geschrieben: Anti-Semitismus war damals genau so "in", ...

Jahrhundertelange kirchlische Hetzkampagnen trugen ihre Früchte. Und an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

closs hat geschrieben: wie es heute "in" ist, für Abtreibung und Homosexualität zu sein. - Jede Zeit treibt ihre Kühe durchs Dorf.

Ich würde es als Fortschritt bezeichnen, Homosexuelle nicht mehr zu steinigen wie in der Bibel, du nicht?
In muslimischen Länder kann das immer noch passieren, da religiöse Eiferer und Fanatiker immer noch Oberwasser haben.

closs hat geschrieben: Korrekt ist, dass Juden in ihrer Eigenschaft als identifizierbare Minderheit (sie waren oft genauso wenig integriert wie heute Duisburg-Marxloh-Türken es sind) immer Spielball mehrheits-gesellschaftlicher Interessen waren.

Es gibt und gab viele Minderheiten, aber keine ist so sehr verfolgt worden. Das hat vor allem biblische/kirchliche/christliche Gründe.
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#63 Re: Relativismuspoker

Beitrag von closs » So 1. Mai 2016, 11:19

sven23 hat geschrieben:Welch ein fatales Gottesbild steckt dahinter?
Ja - da ist durchaus was dran. - Der Urfehler der Kirche war in der Tat ihre Vermengung mit weltlichen Belangen, die sie immer wieder auf Abwege geführt hat. - Und trotzdem: Deine Zitate können eine seriöse und somit differenzierte Untersuchung nicht ersetzen.

sven23 hat geschrieben:Man kann auch Hitlers Lebenswerk nicht allein nach der Zuneigung zu seinem Hund beurteilen.
Eben - und deshalb kann man Luthers und Richard Wagners Lebenswerk nicht an seiner Abneigung gegen Juden beurteilen. - Genau so ist es: Das Biografistische hat oft wenig mit dem Eigentlichen zu tun.

sven23 hat geschrieben:Ich würde es als Fortschritt bezeichnen, Homosexuelle nicht mehr zu steinigen wie in der Bibel, du nicht?
Das ist ein Fortschritt - Abtreibung ist ein Rückschritt. - Es kommt alles immer gemischt daher. - Es ist diesbezüglich heute nicht anders als vor 1000 Jahren.

sven23 hat geschrieben:Es gibt und gab viele Minderheiten, aber keine ist so sehr verfolgt worden.
Naja - nimm Dir mal die Katharer vor und viele andere auch. - Der Unterschied ist eher, dass keine Minderheit so lange verfolgt werden konnte.

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#64 Re: Relativismuspoker

Beitrag von sven23 » So 1. Mai 2016, 11:35

closs hat geschrieben:Und trotzdem: Deine Zitate können eine seriöse und somit differenzierte Untersuchung nicht ersetzen.
Dann fang mal an zu differenzieren, oder besser gesagt: relativieren. Denn - so habe ich inzwischen gelernt - sind Gläubige und religiöse Eiferer besonders gut, wenn es um Fehlleistungen der Kirche oder der Bibel geht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man kann auch Hitlers Lebenswerk nicht allein nach der Zuneigung zu seinem Hund beurteilen.
Eben - und deshalb kann man Luthers und Richard Wagners Lebenswerk nicht an seiner Abneigung gegen Juden beurteilen. - Genau so ist es: Das Biografistische hat oft wenig mit dem Eigentlichen zu tun.
Deshalb gehört zu Luthers Gesamtbeurteilung auch und vor allem sein Antisemitismus und seine Frauenverachtung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich würde es als Fortschritt bezeichnen, Homosexuelle nicht mehr zu steinigen wie in der Bibel, du nicht?
Das ist ein Fortschritt
Ehrlich?, auch wenn es in der Bibel von Gott anders empfohlen wird?

