Alles Teufelszeug? II

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Savonlinna
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#351 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Mo 21. Mär 2016, 14:46

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Wenn man den Literaturwissenschaftlern erzählen würde, sie sollten sich künftig auf die historisch-kritische Forschung beschränken, dann würden sie, glaube ich, in ein schallendes Gelächter ausbrechen.
Wenn wir es nur mit einem Stück Literatur zu tun hätten, würde ich dem zustimmen.
Da aber die Forschung und erst Recht die Kirche von tatsächlich historisch Geschehenem ausgeht, ist nun mal die historisch-kritische Methode das Mittel der Wahl in der Leben-Jesu-Forschung.
Die historisch-kritische Methode befasst sich mit historischen Texten.
Und die Rezeption dieser Texte ist noch wichtiger als die Rezeption außerbiblischer Literatur.

sven23 hat geschrieben:Das heißt aber nicht, dass die Rezeptionsästhetik in der Forschung keine Beachtung finden würde.
Das Johannesevangelium ist ja Beleg dafür, weil es hauptsächlich als Erfindung des unbekannten Schreibers identifiziert wurde, das kaum authentische Jesusworte enthalten kann.
Rezeptionsästhetik spielt in der biblischen Rezeption keine Rolle, sondern nur die Rezeptionsgeschichte.
Für die Theologie oder die Religionswissenschaft ist die Rezeptionsgeschichte noch wichtiger als für die Literaturwissenschaft.
Das ist doch auch klar; gerade der jeweilige Kanon hat doch eine große Rolle in der Christenschaft gespielt, und zwar von Anfang an.

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sven23
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#352 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Mo 21. Mär 2016, 15:36

Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Aber dann kann die HKM kein Urteil abgeben, was Jesus gedacht oder gemeint hat. -
Genau darum geht es aber in der Leben-Jesu-Forschung.
Nein, das ist ausgeschlossen. Auch die Leben-Jesu-Forschung hat kein Rad ab.
Hier herrscht tatsächlich einmal Konsens in sämtlichen Wissenschaften: Gedanken und Meinungen sind im Gehirn nicht ablesbar.
Natürlich kann die Forschung keine Gedanken lesen, weder heute noch damals. Sie kann aber die Glaubenswelt des galiläischen Wanderpredigers an Hand der Textquellen rekonstruieren. Darum geht es in der Leben-Jesu-Forschung. Welche Glaubenswelt repräsentierte Jesus und was wurde durch christliche Rezeption daraus gemacht?
Wenn man diese Möglichkeit prinzipiell ausschließt, degradiert man die Forschung zu einer reinen Beschäftigungstherapie für Theologen. Das hat sie nicht verdient und läßt sich auch nicht begründen.
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sven23
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#353 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Mo 21. Mär 2016, 15:45

Savonlinna hat geschrieben: Rezeptionsästhetik spielt in der biblischen Rezeption keine Rolle, sondern nur die Rezeptionsgeschichte.
Für die Theologie oder die Religionswissenschaft ist die Rezeptionsgeschichte noch wichtiger als für die Literaturwissenschaft.
Das ist doch auch klar; gerade der jeweilige Kanon hat doch eine große Rolle in der Christenschaft gespielt, und zwar von Anfang an.
Zumindest spielt die Rezeptionsästhetik in der Exegese eine Rolle.

"Rezeptionsästhetische Exegese
(engl. reader-response criticism) Die Interpretation richtet sich bei der Rezeptionsästhetik nicht mehr auf „den“ Sinn „des“ Textes, sondern konzentriert sich auf die Interaktion von Text und Leser. Die Methode der rezeptionsästhetischen Exegese fragt dabei danach, welche Leserlenkung ein Text bietet (Wolfgang Iser, Hans Robert Jauß). Sie ist in der Bibelauslegung bereits ein Klassiker unter den neuen Methoden und auch in Deutschland sehr verbreitet."
Quelle: Wikipedia
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Savonlinna
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#354 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Mo 21. Mär 2016, 15:58

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Rezeptionsästhetik spielt in der biblischen Rezeption keine Rolle, sondern nur die Rezeptionsgeschichte.
Für die Theologie oder die Religionswissenschaft ist die Rezeptionsgeschichte noch wichtiger als für die Literaturwissenschaft.
Das ist doch auch klar; gerade der jeweilige Kanon hat doch eine große Rolle in der Christenschaft gespielt, und zwar von Anfang an.
Zumindest spielt die Rezeptionsästhetik in der Exegese eine Rolle.

