Alles Teufelszeug? II

closs
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#1471 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Di 19. Apr 2016, 09:43

Josi hat geschrieben:Warum aber nennst du etwas "nicht Wahrnehmbares" Gott, statt zuzugeben, dass man über "nicht Wahrnehmbares" nichts aussagen kann?
Weil auch Nicht-Wahrnehmbares erschließbar ist - man hat geistige Anzeichen, die man zu einer Vorstellung verdichtet. - Bewiesen ist damit diese Vorstellung nicht (das geht grundsätzlich nicht bei Dingen, die außerhalb des sinnlichen Wahrnehmungs-Bereichs sind).

Josi hat geschrieben:Steckt Angst dahinter?
Nein - auf diese Idee muss man erstmal kommen.
Steht Angst dahinter, wenn Du jemand liebst? - Denn beweisen kannst Du es auch nicht.

Josi hat geschrieben:Vielleicht die Angst, dass die Welt nicht so sein darf, wie sie als soweit festgestellt nunmal ist
Wie die naturalistische Welt ist, ist auch Theologen bekannt - das beißt sich doch nicht.

Josi hat geschrieben:Und wehe dem, der sich trotzdem zum Freidenker entwickeln möchte...
Heute ist man Freidenker, wenn man sich vom agnostisch-naturalistischen Mainstream-Denken freimacht. - Es ist genau umgekehrt als früher.

closs
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#1472 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Di 19. Apr 2016, 09:52

Münek hat geschrieben:Wenn es Gott gibt, ist er eine Entität. Wenn es Gott nicht gibt, ist er keine Entität. Tautologie pur.
Da täuschst Du Dich. - Gott könnte auch KEINE Entität sein und als real angenommen werden - gegen meine Überzeugung, aber es passiert. - So stellen vielen Menschen Gott in die Psycho-Ecke, indem sie ihn als reine Erscheinung der Vorstellung darstellen. - Sie sagen dann: Es gibt Gott und zwar als Vorstellungs-Prozess. - Wahrnehmungsmäßig stimmt das sogar, aber nicht entitäts-mäßig. - Es ist nicht so einfach, wie Du es darstellen möchtest.

Münek hat geschrieben:Für die Existenz sowie die postulierten Attribute, vollzogenen Handlungen und Heilspläne des angeblich nicht erkennbaren und unfassbaren jüdisch-christlichen Gottes fehlt jegliche Plausibilität.
Dann wären die Philosophen vom 1. bis 18. Jh. alle Deppen gewesen - von den Theologen ganz abgesehen - halte ich für unwahrscheinlich.

Wenn man allerdings verseucht ist vom Gedanken, dass Plausibilität ein system-übergreifender Begriff wäre, funktioniert Deine Aussage, die dann extrem selbst-immunisierend ist. - Denn diese Behauptung wäre selbst eine System-Aussage. - Also ein Oxymoron.

Münek hat geschrieben:Setzungen sollten schon plausibel sein.
Dann muss man sie aber auch ADÄQUAT untersuchen KÖNNEN!!! - Eigene Unfähigkeit ist nicht der richtige Ansatz, um Plausibilität zu erzwingen.

Münek hat geschrieben:Was hingegen die historisch-kritische Bibelforschung als Wissenschaft betrifft, erkenne ich hier nur einen fromm-utopischen Wunsch deinerseits. Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen.
Aber vielleicht vorwärts.

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sven23
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#1473 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Di 19. Apr 2016, 09:53

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Also los.
Kannst Du meine Frage vorab beantworten: Gibt es dort eine Thematisierung von "naturalistische Realität" versus "spirituell-transzendentelle Realität"? - Ganz wichtig.
Logisch, aber ich will nicht zu viel verraten, es soll ja auch ein bisschen spannend bleiben.
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sven23
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#1474 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Di 19. Apr 2016, 09:57

