Alles Teufelszeug? II

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Thaddäus
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#671 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Thaddäus » Di 29. Mär 2016, 11:32

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Lediglich bei der Interpretationen mancher Ergebnisse gehen die Meinungen auseinander, die Methode ist jedoch immer dieselbe.
Damit wäre ich einverstanden - wenn man unter HKM in erster Linie versteht, dass man rein sachlich beobachtet und das Beobachtete rein sachlich beschreibt, kann nichts passieren - so sollte es sein.
Genau, - und rein sachlich gesehen, also vom einzigen ausgehend, was wir haben, nämlich den neutestamentlichen Schriften, hatte Jesus eine Naherwartung.

closs hat geschrieben: Die von Jung mit Hinweis auf Troetsch genannte Analogiebildung, die offenbar vielen als sicheres Interpretations-Kriterium gilt, trägt in sich, dass Jesus nicht Gott sein kann.
Es ist unerheblich für die Textexegese, ob Jesus "Gott" war, ist oder sein wird.
Die Weihnachtsgeschichte mit Stall, Tieren und drei hl. Königen aus dem Morgenland ist eine späte hübsche Erfindung einer königlichen Geburtserzählung. Daran ändert sich nichts, ob Jesus Gott ist oder nicht. Der Missionsbefehl wurde dem Mk.-Evangelium erst viel später angefügt und von Jesus nie erteilt. Daran ändert sich nichts, egal ob Jesus Gott ist oder nicht. Jesu Aussage: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist und Gott, was Gott gehört", wurde von Jesus nie gesagt und ist eine spätere Gemeindebildung, - egal ob Jesus Gott ist oder nicht. Am Kreuz hat Jesus nicht gesagt: "Es ist vollbracht", sondern ܐܹܝܠ ܐܹܝܠ ܠܡܵܢܵܐ ܫܒܲܩܬܵܢܝ , egal ob Jesus Gott ist oder nicht. Das ist nur eine Handvoll zentraler und gesicherter Ergebnisse der historisch-kritischen Analyse, an denen sich nichts ändert, wenn du Jesus göttliche Eigenschaften zusprichst.

Du behauptest, es würde sich an den historisch-kritischen Ergebnissen etwas ändern, wenn man annimmt, dass Jesus "Gott" ist. Nur zu: dann zeige Mal auf, wie sich die obigen Ergebnisse der HKM dann ändern unter dieser Annahme!
(Welchen Gott meinst du übrigens? Ist Jesus = YHWH oder soll er = hl. Dreifaltigkeit sein, die erst im Jahre 325 (Konzil von Nicäa) erfunden wurde und vermutlich das ist, was du unter dem Begriff "Gott" verstehst? Für einen Juden, dem es sogar verboten ist, das hl. Tetragramm YHWH auch nur auszusprechen, ist es übrigens der größte denkbare Frevel, sich mit ihm gleich zu setzen!)

closs hat geschrieben: :lol: - Sorry, da muss ich wirklich mal den :lol: bemühen, weil es wirklich ein Treppenwitz ist. - Aus meiner Sicht müsste dies ein unabhängiger Wissenschaftler auf Anhieb merken.
Ein unabhängiger Wissenschaftler weiß vor allem, dass deine christliche Gottesvorstellung das Ergebnis eines stark von griechischer Philosophie beeinflussten Konzilsbeschlusses 325 Jahre nach Jesu Geburt ist, ganz sicher aber nicht mit dem übereinstimmt, was Jesus unter "Gott" verstanden hat ... Insofern also ein herzhaftes LOL zurück! :lol:

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Die heute allgemein in der akademischen Theologie geteilte Einsicht, dass Jesus eine Naherwartung nicht nur predigte, sondern auch diesem seinen Glauben gemäß handelte, hast du, closs, vor allem dem großen Albert Schweitzer zu verdanken.
Da schließe ich mich halt denen an, die gute Gründe haben, die offenbar aus methodischen Zwängen nicht thematisiert werden können, dem großen Schweitzer zu widersprechen.
Denen? Welche ernst zu nehmenden Theologen meinst du mit "denen".

closs hat geschrieben: Nochmals: Ich habe wirklich in den letzten Jahrzehnten mit einigen evangelischen und katholischen Theologen von Gemeinde-Pfarrern bis habilitierten Theologen, die alle aus gesamt-biblischen Zusammenhängen dieser Meinung widersprochen haben - komischerweise war damit oft der Hinweis verbunden, dass dies schon längst ausdiskutiert wäre - kalter Kaffee. - Letzteres scheint wohl nicht so zu sein. ;)
Das deutet lediglich darauf hin, in welchen theologischen Kreisen du dich bewegst. :lol:

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: weil so etwas wie die kanonische Exegese schon vom Grundansatz her schlicht und einfach nicht wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, also nicht wissenschaftlich ernst genommen werden kann.
Das klingt eher nach Pfeifen im Wald - ich muss Dir hier widersprechen. - Es wird nach wie vor Wissenschafts-Theorien geben, die Hermeneutik als Wissenschaft verstehen, wenn sie in ihrem Vorgehen entsprechende methodische Kriterien verwendet.
Da kannst du mir gerne widersprechen, an den wissenschaftstheoretischen Tatsachen ändert das nichts. Eine Methode, zu deren Prämissen es gehört, die Ergebnisse vorausszusetzen, die gerade überprüft werden sollen, kann keine Wissenschaft sein. Das tut im Übrigen auch die Hermeneutik von Schleiermacher bis Hans Georg Gadamer nicht. Das tut nur die kanonische Exegese, die genau deshalb keine wissenschaftliche Exegese sein kann.

closs hat geschrieben: Unterschätze das nicht - dieser Prozess des Schismas in Geistes-Wissenschaften ist bereits im Gange. - Da nützt es nichts, dass eine Seite meint, die andere Seite sei doch gar nicht wissenschaftlich. - Ratzi kommt mir da ein bißchen wie Luther vor, der reformieren wollte und dann eine eigene Konfession gründen musste, weil die betonierten Strukturen nicht aufzuweichen waren.
Wenn du wirklich glauben solltest, so etwas wie die kanonische Exegese könnte sich an den Universitäten als exegetische Methode durchsetzen oder auch nur mit der historisch-kritischen konkurrieren, dann bist du ziemlich auf dem Holzweg. Es gibt keinen Weg zurück ins Mittelalter ... :lol:

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Von einem mythologisch-gläubigen Weltbild aus betrachtet, ist es geradezu ein Zeichen von Kleingläubigkeit, sich nicht ausschließlich auf Gott, sondern auf einen Arzt zu verlassen
Das trifft auf die Realität nicht zu - das klingt eher nach Eigen-Gewächs.
Wieso? Wenn du krank wirst und zum Arzt gehst, damit der dich mit seinem Wissen und seinen hochmodernen Grätschaften wieder gesund macht, dann ist das ein Zeichen dafür, dass du dein Vetrauen offenbar mehr in deinen Arzt als in Gott setzt! Das ist doch ziemlich klar.

closs hat geschrieben:Nochmals: Was wäre, wenn die Auferstehung tatsächlich und historisch statfgefunden hätte? - Das klingt alles so nach "Was nicht sein darf, das nicht sein kann".
Aus welchem Grund pochst du auf eine Naturgesetze brechende leibliche Auferstehung Jesu? Kann der, der nicht an eine leibliche Auferstehung glaubt, deshalb kein gläubiger Christ sein? Warum sollte die Leiblichkeit der Auferstehung wichtig sein? Warum ist dir dieses Zauberkunststück so wichtig?
Ein Beharren hierauf zeigt lediglich, wie wenig man von Jesu "Auferstehung" verstanden hat und wie sensationslüstern man nach Zauberei ist.

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Nach Bultmann gilt es heute, die Auferstehungserzählung existenzial zu deuten, also so, dass sie auch der im heutigen Weltbild lebende Mensch als für sein Leben noch relevant erkennen kann.
Aber warum man dazu die historische Möglichkeit der Auferstehung ausschließen sollte, verstehe ich nicht.
Nicht an eine leibliche Auferstehung zu glauben, ist keine Bedingung dafür, den eigentlichen Sinn der Auferstehung zu verstehen und gläubig zu sein.
DU willst scheinbar den Glauben an das Mirakel zum Prüfstein rechten Glaubens machen.
Wenn jemand nicht an die leibliche Auferstehung glaubt, dann muss der dir deinen Glauben an eine leibliche Auferstehung nicht absprechen, damit SEIN Glaube funktioniert.
Aber DU scheinst jenen, die nicht an die leibliche Auferstehung glauben, absprechen zu wollen, dass sie christlich gläubig sind.
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Thaddäus
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#672 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Thaddäus » Di 29. Mär 2016, 11:32

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das göttliche Wunder einer leiblichen Auferstehung ist überhaupt nur in einem mythischen Weltbild relevant
Wie wäre dann zu beurteilen, wenn es wirklich stattgefunden hat? - Ist dieser Fall überhaupt vorgesehen?
Wie wäre es zu beurteilen, wenn Snow White und ihre Zwerge wirklich im Märchenland lebten? Ist dieser Fall vorgesehen?