"Rezeptionsästhetische Exegese
(engl. reader-response criticism) Die Interpretation richtet sich bei der Rezeptionsästhetik nicht mehr auf „den“ Sinn „des“ Textes, sondern konzentriert sich auf die Interaktion von Text und Leser. Die Methode der rezeptionsästhetischen Exegese fragt dabei danach, welche Leserlenkung ein Text bietet (Wolfgang Iser, Hans Robert Jauß). Sie ist in der Bibelauslegung bereits ein Klassiker unter den neuen Methoden und auch in Deutschland sehr verbreitet."
Quelle: Wikipedia
Es ist, wie ich sagte: Rezeptiänsästhetik hat andere Anliegen als Rezeptionsgeschichte.
Die Rezeptionsästhetik - also der Versuch, den künstlerischen Wert eines Werkes zu bestimmen - mag bei der Beurteiung von "Faust" eine Rolle spielen, aber nicht beim Matthäusevangelium.
"reader-response criticism" enthält nicht das Wort "Ästhetik". Und Jauß unterscheidet sehr präzise zwischen beiden Begriffen.

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sven23
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#355 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Mo 21. Mär 2016, 16:04

Savonlinna hat geschrieben: Es ist, wie ich sagte: Rezeptiänsästhetik hat andere Anliegen als Rezeptionsgeschichte.
Das bestreitet ja niemand.


Savonlinna hat geschrieben: Die Rezeptionsästhetik - also der Versuch, den künstlerischen Wert eines Werkes zu bestimmen - mag bei der Beurteiung von "Faust" eine Rolle spielen, aber nicht beim Matthäusevangelium.
"reader-response criticism" enthält nicht das Wort "Ästhetik". Und Jauß unterscheidet sehr präzise zwischen beiden Begriffen.
Also haben wir es hier wieder mal mit einem Wiki-Artikel zu tun, der gem. Savonlinna umgeschrieben werden muß.
Vielleicht hat Wikpedia aber auch nur bei der "Bibelwissenschaft" abgeschrieben. :lol:

https://www.bibelwissenschaft.de/wibile ... 6b0fb46d9/
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Savonlinna
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#356 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Mo 21. Mär 2016, 16:14

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Die Rezeptionsästhetik - also der Versuch, den künstlerischen Wert eines Werkes zu bestimmen - mag bei der Beurteiung von "Faust" eine Rolle spielen, aber nicht beim Matthäusevangelium.
"reader-response criticism" enthält nicht das Wort "Ästhetik". Und Jauß unterscheidet sehr präzise zwischen beiden Begriffen.
Also haben wir es hier wieder mal mit einem Wiki-Artikel zu tun, der gem. Savonlinna umgeschrieben werden muß.
Man kann auch selber nachdenken, was "Ästhetik" bedeutet.
Wikipedia ist wie die Bibel: sie erfordert beim Lesen selbständiges Denken und Kritikfähigkeit.

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#357 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von sven23 » Mo 21. Mär 2016, 16:23

Savonlinna hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Die Rezeptionsästhetik - also der Versuch, den künstlerischen Wert eines Werkes zu bestimmen - mag bei der Beurteiung von "Faust" eine Rolle spielen, aber nicht beim Matthäusevangelium.
"reader-response criticism" enthält nicht das Wort "Ästhetik". Und Jauß unterscheidet sehr präzise zwischen beiden Begriffen.
Also haben wir es hier wieder mal mit einem Wiki-Artikel zu tun, der gem. Savonlinna umgeschrieben werden muß.
Man kann auch selber nachdenken, was "Ästhetik" bedeutet.
Wikipedia ist wie die Bibel: sie erfordert beim Lesen selbständiges Denken und Kritikfähigkeit.

Ja und, willst du behaupten, die Bibelwissenschaft würde Blödsinn verzapfen und die Rezepionsästhetik würde in der Bibel keine Rolle spielen? :?
Ob wir es wohl in diesem Leben noch erleben werden, dass Frau Oberlehrerin mal einen Irrtum zugibt.? ;)
Zuletzt geändert von sven23 am Mo 21. Mär 2016, 16:39, insgesamt 1-mal geändert.
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#358 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von Savonlinna » Mo 21. Mär 2016, 16:38

sven23 hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben: Es ist, wie ich sagte: Rezeptiänsästhetik hat andere Anliegen als Rezeptionsgeschichte.
Das bestreitet ja niemand.
Erklär mir mal, worin Du den Unterschied siehst.
Und das Gemeinsame.