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der berühmte Theologe Rudolf Bultmann war es, der erstmals vor einigen Jahrzehnten mit dieser These in der theologischen Szene für einen Paukenschlag sorgte.
Und der nächste Theologe wird dann mit neuer Begründung das Gegenteil sagen.
Entscheidend ist die Qualität der Begründung. Wenn jemand für seine Begründungen auf Vertrauensvorschuss und Glaubensentscheide angewiesen ist wie Ratzinger, kann man es aus wissenschaftlicher Sicht schon vergessen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1475 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Di 19. Apr 2016, 10:40

sven23 hat geschrieben:Logisch, aber ich will nicht zu viel verraten
Na?

sven23 hat geschrieben:Wenn jemand für seine Begründungen auf Vertrauensvorschuss und Glaubensentscheide angewiesen ist wie Ratzinger, kann man es aus wissenschaftlicher Sicht schon vergessen.
Du vergisst immer, dass HKM im hier vorgetragenen Sinne bei interpretativen Aussagen auf den Fall "Jesus = nur ein Wanderprediger" Bezug nimmt - also ebenfalls einen "Positionierungs-Vorschuss" braucht.

Es geht hier nicht um "wissenschaftliche" und "gläubige" HKM, sondern um die Frage, ob die HKM im Sinne ZWEIER "Vorschüsse" oder nur EINES "Vorschusses" interpretieren darf.

Wenn Du meinst, "Dein" Ansatz bedürfe keines "Vorschusses", täuschst Du Dich selber. - Denn ist es de facto kein Unterschied, ob man "Vorschüsse" glaubens-mäßig bekennt oder methodisch versteckt.

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#1476 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Josi » Di 19. Apr 2016, 11:26

closs hat geschrieben:
Josi hat geschrieben:Warum aber nennst du etwas "nicht Wahrnehmbares" Gott, statt zuzugeben, dass man über "nicht Wahrnehmbares" nichts aussagen kann?
Weil auch Nicht-Wahrnehmbares erschließbar ist - man hat geistige Anzeichen, die man zu einer Vorstellung verdichtet. - Bewiesen ist damit diese Vorstellung nicht (das geht grundsätzlich nicht bei Dingen, die außerhalb des sinnlichen Wahrnehmungs-Bereichs sind).
Nu ja, dass Menschen phantasiebefähigte Wesen sind (und mehr hast Du im Kern deiner Ausführungen nicht anzubieten), stellt seit Jahrtausenden unter allen bislang errungenen Erkenntnissen keine Besonderheit mehr dar.
Alice im Wunderland ist auch nicht wahrnehmbar, sondern hat sich in Form "geistiger Anzeichen" zu einer (konkreten) Vorstellung verdichtet.
Das ist soweit auch in Ordnung, gibt es doch recht viele künstlerische Spielarten.
Unverschämt hingegen ist, wenn man Naturwissenschaftler bzw. Realisten in ebenso Traumproduzenten umzudefinieren versucht.
Da muss es ja nahe liegen, Realität als ein von Menschen individuell, oder auch im kollektiv, oder vielleicht auch von Gott (je nach, wer auf dein Hütchenspiel eingeht) gesetztes Produkt zu behaupten bzw. zu propagieren, ganz egal ob es sich in der Wirklichkeit tatsächlich so verhält, oder nicht.
Aber intellektuell aufrichtig ist der Versuch nicht, auf diese Weise die Abgrenzung zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu verwischen bzw. zu verunschandeln.
Und nichts Anderes tust Du!
closs hat geschrieben:Steht Angst dahinter, wenn Du jemand liebst?
Nu ja, unbefriedigte Bedürfnisse können durchaus nervös machen. Ist das bei Dir anders?
closs hat geschrieben:Denn beweisen kannst Du es auch nicht.
Was soll hier "es" sein (Nenne bitte jedes Kind beim Namen)?
closs hat geschrieben:Wie die naturalistische Welt ist, ist auch Theologen bekannt - das beißt sich doch nicht.
Theologen sind bloße Rhetoriker und heimsen sich alles ein, gegen das sie sich nicht mehr wehren können.
closs hat geschrieben:Heute ist man Freidenker, wenn man sich ...
frei macht von Fremdbestimmungen.
Und da liegt mehr an, als Du dir "vorstellen" kannst.
Denn kaum etwas ist so stumpf geworden, wie das so genannte Ockham'sche Rasiermesser.
Aber warum auch etwas einfach handhaben, wenns doch bombastisch kompliziert gemacht werden kann, droht es ansonsten doch langweilig zu werden, nicht wahr?
closs hat geschrieben:Es ist genau umgekehrt als früher.
Ja, ich höre schon die Glocken zur morgendlichen Schwerkraftsmesse bimmeln - selbstverständlich mit Dankesgrüssen an noch mehr Naturgesetzlichkeiten.
Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum, Islam, Scientologie ... adee, wir stimmen zum Lied auf "Schön war die Zeit!"