Das Märchen von Snow White ist psychologisch und archetypisch interpretiert sehr aufschlussreich, denn wir können daraus sehr viel z.B. über die tiefenpsychologischen Zusammenhänge in der Beziehung von Müttern zu ihren Töchtern lernen, mit denen sie, trotz ihres fortgeschrittenen Alters, in sexuelle Konkurrenz treten wollen. Das Märchen zeigt auf, inwiefen solche "bösen" (Stief-)-Mütter ihre mütterliche Rolle verkennen, wenn sie ihren Verlust an Jugendlichkeit und sexueller Attraktivität mit zunehmenden Alter nicht akzeptieren können. Statt ihrer Tochter, also der nächsten Generation, in der Rolle einer wohlwollenden Mentorin ihr Wissen um Geschlechtsbeziehungen und die Geheimnisse der Sexualität mit auf den Weg zu geben, betrachtet sie ihre Tochter als Konkurrentin und will sie töten. Mit dieser Verkennung ihrer eigenen Rolle, tötet sie aber am Ende nur sich selbst, denn der ewige Fortgang immer neuer nachwachsender Generationen, die den Fortbestand des Lebens selbst garantieren, ist ein natürliches Gesetz, dem man sich letztlich nicht widersetzen kann.
Die psychologische Moral dieses Märchens ist, dass es eine Zeit gibt, in der wir Frauen Snow White sind: jung, hübsch, sexuell unerfahren und begehrenswert. Und wenn wir älter werden und Mütter - und unsere Töchter langsam erwachsen, dann ist diese Zeit vorüber und wir müssen in eine neue Rolle hineinwachsen und unseren Töchtern unsere Erfahrungen und unser Wissen über das Leben mit auf den Weg geben und ihnen damit helfen, die nächste Generation zu gründen und groß zu ziehen. Das ist der ewige Kreislauf der Generationen und des Lebens - in diesem Märchen - aus weiblicher Sicht.

Was im Märchen von Snow White an psychologischen und archetypischen Einsichten steckt, dass steckt darin auch dann, wenn es das Märchenland nicht "wirklich" geben sollte im Sinne der Staatsgrenzen einer Bundesrepublik Deutschlands, Polens, Argeniniens, Luxemburgs oder Sachsen-Anhalts. Der Gedanke, es steckte nur etwas in diesem Märchen, wenn das Märchenland auch "wirklich" existiert, verkennt alles Wesentliche in einem erschreckenden Maße.
Zuletzt geändert von Thaddäus am Di 29. Mär 2016, 14:18, insgesamt 6-mal geändert.

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Savonlinna
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#673 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Di 29. Mär 2016, 12:06

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Als Vertreter des Denkens des 21. Jahrhunderts musst Du wohl so reden.
Wäre ich Vertreter des Denkens des 21. Jh. sein, würde ich jegliches naturalistisch nicht Verifizierbares als Erfindung/Vorstellung beschreiben - genau das tue ich NICHT. - Und Du weisst es.
Nein, genau das sehe ich eben anders.
Aus jeden Deiner Satzporen dringt der Mensch des 21.Jahrhunderts.

Aber ich will erst mal den Kontext rekonstruieren ->
Savonlinna hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Und ganz bestimmt nicht der, dass man neuerdings damit rechnen kann, dass die Biologie einen Sprung gemacht hat.
WENN es Gott als allwissende und allmächtige Entität gibt (was nicht falsifizierbar ist), könnte er in einem solchen Sonderfall die Naturgesetze, die dann auch von ihm stammen würden, situativ außer Kraft setzen. - Das können WIR doch nicht entscheiden.
Als Vertreter des Denkens des 21. Jahrhunderts musst Du wohl so reden.

Das, was ich als typisch für das 21. Jahrhundert - das meiner Sicht nach Ende des 20. Jahrhunderts begonnen hat - bei Dir ansehe, ist zum einen der starke materiekonzentrierte Bezug innerhalb des religiösen Glaubens.
Deine Fragen umkreisen permanent das Biologische. Das ist das Erbe des neuerweckten Kreationismus, der ja ebenfalls Ergebnis des Verlustes des alten Textverstehens ist.
Ausgerechnet Du, der immer wieder den Verlust der "geistigen Lesekunst" beklagt, hat diese Kunst verloren.
Du wirst es sofort leugnen, aber das würden die Kreationisten auch.
Du hast ihre Fragestellungen, die undenkbar zur Zeit Jesu gewesen wären.
Das zeigt sich nicht nur hier, das zeigt sich bei allen Deinen Themen.

Das zweite, das aber mit dem ersten zusammenhängt, ist der Verlust des Vertrauens in Gott.
Alles, was Du schreibst, zeugt von diesem Verlust. Alles trägt Wahrscheinlichkeitscharakter, kann sein oder kann nicht sein, muss von der Logik begründet sein, und es ist für Dich "nicht falsifizierbar" oder eben doch falszifierbar.

So redet nur ein Mensch des 21. Jahrhunderts, und einer, der nicht mehr weiß, was Glauben ist, sondern ihn verwechselt mit "ich glaube an etwas".

