Halman hat geschrieben:
Ich bezog mich insbesondere auf Deinen letzten Satz (unter Berücksichtigung des vorausgehenden Kontextest): "Zumindest bemühe ich mich sehr, dieses Potential unabhängig von meinen Allergien gegen das Christentum zu entdecken."
Wenn ich eine "Allergie" gegen eine Weltanschauung, Literatur oder wogegen auch immer hätte, so bestände bei mir die Gefahr, dass diese "Allergie" meinen Blick trübt.
Allergien sind irrational, und ich bestehe ja nicht nur aus Allergie.
Ich habe praktisch nur - ich kann mich an keine Ausnahme erinnern - wunderbar menschliche Pastoren erlebt.
Ich denke an sie alle gerne zurück, und in ein paar von ihnen war ich sogar verknallt.
Was erklären könnte, warum ich so oft in den Gottesdiensten war...
Die Allergie liegt tiefer.
Sie liegt teilweise im Lutherdeutsch. Ich kann diese Sprache nicht ab.
Mir ist durch einen Lateinschüler mal eine lateinische Fassung der Geschichte vom Zöllner untergekommen, die ich mit ihm übersetzen sollte.
Ich war völlig verblüfft, weil alle Allergie weg war, die sonst, egal welche mir bekannte Bibel ich aufschlug, sie sofort wieder zuschlagen ließ.
Das Lateinische aber war glasklar, ohne Schnörkel.
Auch wenn ich mich mit Hilfe von griechisch-deutscher Linearübersetzung durch einzelne Sätze ackere, geht es mir besser.
Aber es ist zu spät. Ich habe unzählige Predigten über die Bibeltexte gehört und gelesen, alles in mich reingestopft, weil ich "die Wahrheit" wissen wollte, und mich dabei überfressen. Mein Magen ist ein für allemal verkorkst.
Halman hat geschrieben:Nimm als Beispiel jemanden, der mit der katholischen Kirche bzw. Religion schlechte Erfahrungen gemacht hat. Für diesen wäre es erheblich schwerer, dem katholischen Glauben eines Katholiken offen und positiv gegenüberzutreten, ist doch der "Anker" Katholizismus negativ besetzt.
Dies muss bei Dir natürlich nicht so sein.
Ich bin ja weder körperlich noch seelisch durch einen Kirchenvertreter verletzt worden.
Wäre es so, wüsste ich nicht, wie ich heute empfinden würde.
Es ist eher der Absolutheitsanspruch des christlichen Glaubens, der meinem Wahrheitsanspruch nicht genügt.
Es ist weiterhin der Kultcharakter, der mir widerlich ist.
Aber ich weiß, dass das alles heute im Wandel ist.
Selbst das Abendmahl - der heikelste Punkt bei mir - wird heute nicht mehr automatisch mit Blut und Aas, das man zu sich zu nehmen habe, verbunden.
Halman hat geschrieben:Wie geht man nun damit um? Man könnte versuchen es zu unterdrücken, gewissermaßen verdrängen. Ich denke, dass dies keine kluge Strategie wäre. Klüger scheint mir zu sein, die Gründe für seine Ablehnung zu untersuchen und so bewusster handhaben zu können.
Wo ich nun diese Zeilen schreibe, glaube ich aber, dass Du dies längst getan hast.
Ja, ich habe es längst getan. Da ich ein schreibender Mensch bin, habe ich es meist schreibend gemacht.
Ich bin der Meinung, dass Religionen von Menschen gewünscht sind, und ich bin froh, dass sie existieren, weil sie tradiert haben, dass jeder Mensch Größeres in sich trägt als nur das Individuelle.
Ihre negativen Seiten können wir mit der Zeit abschaffen, ihr Positives sollten wir behalten.
Und damit meine ich nicht nur das Humane, sondern ihr Hinweis darauf, dass wir nicht nur in der sogenannten realen Welt leben, sondern gleichzeitig - im Hier und Jetzt - in einer Welt, für die wir noch nicht die richtigen Organe entwickelt haben.