:mrgreen:
Wer propagiert, es sei nicht schlimm wenn Menschen - einschließlich Kinder - getötet werden, da sie bei Gott weiter leben würden, gehört selbst auf der Stelle mit der Begründung getötet: "DIES SEI AUCH DIR GEGÖNNT!!!"

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#1477 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Münek » Di 19. Apr 2016, 12:01

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn es Gott gibt, ist er eine Entität. Wenn es Gott nicht gibt, ist er keine Entität. Tautologie pur.
Da täuschst Du Dich. - Gott könnte auch KEINE Entität sein und als real angenommen werden - gegen meine Überzeugung, aber es passiert. - So stellen vielen Menschen Gott in die Psycho-Ecke, indem sie ihn als reine Erscheinung der Vorstellung darstellen. - Sie sagen dann: Es gibt Gott und zwar als Vorstellungs-Prozess. - Wahrnehmungsmäßig stimmt das sogar, aber nicht entitäts-mäßig. - Es ist nicht so einfach, wie Du es darstellen möchtest.
Die Feststellung "Wenn Gott existiert, dann existiert Gott" ist und bleibt eine Tautologie. Du kommst aus dieser Ecke nicht raus.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Für die Existenz sowie die postulierten Attribute, vollzogenen Handlungen und Heilspläne des angeblich nicht erkennbaren und unfassbaren jüdisch-christlichen Gottes fehlt jegliche Plausibilität.
Dann wären die Philosophen vom 1. bis 18. Jh. alle Deppen gewesen - von den Theologen ganz abgesehen - halte ich für unwahrscheinlich.
Ich würde sie nicht Deppen nennen. Aus heutiger Sicht - eine Sicht, die Menschen des 1. bis 18. Jahrhunderts nicht haben konnten - ist meine Feststellung der Unplausibilität der von mir oben genannten Annahmen schlechterdings nicht von der Hand zu weisen.

closs hat geschrieben:Wenn man allerdings verseucht ist vom Gedanken, dass Plausibilität ein system-übergreifender Begriff wäre, funktioniert Deine Aussage, die dann extrem selbst-immunisierend ist. - Denn diese Behauptung wäre selbst eine System-Aussage. - Also ein Oxymoron.
Ich verwende den Begriff "plausibel " im üblichen Sinne von "unmittelbar einleuchtend". Selbst Pausus bezeichete seine Aussage der Auferstehung Jesu als unplausibel.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Setzungen sollten schon plausibel sein.
Dann muss man sie aber auch ADÄQUAT untersuchen KÖNNEN!!!
Nein - siehe oben.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was hingegen die historisch-kritische Bibelforschung als Wissenschaft betrifft, erkenne ich hier nur einen fromm-utopischen Wunsch deinerseits. Das Rad der Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen.
Aber vielleicht vorwärts.
Das Rad der Geschichte lässt sich weder rückwärts drehen noch vorwärts.

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sven23
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#1478 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Di 19. Apr 2016, 12:19

closs hat geschrieben:Du vergisst immer, dass HKM im hier vorgetragenen Sinne bei interpretativen Aussagen auf den Fall "Jesus = nur ein Wanderprediger" Bezug nimmt - also ebenfalls einen "Positionierungs-Vorschuss" braucht..
Das muss man differenzieren. Es gibt Punkte, die viel Interpretationsspielraum zulassen und welche, die wenig oder keinen zulassen.
Wenn es in einer Frage einen großen Konsens in der Forschung gibt, kann man davon ausgehen, dass der Spielraum relativ gering ist, unabhängig von Glaubensvoraussetzungen.