closs hat geschrieben: - Abtreibung ist ein Rückschritt. -
Kommt darauf an, in welchen gesetzlichen Rahmen das Ganze eingebettet ist. Es ist nicht grundsätzlich Teufelszeug.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es gibt und gab viele Minderheiten, aber keine ist so sehr verfolgt worden.
Naja - nimm Dir mal die Katharer vor und viele andere auch. - Der Unterschied ist eher, dass keine Minderheit so lange verfolgt werden konnte.
Ja, mit Abweichlern hat die Kirche kurzen Prozess gemacht. Mit dem praktizierten christlichen Antijudaismus hat die Kirche große Schuld auf sich geladen, und auch die biblischen Schreiber, die die fatalen Konsequenzen nicht vorraussehen konnten. Die Kirche hat es dagegen in vollem Bewußtsein und in Absicht der Konsequenzen getan.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#65 Re: Relativismuspoker

Beitrag von closs » So 1. Mai 2016, 13:53

sven23 hat geschrieben:Dann fang mal an zu differenzieren, oder besser gesagt: relativieren.
Das ist nicht "besser gesagt", sondern etwas ganz anderes. - Phänomene sollte man in ihrer Bewertung absolut betrachten.

Das, was Du "relativieren" nennst, kommt dann zum Zug, wenn etwas bereits in Relation gesetzt wurde (etwa "Kreuzzug ist schlimmer als Irak-Krieg"). - Dann muss man natürlich reagieren. - Konkret:
a) Als Phänomen sind die Kreuzzüge schlimm, weil sie Religions-Interessen über die Menschenwürde gestellt haben.
b) Im Vergleich zu Kriegen in der Neuzeit ist es gerade dasselbe.

Verstehst Du den Unterschied zwischen a) und b)?

sven23 hat geschrieben:Deshalb gehört zu Luthers Gesamtbeurteilung auch und vor allem sein Antisemitismus und seine Frauenverachtung.
Zur GESAMT-Bewertung gehört es - richtig. - Genauso wie es zur Gesamt-Bewertung von Hitler gehört, dass er Schäferhunde und Künstler gemocht hat.

sven23 hat geschrieben:Ehrlich?, auch wenn es in der Bibel von Gott anders empfohlen wird?
Du hast immer noch nicht verstanden, dass es seit 2000 Jahren das NT gibt. - Im AT handelt es sich um säkulare Gesetzgebungen unter dem als Souverän angenommenen Gott. - Die Trennung zwischen dem, was des Kaisers, und dem, was Gottes ist, gibt es erst seit dem NT - und wurde übrigens lange genug NICHT beherzigt. - Das NT ist weitgehend - oft auch in den Glaubensgemeinschaften, noch NICHT verstanden.

Ein Mitforist hat hier übrigens einmal eine Latte an HS-freundlichen Zitaten hier eingestellt - und DANACH gesagt, dass sie von Ratzinger sind. Homosexuelle sind im pastoralen Sinne vollständig innerhalb der Kirchen akzeptiert - zumindest aus Sicht Roms.

sven23 hat geschrieben:Kommt darauf an, in welchen gesetzlichen Rahmen das Ganze eingebettet ist.
Nein - darauf kommt es NICHT an.

sven23 hat geschrieben: die biblischen Schreiber, die die fatalen Konsequenzen nicht vorraussehen konnten
Vom Phänomen her ist es WIRKLICH so, dass die Juden die Nicht-Akzeptierer des NTs sind. - Natürlich gab es hier Abgrenzungen. - Du musst Dir vorstellen, dass die Nicht-Annahme des NT durch die Juden etwa so ist, als würde Ulli Hoeneß zur Borussia Dortmund wechseln. - Geistig ist das schon ein Thema.

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#66 Re: Relativismuspoker

Beitrag von sven23 » So 1. Mai 2016, 16:34

closs hat geschrieben: Das, was Du "relativieren" nennst, kommt dann zum Zug, wenn etwas bereits in Relation gesetzt wurde (etwa "Kreuzzug ist schlimmer als Irak-Krieg"). - Dann muss man natürlich reagieren. - Konkret:
a) Als Phänomen sind die Kreuzzüge schlimm, weil sie Religions-Interessen über die Menschenwürde gestellt haben.
b) Im Vergleich zu Kriegen in der Neuzeit ist es gerade dasselbe.