Das, was Du oben als typisch für das 21. Jahrhundert bezeichnest, ist ja nur typisch für eine mini-kleine Minderheit. Und sie steht in Zusammenhang mit Größerem: mit dem Ringen um das, was wir heute als Realität erahnen.
Da steht eine ziemlich große Geburt bevor, und wenn Du dialektisch denken könntest - was Du nicht kannst, obwohl Du es immer behauptest: denn dialektisch Denken heißt: ein Ding in seinen zwei Seiten als aufeinander bezogen erkennen -, wüsstest Du, welche Art Geburt bevorsteht und dass Du dieses Rad stoppen möchtest. Religios formuliert:
Du willst Gott ins Handwerk pfuschen, indem Du sagst: Lieber Gott, hör endlich auf, verdammt noch mal, dich hier zu realisieren.

Dir ist das Biologische wichtig, die Kritik an Homos und der Selbstbestimmung der Frau, aber das wirklich Große siehst Du nicht. Und kein Mensch kann es Dir erklären, weil Du auf das Materielle fixiert bist.
Du wirst es leugnen, ich weiß, und doch dreht sich alles bei Dir um den Glauben an die feste Substanz.
Zuletzt geändert von Savonlinna am Di 29. Mär 2016, 12:13, insgesamt 1-mal geändert.

closs
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#674 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Di 29. Mär 2016, 12:06

Savonlinna hat geschrieben:Wir hätten eine völlig neue Wissenschaft seit damals.
Spielen wir es mal durch: Jesus liegt 3 Tage im Grab, 1000 Leute stehen außenrum - plötzlich rumpelt es im Grab und man sieht, wie Jesus als gesunder Körper und freundlich mit den Händen winkend dem Grab entsteigt und wie eine Rakete in den Himmel steigt. - Nach dieser Vorführung kommt er runter, lässt sich anfassen (ist also "echt"), kann aber durch Wände gehen.

Das entspricht in etwa dem, was nicht 1000 Leute gesehen haben, sondern einige Schreiber berichten. - Gut. - Wo ist da jetzt der Unterschied? - Gruppen-dynamisch wäre mit 1000 Zeugen sicherlich mehr Öffentlichkeits-Arbeit zu machen - klar. - Aber macht das wirklich DEN großen Unterschied, den Du siehst?

Stelle Dir nur mal vor, es wären nicht 1000 Leute, sondern 11 Apostel gewesen - sie wären als Spinner dargestellt worden. - Oder es wären doch die 1000 Leute gewesen - Rom wäre aufmerksam geworden und je nach politischer Lage etwas draus gemacht oder es unterdrückt - da hätten auch einige wissenschaftlich Interessierte der damaligen Zeit nichts dran ändern können. - Auch heute würde es als Massen-Psychose verstanden werden, hätte es sich seit damals nicht wiederholt.

Mit anderen Worten: Unterm Strich wäre es nicht anders als jetzt. - Der eigentliche Knackpunkt ist aber ein ganz anderer:

Wenn die Auferstehung zum wissenschaftlichen Thema geworden wäre, wäre es genau zu dem geworden, als was es NICHT gemeint ist. - Denn wäre es wissenschaftlich lösbar, hieße dies zu Ende gedacht, dass Gott eine wissenschaftlich erklärbare Größe wäre, mindestens sein könnte. - Der Gedanke, dass Gott als Schöpfer der Natur nicht selbst Teil der Natur ist, könnte gar nicht vermittelt werden. - Es könnte also genau das nicht vermittelt werden, was der Fall ist, wenn Gott allmächtig, allwissend und über der Natur/der Zeit stehend ist

Mit anderen Worten: Die Katze würde auf die selben Füße fallen wie jetzt: Gott = "Einbildung" oder muss wissenschaftlich intersubjektiv nachweisbar sein. - Möglicherweise ist aber Gott einbildungs-unabhängige Entität und gleichzeitig NICHT intersubjektiv nachweisbar. Für diesen Fall hätte man auch dann kein Mittel, ihn zu erkennen.

Denke das mal genau durch.

Savonlinna hat geschrieben:Die Ostergeschichten sind literarisch geformt, das merkt man, wenn man sie mal laut liest.
Das sind sie ja auch - aber Du kennst sicherlich auch Bücher wie etwa "Der Name der Rose": Fiktion, aber historisch bestens fundiert.

Außerdem würde mich interessieren, wie Du text-analytisch mit folgender (willkürlich gerade von mir ausgewählten) Passage umgehen würdest:
"Am Abend aber desselben ersten Tages der Woche, da die Jünger versammelt und die Türen verschlossen waren aus Furcht vor den Juden, kam Jesus und trat mitten ein und spricht zu ihnen" Joh. 20,19

Nicht, dass ich diese Stelle als musterhaft historisch bezeichnen würde - aber woher wollte die HKM wissen, dass die Jünger sich NICHT aus Angst vor den Juden WIKRLICH versteckt hätten. Und dass Jesus nicht WIRKLICH zu ihnen durch die geschlossene Tür kam und Thomas seine Wundmale betasten ließ?