Nochmal zur Erinnerung: wenn eine Methode derart abhängig von Glaubensprämissen wäre, wie du es implizieren willst, dann würde die Methode absolut nichts taugen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1479 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Anton B. » Di 19. Apr 2016, 15:27

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn jemand für seine Begründungen auf Vertrauensvorschuss und Glaubensentscheide angewiesen ist wie Ratzinger, kann man es aus wissenschaftlicher Sicht schon vergessen.
Du vergisst immer, dass HKM im hier vorgetragenen Sinne bei interpretativen Aussagen auf den Fall "Jesus = nur ein Wanderprediger" Bezug nimmt - also ebenfalls einen "Positionierungs-Vorschuss" braucht.

Es geht hier nicht um "wissenschaftliche" und "gläubige" HKM, sondern um die Frage, ob die HKM im Sinne ZWEIER "Vorschüsse" oder nur EINES "Vorschusses" interpretieren darf.

Wenn Du meinst, "Dein" Ansatz bedürfe keines "Vorschusses", täuschst Du Dich selber. - Denn ist es de facto kein Unterschied, ob man "Vorschüsse" glaubens-mäßig bekennt oder methodisch versteckt.
Und schon wieder mauschelt der closs sein liebstes Kind, die Setzungen, in seine Argumentation.

Nur verdreht er die Dinge: Die Einbeziehung von "Wissen" anderer Disziplinen (z.B. derer der Natur-Wissenschaften) verbleibt völlig im Wissenschaftsrahmen. Die HKM als Wissenschaftsdisziplin stände in besonderem Rechfertigungszwang, wenn sie Übernatürlichkeit in ihre historischen Rekonstruktionen einbringt. Eine Rechtfertigung, die sie nach unserem Wissen über Wissenschaft gar nicht leisten kann. Die HKM verhält sich da also völlig konform zur Wissenschaft und mit ihren Modellen kohärent zu den Modellen anderer Wissenschaftsdisziplinen. Sie muss sich bezüglich der closs'schen Anwürfe nicht eigens rechtfertigen.

Es ist also mal wieder gar nicht direkt die HKM Ziel des closs, sondern die "Wissenschaft" als solche. Im Grunde ist clossens Thema ja die Frage, wie sich seine eigenen Vorstellungen über "Gott und die Welt" als zumindest gleichwertig mit wissenschaftlichem Wissen darstellen lassen. Und da ist eine seiner Zauberwaffen die Vorstellung, alles lässt sich so auf Setzungen zurückführen, dass am Ende man dies oder das je nach eigenem Gusto, also eigener gesetzter Setzung, wissen bzw. glauben kann. Denn schon diese Unterscheidung löst sich bei ihm auf.

Die Argumentation folgt dem Muster, welches unter anderem auch gerne von Kreationisten verwendet wird: Wenn das eigene Modell schon nicht wissenschaftlich überzeugend vertreten werden kann, greift man eben zur Vorstellung, auch die etablierten wissenschaftlichen Modelle wären nichts weiter als Glaubensausprägungen.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

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#1480 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Di 19. Apr 2016, 15:35

Anton B. hat geschrieben: Es ist also mal wieder gar nicht direkt die HKM Ziel des closs, sondern die "Wissenschaft" als solche. Im Grunde ist clossens Thema ja die Frage, wie sich seine eigenen Vorstellungen über "Gott und die Welt" als zumindest gleichwertig mit wissenschaftlichem Wissen darstellen lassen. Und da ist eine seiner Zauberwaffen die Vorstellung, alles lässt sich so auf Setzungen zurückführen, dass am Ende man dies oder das je nach eigenem Gusto, also eigener gesetzter Setzung, wissen bzw. glauben kann. Denn schon diese Unterscheidung löst sich bei ihm auf.
Ja, ich glaube, das trifft des Pudels Kern ganz gut. Dem guten closs reicht der Glaube allein nicht aus. Ich frage mich nur, warum eigentlich nicht?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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