Verstehst Du den Unterschied zwischen a) und b)?
Ich verstehe, dass Kreuzzüge bis in unsere Zeit wirken. Nicht umsonst sprach Bush von einem Kreuzzug gegen den Irak und soll sogar geäußert haben, in göttlichem Auftrag gehandelt zu haben.
Diese Wahnvorstellung, im göttlichen Auftrag zu handeln, ist einfach nicht kaputt zu kriegen. (siehe IS)


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ehrlich?, auch wenn es in der Bibel von Gott anders empfohlen wird?
Du hast immer noch nicht verstanden, dass es seit 2000 Jahren das NT gibt.
Moment, gerade der christliche Antijudaismus wurzelt im NT, schon vergessen? Willst du uns das als positiven Paradigmenwechsel verkaufen? :roll:

closs hat geschrieben: - Im AT handelt es sich um säkulare Gesetzgebungen unter dem als Souverän angenommenen Gott. - Die Trennung zwischen dem, was des Kaisers, und dem, was Gottes ist, gibt es erst seit dem NT - und wurde übrigens lange genug NICHT beherzigt. - Das NT ist weitgehend - oft auch in den Glaubensgemeinschaften, noch NICHT verstanden.
Die Forschung hat aber verstanden, dass das Kaiserzitat keine authentischen Jesusworte sind. Jesus war da viel radikaler, was mit seinem festen Glauben an das nahe Gottesreich zusammen hängt. Wer mit dem baldigen Ende der Welt rechnet, muss vor weltlichen Führern keinen Diener mehr machen. Hier hat Matthäus seine eigene Suppe gekocht, nicht das erste mal.

closs hat geschrieben: Ein Mitforist hat hier übrigens einmal eine Latte an HS-freundlichen Zitaten hier eingestellt -
Das nennt man wohl unfreiwilligen Humor. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kommt darauf an, in welchen gesetzlichen Rahmen das Ganze eingebettet ist.
Nein - darauf kommt es NICHT an..
Doch, gerade darauf kommt es an. Es gibt Indikationen, die einen Schwangerschaftsabbruch nötig oder sinnvoll werden lassen. (Vergewaltigung, Lebensgefahr für die Mutter, schwere Mißbildung beim Kind, usw)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: die biblischen Schreiber, die die fatalen Konsequenzen nicht vorraussehen konnten
Vom Phänomen her ist es WIRKLICH so, dass die Juden die Nicht-Akzeptierer des NTs sind. - Natürlich gab es hier Abgrenzungen. - Du musst Dir vorstellen, dass die Nicht-Annahme des NT durch die Juden etwa so ist, als würde Ulli Hoeneß zur Borussia Dortmund wechseln. - Geistig ist das schon ein Thema.
Das ist eben die typisch subjektive Sichtweise eine Gläubigen/religiösen Eiferers, dem die Distanz fehlt. Aus Sicht der Juden sieht das Ganze natürlich völlig anders aus. Viele Gläubige sind zu so einem Perspektivwechsel nicht fähig oder nicht Willens.
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#67 Re: Relativismuspoker

Beitrag von closs » So 1. Mai 2016, 17:07

sven23 hat geschrieben:Ich verstehe, dass Kreuzzüge bis in unsere Zeit wirken.
Natürlich tun sie das. - Aber Du hast den Unterschied zwischen a) und b) verstanden - ja?

sven23 hat geschrieben:Moment, gerade der christliche Antijudaismus wurzelt im NT, schon vergessen?
Logisch - das war eine Folge der Trennung von Christentum und Judaismus. - Der Jude Jesus fand in SEINEM Volk keine bleibenden Anhänger - tragisch.

sven23 hat geschrieben:Die Forschung hat aber verstanden, dass das Kaiserzitat keine authentischen Jesusworte sind
Sie sind authentisch in Bezug auf seine Lehre.

sven23 hat geschrieben:Das nennt man wohl unfreiwilligen Humor.
Da ist was dran - als offenkundig wurde, dass die Zitate von Ratzi sind, ist einigen das Lachen im Hals stecken geblieben.

sven23 hat geschrieben:Doch, gerade darauf kommt es an.
Weltliche Gesetzgebung ist überhaupt kein Maßstab für eine substantielle Beurteilung. - Davon abgesehen finde ich die Gesetzeslage heute angebracht.