Deshalb: Aus meiner Sicht sind Mischformen aus Fiktion und historischer Wahrheit ganz und gar nich ungewöhnlich. - Glauben muss man trotzdem - logisch. - Aber vielleicht doch gerade deshalb, weil eine Message sein soll: "Mit Eurem intersubjektiv nachweisen wollendem Denken kommt Ihr erst gar nicht weiter, wenn es um geistige/spirituelle Dinge geht". - Wird so etwas von der HKM bedacht?

Savonlinna hat geschrieben:Aber es gibt keine Zeugenberichte. Erst fünfzig Jahre danach schreibt man von geistiger Auferstehung, und von Himmelfahrt. Man korrigiert im Nachhinein die Berichte über Jesus bezüglich Missionsauftrag.
Zunächst: Ich behaupte NICHT, dass es Zeugenaussagen gibt. - Ich behaupte auch nicht, dass nichts im Nachhinein geändert wurde.

Aber ich behaupte sehr wohl, dass das, was uns vorliegt, Ergebnis dessen ist, was aus einer Mischung aus Dichtung und Wahrheit (wir hatten die Rezeptions-Problematik bereits mehrfach) überliefert ist - mit anderen Worten: Man kann zwar aus HKM-Sicht und deren methodischen Raffinessen ein möglichst genaues Bild entwickeln - aber dieses Bild muss nicht der Wirklichkeit entsprechen.

Nun gilt heute nicht ohne Grund, dass das am besten präsentierte Bild als das glaubwürdigste zu gelten hat, bis was besseres kommt - no problem. - Aber das sagt nichts Verbindliches darüber aus, was WIRKLICH war - das meine ich mit "ontologisch" im allgemeinsten Wortsinn. - Es gibt keine "ontologische" Lösung, sondern immer nur methodisch unterschiedliche Versuche der Annäherung.

In unserem Fall geht die eine via Wissenschaft, die andere via Glaube. - Wenn das, was WIRKLICH ist, durch die Wissenschaft besser abgebildet werden kann, hat die HKM die Nase vorn - wenn das, was spirituell besser abgebildet werden kann, die Nase vorn hat, geht es zu Gunsten des Glaubens aus (wenn dieser richtig liegt).

Meine persönliche Aversion geht gegen die bewusste oder unbewusste Auffassung, eine als überlegen eingeschätzte Wahrnehmungs-Art sei Garant dafür, dass sich die Wirklichkeit brav danach ausrichtet. - Diese meine Aversion wendet sich sowohl gegen Wissenschaft als auch gegen Glaube.

Savonlinna hat geschrieben:Hätte es Zeugen der biologischen Auferstehung gegeben, wäre kein Christentum entstanden, weil das Phänomen dann kein religiöses gewesen wäre.
Das ist ein fulminanter Denkfehler. - Denn Du verkennst, dass sich Geist/Gott auch über Natur offenbaren kann.

Mit anderen Worten:
Auch wenn Jesu Auferstehung stattgefunden hätte und nie biologisch erklärbar sein könnte, würde Thomas die Wundmale an seinem Finger füheln, wenn er sie betastet - Geist würde sich über Natur offenbaren, ohne dass jemals dieses Phänomen naturwissenschaftlich erklärbar wäre. - Dieser Fall muss nicht sein (Glaubenssache), aber er könnte sein. - Genauso wie die Naturalisten mit ihrem Weltbild recht haben könnten (auch Glaubenssache).

Savonlinna hat geschrieben:Ich halte von leeren Spekulationen einfach nichts.
Du kannst nicht entscheiden, was leer ist und was nicht leer ist. - Man sollte nicht die Welt auf die Sicht (s)einer Methodik/Perspektive verengen - weshalb ich Deine Version ja nicht ausschließen kann, obwohl meine Perspektive eine andere ist.

Savonlinna hat geschrieben:Hältst Du so ein Verhalten angemessen für einen Sohn Gottes?
Das kommt auf die Intention an. - Wenn es ein Arzt wäre, der sich kapriziert, bis er dann doch einen Knochen flickt, wäre es unangemessen. - Wenn es darum geht, ein Verständnis über die Bedeutung des biologischen Lebens im Verhältnis zum geistigen Leben zu entwickeln, kann es angemessen sein. - Wo steht, dass Jesus ein Zuckerbäcker sein will?

Savonlinna hat geschrieben:Ich frage mich, wie das Gesamtverstehen von Mensch damals funktioniert haben soll, wenn ab und zu Tote wieder lebendig werden.
Wenn es "ab und zu" wäre, wären die Voraussetzungen für Analogie-Bildungen gegeben und man kann solche Fragen mit Hoffnung auf HKM-Antwort stellen - wenn es ein singulär an Jesus/Gott gebundener Fall wäre, weil es genau das sein sollte, dann nicht.