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#359 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von closs » Mo 21. Mär 2016, 17:00

sven23 hat geschrieben: Um die ursprüngliche Lehre und Glaubenswelt, die er vertreten hat.
Man kann herausfinden, welche Glaubenswelten es ist zur Zeit Jesu gab. - Aber wie willst Du wissen, was Jesus vertrat?

Vielleicht wollte er doch gerade eine andere Glaubenswelt begründen ("Ich aber sage Euch") - Paradigmen-Wechsel. - Wenn die HKM es sich zum Ziel NÄHME, Jesu Botschaft aus bestehenden Glaubenswelten zu erschließen, WÄRE sie komplett auf dem Holzweg.

sven23 hat geschrieben:Eines kann man heute mit ziemlicher Sicherheit sagen: Jesus beabsichtige keinesfalls, eine neue Religion zu gründen.
Korrekt - er wollte das AT evolutionieren - aber da hätten die Juden mitmachen müssen.

sven23 hat geschrieben:Es handelte sich viel mehr um eine innerjüdische Erneuerungsbewegung, die sehr stark auf das nahe bevorstehende Gottesreich ausgerichtet war und die Menschen ob der knappen Zeit zur Umkehr mahnte. Das läßt sich ganz unabhängig davon sagen, ob Jesus nun tatsächlich der Sohn Gottes war oder nicht.
Das ist der große, große Irrtum. - Die äußere Erfüllung ist doch gerade zu überwinden - Du sprichst wie ein Schriftgelehrter des AT. - Auch in dem, was Du theologische Forschung nennst, scheint das Entscheidende des NT überhaupt noch nicht kapiert worden zu sein.

sven23 hat geschrieben: wird aber auch von Kritikern der Forschung im großen und ganzen gute Arbeit bescheinigt. Deshalb braucht man sich hier nicht unbedingt Sorgen um die Qualität der Forschung zu machen.
Handwerklich ist das sicherlich korrekt. - Aber wie will man richtige Schlussfolgerungen ziehen, wenn man selbst alttestamentarisch eingestielt ist? - Wenn man das Wesen des NT überhaupt noch nicht kapiert hat?

SilverBullet
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#360 Re: Alles Teufelszeug? II

Beitrag von SilverBullet » Mo 21. Mär 2016, 17:12

closs hat geschrieben:
SilverBullet hat geschrieben:Angenommen keiner weiss, „was das sein soll“, dann kann keiner ein Ergebnis in dieser Richtung erzielen.
Damit kann Unterscheidliches gemeint sein:
Die Juden sagen: Prophet.
Die Trinitarier sagen: Gott.
Andere christliche Denominationen sagen: nicht Gott, sondern ein ganz besonderer Mensch.
Ein „Prophet“ soll ein „von Gott Berufener“ sein. Da „Gott“ nichts anderes, als die Anfangsfrage des Schöpferverdachts ist, wird daraus auch nicht mehr, wenn sich ein Mensch als „Berufener“ ausgibt. Bevor man sich um „Prophet“ kümmert, muss geklärt werden, was „Gott“ sein soll.

Die Aussage der „Trinitarier“ ist ein reines Schauspiel, weil sie lediglich die Anfangsfrage (Schöpferverdacht) wie eine Antwort behandeln. Diese Leute haben keine Ahnung, was „Gott“ sein soll.

„Ganz besonderer Mensch“ ist wunderschön formuliert, aber mindestens genauso lächerlich.
Es schreit einem regelrecht entgegen, dass hier keine Ahnung besteht, was denn das Besondere sein soll.

Fazit:
Keiner der hier aufgeführten „Experten“ kann ein sinnvolles Ergebnis, rund um „Gottes Sohn“ erzielen.
Keiner weiss, worum es gehen soll.

closs hat geschrieben:Bei gleicher wissenschafts-sachlicher Grundlage werden im schlimmsten Fall 4 verschiedene folgerichtige Antworten rauskommen
Richtig, es wäre der absolut schlimmste Fall, wenn man diese gesammelte Ahnungslosigkeit unter dem Gesichtpunkt von „Wissenschaft“ und „folgerichtiger Antwort“ behandeln würde.

Jemand, der bei dem, von ihm behaupteten Fundament, nicht weiss, was es sein soll, kann nicht auf Basis dieses Fundamentes einen Korrektheitsanspruch erheben.

Ein Auslegungs- und Textverständnisanspruch auf Basis von „kompletter Ahnungslosigkeit“ produziert lediglich willkürliche Ergebnisse entlang von Wunschvorstellungen.

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