Die grundsätzliche Frage, BEVOR man in Grenzfragen eintritt, ist:
Darf der Mensch anderen Menschen das Leben nehmen? - Und dazu gibt es halt unterschiedliche Antworten - was ich persönlich übrigens gar nicht als SO tragisch ansehe. - Tragisch aus meiner Sicht ist, dass die Frage erst gar nicht zugelassen wird - wieder mal anthropozentrische Verdrängung.

sven23 hat geschrieben:Aus Sicht der Juden sieht das Ganze natürlich völlig anders aus.
Sie sehen das objektiv genauso - oder was denkst Du? - Nur kommen sie zu einem anderen Ergebnis. - Auch das ist ein vollkommen normaler Vorgang.

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#68 Re: Relativismuspoker

Beitrag von sven23 » So 1. Mai 2016, 17:32

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich verstehe, dass Kreuzzüge bis in unsere Zeit wirken.
Natürlich tun sie das. - Aber Du hast den Unterschied zwischen a) und b) verstanden - ja?
Sooo groß ist der Unterschied gar nicht. Die christlichen Kreuzzüge waren auch Beutezüge, so wie es der Irak-Krieg auch sein sollte, nur mit dem Unterschied, dass in der Neuzeit der Segen des Papstes fehlte. Da hat man erfreulicherweise dazu gelernt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Moment, gerade der christliche Antijudaismus wurzelt im NT, schon vergessen?
Logisch - das war eine Folge der Trennung von Christentum und Judaismus. - Der Jude Jesus fand in SEINEM Volk keine bleibenden Anhänger - tragisch.
Nein, es war die Retourkutsche des frühen Christentums gegen das jüdische Volk, das die Unverschämtheit besaß, der neuen Sektenbewegung nicht zu folgen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Forschung hat aber verstanden, dass das Kaiserzitat keine authentischen Jesusworte sind
Sie sind authentisch in Bezug auf seine Lehre.
Eben nicht, weil Jesus da viel kompromißloser war. Ich merke schon, du hast Theißen/Merz immer noch nicht gelesen. So wird das nichts.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das nennt man wohl unfreiwilligen Humor.
Da ist was dran - als offenkundig wurde, dass die Zitate von Ratzi sind, ist einigen das Lachen im Hals stecken geblieben.
Ja, ja, die Latte ist im Hals steckengeblieben. :lol:

closs hat geschrieben: Davon abgesehen finde ich die Gesetzeslage heute angebracht.
Na also, geht doch.

closs hat geschrieben: Die grundsätzliche Frage, BEVOR man in Grenzfragen eintritt, ist:
Darf der Mensch anderen Menschen das Leben nehmen? - Und dazu gibt es halt unterschiedliche Antworten - was ich persönlich übrigens gar nicht als SO tragisch ansehe. - Tragisch aus meiner Sicht ist, dass die Frage erst gar nicht zugelassen wird - wieder mal anthropozentrische Verdrängung.
Das stimmt doch gar nicht. Es hat heftige gesellschaftliche und politische Debatten darüber gegeben.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aus Sicht der Juden sieht das Ganze natürlich völlig anders aus.
Sie sehen das objektiv genauso - oder was denkst Du?
Sie sehen es eben nicht so, wie kommst du auf sowas? Schon Ratzingers Karfreitagsfürbitten vergessen? :roll:

Übrigens: frag dich doch mal selber, wie du dich verhalten würdest, wenn eine neue Sekte an dich herantreten würde, die vorgibt, das wahre Christentum mit dem wahren ultimativen Heilsversprechen zu sein.
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#69 Re: Relativismuspoker