Savonlinna hat geschrieben:Wäre es historisch, wäre es aktenkundig geworden und wäre weltweit bekannt geworden, da bin ich hundertprozentig sicher.
Ich ganz und gar nicht. - Die Römer hätten die bezeugenden Juden, auch wenn es 1000 gewesen wären, bei entsprechenden politischen Rahmen-Bedingungen als Spinner bezeichnet. - Hätte sich aus diesen Spinnern eine Untergrund-Organisation entwickelt, wäre sie verfolgt worden - die heutige Wissenschaft würde sie als Irrationalisten bezeichnet, wenn es heute keine vergleichbaren Fälle (der biologischen Auferstehung) gäbe. - Oder man hätte sie als Galileos gefeiert, wenn man heute solche Fälle kännte - je nach Opportunität - wie es halt aus heutiger vorherrschenden weltanschaulicher Sicht am besten passt.

Savonlinna hat geschrieben:Und es hätte komplett die Welt damals verändert, und wir würden heute in einer anderen Welt leben
Hat es ja. :) - Hätte sich das Christentum nicht durchgesetzt, wäre die Welt heute eine andere (ganz ohne Wertung, was besser wäre).

Savonlinna hat geschrieben:Das Problem ist, dass kein Arsch sich groß gewundert hat, dass ein Lazarus mal tot, dann wieder lebendig und dann wieder tot ist.
Da war ein inner-jüdisches Geschehen. - Die einfachen Zeugen hätten nur gestaunt - die Schriftgelehrten hätten es nur publiziert, wenn es in ihren AT-Kram gepasst hätte - wen gab es noch?

Savonlinna hat geschrieben: Es ist doch aufzeigber, dass die verschiedenen Evangelisten ihr persönliches inneres Jesusbild gezeichnet haben
Natürlich - über die Rezeptions-Problematik haben wir ja oft genug gesprochen. - Das ist doch genau der Grund, warum die geglaubte Naherwartung Jesu einiger Jünger nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen muss.

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#675 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Di 29. Mär 2016, 12:07

II

Savonlinna hat geschrieben: Sie kannten doch teilweise gar nicht die Orte, die sie beschrieben haben.
Wenn die uns vorliegenden Quellen Rezeptionen von früheren Quellen sind, konnten die Verfasser nicht als Zeitzeugen schreiben, weil sie schlicht zu jung waren. - Und somit ist es besonders naheliegend, das hinzuschreiben
a) was man selber versteht und/oder
b) was man verstanden haben will.
Das ist woanders genauso - geradezu Standard.

Savonlinna hat geschrieben:Selbst ich, die bei mir selber immer dabei war, schreibe eigene Erlebnisse mit fünzigjährigem Abstand bereits nicht mehr wahrheitsgemäß, weil die Erinnerung die Dinge verändert. Stoße ich dann mal auf einen alten Tagebucheintrag, bin ich voll erschrocken, wie die Erinnerung getrogen hat.
Eben - insofern sind sogar historisch gemeinte Aussage nicht unbedingt richtig. - Und deshalb mein Bedürfnis, einen kategorialen Unterschied zwischen dem, was wirklich geschah, und dem, was davon fälschlicher- oder richtigerweise rezipiert wurde.

Savonlinna hat geschrieben:Der entscheidende Punkt ist, dass die Welt heute völlig anders aussehen würde, wenn zweimal Tote wieder lebendig wurden.
Oder umgekehrt: Dass die Welt heute völlig aussehen würde, wenn zweimal Tode NICHT wieder lebendig geworden wären - verstehst Du?

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#676 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Di 29. Mär 2016, 12:16

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Wir hätten eine völlig neue Wissenschaft seit damals.
Spielen wir es mal durch: Jesus liegt 3 Tage im Grab, 1000 Leute stehen außenrum - plötzlich rumpelt es im Grab und man sieht, wie Jesus als gesunder Körper und freundlich mit den Händen winkend dem Grab entsteigt und wie eine Rakete in den Himmel steigt. - Nach dieser Vorführung kommt er runter, lässt sich anfassen (ist also "echt"), kann aber durch Wände gehen.

Das entspricht in etwa dem, was nicht 1000 Leute gesehen haben, sondern einige Schreiber berichten.
Nicht ein einziger Schreiber berichtet es.

Wenn Du falsche Tatsachen mir hier als Basis des Denkens vorschlägst, lese ich gar nicht erst weiter.

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#677 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Di 29. Mär 2016, 12:56

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich halte von leeren Spekulationen einfach nichts.
Du kannst nicht entscheiden, was leer ist und was nicht leer ist.
Ja, natürlich kann ich das. Ich sehe doch die Prämissen, unter denen Du das alles schreibst.
Alles unter der Prämisse: kann sein, kann aber auch anders sein.
Das ist Dein neues Credo.

Über dieses Dein neues Credo denke ich inzwischen nach - also, woher es kommt.
Es hat als Basis (oder als Ergebnis) - ich sagte das schon einmal, aber Du hast es abgestritten - den Relativismus.
Du vor allem bist jemand, der den Relativismus zementiert. Auch wenn Du - rein kopfmäßig - das Gegenteil willst.
Aber Du zementierst ihn durch Dein ständiges "Es kann aber alles auch ganz anders gewesen sein, woher will man es wissen".

Damit machst Du hochstpersönlich den Weg frei für Spekulieren. Nichts kann wirklich wahr sein, weil alles eben ja auch ganz anders gewesen sein kann. Du gräbst Dir selber das Grab.
Das nimmst Du darum aber nicht wahr, weil Du dem Relativismus eine Grenze setzt: da, wo Du selber sprichst. Bestimmte Aussagen von Dir seien nicht relativ, sie seien halt logisch.
Zum einen ist aber auch Logik insgesamt nur gültig fur unsere als real bezeichnete Welt, zum anderen ist das, was Du als Logik verstehst, Deiner inneren Welt geschuldet.

Insgesamt meine ich mehr zu verstehen als früher, dass Dein Denken involviert ist in den Prozess, dem wir alle wahrscheinlich zur Zeit unterliegen:
dass wir den Boden unter den Fußen zu verlieren scheinen, dass ein Paradigmenwechsel sich ankünidgt und dass jeder auf seine Weise darauf reagiert.
Wenn ich das so betrachte, kann ich auch meinen Frieden mit Deiner Position machen.
Jeder strampelt sich ab, den Verlust des bisherigen sicheren Bodens irgendwie für sich auszugleichen.

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#678 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Di 29. Mär 2016, 12:59

Thaddäus hat geschrieben:Wie wäre es zu beurteilen, wenn Snow White und ihre Zwerge wirklich im Märchenland lebten? Ist dieser Fall vorgesehen?
Das ist eine ideologisch geprägte rhetorische Frage - denn damit sagst Du im Grunde: "Da es Gott (= Snow White) nicht als Entität geben kann, kann dies die HKM nachweisen". - Genau mein Vorwurf die ganze Zeit.

Thaddäus hat geschrieben:Das Märchen von Snow White ist psychologisch und archetypisch interpretiert sehr aufschlussreich
Unbenommen.

Thaddäus hat geschrieben:Was im Märchen von Snow White an psychologischen und archetypischen Einsichten steckt, dass steckt darin auch dann, wenn es das Märchenlad nicht geben sollte.
Absolut nachvollziehbar - ich stimme Dir zu.

Du machst aber die Analogie, dass dies bei Religion genauso sein MÜSSE. - Und dies ist eine Prämisse, die Du gleichzeitig zur Grundlage dessen machst, was Du Wissenschaft (hier: HKM) nennst. - Umgekehrt bestreitest Du, dass Wissenschaft Prämissen habe, also ergebnisoffen sei. - Was da faul ist, musst Du doch bei Deiner Intelligenz merken.

Conclusio:
HKM ist unter diesen Bedingungen nichts anderes als eine kanonische Exegese, nur dass eine andere Prämisse vorliegt. - Der Unterschied: Die kanonische Exegese bekennt sich dazu, eine Prämisse zu haben und dementsprechend hermeneutisch zu arbeiten.

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#679 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Di 29. Mär 2016, 13:07

Savonlinna hat geschrieben:Alles unter der Prämisse: kann sein, kann aber auch anders sein.
Nein - die Prämisse ist in meinem konkreten Fall, dass Gott eine Entität ist. - WEIL es eine Prämisse ist, also nicht falsifizierbar ist, kann es auch anders sein. - So ist der Kontext.

Savonlinna hat geschrieben:Nichts kann wirklich wahr sein, weil alles eben ja auch ganz anders gewesen sein kann.
Nichts kann IN DER WAHRNEHMUNG als absolut wahr gelten - das ist etwas ganz anderes. - "Wahr" ist nur das, was "ist".

Insofern ist natürlich auch die Wahrnehmung selbst wahr - im Sinne von: Wahrnehmung "ist". - Aber deren Inhalte selber sind NICHT falsifizierbar, es sei denn unter dem Schutz einer Prämisse.

Savonlinna hat geschrieben:Zum einen ist aber auch Logik insgesamt nur gültig fur unsere als real bezeichnete Welt, zum anderen ist das, was Du als Logik verstehst, Deiner inneren Welt geschuldet.
Viel einfacher: Logik ist Widerspruchsfreiheit auf Basis einer Prämisse.