Beitrag von Pluto » So 1. Mai 2016, 17:33

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ich verstehe, dass Kreuzzüge bis in unsere Zeit wirken.
Natürlich tun sie das. - Aber Du hast den Unterschied zwischen a) und b) verstanden - ja?
Moment... Im Vergleich zu heute, halte ich die Kreuzzüge (prozentual) für wesentlich schlimmer als der Irak-Krieg. Begründung: Es gab weit weniger Menschen auf der Welt; besonders dann wenn man nur die bekannte Welt berücksichtigt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Moment, gerade der christliche Antijudaismus wurzelt im NT, schon vergessen?
Logisch - das war eine Folge der Trennung von Christentum und Judaismus. - Der Jude Jesus fand in SEINEM Volk keine bleibenden Anhänger - tragisch.
Umgekehrt... Die Trennung war Folge des Judenhasses.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#70 Re: Relativismuspoker

Beitrag von closs » So 1. Mai 2016, 17:50

sven23 hat geschrieben:Sooo groß ist der Unterschied gar nicht.
Es ist ein grundsätzlicher Unterschied, ob man etwas für sich oder in Korrelation mit anderen Geschehnissen bewertet.

sven23 hat geschrieben:es war die Retourkutsche des frühen Christentums
Wieso "retour" - worauf hat man denn reagiert?

sven23 hat geschrieben:Eben nicht, weil Jesus da viel kompromißloser war.
Die Kaiser-/Gott-Aussage IST kompromislos. - Da kann auch kein HKM-ler etwas daran ändern, weil dies eine inhaltlich geistige Aussage ist.

sven23 hat geschrieben: Es hat heftige gesellschaftliche und politische Debatten darüber gegeben.
NAtürlich - und das Ergebnis ist: "Ja - man darf, wenn es der Selbst-Verwirklichung dient". - Im übrigen wird diese Grundsatzfrage aufgeklärter-weise NICHT als diskutabel zugelassen, weil man Ich-Bewusstsein als Folge von Biologie versteht. - Das heisst: Man weicht den Folgen eigener Entscheidung aus, die da lautet: "Ja - man darf, wenn es der Selbst-Verwirklichung dient".

Wie gesagt: Ich finde das nicht SO dramatisch, aber mich ärgert diese Selbst-Immunisierung.

sven23 hat geschrieben:Sie sehen es eben nicht so, wie kommst du auf sowas?
Sie sehe es genauso, dass die Juden Jesus NICHT gefolgt sind und deshalb diese Spaltung stattgefunden hat. - Darum ging es.

sven23 hat geschrieben:Übrigens: frag dich doch mal selber, wie du dich verhalten würdest, wenn eine neue Sekte an dich herantreten würde, die vorgibt, das wahre Christentum mit dem wahren ultimativen Heilsversprechen zu sein.
Käme drauf an, was sie sagt. Wenn ich es nicht verstehen würde, würde ich es ablehnen.

Und deshalb kann es kein Vorwurf sein, wenn die Juden es abgelehnt haben - aber es hat halt zur Spaltung geführt. - Und dann wurden die Christen stärker und plötzlich wurde man vom Jäger zum Gejagten - was im übrigen NICHT hätte passieren dürfen, weil es das NT eigentlich verbietet.

Pluto hat geschrieben: Im Vergleich zu heute, halte ich die Kreuzzüge (prozentual) für wesentlich schlimmer als der Irak-Krieg.
Das ist ein Bewertungs-Aspekt - ja. Ich würde dem sogar zustimmen. - Aber es ist Bewertung eines Vergleichs - Sven würde sagen, "eine Relativierung".

Pluto hat geschrieben:Umgekehrt... Die Trennung war Folge des Judenhasses.
Verstehe ich nicht. - Was meinst Du mit Judenhass? Genitivus objectivus oder subjectivus? - Der Hass gegen die Juden oder von den Juden? - Verstehe nicht, was Du meinst.

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