Savonlinna hat geschrieben:Insgesamt meine ich mehr zu verstehen als früher, dass Dein Denken involviert ist in den Prozess, dem wir alle wahrscheinlich zur Zeit unterliegen:
Ich glaube, dass es immer so wahr. - Die Frage ist, ob dies thematisiert wird - wird es thematisiert, kommt es zum immer gleichen "Strampeln".

Meine Boden unter den Füßen verliere ich übrigens gerade deshalb NICHT, weil ich den Boden nicht über eigene Wahrnehmung definiere, sondern über das, was "ist" - auch unbekannterweise. - Tut man dies, wird man frei.

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#680 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Thaddäus » Di 29. Mär 2016, 13:59

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Wie wäre es zu beurteilen, wenn Snow White und ihre Zwerge wirklich im Märchenland lebten? Ist dieser Fall vorgesehen?
Das ist eine ideologisch geprägte rhetorische Frage - denn damit sagst Du im Grunde: "Da es Gott (= Snow White) nicht als Entität geben kann, kann dies die HKM nachweisen". - Genau mein Vorwurf die ganze Zeit.
Das ist keine ideologische, sondern eine berechtigte Frage.
Du fragst nach der Möglichkeit einer körperlichen Auferstehung Jesu, und ich frage nach der Möglichkeit, dass das Märchenland mit seinen Märchenbewohnern im Sinne eines realen Landes mit Staatsgrenzen existiert.
Ontologisch gesehen gehören beide Fragen derselben (ontologischen) Kategorie an, denn sie fragen beide danach, was ist, wenn eine mögliche Welt als real-existierende angenommen wird. Du fragst nach einer Welt, in der Naturgesetze gebrochen werden können und ich ebenfalls.

Nur, weil dir während deines gesamten Lebens beigebracht wurde, dass du in einer Welt lebst, in der Gott die Naturgesetze jederzeit brechen kann und Jesus körperlich auferstehen lassen kann, heißt das nicht, dass du tatsächlich in einer solchen Welt lebst, denn diese historisch faktische Annahme über Gott, Jesus und die Welt kann falsch sein. Es kann sich also um eine bloß mögliche, kontrafaktische Welt handeln, von der du lediglich glaubend behauptest, es sei die faktische Welt.
Und nur, weil die Menschen umgekerht im Laufe ihres Erwachsenwerdens in der Regel irgendwann erkennen, dass es ein Märchenland mit den darin wohnenden Märchenfiguren "in Wirklichkeit" nicht gibt, ist durchaus eine mögliche kontrafaktische Welt denkbar, in der ebenfalls Naturgesetze gebrochen werden können und von der man jederzeit behaupten kann, es sei eben nicht nur eine mögliche, kontrafaktische, sondern die faktische Welt.
Modallogisch gibt es da keinen Unterschied.

Falls du dich daran störst, dass wir ja selbstverständlich wissen, dass Snow White, die sieben Zwerge und das Märchenland nicht real existieren, die Frage nach der Möglichkeit eines die Naturgesetze brechenden Gottes aber etwas ganz anderes sei - deiner Meinung nach - dann lässt sich mein ontologischer Vergleich sehr leicht modifizieren:

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Das göttliche Wunder einer leiblichen Auferstehung ist überhaupt nur in einem mythischen Weltbild relevant
Wie wäre dann zu beurteilen, wenn es wirklich stattgefunden hat? - Ist dieser Fall überhaupt vorgesehen?
Wikinger und Germanen glaubten im vollen religiösen Ernst daran, dass der von einem Speer verwundete Odin, als Opfer für die Menschen an die Weltesche Yggdrasil gebunden, dort die heiligen Runen empfangen hat.
Veit ek, at ek hekk --- Ich weiß, dass ich hing
vindga meiði á --- An windigem Baum
nætr allar níu, --- neun ganze Nächte,
geiri undaðr --- vom Speer verwundet
ok gefinn Óðni, --- und Odin geweiht,
sjalfr sjalfum mér, --- ich selbst mir selbst,
á þeim meiði, --- an diesem Baum,
er manngi veit --- von dem niemand weiß
hvers af rótum renn. --- aus welcher Wurzel er sprießt

Við hleifi mik sældu --- Ich gab mich hin nicht für Brot
né við hornigi; --- und nicht für Hornvieh,
nýsta ek niðr, --- ich spähte nach unten,
nam ek upp rúnar, --- nahm Runen auf,
æpandi nam, --- laut lernte ich sie,
fell ek aftr þaðan. --- fiel wieder von dort.

[Lieder-Edda, Hávamál, Odins Runenlied]
Also meine Frage an dich:
Wie wäre dann zu beurteilen, wenn es wirklich stattgefunden hat? - Ist dieser Fall überhaupt vorgesehen?
Aus welchem Grund und mit welcher Berechtigung kommt diese hermeneutische Prämisse für dich nicht infrage (wie ich stark vermute)?

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